Der Römerbrief - Kapitel 11

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Abschrift: Der Römerbrief I - IV (2001)
aus der Reihe "Christi unausspürbarer Reichtum"
von Gerhard Groß (+ 2022)

Mit freundlicher Erlaubnis von Gerhard Groß, Balingen
Der Römerbrief ist als Schrift noch erhältlich

siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

Der Römerbrief - Kapitel 11

Israels Überrest nach der Gnadenauswahl
Israel als Nation beiseite gesetzt
Israel ist nur zum Teil blind
Rettung des bußfertigen Israels
Lobpreis der Herrlichkeit Gottes

Israels Überrest nach der Gnadenauswahl

Röm 11:1

"Ich frage nun: Gott verstößt doch nicht Sein Volk? Möge das nicht gefolgert werden! Denn auch ich bin Israelit, aus dem Samen Abrahams, dem Stamm Benjamin."

Wie schon in Röm 9:1-3 und Röm 10:1 spüren wir in unserem heutigen Leitvers die Liebe des Apostels Paulus zu seinem Volk. Es schmerzt ihn zutiefst, dass dieses einen so schweren Weg gehen muss und dass seine Rettung soweit hinausgeschoben ist. Dazu kommen noch die falschen Folgerungen vieler Gläubigen, wegen Israels Widerspenstigkeit würde Gott Sein Volk endgültig verstoßen. Dabei bringt Paulus sich selbst ins Spiel: "denn auch ich bin Israelit"; womit er sagen möchte: Wenn jemand sein Volk Israel als von Gott verstoßen betrachtet, dann bin auch ich, Paulus, von Gott verstoßen!

Es mag unter uns Menschen üblich sein, etwas was nicht mehr gefällt, wegzuwerfen. Ähnliches wird vielfach auf Gott übertragen. Er erwählt zwar ein Volk oder einzeln Menschen, doch wenn sich das Erwählte nicht so verhält, wie Er es will, wird es verstoßen. Hier steht eine grundlegende, ja wohl die wichtigste Frage zur Antwort heran: Kann Gott überhaupt etwas misslingen? Kann sich etwas anders entwickeln, als Er es zuvor gewollt hat? Gibt es überhaupt in der gesamten Schöpfung Vorkommnisse, die nicht Seinem Ratschluss entsprechen?

Wir haben die Antwort schon oft gegeben und geben sie ferne immer wieder, denn kein Zeugnis kann schöner sein und verherrlicht unseren Gott und Vater mehr, als wenn wir mit aller Bestimmtheit alle obigen und ähnlichen Fragen mit einem entschiedenen "Nein" beantworten! Jeder irdische Baumeister, der ein Haus erbauen will, macht vorher genau Pläne und führt exakte Berechnungen durch. Erst wenn diese perfekt sind, folgt der eigentlich Bau. Wenn schon Menschen so sorgfältig planen und bauen, um wieviel mehr Gott! Würde auch nur das Geringste seinen Plänen zuwiderlaufen, wäre Gottes Herrlichkeit und Souveränität beschädigt. Und wer könnte dann sagen, dass sich auch in der erhofften Herrlichkeit nicht wieder ähnliche dinge ereignen, die gegen Seinen Ratschluss laufen? Wir dürfen glauben: "Ein Gott und Vater aller, der über allen ist und durch alle in allen wirkt" (Eph 4:6).

Röm 11:2

"Gott verstößt Sein Volk nicht, dass Er zuvor erkannte."

Mit wieviel Freude im Herzen mag Paulus die obigen Worte niedergeschrieben haben! Auch für Israel gilt Gottes Auswahlpinzip: Nicht Israel hat Gott, sondern Gott hat Sein Volk erwählt. In 5Mo 7:7 lesen wir, dass Gottes Auswahl das geringste unter allen Völkern traf. Dabei bezieht sich das Wort "gering" nicht nur auf die Zahl des Volkes, sondern auch auf dessen charakterlichen Zustand, wie sich ja erzeigte.

Paulus benutzt in unserem Leitvers das Wort "zuvor erkannt", das uns schon in Röm 8:29 begegnet ist, dort allerdings in Bezug auf uns, die Körpergemeinde. In beiden Fällen ist zutreffend, dass Gott nicht erst abzuwarten braucht, wie sich Seine infrage kommende Auswahl (bzw. Auserwählten) entwickelt, vielmehr erkannte Er diese, bevor sie überhaupt ins Leben trat. So schreibt Paulus in Bezug auf uns, dass wir schon vor dem Niederwurf der Welt in Christus Jesus auserwählt wurden (Eph 1:4), zu einer Zeit, als noch gar kein Mensch erschaffen war.

"Auserwählung" bzw. "zuvor erkannt" ist immer mit einem Zweck und Ziel verbunden. Israels Auftrag war und ist, ein königliches Priestertum und eine heilige Nation zu werden (2Mo 19:3-6). Das Ziel ist die Aufhauptung des Alls, und zwar, das auf der Erde. Bis zur Absonderung des Apostels Paulus war Israel das einzige Priestervolk. Doch das Volk hat sich dieser Aufgabe nicht würdig erwiesen. Anstatt Gott zu verherrlichen und Seine gnade zu preisen, hoben sie ihre eigenen Verdienste hervor. Der Schluss von Röm 10 zeigte uns ja, wie das Maß der Sünde voll wurde. Dies könnte zu der Annahme führen, dass Gott Sein Volk aufgegeben hat. Doch Röm 11 steuert dem entgegen. Gott kann einen Auftrag für eine bestimmte Zeit außer Kraft setzen, was aber niemals "endgültige Verwerfung" bedeutet.

Erinnern wir uns nochmals an 5Mo 7:7, wo die Auswahl festgemacht wurde, wo es aber in 5Mo 7:8 weiter heißt: "wegen Seiner Liebe zu euch ..." Und von der Liebe Gottes lesen wir in 1Kor 13:8: "Die Liebe wird niemals hinfällig"!

Röm 11:2-3

"Wisst ihr nicht, was die Schrift bei Elia sagt, wie er bei Gott gegen Israel vorstellig wird? Herr, Deine Propheten töten sie, Deine Altäre schaufeln sie herunter; nun bin ich allein übriggeblieben, und sie suchen nach meiner Seele."

Unser Leitvers zeigt uns einen Propheten, der, zermürbt und müde vom Kampf gegen das eigene Volk, resigniert. Noch auf dem Berg Karmel stellte sich Elia den Götzen von Baal entgegen und ließ es auf ein Gottesurteil ankommen. Beeindruckt von dem sichtbaren Eingreifen Gottes hörte das Volk kurzzeitig auf Elia, ergriff die Götzenpriester und tötete sie (1Kö 18:20 ff).

Doch die Ruhe hielt nicht lange an. In 1Kö 19 lesen wir bei Isebel, die nun mit Macht versuchte, den Tod der Baalspriester zu rächen. Elia floh in die Wüste und bat Gott, sterben zu dürfen. Doch Gott stärkte Seinen Diener, so dass dieser vierzig Tage und vierzig Nächte bis an den Berg Horeb gehen konnte. In einer Höhle sprach Gott zu ihm, und Elia klagte zweimal sein Leid (1Kö 19:10 u. 14).

Paulus zitiert diese Worte Elias, sie sind ein vernichtendes Urteil über das Volk. Wer bei diesem Vers stehen bleibt, kann in der Tat zu der Folgerung kommen, dass Gott dieses widerspenstige Volk einfach verstoßen muss. Doch wie wir schon ausführten: Wer Israel als verstoßen ansieht und sich selbst auch noch an dessen Stelle setzt und Israels Verheißungen auf sich bezieht, wird dadurch innerlich nicht reicher, sondern ärmer! "Ärmer" deshalb, weil der uns zugedachte Reichtum an Herrlichkeit, wie ihn der Apostel Paulus vom erhöhten Herrn enthüllt bekam, nur gering oder gar nicht mehr beachtet wird.

Und wie viele Gläubige schöpfen bis zum heutigen Tag ihre geistliche Hauptnahrung überwiegend aus den vier Evangelien?

Es ist richtig, dass Israel schwere Sünde auf sich geladen hatte, doch die Klage Elias ist kein Schlussstrich, sondern zeigt nur die eine Seite auf; im morgigen Teil sehen wir dann auch die andere Seite.

Röm 11:4

"Jedoch was sagt ihm die göttliche Weisung? Ich habe Mir siebentausend Männer übrig behalten, die ihre Knie nicht vor Baal gebeugt haben."

Auch Elia musste lernen, dass Gott nicht verstößt, sondern rettet, wenn auch am Anfang immer erst mit einer Auswahl oder einem Überrest. Und die Generationen nach Elia, wir eingeschlossen, müssen lernen, dass bei Gott alles Seine Zeit hat, auch die Rettung Seiner Geschöpfe.

Es wäre für Gott ein Leichtes gewesen, eine Schöpfung ohne das Böse und Üble zu schaffen. Doch es entsprach Seinem Ratschluss, diese erst unter den Einfluss des Bösen zu stellen, um sie dann in den riesigen Zeitläufen der Äonen wieder an Sein Herz zu ziehen. Den Grund haben wir schon oft genannt: Der Mensch wurde von Gott so geschaffen, dass er an Gegensätzen und durch die lernt. Das Licht und die Wärme der Sonne werden nur geschätzt, wenn zuvor die Kälte und Dunkelheit der Nacht verspürt wurden. Gottes Wärm und Liebe können wir nur schätzen, wenn wir zuvor die Gottesferne in der Dunkelheit des Bösen erlebt haben.

Doch wie wunderbar erzeigt Sich Gott den Menschen immer wieder darin, dass Er auch in dunkelster Nacht Sein göttliches Licht in etlichen Herzen hell brennen lässt und so immer und überall Wegweisung gibt!

Israel konnte und kann nie untergehen, selbst wenn es sich noch so weit vorn Gott entfernt. Es ist die Zurschaustellung göttlicher Liebe, dass Er immer eine bestimmte Auswahl beiseite stellte bzw. übrig behalten hat. Dabei wollen wir beachten, dass es zwar zum einen ein Zeichen menschlichen Mutes ist, wenn diese siebentausend Männer ihre Knie nicht vor einem Götzen gebeugt haben - doch wenn wir zum anderen genau lesen, sagt uns Gottes Wort: "Ich habe Mir übrig gelassen ...". Es sind also im tiefsten Grund nicht die heldenhaften Männer, die den Überrest ausmachen, sondern Gottes Wirken, welches hinter allem steht!

Röm 11:5

"So ist folglich auch in der jetzigen Frist ein Überrest nach der Gnadenauswahl vorhanden."

Paulus kehrt mit dem heutigen Vers aus der weit zurückliegenden Zeit des Propheten Elia zurück in die Zeit der "jetzigen Frist", wobei er exakt jene Zeit meinte, als er diesen Brief an die Römer niederschrieb.

Vom Wort Gottes her sind uns verschiedene Fristen bekannt, die bestimmte Zeitläufe Gottes kennzeichnen bzw. abgrenzen. Zu der Volksmenge sagte Jesus in Lk 12:56: "Ihr wisst das Angesicht des Himmels und der Erde zu prüfen; wie kommt es aber, dass ihr diese Frist nicht zu prüfen wisst?" In Lk 21:24 spricht Jesus von "den Fristen der Nationen". Paulus benutzt dieses Wort neben unserem Leitvers in 1Tim 4:1: "Der Geist sagt ausdrücklich, dass in den nachmaligen Fristen ..." und die Apostelgeschichte benennt "Fristen der Erfrischung" (Apg 3:20). Als wohl letzte Frist lesen wir in Eph 1:10 von einer "Verwaltung der Vervollständigung der Fristen", sowie in Hebr 9:10 von einer "Frist der Zurechtbringung".

Wir haben mit obiger Aufzählung keine Vollständigkeit der Vorkommen dieses Wortes angestrebt, sondern nur aufgezeigt, dass "Fristen" verschiedene Zeitabschnitte kennzeichnen, die uns dienlich sein sollen, Gottes Heilsplan besser zu verstehen und einordnen zu können. Unser Augenmerk gilt aber besonders der "jetzigen Frist", die in der Pfingstzeit begann und mit dem Zorn Gottes endet, nach dem. uns bekannten Kalender Gottes also drei Verwaltungen umfass. Dabei ist besonders beachtenswert, dass die "jetzige Frist" den Anbruch der Königreichsgemeinde, wie auch die Zeit der Herausrufung der Körperschaft Christi Jesu umschließt; wir müssen also besonders genau prüfen, von wem Paulus in unserem heutigen Leitvers spricht.

Dieses elfte Kapitel des Römerbriefes spricht von zwei Gruppen von Menschen, die als "Überrest" genannt werden. In 1Kö 19:18asen wir schon (im vorherigen Vers) von siebentausend Männern, die Gott übrig behalten hat. Wir dürfen wohl in ihnen die Antwort Gottes an Seinen Propheten Elia sehen, der vom stetigen Kampf lebensmüde geworden war und Gott nicht mehr zutraute, Seine Verheißungen an Seinem Volk zu erfüllen.

Paulus hingegen weist auf einen anderen Überrest hin, hebt er doch ausrücklich den Zeitbegriff "in der "jetzigen</u> Frist" hervor, wobei er noch die "Gnadenauswahl" betont. Wir müssen jetzt ganz besonders beachten, dass es zur Zeit der Niederschrift des Römerbriefes selbstverständlich schon Berufene Jesu Christi gab, die zur Körpergemeinde gehörten, dass aber auch überall noch jüdische Gemeinden bestanden, die dem Königreich zugeordnet werden müssen (dabei zeigt uns heute die Geschichte, dass die Königreichsgemeinde, di eja so hoffnungsvoll in der Zeit der Apostel entstand, langsam in dem Maße abnahm und zuletzt auslief, wie die Körpergemeinde wuchs und zunahm).

Es war für Paulus , ähnlich wie bei Elia, sehr schwer, zusehen zu müssen, wie das eigene Volk seinem Gott widersprach und Ihm entgegen handelte. Nach all dem was Paulus an Leiden, auch durch seine eigenen Stammesgenossen, aushalten musste (siehe 2Kor 11:23-38), wäre es nicht verwunderlich gewesen, wenn er, gleich Elia, resigniert hätte. Paulus resignierte nicht, im Gegenteil, zu groß und eindringlich war sein Erleben vor Damaskus; doch auch er durfte erfahren, dass sein Gott einen Überrest bewahrt und durch trägt, was ihm mit Sicherheit eine innere Stärkung war.

Es ist für uns immer ein großer Zuspruch, wenn wir aus der Geschichte sehen, wie Gott die Seinen durch trägt. Bei allen inneren und äußeren Leiden, in aller Schmach und Erniedrigung, in allen Anfechtungen gilt, was Paulus in 1Kor 10:13 schreibt: "Und Gott ist getreu, der euch nicht über das hinaus anfechten lassen wird, wozu ihr befähigt seid...".

Wir gehen heute der Frage nach: Wer ist jener Überrest nach der Gnadenauswahl? Die Frage ist deshalb berechtigt, weil es darüber verschiedene Ansichten gibt. Die eine sieht in diesem Überrest die Auswahl der Körpergemeinde Christi Jesu, wobei manche hier nochmals differenzieren und in dieser Gnadenauswahl nur den israelitischen Teil der Körperglieder sehen. Ihre Argumentation bezieht sich auf das Wort "Gnadenauswahl", was nur auf die Körpergemeinde zuträfe. Es wird auch angegeben, es handelt sich hier um die in Eph 1:11 erwähnten Glieder, mit denen sich Paulus durch ein "wir" zusammenschließt. Unterstützt wird diese Ansicht von der Tatsache, dass die "jetzige Frisst", von der unser Leitvers spricht, tatsächlich auch die Zeit der Körperschaft Christi Jesu einschließt.

Wir möchten der obigen Ansicht entgegenhalten, dass es sich bei dem von Paulus genannten Überrest um die "Königreichsgemeinde" handeln muss. Zwar ist im Römerbrief die Vorrangstellung der Juden noch nicht aufgehoben, doch nirgendwo unterscheidet Paulus in der von ihm gegründeten KJörpergemeinde zwischen einem Überrest aus Israeliten und den übrigen Nationen. Und im später niedergeschriebenen Brief an die Epheser betont er ja dreimal die Gemeinsamkeit in dieser Körperschaft (Eph 3:6), in der Israel und die übrigen Nationen ohne Vorrang gleichberechtigt, also eine Einheit sind. Und diese Einheit kann niemals als "Überrest" bezeichnet werden! (siehe auch Eph 4:4).

Bedenken wir auch, was Paulus in 2Kor 5:17 schreibt: "Daher, wenn jemand in Christus ist, so ist da eine neue Schöpfung: das Ehemalige verging, siehe, es ist neu geworden". Die Begriffe "Überrest" und "Neues" sind aber sehr unterschiedlich und können wohl kaum zusammen gesehen werden, sie schließen sich vielmehr gegenseitig aus.

Wenn wir also "den Überrest der Königreichsgemeinde" zuordnen, dann darf uns auch das Wort "Gnadenauswahl" nicht irritieren, wie wollen morgen noch einen Tag auf dieses Thema eingehen.

Fest steht, dass Israel auch die erneute Proklamation des Königreiches in der Zeit der Apostelgeschichte verwarf. Am Schluss der Apostelgeschichte sehen wir, wie das Volk beiseite gesetzt wurde (Apg 28:25-27). Mit Paulus fängt tatsächlich etwas Neue an, was sich vollkommen auf die Gnade stützt. Doch was wird aus den einzelnen Gliedern des Volkes Israel, die wir als "Gläubigen Überrest" identifiziert haben, welche die Botschaft unseres Herrn und Seiner Apostel angenommen haben?

Es ist keine Frage, dass etliche davon in den neuen Körper des Christus eingefügt wurden, Paulus selbst ist ja hier das beste Beispiel. Doch der größte Teil der gläubigen Israeliten wurde niemals zu Gliedern des Körpers Christi, sondern heilt weiter an der Köngreichshoffnung fest. Ihnen gilt: "Fürchte dich nicht, du kleines Häuflein, da es eurem Vater wohl erscheint, euch das Königreich zu geben" (Lk 12:32). Es waren auch jene, die den Herrn fragten: "Herr, stellst Du in dieser Zeit das Königreich für Israel wieder her?" (Apg 1:6).

Doch was soll mit diesem Überrest geschehen, wenn die Aufrichtung des Königreiches hinausgeschoben ist? Der Brief an die Hebräer beantwortet diese Frage. Es knüpft im Grunde an die Apostelgeschichte an, seine Empfänger sind die Gläubigen, die in diesem Brief erwähnt sind, wie dies aus vielen Anspielungen ersichtlich ist. Dass sie Hebräer waren, ist offenbar, nicht um der Überschrift dieses Briefes willen (die ja von Menschen gemacht wurde), sondern sowohl aus dem Eingangswort, als auch aus dem Gedankengang des ganzen Briefes. Diese Hebräer, die den Überrest darstellen, unter denen zur Zeit Pauli ja die zwölf Apostel waren, befanden sich durch das Versagen Israels in einer verzweifelten Lage, da sie ihre Erwartung immer mehr schwinden sahen. Ihr Glaube wurde also durch die Aufschiebung des Königreiches schwer geprüft!

Es bleibt noch die Frage, was im Weiteren mit den Herausgerufenen der Königreichsgemeinde geschah. Wir sagten schon, dass diese in dem Maße zahlenmäßig abnahmen, wie die Körpergemeinde wuchs. Die Königreichsgemeinde starb mit der völligen Beiseitestellung Israels buchstäblich aus. Zwar gab es noch eine Zeit des Übergangs, wir haben diese auch als achte der ingesamt zwölf Verwaltungen klassifiziert, nämlich als "Verwaltung des Übergangs", in welcher Paulus auch auf das zu enthüllende Geheimnis der gegenwärtigen Verwaltung vorbereitet wurde (Eph 3:2-3a und 6-7). Dieses Geheimnis beinhaltet die völlige Gleichberechtigung zwischen Juden und Nationen; jeder Israelit, der von da an gläubig wurde, miss der Körpergemeinde zugerechnet werden.

Die Körperschaft Christi Jesu, aufgebaut auf den vom erhöhten Herrn inspirierten Briefen des Apostels Paulus, ist in eine besondere Heilszeit Gottes eingebetet, die Verwaltung der Gnade. Die Gnade stellt also einen stützenden Hauptpfeiler dieser Zeit dar. Die heißt aber nicht, dass wir, wie man so schön sagt, "Die Gnade für uns gepachtet haben!" "Gnade" bedeutet ja wörltich "etwas, das Freude verursacht", und Freude. möchte Gott nicht nur uns erweisen, sondern in gleichem Umfang seinem Volk Israel und letztlich allen Menschen. So konnte schon Johannes schreiben: "Aus Seiner Vervollständigung haben wir alle erhalten, und zwar Gnade um Gnade" (Joh 1:16).

Wir als Körpergemeinde haben die Freude, dass uns Gott Seine Gnade in ganz besonderer Weise überströmend und als allein rettende Gabe darreicht. Doch denken wir an Joh 6:29 und Joh 6:44! War es nach diesen Worten nicht auch Gott Selbst, der den Glauben schenkte und die Auserwählten zu Jesus zogt? Das Geschenk des Glaubens an die Herausgerufenen der Königreichsgemeinde war genauso Gnade Gottes, wenn auch in nicht so allumfassender Art und Weise wie bei uns. Trotzdem war sie für Israel stets ein Quell der Freude.

Röm 11:6

"Wenn aber in Gnaden, dann nicht mehr aus Werken; sonst wäre die Gnade nicht mehr Gnade. Wenn aber aus Werken, dann ist es nicht mehr Gnade; sonst ist das Werk nicht mehr Werk."

Nach der Beweisführung der vergangenen Tage, dass Paulus nicht von der Körpergemeinde Jesu spricht, sondern von der auslaufenden Königreichsgemeinde, müssen wir auch mit obigem Leitvers die Richtigkeit unserer Aussage gelten lassen.

Es stimmt, dass gerade in obigem Vers die Gnade in besonderer Weise hochgehoben und den Werken entgegengesetzt wird. Doch worauf bezieht sich Paulus?

Lesen wir nochmals Vers 5, dort steht die Gnade in Verbindung mit der Auswahl, und diese Auswahl, das haben wir bereits gestern belegt, beruht allein auf Gottes Gnade. Auch zur Königreichsgemeinde kann niemand von sich aus kommen, es sei denn, der Vater zieht ihn. Und genau diesen Punkt spricht Paulus heute an.

In Joh 6:26-29 spricht Jesus zu der Volksmenge, die Ihm nachgezogen war, um erneut satt zu werden. Auf Seine Vorhaltungen antworten sie Ihm: "Was sollen wir tun, damit wir die Werke Gottes wirken?" Jesus antwortet ihnen in Vers 29: "Dies ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den derselbe ausgesandt hat". Jesus heroldete nicht die überhimmlische Berufung zur Körpergemeinde, sondern das Königreich auf eRden, und dies den verlorenen Schafen vom Haues Israel (Mt 15:24). Der Volksmenge sagte Er klar, dass die Gnadenauswahl Gottes kein Werk des Menschen, sondern Gottes Werk ist. Unser Leitvers fügt sich hier lückenlos und vollständig ein.

Der Unterschied zu uns liegt darin: Die Körpergemeinde ist in Christus gerechtfertigt und in der Gnade gerettet (Eph 2:8), das zukünftige Leben in der Herrlichkeit ist sicher! Die Königreichsgemeinde wird als Gnadenauswahl von Gott ohne eigene Werke gezogen, doch der von Gott gewirkte Glaube muss Werke hervorbringen, um gerechtfertigt zu werden (Jak 2:24), das äonische Leben ist also stets in Gefahr!

Israel als Nation beiseite gesetzt

Röm 11:7

"Was folgt daraus? Was Israel sucht, das hat es nicht erlangt, aber die Auswahl hat es erlangt."

Paulus zieht wiederum eine Schlussfolgerung. Was hat Israel als Gesamtvolk gesucht und nicht erlangt? Lassen wir uns hier an Röm 9:31-33 erinnern. Dort sagte Paulus aus, dass Israel einem Gesetz der Gerechtigkeit nachjagt, aber nicht in das Gesetz der Gerechtigkeit einläuft. Der Grund: Gestern lasen wir bei Jakobus, dass der Mensch aus Werken gerechtfertigt wird und nicht aus Glauben allein. Israel hatte aber über keinen Glauben, es wollte sich die Gerechtigkeit ohne Glauben aus eigenen WErken verdienen. Wie sollte es auf diesem Weg jemals Gerechtigkeit erlangen?

Aber das Volk lehnte nicht nur den Glauben ab, es stieß sich auch noch an dem Stein des Anstoßes, der in Zion gelegt wurde.

Erneut konfrontiert uns Paulus mit der Tatsache, dass auch die dem Königreich Zugeordneten eine Auswahl Gottes sind. Diese Auswahl erlangte das, wonach die Masse des Volkes erfolglos jagte. Die von Paulus genannte "Auswahl" ist, wie wir bewiesen haben, der Überrest der meissianischen Juden zur Zeit des Apostels Paulus. Sie bekamen den Glauben als Werk Gotte in Gnaden geschenkt, sie glaubten an Jesus Christus und Sein Opfer auf Golgatha. Ihre Erwartung war und ist äonisches Leben im Königreich auf Erden und danach auf der neuen Erde.

Im Unterschied zu uns kann dieses äonische Leben aber auch sehr schnell ab gebrochen werden, es ist von ihren Glaubenswerken abhängig. Ein Bild hierfür schattet das Ehepaar Ananias und Saphira ab. In Apg 5:1 ff lesen wir, dass sie ihre erworbenes Gut den Aposteln zu Füßen legten, also ohne Zweifel gläubig waren. Doch Habsucht und eine damit verbundene Lüge br achte beide buchstäblich zu Fall. Satan erfüllte ihre Herzen, ihr Glaube brachte keine guten, sondern auch schlechte werke zutage, die Folgew ar der sofortige Tod!

Äonisches Leben wird Israeliten also in Gnaden geschenkt, doch die Dauer hängt von ihrem Wandel bzw. von den Glaubenswerken ab!

Röm 11:8

"Die übrigen dagegen wurden verstockt, wie geschrieben steht: Gott gibt ihnen einen Geist der Betäubung, Augen, die nicht erblicken, und Ohren die nicht hören, bis auf den heutigen Tag."

"Die Übrigen" sind im Grunde die große Masse des Volkes, die nicht ausgewählt waren, die den Glauben als Werk Gottes nicht erhielten, und die der Vater nicht zum Sohne zog. Man könnte hier fast sagen, dass Gott diese "Übrigen" aus Israel dahingegeben hat, so wie wir es in Röm 1:24.26 und 28 in Bezug auf die Nationen gelesen haben. Doch im Gegensatz zu der Dahingabe der Nationen ist die Verstockung Israels nicht nur als ein Gericht zu sehen, sondern hat in Gottes Heilsplan eine weitreichende Bedeutung und eine große Aufgabe zu erfüllen.

Doch zuerst nehmen wir wiedierum einige Zitate aus dem AT auf, die Paulus gegen sein Volk anführt. Unser heutiges Zitat ist 5Mo 29:4; Jes 6:9-10 und Jes 29:10 entnommen. Wie schon in 5Mo 28 hat auch das Kapitel 29 Segen und Fluch über Israel. zum Inhalt, je nach Verhalten des Volkes. Wiederum, spricht Mose zum Volk und führt ihm vor Augen, was Gott alles getan hat. Er räumt aber auch in 5Mo 29:4 ein, dass Gott dem Volk bis heute (wobei Mose den Tag seiner Ansprache meincte) ikein Herz zu erkennen, keine Augen zu sehen un dkeine Ohren. zu hören gegeben hat.

Es ist beachtlich, wie hier schon Mose bekannte, dass Gott der alles Bewirkende ist. Nur Er kann Herz, Augen und Ohren öffnen! Die schweren Wege in Ägypten waren ihm hierbei sicherlich hilfreich. Auch Hiob konnte erst am Ende seines Leidensweges bekennen: "Ich erkenne, dass Du alles vermagst" (Hi 42:2). Leidenswege sind schon immer auch Segenswege gewesen!

Wir müssen also das Volk Gottes in der göttlichen Schule sehen. ES musste an den Punkt kommen, wo es erkennt, dass es aus eigener Kraft nichts bewirken kann. Jene denkwürdige Entscheidung des gesamten Volkes: Alle Worte, die Jewe gesprochen hat, wollen wir tun!" muss widerlegt werden. Doch wir dürfen auch erkennen, wie Gott in 5Mo 30 Seinem Volk jederzeit bei entsprechendem Verhalten die Möglichkeit zur Umkehr gibt.

Röm 11:9

"Und David sagt: Ihr Tisch werde ihnen zur Falle und zum Jagdnetz, zum Fallstrick der Vergeltung."

Es geht auch bei diesem Zitat aus Ps 69:23-24 um "die Übrigen"! Allerdings ist die Formulierung deutlich härter. David verflucht seine Feinde aus dem eigenen Volk, ja er bittet Gott sogar, sie aus der Rolle des Lebens zu tilgen.

David spricht mit seiner Angklage gezielt das Wohlleben an. "Ihr Tisch werde ihnen zur Falle" deutet ja darauf hin, dass üppiges Essen, wir würden es als "Schlemmen" bezeichnen, nur zu oft der Anfang vom Niedergang ist. Wenn Paulus sich auf diesen Psalm beruft, dann hat er sicher auch den gewissen Wohlstand seines Volkes unter der römischen Obhut imAuge gehabt.

Erinner wir uns an dieser Stelle wieder an das Beispiel des "Demas", der als Mitarbeiter des Paulus ausschied, weil er den Verkockungen dieses Äons nicht widerstehen konnte (2Tim 4:10).

Doch wenn wir schon den Ps 69 im Blick haben, so wollen wir, von unserem eigentlichen Thema kurz abweichend, doch darauf hinweisen, dass die Worte Davids mehr Tiefgang haben, sie schatten nämlich auch den Weg unseres Herrn auf Erden ab. Wenn wir die Verse unter diesem Aspekt lesen, sind wir doch tief bewegt, wie intensiv David die Leiden Jesu beschreibt. Besonders die Vers Ps 69:8-9 und Ps 69:11-13 geben ein Bild Seiner Erniedrigung und Verwerfung, die Verse Ps 69:15-21 zeigen uns die Qual seiner Seele in Gethsemane und Ps 69:22 ist ein genauer Hinweis auf die Bitte des am Kreuz hängenden Herrn, Seinen Durst zu stillen: "und für meinen Durst lassen sie mich Essig trinken".

Wenn wir nun David mit Paulus vergleichen, so haben sie beide gemeinsam, dass sie unter ihrem eigenen Volk leiden musste, doch anders als David verflucht Paulus sein Volk nicht, sondern leidet in seinem Herzuen über dessen Weg. Hier kommt vorbildlich die Gesinnung Christi, die auch in uns sein soll, zum Vorschein! (Phil 2:5).

Röm 11:10

"Ihre Augen sollen verfinstert werden, damit sie nicht erblicken. Und den Rücken beuge ihnen allezeit!"

Wenn wir die Worte Davids mit denen von Jesaja und Mose vergleichen, so fällt auf, dass die beiden letzteren, ohne Drangsal erbitten, von einer gegebenen Tatsache sprechen, die Gott Selbst gewirkt hat. David hingegen klagt mit bitteren Worten an und bittet Gott um schwerstes Gericht. Die heutigen Worte aus Ps 69:23-24 belegen diese harte Sprache. Dabei fällt besonders auf, dass David seine Verwünschungen für "allezeit" erfüllt haben möchte.

Auch hier sei uns wieder ein Vergleich mit Jesaja gestattet. In Jes 6 wird dem Propheten in einer Vision angezeigt, was über das Volk Israel kommen wird. Doch anders als David, der die strafe am lieben für "allezeit" verhängt gesehen hätte, hören wir von Jesaja die bewegende Frage, die uns auch in sein mitfühlendes Herz hinein schauen lassen: "Bis wann, Ieue?" (Jes 6:11). Obwohl auch Jesaja von schweren Wegen nicht verschont blieb, war sein Inneres nicht auf Vergeltung eingestellt, sondern auf Barmherzigkeit.

Leider gibt es auch heute noch viel zu viele Gläubige, die mit kaum fassbarer Härte eine endlose Höllenpein, ein endloses Gequältwerden, als Selbstverständlichkeit für jene voraussetzen, die noch nicht glauben können! Diesen Gläubigen ist die Herzensgesinnung des Jesaja fern, sie fühlen sich bei der Vorstellung einer Höllenqual, die "allezeit" andauern soll, scheinbar wohl und zufrieden!

Es kam bei Israel so, wie es kommen musste. In 5Mo 18:15 ff und 5Mo 29:15 ff ist beschrieben, was Ungehorsam dem Volk einbringt. Allerdings wird sich das letzte Wort in unserem Leitvers, welches sich auf die zeitliche Dauer bezieht, nicht erfüllen , weil bei Gott alle Gerichte ein Ende haben, auch die schwersten! Und dies deshalb, weil die Gericht Gottes ein unentbehrlicher Teil Seiner Offenbarung sind. Sie kennzeichnen Seine Heiligkeit und Gerechtigkeit angesichts der Sünde in jeder Form. Durch Gerichte macht Gott dem Sünder das Empfinden Seines Herzens über seine kränkenden Taten kund. Dies führt ihn letztendlich an des Vaters Herz zurück - in Dankbarkeit und Liebe!

Röm 11:11

"Ich frage nun: Sie straucheln doch nicht, damit sie fallen sollten? Möge das nicht gefolgert werden! Sondern um sie zur Eifersucht zu reizen, wurde durch ihre Kränkung den Nationen die Rettung zuteil."

Wir hatten in Vers 1 dieses Kapitels die Frage: "Gott verstößt doch nicht Sein Volk?" und nun kommt eine weiter Frage, die den Fall Israels betrifft. Die Frage irritiert zuernächst, denn einerseits weist Paulus an, Folgerungen wie das Straucheln und den darauf folgenden Fall Israels gar nicht aufkommen zu lassen, andererseits wissen wir aus der Geschichte, dass die Masse des Volkes Israel wirklich gestrauchelt und auch gefallen ist. Wir können diese nicht ganz leichte Frage auch anders formulieren, denn sie wird uns in diesem Kapitel noch zu schaffen machen. Gelangt das Gesamtvolk in das verheißene Erwartungsgut, nämlich in das messianische Königreich auf Erden?

Es ist gut, wenn wir uns bei solchen Fragen immer wieder an zuvor gemachten Aussagen orientieren. So lasen wir bereits in Röm 9:6: "... denn nicht alle die aus Israel stammen, sind Israel". Wenn wir diese Aussage überdenken, und dazu noch all jene Verse hinzuziehen, die vom "Überrest" oder "Gnadenauswahl" sprechen, dann merken wir, dass Paulus durchaus den zahlenmäßig kleinen Überrest oder die Gnadenauswahl auch als "Israel" bezeichnet.

Die bedeutet wiederum: Die große Masse des Volkes stammt zwar aus Israel, sie ist aber gemäß Röm 9:6 nicht Israel!

Wie stand nun Jesus zu den Verheißungen an Israel? In Röm 15:8 lesen wir, dass Christus die Verheißungen der Väter zwar bestätigt hat, aber Er hat sie auch präzisiert. So sprach Er in Mt 22:14 die so oft falsch verstandenen Worte: "Denn viele sind berufen, wenige aber auserwählt". "Berufen" waren die vielen des ganzen Volkes, doch nur wenige davon waren auch auserwählt. Diese wenigen die Jesus ansprach, sind identisch mit dem Überrest bzw. der Gnadenauswahl von der Paulus spricht. Auch diese wenigen, die auserwählt sind, sind letztendlich Israel!

Wir wollen das gestern Ausgesagte noch etwas ergänzen. Wir haben ja anhand der Schrift bewiesen, dass auch die wenigen, die auserwählt wurden, Israel sind. Die Verheißungen an die Väter waren ja nicht an Personen gebunden, sondern an ein Volk, und Letzteres wird auch "von wenigen" repräsentiert. Diese wenigen, welche die Auswahl darstellen, sind gemäß Joh 3:29 die Braut, ihr Namen werden nicht aus der Rolle des Lebens ausgelöscht werden (Offb 3:5), weil sie überwinden.

Die bereits verstorbenen Auserwählten aus Israel werden im Königreich auferstehen (Dan 12:12-13 und Offb 20:6), es wir für Israel die erste Auferstehung sein. Die noch Lebenden werden vor dem Erscheinen ihres Messias durch die große Trübsal gehen müssen, wie sie in Mt 24:21-22 angekündigt ist.

Aber was geschieht mit jener großen Masse des Volkes, die zwar aus Israel stammen und die doch nicht Israel sind (gem. Röm 9:6)? Nun, sie werden erst vor dem großen weißen Thron auferstehen und vor ihren gerechten Richter gestellt werden. Dort werden sie mit allen Nationen nicht nach Auswahl, nicht nach Glauben, sondern ihren Werken gemäß gerichtet. Auf das Ende gesehen dürfen wir aussagen, dass alle einmal das Erbarmen Gottes erfahren werden, wie es Paulus in Röm 11:32 ankündigt!

Wir wollen aber heute nicht vergessen, dass auch die eigenen Wege ganzer Generationen des Volkes Israel Gott nicht hindern können, Seine Pläne auszuführen, im Gegenteil. Gottes Weisheit gebraucht auch die Sünde und die der Sünde verfallenen Menschen, um an Sein Ziel zu kommen.

Wen meint Paulus in unserem Leitvers? Wer sind jenem die zwar offensichtlich straucheln, aber nicht fallen dürfen? Schauen wir wieder in die Apostelgeschichte und den dort beschriebenen Werdegang Israels.

Wir sahen bereits, dass Paulus im Zuge seiner Reisen immer zuerst die Synagogen seiner Volksgenossen aufsucht. Im pisidischen Antiochien schloss er dann ausdrücklich auch die mit ein "die Gott fürchten", also zuerst einmal Proslyten. Als dann beinahe die gesamte Stadt kam, um Paulus zu hören, wurden die ansässigen Juden eifersüchtig (Apg 13:26; Apg 13:44-47). In Ikonien geschah dasselbe wie in Antiochien. Die widerspenstigen Juden suchten alle Leute gegen Paulus aufzuhetzen. Einige hielten sich zu den Juden, andere zu den Aposteln. ES ist offensichtlich, Dass Gott zu erfüllen begann, was Er schon durch Mose geweissagt hatte (5Mo 32:21). Er machte Israel eifersüchtig durch solche, die nicht eine Nation darstellen, sondern aus vielen Völkern stammen. Durch viele Städte und Gemeinden hindurch erlebte Paulus nun immer dasselbe. Noch sollte Paulus immer zuerst zu den Juden gehen, doch nur noch zu dem Zweck, um sie zur Eifersucht zu reizen.

Wenn wir verstehen, dass Gott die Absicht hatte, durch Paulus Seine Weissagung betreffs der Eifersucht an Israel zur Erfüllung zu bringen, und dass er dazu den Dienst des Apostels unter den Nationen gebrauchte, dann werden wir auch verstehen, warum sogar gläubige Juden gegen Paulus waren! Als Paulus mit den eingesammelten Liebesgaben nach Jerusalem kam, wurde er vor den Zehntausenden von Juden gewarnt, die alle glaubten, aber alle auch eifrige Anhänger des Gesetzes waren. Sie gaben an, gehört zu haben, Paulus lehre den Abfall von Mose. Und zum Tumult kam es dann als Paulus in seiner Verteidigung aussagte, dass Gott ihn fern unter die Nationen senden werde (Apg 21:20; Apg 22:21-22). Hier dürfen wir jene erkennen, die zwar straucheln, was uns aber nicht folgern lassen darf, sie würden auch fallen!

Röm 11:12

"Wenn aber schon ihre Kränkung der Welt Reichtum ist und ihr Niedergang der Reichtum der Nationen, wieviel mehr wird es ihre Vervollständigung werden!"

Auch wir kommen mit unserer Auslegung ins Straucheln, wenn wir obigen Leitvers mit dem vorgegeb enen Wortlaut auslegen sollen. Es hilft uns, wenn wir in der Stichwortkonkordanz unserer konkordanten Übersetzung unter "Niedergang" nachschlagen. Dort finden wir bei dem griechischen Wort "hettema" als deutsche Bedeutung "Verminderung", was dem Text eine ganz andere Bedeutung gibt!!! auch in der englischen Unterzeilung des konkordanten griechischen Textes finden wir hier das Wort "diminisch", was übersetzt "Verringerung, Verminderung" heißt. Wir haben nachgeschlagen, was es mit dem griechischen Wort "hettema" auf sich hat und lasen, dass es auch als "Herabminderung" übersetzt werden kann, was sich eindeutig auf einen Zahlenwert bezieht. Interessant ist, dass auch Baader hier mit "Minderung" übersetzt, was mit unserer Auslegung übereinstimmt.

Mit dieser Übersetzung: "Wenn aber schon ihre Kränkung der Welt Reichtum ist und ihre Verminderung der Reichtum der Nationen...." lösen sich alle kritischen Fragen von selbst auf, denn diese Aussage fügt sich harmonisch in unsere bisherigen Auslegungen ein!

Doch zuerst lesen wir von "ihrer Kränkung". Israel hat in der Tat seinen Gott während seiner ganzen Geschichte fortlaufend gekränkt. Was muss das Herz Gottes empfunden haben, nachdem Er Sein Volk auf so wundervolle Art und Weise aus Ägypten herausgeführt und es mit Zeichen und Wundern jahrzehntelang in einer lebensfeindlichen Wüste bewahrt hatte, und dann mit ansehen musste, wie sich bei der ersten Gelegenheit das Volk einen goldenen Götzen baut und diesen anbetet! Drastischer kann die Kränkung Israels wohl kaum vorgeführt werden.

Und doch hat Gott dieses kaum verständliche Verhalten Seines Volkes gewirkt, um der Welt "Reichtum" zu schenken. Eine Welt ohne Gott ist arm! Doch wenn in der Welt Gottes Wort kommt, beginnt sie, reich zu werden!

Unter dem Wort "Welt" versteht man den gesamten Kosmos, im Griechischen bedeutet es "Welt als gottesfeindliche Gesellschaftsordnung". Durch Israels undankbares Verhalten wird das Wort Gottes von Israel genommen, es geht hinaus in alle Welt! Und diese Welt, die ohne das Wort Gottes im wahrsten Sinne "arm" war, wird nun unverdientermaßen "reich"!

Die Kränkung Israel war die eine Sache, Aber nun kommt auch noch ihre "Verminderung" dazu, d. h., das Volk Israel, mit dem Gott Seinen Ratschluss ausführen will, wird zahlenmäßig stark dezimiert. Übrig bleibt für den Einzug in das verheißene messianische Königreich nur noch der Überrest bzw. die Gnadenauswahl. "Kränkung" und "Verminderung" stehen ja in engstem Zusammenhang, weil gerade durch die Kränkung Gott die Zahl Seines Volkes bis auf einen Überrest vermindert hat bzw. vermindern wird.

Wie sieht der Reichtum der Welt bzw. der Nationen aus? Durch all die Jahrhunderte hindurch, wo Gottes Wort auch die übrige Welt außerhalb Israels erreichte, bewirkte es unter einer Großzahl an Menschen doch eine gewisse moralische Grundlage. Das ganze sogenannte Abendland! wurde christlich geprägt, was zwar noch nicht heißt, dass die Menschen in paulinischem Sinn gläubig und berufen waren, aber immerhin war Kenntnis über die Gebote Gottes vorhanden, was nicht zuletzt eine gewisse Gottesfurcht ergab. Dies hat sich all die Jahrhunderte positiv auf die Menschen ausgewirkt (wobei man heute sagen muss, dass von alledem kaum mehr etwas vorhanden ist.).

Doch der ganz große Reichtum der Nationen ist der, dass angefangen durch den Dienst des Apostels Paulus, eine bestimmte Zahl aus allen Nationen durch das Wort Gottes herausgerufen wurde und einen unermesslichen Reichtum erhielt. Indem sie zur Körperschaft Christi Jesu gerufen wurden. Die Kränkung und Verminderung des Volkes Israel war die Voraussetzung hierfür.

Wir kommen noch einmal kurz auf das Wort "hettema", in unserer konkordanten Wiedergabe mit "Niedergang" übersetzt, zu sprechen. Niedergang bedeutet im normalen Sprachgebrauch "Untergang"! Doch wie kann Paulus im Vers 11 jegliche Folgerung über Israels "Fallen" untersagen, aber schon im nächsten Vers 12 von dem "Niedergang" des Volkes sprechen! Wir ziehen also die der Tatsache näher kommende Übersetzung "Verminderung" vor, wobei wir keine Wortmanipulation vornehmen, sondern den möglichen Rahmen, den das griechische Wort "hettema" bietet, ausschöpfen.

Zu einer zahlenmäßigen "Verminderung" des Volkes, was ja auch den gegebenen Tatsachen entspricht, passt das Gegenstück: "Vervollständigung"! Auch "Vervollständigung" hat mit einem Zahlenwert zu tun; sie wäre unverständlich, wenn wir sie dem Wort "Niedergang" entgegensetzen würden!

Nun mögen manche dagegen halten, Israel sei ja dann im messianischen Königreich so vermindert, dass es seinen Dienst unter der Masse der Völker kaum ausführen könnte. Doch bedenken wir hier Folgendes: Auch die übrigen Nationen werden in einem furchtbaren Ausmaß durch den Zorn Gottes vermindert. Wenn schon in den beiden letzten Weltkriegen die Zahl der Toten viele Millionen war, wird es in dem durch Gottes Wort angekündigten nächsten Krieg nicht anders sein, sind doch die Vernichtungswaffen noch viel weitreichender und wirksamer als früher. Dazu kommen ab er vor allem die entfesselten Kräfte der Natur, denen sich kein Mensch entziehen kann, wozu auch die Kräfte der Himmel zählen. Wer sich die Mühe machen möchte, kann stellen wie Offb 6:4 und Offb 7:2; Offb 8:11; Offb 9:15 oder Offb 11:13 aufschlagen, da ist zu lesen, dass die Menschen sich im Krieg untereinander erwürgen, der vierte Teil getötet wird, die Erde bis auf die 144 000 beschädigt wurde, viele durch Wasser sterben, dann der dritte Teil der Menschheit umkommt usw.

Wir sehen also, dass sicherlich verminderte Volk Israel wird einer im gleichen Maß verminderten Nationenwelt gegenüberstehen!

Reich wurde die Welt dadurch, dass sie durch die Kränkung Israels Gottes Wort erhielt. Und der Kern des Reichtums der Nationen besteht in der Auswahl zur Körperschaft Christi Jesu, die ja auch nicht mögliche gewesen wäre, wenn Israel seinen Messias vor zweitausend Jahren angenommen hätte!

Doch Israel ist als Bundesvolk weder für immer verworfen n och für immer niedergegangen, sondern wird, wenn auch zahlenmäßig reduziert, seinen ihm zugedachten Auftrag wunderbar erfüllen. Dazu bedarf es aber auch seiner "Vervollständigung"! Dieses Wort ist uns geläufiger in Röm 11:25, wo sich die "Vervollständigung der Nationen" auf uns bezieht, wir also in den Augen Gottes eine zahlen- und schlungsmäßige Vervollständigung erreicht haben.

Doch auch das bis auf einen Überrest bzw. eine Gnadenauswahl bestehende Volk, welches lebend in das verheißene zukünftige Königreich eingehen wird, wird darin eine Vervollständigung erfahren, nämlich die für Israels erst Auferstehung der Toten (Offb 20:4-6).

Wir betonen hier die erste Auferstehung der Toten für Israel, weil wir, die Körperglieder, schon vorher als Auferstandene oder noch Lebende von unserem Herrn zu unauflöslichem Leben abgeholt werden, wir haben also in Christus eine "frühere Erwartung" (Eph 1:12).

Das durch die Auferstehung der Toten vervollständigte Israel wird, wie es Offb 20:6 bestätigt, seinen wunderbaren dienst an den Nationen aufnehmen und Priester Gottes und Christi sein, und mit Ihm tausend Jahre als Könige herrschen. Hier, und erst hier wird Israel den bis heute falsch verstandenen sogenannten "Missionsauftrag" von Mt 18:19 erfüllen, und die in einem großen und herrlichen Umfang, weil er nicht nur eine zahlenmäßig kleine Auswahl wie die Körpergemeinde erfasst, sondern "die Nationen zu Jüngern" machen wird. In der Tat: Ihre Vervollständigung wird für die Nationen unschätzbarer Reichtum sein!

Israel ist nur zum Teil blind

Röm 11:13

"Euch Nationen aber sage ich: Insofern ich nun der Apostel der Nationen bin,"

Nach den so überaus wichtigen und auch uns tief bewegenden Aussagen im Blick auf Israel hat Paulus jetzt uns etwas Wichtiges zu sagen. Die Wichtigkeit seiner nachfolgenden Worte unterstreicht er mit dem Hinweis: "Insofern ich nun der Apostel der Nationen bin!"

Dieser Hinweis birgt einen gewissen Teil an Traurigkeit in sich, denn er offenbart die praktische Erfahrung des Apostels, dass er noch zu seinen Lebzeiten nicht in dem Maß anerkannt wurde, wie er es erwartet hatte. Seinem Glaubenssohn Timotheus berichtet er, dass sich alle in der Provinz Asien von ihm abgewandt haben (2Tim 1:15), und besonders geschmerzt haben muss ihn das Verlassen seines Mitarbeiters Demas (2Tim 4:10). Bei seinem späteren Gefängnisaufenthalt in Rom war er nur noch schwer aufzufinden, weil so viele nichts mehr von ihm "als Gefangenem" wissen wollten.

Der Trend, der damals schon sichtbar war, hat sich bis heute fortgesetzt. Dabei geht es nicht um die Fra ge der Zugehörigkeit zur Körpergemeinde - die ist allein vom Gnadengeschenk des Glaubens abhängig - es geht um die richtige Belehrung des uns Betreffenden! Wie viele Geschwister lassen sich viel lieber von dem Evangelium an die Beschneidung belehren als von Paulus, der vom erhöhten Herrn als Lehrer der Nationen eingesetzt wurde (Eph 3:8-9). Nur Paulus war als Herold eingesetzt, die Nationen darüber zu erleuchten, was die Verwaltung des Geheimnisses betrifft. Das Gegenteil von "erleuchten" ist "im Dunklen bleiben", und genau dies ist bei so vielen Gläubigen, was das Geheimnis betrifft, der Fall!

Auch im Brief an die Epheser hören wir nicht nur die Bestätigung als Apostel der Nationen, sondern auch leise den Schmerz heraus, dass ihn ni ht alle hören: "Mithin bin ich, Paulus, der Gebundene Christi Jesu für euch, die aus den Nationen - wenn ihr nämlich von der Verwaltung der Gnade Gottes gehört habt, die mir für euch gegeben ist ..." (Eph 3:1-2).

Röm 11:13-14

"... verherrliche ich meinen Dienst, ob etwa ich die von meinem Fleisch zur Eifersucht reizen. und einige aus ihnen retten könnte."

"Dienst für Gott" ist immer Herrlichkeit, auch wenn er irdische Drangsale und Leiden mit sich bringt. Eine besondere Art von Verherrlichung seines Dienstes sieht Paulus aber darin, dass es ihm vielleicht gelingen könnte, einige aus seinem eigenen Volk zu retten.

Es ist niemand zu verübeln, wenn er zuerst an seine eigene Familie, seine Heimat oder sein Vaterland denkt. So ist es selbstverständlich, dass Paulus als Israelit auch seine Brüder dem Fleisch nach in besonderer Weise im Auge hat. Schon Aussagen wie in Röm 9:1-3 oder Röm 10:1 ließen uns in das mitfühlende Herz des Apostels schauen.

Auch unser heutiger Leitvers zeigt erst einmal das. Sehen des Apostels zur Rettung von einigen. Wenn er hier von "zur Eifersucht reizen" spricht, meint er aber den positiven Effekt, nämlich die Rückbesinnung der Betroffenen auf ihren Stand als Gottes Volk. Es muss Paulus klar gewesen sein, dass nur wenige das Erwartungsgut des messianischen Königreiches erreichen werden, sprach er doch schon an früherer Sttelle von "Überrest" bzw. "Gnadenauswahl". Die Masse des Volkes kommt nicht zur ersten Auferstehung, die die Betroffenen als "glückselig und heilig" preist (Offb 20:6). Wir sehr wünscht sich Paulus, doch noch einige des Volkes für diese erste Auferstehung zu retten, er sieht darin seinen Dienst verherrlicht.

Wir müssen an dieser Stelle erkennen, das Paulus vor seiner Gefangennahme und Überführung nach Rom immer noch neben seinem Dienst an den Nationen auch an seinem Volk Königreichsdienst tat. Die Zeit in welcher Paulus diesen zweifachen Dienst versah, bezeichnen wir unter den insgesamt zwölf Verwaltungen als "die Verwaltung des Übergangs". Erst als Paulus ins Gefängnis nach Rom überliefert wurde, begann seine alleinige Aufgabe an den Nationen, das Geheimnis von Eph 3 zu enthüllen, es begann die "Verwaltung des Geheimnisses".

Röm 11:15

"Denn wenn ihre jetzige Verwerfung der Welt Versöhnung ist, was wird ihre Wiederannahme sein, wenn nicht Leben aus den Toten?"

Unser heutiger Leitvers ist zwar als "Frage" deklariert, doch im Grunde ist es eine Feststellung bzw. Tatsache, die Paulus hier anführt.

In Vers 12 sprach Paulus noch sehr zurückhaltend von Israels "Kränkung" und Niedergang, was wir besser mit "Verminderung" wiedergegeben haben, wobei Paulus offensichtlich auch die dortmals bestehende Königreichsgemeinde einschloss. Heute spricht er deutlich von "Verwerfung", was für die große Masse des Volkes zwar eine endgültige Tatsache darstellt, für das Volk Israel aber in seiner Existenz nur eine zeitliche Verwerfung bedeutet, denn seine Wiederannahme ist ja bereits angekündigt.

Nachdem die Welt und die Nationen durch die Verminderung Israels "Reichtum" in Form von Gottes Wort erhalten haben, bringt Paulus diesen Reichtum in unserem Leitvers zum Höhepunkt: Die (zeitliche) Verwerfung Israels ist der Welt Versöhnung". In 2Kor 5:18-19 lesen wir hierzu: "Das alles aber ist aus Gott, der uns durch Christus mit Sich Selbst versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung gegeben hat. Denn Gott war in Christus, die Welt mit Sich Selbst versöhnend: Er rechnet ihnen ihre Kränkungen nicht an und hat in uns das Wort der Versöhnung niedergelegt."

Diese Worte sagen im Grunde alles aus, was zu sagen ist. Gott hat Sich in Christus am Kreuz mit der Welt versöhnt. Dies ist erst einmal eine einseitige Tatsache. Die andere Seite, nämlich die Welt, muss die Versöhnung ja auch erkennen. und annehmen, erst dann ist die Versöhnung beidseitig und damit eine Aussöhnung ! Doch vorerst wissen wir, dass aus der Welt bzw. aus den Nationen nur Einzelne die Versöhnung erkannt und diese dankbar und glücklich angenommen haben, wozu auch wir, die Glieder am Körper des Christus, uns zählen dürfen.

Wir sagten gestern schon aus, dass das Fragezeichen am Schluss unseres Leitverses eigentlich ein "Ausrufungszeichen" sein müsste, denn Paulus stellt hier nichts in Frage, sondern macht eine Feststellung, allerdings in der Form einer Frage.

Zur Verwerfung Israels hat unsere konkordante Wiedergabe richtigerweise das zwar nicht im Urtext vorkommende, aber doch zum Verständnis helfende Wort "jetzige" eingefügt, was bedeutet, dass die Verwerfung ein Ende haben wird. "Verwerfung" bedeutet, dass Gott Sein Volk beiseite gestellt hat, das Wort der Wahrheit wurde von ihm genommen und den Nationen überbracht. Träger dieses Evangeliums an die Nationen ist der Apostel Paulus.

Im gleichen Satz betont Paulus ja auch die "Wiederannahme", d.h. Israel als Bundesvolk Gottes wird in den Stand versetzt, in dem es wieder Träger des Wortes Gottes ist, ja noch mehr: Hat Israel das Wort in der Vergangenheit egoistisch nur auf sich bezogen, so wird es nach der Wiederannahme mit großer Freude jene Stellung einnehmen, die ihm von Gott zugedacht ist: "sie werden Priester Gottes und Christi sein, und mit Ihm die tausend Jahre als Könige herrschen" (Offb 20:6).

Doch zuvor heißt es: "Was wird ihre Wiedernannahme sein, wenn nicht Leben aus den Toten?" Dieses "Leben aus den Toten" umfasst die Auferstehung all jener verstorbenen Israeliten, die dem Königreich zugeordnet sind. Es ist, wie wir schon angeführt haben, die in Offb 20:4-6 angeführt "erste" Auferstehung. "Glückselig und heilig ist, wer an der ersten Auferstehung Anteil hat". Aber Leben aus den Toten hat auch einen bildlichen Charakter, wie wir es in Lk 15:24 lesen. Ein "Lebender" war bildlich tot und lebt bildlich wieder auf. Der Vater nimmt den heimkehrenden Sohn, der für ihn lange Zeit tot war, in die Arme, er lebt wieder auf ... welch herrliches Bild für Israel!

Röm 11:16

"Wenn aber der Erstlingsteig heilig ist, dann auch die Teigmasse, und wenn die Wurzel heilig ist, dann sind es auch die Zweige."

In den folgenden Versen stellt uns Paulus zwei irdische Vergleichsbilder vor Augen, um uns geistliche Wahrheiten zu verdeutlichen. Im ersten Bild ist die Rede vom "Erstlingsteig", was wörtlich "ein von anderem gesonderter Anfang" bedeutet. Jeder Israelit kennt dieses Bild aus der "Vorschrift von der Erstlingsgabe", wir finden sie in 2Mo 22:28; 3Mo 2:12; 4Mo 18:12; 5Mo 18:4 und 5Mo 26:2; Neh 10:36 und Spr 3:9. In 3Mo 23:9-14 lesen wir vom Passah fest, dem Versöhnungstag, wo ein Opfer dargebracht werden soll. Dies führt uns. zu der Erfüllung durch das wahre Passahlamm, zu Christi Opfer auf Golgatha. Er ist der wahre Erstling.

Nachdem wir Worte wie Röm 9:6: "nicht alle, die aus Israel stammen, sind Israel", sowie in Röm 9:11-13 von "Gottes Vorsatz als Auserwählung", in Röm 9:27 von der Rettung nur eines Überrestes und in Röm 11:5 von einer "Gnadenauswahl" gelesen haben, können wir obigen Leitvers nicht plötzlich mit der Rettung des gesamten Volkes in Verbindung bringen, wiewohl Gott n ach Seinem Erbarmen alle retten wird, nur eben zu Seiner Zeit!

Wer ist also der "Erstlingsteig", wer ist die Teigmasse; wer ist die Wurzel, wer sind die Zweige? Beachten wir hier noch einmal die Anrede, an welche diese Worte gerichtet sind: "Euch Nationen aber sage ich ... (V. 13). Wir Nationen sind aber mit Israels Gebrächen und Festen nicht sonderlich vertraut, sie gelten ja auch ausschließlich Israel! Wenn aber die Erstlingsgabe schon bei Israel seine Erfüllung in Christus fand, dürfen wir auch den von Paulus genannten Erstlingsteig auf "Christus" anwenden, zumal "Erstlingsteig" und "Wurzel" beide Male in der "Einzahl" stehen, die "'Teigmasse". und die "'Zweige" jedoch in der "Mehrzahl" genannt werden. Und dieser Erstling "Christus" hat Sich nicht nur für das Volk Israel geopfert, sonder für "alle", womit das gesamte All gemeint ist!

Christus ist aus den Toten auferweckt worden, doch nicht allein das, sondern Er ist der Erstling der Entschlummerten. Gerade so wie jedes Jahr eine Getreidegarbe als Sinnbild und Verheißung der übrigen noch einzubringende Früchte vor dem Herrn gewoben wurde (3Mo 23:10), so war Christus bei Seiner Rückkehr aus den Toten nur ein Anfang, auf den zur gebührenden Zeit die ganze Ernte folgen wird. Der Erstling war und ist also der Garant für die übrige Ernte.

Dass wir in Christus den absoluten Erstling sehen, haben wir schon betont, wir tun dies heute nochmals mit Kol 1:18b: "... so dass Er in allem der Erste werde."

Was von dem Erstlingsteig, dem Einen wahr ist, gilt keimhaft auch von allen Übrigen. Das Bild von der Teigmasse soll uns erst einmal z eigen, dass der gesamte Teigklumpen aus den gleichen Material besteht. Wird ein Stück aus dem Klumpen herausgenommen, so kann dieses wohl anders geformt und behandelt werden als der Rest, doch in seiner Substanz ist es immer noch derselbe Teig. Ist also Christus als Erstling heilig, dann auch die Teigmasse jenes Volkes, zu dem Er zuerst gekommen ist, nämlich. zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel (Mt 15:24), und es geht hier ja immer noch um Israel.

"Heilig" heißt ja "abgesondert", und hier: "abgesondert" von Gott zu einem besonderen Dienst. Christi Absonderung erfüllte sich in Seinem Tod am Kreuz, Israels Absondern wird sich erfüllen, wenn das Volk seinen eigentlichen Auftrag im Königreich erfüllen wird, der Garant dafür ist der Erstling! Und dass Israel seinen Auftrag wunderbar erfüllen wird, hat nichts mit der Zahl des Volkes zu tun, sondern mit der Tatsache, dass Israel nie aufhören wird, als Bundesvolk Gottes zu existieren!

Röm 11:17

"Wenn nun einige der Zweige herausgebrochen wurden und du als wilder Ölbaum unter sie eingepfropft und Mitteilnehmer an der Wurzel und der Fettigkeit des Ölbaums geworden bist,"

Wir haben beim letzten Vers das Bild der Wurzel und der Zweige übergangen, weil es im Prinzip das gleiche aussagt wie das Bild vom Teig und wir mit dem heutigen Vers sowieso ausführlich auf dieses Bild eingehen werden, allerdings unter einem anderen Aspekt.

Ein Baum besteht grundsätzlich aus Wurzeln, Stamm und Zweigen. Im Wort Gottes sehen wir an vielen Stellen, wie Israel am Bild eines Ölbaumes dargestellt wird. Nun sagte uns ja der gestrige Vers, dass die Wurzel der Ölbaum "Christus" ist. Demnach dürfen wir im Stamm des Baumes "das Volk Israel" sehen, er bleibt immer bestehen, auch wenn die einzelnen Zweige entfernt oder durch Einpfropfung ausgetauscht werden.

Dass vom Stamm des Ölbaumes Zweige aus- bzw. abgebrochen wurden, ist ja eine Tatsache, und die Frage des "warum" sehen wir vorgreifend in Vers 20: "infolge ihres Unglaubens!" Damit bestätigt sich aufs Neue Röm 9:6: "Denn nicht alle, die aus Israel stammen, sind Israel ...", und wir könnten jetzt diesem Wort noch anfügen: ".,.. weil sie vom Stamm des Baumes herausgebrochen wurden!" Bis hierher ist die Auslegung des Verses 17 klar. Doch im Weiteren wird es komplizierter, denn Paulus spricht plötzlich vom "du" als wildem Ölbaumzweig, der in den Stamm des edlen Ölbaums eingepfropft wird.

Man ist hier allgemein mit der Auslegung sehr schnell und behauptet, das Paulus uns, die Gläubigen aus den Nationen, anspricht. Doch wer nicht nur einzelne Worte oder Verse betrachtet, sondern auch das gesamte Umfeld, muss sehr schnell zu der Erkenntnis kommen, dass diese eingepfropften Zweige niemals "wir", die Körpergemeinde Christi Jesu sein können: Die Begründung liefert auch hier vorgreifend Vers 21, wo wir lesen können, dass auch diese wilden Zweige wieder ausgebrochen werden können!. Wäre dies bei den Gliedern am Körper des Christus möglich?

In Eph 2:8-9 lesen wir über uns: "Denn in der Gnade seid ihr Gerettete, durch Glauben, und dies nicht aus euch, sondern Gottes ist die Nahegabe, nicht aus Werken, damit sich niemand rühme." Allein schon diese Aussage schließt aus, dass ein solchermaßen Berufner von Gott wieder ausgestoßen oder abgeschnitten wird oder auf sonst eine Weise seiner Rettung verlustig geht; Gott hätte Sich ja dann in Seiner Auswahl vor dem Niederwurf der Welt geirrt!

Wenn es wir nicht sind, wer ist es dann, den Paulus mit "du" anspricht? Wir wollen versuchen, den infrage kommenden Kreis einzugrenzen. Die Rede ist zum Ersten von dem "wilden" Ölbaum, im Gegensatz zum "edlen" bzw. "veredelten" Ölbaum. Bei dem edlen Ölbaum dürfen wir davon ausgehen, dass er durch Pflege und Behandlung des Meistergärtner "edel" wurde. Die übrigen Ölbäume wurden in ihrem wilden bzw. verwilderten Zustand belassen. Vor uns steht somit das Bild der einen Nation Israel als edler Ölbaum und den übrigen Nationen als wilde Ölbäume. Damit heißt die Aussage Pauli: Solche aus den Nationen (wilde Zweige) wurden in den Stamm Israel (den edlen Ölbaum) eingepfropft. Wenn es aber wir, die Körpergemeinde nicht sind, wer dann? Beachten wir hier, dass Paulus in der Vergangenheit redet, d.h., er blickt auf Dinge zurück, die schon geschehen sind. Wir müssen also versuchen, auch eine zeitliche Eingrenzung zu schaffen.

Zur Erdenzeit Jesu war es den Nationen kaum möglich, in den stamm des edlen Ölbaums Israel eingepfropft zu werden, die demonstrierte der Herr Selbst an einem kanaanäischen Weib (Mt 15:21-27). Seine generelle Ablehnung der Nichtjüdin gipfelte darin, dass er sagte: "Es ist nicht schön, den Kindern das Brot zu nehmen und en Hündlein hinzuwerfen". Das Sich Jesus trotzdem der kranken Tochter erbarmet, war wohl die rühmliche Ausnahme. Damit bleibt als fraglicher Zeitraum nur noch die Zeit nach Jesu Auferstehung, die Zeit der Apostelgeschichte, die wir als "Pfingstverwaltung", und somit als siebente vorn insgesamt zwölf Verwaltungen kennen.

Wie spannend kann doch Gottes Wort sein, wenn wir beginnen, einer Sache auf den Grund zu gehen! Wir haben jetzt den möglichen Kreis so eng gezogen, dass nur noch ein Personenkreis offen ist, den Paulus meinen kann.

Die "Pfingstverwaltung" wurde ja von der Proklamation des Königreiches beherrscht. Jesus war auferstanden, verhältnismäßig große Mengen an Juden kamen zum Glauben, und die Kräfte des zukünftigen Königreichäons wurden durch Zeichen und Wunder sichtbar. In dieser Zeit war es, dass Gott mit viel Geduld Seinen Apostel Petrus dahin brachte, in das Haus des römischen Hauptmannes Kornelius. zu gehen, um diesem Gottes Wahrheit nahezubringen (Apg 10:1 ff). Es ist schon ergreifend, wie lange sich Petrus sträubte, und wie dann dieser Dienst belohnt wurde. Er gipfelte in den Worten Petri: "In Wahrheit erfasse ich nun, das sGott nicht die Person ansieht, sondern dass Ihm in jeder Nation der annehmbar ist, der Ihn fürchtet und Gerechtigkeit wirkt" (Apg 10:34).

Der römische Hauptmann Kornelius, zwar ein Proselyt, steht hier stellvertretend für viele andere Fälle als einer aus den Nationen vor uns, der als wilder Ölbaumzweig in den edlen Stamm eingepfropft wurde. Wir müssen ganz klar unterscheiden, dass hier kein Anbruch der Körpergemeinde zu sehen ist (dies war der Auftrag des Paulus an dem römischen Prokonsul Sergius Paulus in Apg 13:6 ff), sondern der mögliche Anbruch des Königreiches, der Dienst an Kornelius wurde dem Apostel Petrus übertragen!

Damit haben wir ein akzeptable Ergebnis: Die wilden Zweige konnten nur zu Lebzeiten Pauli eingepfropft worden sein! Während der Beiseitesetzung Israels war dies ja wohl kaum mehr möglich! Es waren jene Erstlinge aus den Nationen, die einen Anbruch des Königreiches abschatteten und durch Israels Dienst belehrt und zur Wurzel, zu Christus, geführt wurden. Kornelius steht hier als Beispiel vor uns!

Röm 11:18

"so prahle nicht gegen die anderen Zweige! Wenn du aber prahlst, bedenke, nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich."

"Überheblichkeit" ist eine Eigenschaft, die ein Großteil der Menschheit als unschöne Veranlagung schon von Kind an in sich trägt. Es ist oft verblüffend, wenn wir schon Kleinkinder beobachten, wie sie sich im Spiel gegenseitig übertrumpfen wollen, was nicht selten sogar unter den Kleinsten zu Handgreiflichkeiten führt. Jeder möchte der Beste sein und das Beste haben!

Wir Gläubigen, egal wo wir hingehören, sind nicht besser als die anderen. Überheblichkeit, auf vornehme Art genormt, ist in allen Kreisen zu finden, auch bei uns! Auch wenn Paulus in diesen Versen eine ganz bestimmte Gruppe aus den Nationen im Auge hat, so brauchen wir uns hier nicht unangesprochen fühlen. "Prahlen" nicht auch wir gegenüber Israel, wenn wir von einer "viel höheren", "viel kostbareren" Berufung sprechen?

Wir haben in unseren Schriften immer wieder versucht, unsere Berufung nicht höher als die von Israel einzuschätzen. Es geht nicht um Werturteile, sondern um eine Aufgabe, "um die Aufhauptung des Alls in Christus!" Und bei der Erfüllung dieser Aufgabe werden beide Werkzeuge Gottes, nämlich Israel und die Körpergemeinde, so viel Freude und Glück erfahren und empfinden, dass keiner bevorzugt oder benachteiligt sein wird! Gibt es größeres, als Geschöpfe Gottes, ob sichtbare oder unsichtbare, ob auf. Erden oder in den Überhimmeln, zu Christus zu führen?d

Doch eine ganz schlimme Abart der Prahlerei ist wohl die, dass sich solche aus den Nationen anmaßen, die Rolle Israels bekommen zu haben! (wobei sie sich in Wirklichkeit diese Rolle selber anziehen). So ist nicht selten zu hören, Israel ist von Gott verworfen, "Wir sind jetzt Israel!" Wer sich solches anmaßt, bescheinigt sich selbst eine ganz geringe und vor allem einseitige Schriftkenntnis!

Röm 11:19

"Du wirst nun erwidern: Die Zweige wurden herausgebrochen, damit ich eingepfropft würde."

Wir haben in den vergangenen Tagen wiederholt festgestellt, dass Paulus unmöglich uns, die Körpergemeinde mit jenen meinen kann, die als wilde Zweige in den edlen Ölbaum eingepfropft werden, und dies aus dem einfachen Grund, weil kein Glied am Körper des Christus jemals mehr ausgebrochen werden kann! Es ist also gut, wenn wir diese Verse so verstehen, dass Paulus zwar nicht von uns, wohl aber mit uns über Israel und die Nationen redet!

Kein Gläubiger, der die Aussagen des Apostels Paulus verstanden hat und sich der Körpergemeinde Christi Jesu zugehörig weißt, wird sich anmaßen, an die Stelle Israels getreten zu sein. Anders sieht es allerdings aus, wenn wir unser sogenanntes christliches Umfeld betrachten. Da wäre z.B. die große Volkskirche, die sich sehr wohl in der Rolle Israels gefällt. Sie hat sich sogar in ihrem Papst auch noch die Rolle des Petrus zugesprochen. Neben den vielen größeren und kleineren Gruppen und Sekten wären noch besonders die "Zeugen Jehovas" zu erwähnen, die Israel für immer und ewig als verworfen betrachten und sich als die von Gott erwählten Nachfolger sehen. Ihre "Königreichssäle" sprechen hier Bände!

So können wir die folgenden Aussagen Pauli nicht nur auf jene anbruchhafte Pfingstzeit beschränken, sondern müssen die Grenzen ausweiten. Paulus muss gewusst oder zumindest geahnt haben, dass sein Volk den Nationen gegenüber einen schweren Stand haben wird, dass es gehasst und verfolgt werden wird, was ja inzwischen längst furchtbare Geschichte geworden ist.

An seinen geliebten geistlichen Sohn Timotheus schreibt Paulus, dass eine gefährliche Frist kommen wird, in welcher viele Menschen eine Form der Frömmigkeit haben werden, die Kraft derselben aber verleugnen, die von der Wahrheit abschweifen und viele mehr (2Tim 3:1 ff und 2Tim 4:1-4). Hier dürfte der Kreis zu suchen sein, den Paulus jetzt mit einbezieht.

Röm 11:20

"Schön; infolge ihres Unglaubens wurden sie herausgebrochen, du aber stehst durch den Glauben. Sei nicht hochmütig gesonnen, sondern fürchte dich!"

Wir betonen auch heute der Wichtigkeit halber, dass Paulus in diesen schwer verständlichen Versen nicht uns persönlich anspricht, sondern mit uns über die damalige Lage redet, denn: das Ausbrechen der Zweige geschah ja nicht heute, sondern vor zweitausend Jahren, und das Einpfropfen der Nationen liegt nicht minder lange zurück, wir erinnern an die Worte des Petrus in Apg 10:34-35: "... das Gott nicht die Person ansieht, sondern dass Ihm in jeder Nation der annehmbar ist, der Ihn fürchtet und Gerechtigkeit wirkt".

Wir müssen auch bedenken, dass es zu jener Zeit den Anbruch einer Königreichsgemeinde gab, sowie den Anbruch einer Körpergemeinde, beide Heilsträger liefen Parallel nebeneinander her. Wichtig ist zu erkennen, dass Paulus anfänglich beiden Heilträger diente, dass er also eine Art Doppelaufgabe ausübte. Selbst am Abschluss der Apostelgeschichte sehen wir einen Paulus, der sich mit den Juden über das Königreich auseinandersetzt (Apg 28:23).

Es war dies also die Zeit in welcher die Nationen in den Ölbaum eingepfropft und der Wurzel und Fettigkeit desselben teilhaftig wurden. Sie wurden Nutznießer an der Segensfülle des Wortes Gottes. Die hat bis heute unter den christlichen Nationen angehalten, wenn auch heute in stetiger Abnahme.

Diesen Nationen gilt, was Paulus sagt. Du aber stehe durch den Glauben. Sei nicht hochmütig gesonnen, sondern fürchte dich. Wenn wir diese Worte Pauli mit jenen des Petrus in obigem ersten Absatz vergliche, sehen wir leicht die Übereinstimmung.

Paulus spricht also diese Worte in seine damalige Zeit und bedingt noch heute zu den christlichen Nationen. Zu uns müsste er dagegen sagen: "Kein Glied am Körper des Christus muss sich fürchten, dass es nicht im Glauben stehen werde - es ruht vielmehr im Glauben! Seine Erwartung ist nicht in ihm selbst, sondern in Christus und Gott!"

Röm 11:21

"Denn wenn Gott die naturgemäßen Zweige nicht verschont hat, wird Er auch dich nicht verschonen."

Wenn wir Vers 20 und unseren heutigen Vers 21 auf uns, die Körpergemeinde beziehen, würden all jene wunderbaren Verheißungen des Herzens Gottes schwinden, die Paulus uns bisher im Römerbrief offenbart hat. Dann würde uns auch nur zu oft unser eigener Klein- und Unglaube von der Liebe Gottes scheiden. Und weil es tatsächlich so viele Gläubige gibt, die genau diesen Fehler machen und diese Verse auf sich persönlich beziehen, gibt es auch noch so viel Unsicherheit und Ängstlichkeit unter diesen!

Gott verfährt mit den Nationen nach ihrem Glauben. Für Gott ist die Nation Israel immer noch "Lo-Ami", d. h. "nicht Mein Volk" (Hos 1:9)., weil es als Gesamtnation nicht glaubt. Dass es seit Hoseas Tagen bis heute Ausnahmen von dieser Aussage gibt, steht hier nicht zur Debatte, denn es geht hier nicht um Einzelpersonen, sondern um Nationen!

Unser heutiges Leitwort sollte gerade in unseren heutigen Tagen mit voller Kraft hinaus unter die Nationen gerufen werden, denn zu keiner Zeit wurde gerade unter den Nationen, die Gottes Wort seit Pauli Zeit hatten und zumindest kannten, mehr über dieses gespottet als heute! Es ist eine himmelschreiende Schande, wenn selbst evangelische Pfarrer behaupten können, "zum christlichen Glauben ist es nicht notwendig, an Jesus zu glauben!!!"

Es wird also nicht nur geprahlt, es wird nicht nur gegen Israel gelästert, die Nationen erbeben massiv ihre Hand gegen die Wurzel. Und Gott lässt Sich nicht spotten, Er wird auch dies Zweige, die durch den Erhalt des Wortes Gottes in den Ölbaum eingepfropft wurden, nicht verschonen. Wie ein dumpfes Donnergrollen künden sich heute unmissverständlich die schweren Gewitterwolken des göttlichen Zorns über den Nationen an - ihr "Abhauen" aus dem Ölbaum steht kurz bevor!

Röm 11:22

"Gewahre nun die Güte und die Strenge Gottes: an denen, die fallen, zwar die Strenge, an dir aber die Güte Gottes, wenn du in der Güte beharrst; sonst wirst auch du ausgehauen werden."

Es ist gut, wenn wir uns innerhalb dieser nicht leicht fassbaren Verse immer wieder vor Augen führen, dass es hier nicht um Einzelpersonen, sondern vielmehr um Nationen geht. Die Kapitel 1-8 handeln zum großen Teil von Einzelpersonen, die Kapitel 9-11 hingegen von Nationen. Beachten wir dies nicht, geraten wir sehr schnell in Verirrungen.

So handelt auch unser heutiger Leitvers einmal von der Nation Israel und im Gegenstück von jenen Nationen, die das Wort Gottes erhalten haben; man muss unter Letzteren das sogenannte "christliche Abendland" sehen.

Die Güte Gottes an Seinem Bundesvolk Israel ist uns ja aus der Geschichte des AT hinreichend bekannt. Wie liebevoll und barmherzig hat Gott Sein Volk immer wieder getragen, obwohl sich dieses leider nur zu oft dagegen wehrte, indem es anderen Göttern nachlief. Nachdem das Volk aber dreimal das Angebot des Königreiches ausgeschlagen hatte (das erste Mal, als Jesus auf Erden gegenwärtig war und Johannes der Täufer die Nähe des Königreiches verkündigte, das zweit Mal, als in der Zeit der Apostelgeschichte zu Pfingsten die Gabe des heiligen Geistes ausgegossen wurde, und zum dritten Mal durch Paulus in der Diaspora), zeigte Gott Seine Strenge, indem Er die Zweige ausbrach und das Volk beiseite stellte.

Was aber brachte die Güte Gottes den Nationen? Nun, haben wir uns schon einmal Gedanken darüber gemacht, warum es arme und reiche Länder auf dieser Erde gibt? Wenn ja, dann ist uns sicher aufgefallen, dass jene Länder, die einen gewissen Wohlstand besitzen, zumeist ein christliches Fundament haben. Im Gegensatz sind jene Länder fast immer als "arm" anzusehen, die andere. Religionen haben. Güte und Strenge Gottes werden für uns deutlich! Wenn sich heute das Blatt wendet, wenn z.B. islamische Staaten durch Öl sehr reich werden, andererseits unsere christlichen Länder moralisch und sittlich immer mehr verfallen, so ist dies das Zeichen des Abfalls, dem das angekündigte "Ausgehauen werden" folgen wird.

Röm 11:23

"Aber auch jene, wenn sie nicht im Unglauben beharren, werden wieder eingepfropft werden; denn Gott ist imstande, sie wieder einzupfropfen."

In Vers 20 lasen wir, dass die Zweige des edlen Ölbaums inflolge ihres Unglaubens herausgebrochen wurden. Heute deutet Paulus an, dass auch die Umkehrung möglich ist und sie wieder eingepfropft werden können. Diese Möglichkeit bezieht sich selbstverständlich auf Israel. Dabei wollen wir beachten, dass auch hier nicht Einzelpersonen gemeint sind, sondern "die Gesamtnation Israel" (und in der Mehrzahl die Stämme) in ihrer Stellung als Lichtträger für die Welt, Jeder Gedanke an ein persönliches Geschick muss hier ausgeschaltet bleiben!

Zwischen dem "Ausgehauen werden" und dem "wieder Eingepfropftwerden" liegen zwei Jahrtausende! Das Erste erfüllte sich zur Zeit Pauli, das Zweite deutet sich vor unserer Augen an! Erinnern uns wir älteren Geschwister noch, was im Jahr 1948 geschah? Nachdem Großbritannien 25 Jahre lang Palästina als Mandatsgebiet des alten Völkerbundes verwaltet hatte, gab es diese Verwaltung wegen der wachsenden Unruhen am 15 Mai auf. Und schon am 14. Mai wurde durch den Beschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen angeregt, in der Stadt Tel Aviv von David Ben-Gurion, dem Premierminister von Israel, der neue Staat Israel ausgerufen. Nach dem begeisterten Singen des jüdischen Nationalliedes "Hatikvah" (Hoffnung) verkündete Ben-Gurion:

"Wir, die Glieder des Nationalrates als Vertreter des jüdischen Volkes in Palästina und der Zionsbewegung der Welt, haben uns aufgrund des natürlichen und geschichtlichen Rechtes des jüdischen Volkes und des Beschlusses der Generalversammlung der Vereinten Nationen in feierlicher Weise versammelt und proklamieren hiermit die Gründung des jüdischen Staates in Palästina, der 'Israel' genannt wird".

Wir haben es hier mit dem wohl bedeutendsten Zeichen zu tun, mit dem eine Generation konfrontiert wurde. Gott schuf die Grundlage für die Wiedereinpfropfung der Zweige, indem Er den Stamm wieder aufrecht unter die Nationen stellte - es gab wieder einen Staat Israel!

Wenn wir gestern auf die Wiedergründung des Staates Israel im Jahre 1948 eingingen, dann muss hier noch gesagt werden, dass diese Gründung nicht auf Grund der Umsinnung der Juden geschah, sondern als Hintergrund für das weitere Handeln Gottes zu sehen ist. Wie bei einem Theater vorher die Kulissen aufgebaut werden, baute Gott den Staat Israel auf, um in der Zukunft auf der Schaubühne Israel Seine Macht und Größe aufzuzeigen.

So groß unsere Liebe und Verbundenheit zu Israel ist, so sehr wollen wir uns aber auch davor hüten, Gott etwas vorwegzunehmen, was erst noch kommen wird, So ist unter manchen Gläubigen ein extremer "Israelenthusiasmus" auszumachen, den wir nicht richtig finden. Vergleichbar ist dieses Verhalten mit solchen Menschen, die schon beim Aufbau einer Theaterkulisse in Begeisterung verfallen. Wir müssen auch hier nüchtern bleiben und bedenken, dass die Masse der Bevölkerung in Israel genauso ungläubig ist wie zur Zeit Pauli. Es wäre also völlig falsch, in der Bevölkerung des heutigen Israel bereits die Glieder der Königreichsgemeinde zu sehen. Wir haben im Vergangenen vielfach betont, dass nur ein Überrest nach der Gnadenauswahl das Ziel erreichen wird; der größte Teil der Bevölkerung Israels wird den Weg aller Ungläubigen in den Tod gehen und erst wieder vor dem großen weißen Thron ins Leben gerufen werden, allerdings dann zum Gericht!

Diese Worte mögen vielen Israelfreunden nicht gefallen - doch bedenken wir: Gott hat noch nie auf die Masse geschaut, Er kommt auch mit ganz Wenigen an Sein vorgegebenes Ziel. Schauen wir doch die Tragik des Einzugs in das gelobte Land an: Als das Volk das verheißene Lande einnehmen sollte, schreckte es vor der dort ansässigen Bevölkerung zurück. "Nur zwei Männer, Josua und Kalbeb, vertrauten der Kraft Gottes (4Mo 13:30). Und in 4Mo 14:24 versprach der Herr dann auch nur diesen beiden den Einzug nach Kanaan. In 4Mo 26:65 lesen wir dann die dramatische Erfüllung: "Keiner blieb übrig als Kaleb, der Sohn Jephunes und Josua, der Sohn Nuns", und doch war es mit diesen das Volk Israel, welches in das gelobte Land einzog!

Röm 11:24

"Denn wenn du aus dem naturgemäßen wilden Ölbaum ausgehauen und gegen die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft wurdest, wieviel mehr werden diese naturgemäßen Zweige in den eigenen Ölbaum wieder eingepfropft werden!"

Die "wilden Ölbaume" sind die von Gott scheinbar sich selbst überlassenen Nationen (was Gott ja auch bewirkt), in Röm 1:24.26 und 28 lasen wir die dreimalige Aussage über ihr "Danebengebensein". Der edle Ölbaum war deshalb "edel", weil er vom Meistergärtner gepflegt wurde.

Der edle Ölbaum brauchte von der Wurzel her in seinen Früchten das herrliche Fett des Wortes Gottes hervor. Die Nationen, die als wilde Ölbaumzweige in den edlen Ölbaum eingepfropft wurden, wurden damit aber nicht automatisch "gläubig", sondern hatten erst einmal lediglich Anteil an der Fettigkeit des Ölbaums! Dass sich schon dieser Anteil durchaus positiv auf jene Nationen auswirkte, die das Wort Gottes bekamen und in ihrer Lebensweise auch zur Grundlage machten, haben wir schon vor einigen Tagen hervorgehoben.

Der Gaube an Gott und die entsprechende Ehrfurcht vor Ihm und Seinen Geboten war und ist immer noch ein wunderbares Geschenk, doch dürfen wir diesen Stand nicht mit unserem "Stand in Christus" gleichsetzen! Dass Gott dadurch, dass Sein Wort auch zu den Nationen kam, aus diesen die einzelnen Glieder am Körper des Christus berufen hat und noch beruft, ist eine andere wunderbare Sache, die wir aber hier heraushalten müssen.

Paulus möchte uns heute darauf hinweisen, dass, wenn schon die Nationen als wilde Zweige durch das Wort Gottes soviel Segen erhielten, um wieviel mehr werden es jene Zweige erhalten, die in den eigenen Ölbaum zurückgepfropft werden. Es werden aber nicht die ungläubig verstorbenen Israeliten sein, die zurückgepfropft werden (diese sind tot und werden erst wieder vor dem großen weißen Thron erwachen), sondern die heute noch weltweit lebenden Israeliten. Mit großem Interesse beobachten wir ja seit geraumer Zeit auch innerhalb Israel das Entstehen vieler messianischer Gemeinden, wo es schwer fällt, diese automatisch der Körpergemeinde zuzurechnen. Wäre hier nicht auch ein Zeit des Übergangs möglich, wie wir sie zur Zeit des Paulus ganz selbstverständlich sehen?

Die naturgemäßen Zweige, die wieder in ihren eigenen Ölbaum eingepfropft werden, können ja nur das Israel der Endzeit darstellen. Wenn wir gestern am Schluss noch eine Anmerkung machten, so möchten wir dieser heute doch noch einige Gedanken anfügen.

Wir zählen in der heute noch gültigen "Verwaltung der Gnade" alle zum Glauben Berufenen zur Körperschaft Christi Jesu, und dies mit gutem Grund! Wir fragen uns aber, wie konsequent oder automatisch kann und dürfen wir dies auch heute noch tun, obwohl vor unser aller Augen sich in und außerhalb des Staates Israel messianische Gemeinden bilden, die sich zum Teil ausdrücklich nicht auf Paulus berufen, sondern auf Petrus! Gleichzeitig wollen wir aber hervorheben, dass viele dieser Gemeinden auch ein klares Bekenntnis ihrer überhimmlischen Berufung ablegen! Haben wir es heute vielleicht doch schon mit einer anbruchhaften Einpfropfung von Zweigen, die dem Königreich zuzuordnen sind, zu tun?

Wir haben das gute Beispiel einer Verwaltung des Übergangs bei Paulus vor Augen. Der Abbruch der Königreichsgemeinde und der Übergang zur Körperschaft Christi Jesu vollzog sich nicht schlagartig von einem Tag auf den anderen, sondern über Jahre hinweg! Können wir heute ständig vom nahen Abschluss dieser Gnadenverwaltung reden und gleichzeitig der nach uns kommenden Königreichsemeinde keinerlei Raum und Zeit für einen Übergang geben? Können wir jüdische Gemeinden, die sich bewusst gegen Paulus stellen, gegen ihre innere Erkenntnis trotzdem einfach automatisch der Lehre Pauli unterordnen?

Eines ist klar: Der Abschluss dieser Verwaltung ist unsere Entrückung! doch kurz vor dem Abschluss, den wir ja so klar erkennen wollen, können wir das Entstehen künftiger Berufungsträger nicht einfach automatisch ausschließen!

Die Rettung des bußfertigen Israels

Röm 11:25

"Denn ich will euch, meine Brüder, über dieses Geheimnis nicht in Unkenntnis lassen (damit ihr nicht bei euch selbst als besonnen geltet): Verstockung ist Israel zum Teil widerfahren, bis die Vervollständigung der Nationen eingehe."

Wir kommen zum Höhepunkt dieser Israel geltenden Kapitel, der Enthüllung des Geheimnisses der Verstockung Israels. Göttliche Geheimnisse sind Heilswahrheiten, die Gott für bestimmte Zeit verschlossen hielt, um sie zum gegeben Zeitpunkt Seinen Aposteln, in diesem Fall Paulus, zu enthüllen.

Im Wort Gottes werden 19 Geheimnisse genannt, wobei einige zusammengefasst werden müssen, so dass noch insgesamt 13 Geheimnisse übrig bleiben. Das zuerst genannte Geheimnis über das Königreich enthüllte der Herr Selbst, neun Geheimnisse waren Paulus gegeben, und drei davon lesen wir in der Offenbarung des Johannes.

Auch unser heutiges Geheimnis offenbart Paulus; es betrifft zwar Israel, ist aber erst einmal an uns gerichtet, und dies mit den Worten: "... meine Brüder ...". Diese intime Anrede unterscheidet sich von der in den zurückliegenden Versen, in denen Paulus ja die im Abfall befindlichen Nationen ansprach.

Die erste uns betreffende Aussage Pauli beinhaltet eine Mahnung, mit der uns Paulus auf ein gesundes Verhältnis in der Beziehung zu Israel hinweisen möchte. Die leichter verständlichen Worte bei Luther lauten: "damit ihr euch nicht selbst für klug haltet". Hier spricht Paulus in der Tat einen wunden Punkt an, denn Überheblichkeit macht sich auch bei uns sehr schnell breit. Ist auf der einen Seite ein übertriebenes Gefühl für Israel sichtbar, so sehen wir auf der anderen Seite die fast völlige Ignoranz Israels, mancherorts wird nur noch Paulus gelesen! Die Worte des Apostels sollen uns auf einen guten Mittelweg führen, vor allem aber jegliche Überheblichkeit gegenüber Israel unterbinden. Diese Aussage ist vom Inhalt her durchaus vergleichbar mit Vers 20. Wir wollen uns also gerne von Paulus auf den Boden der Nüchternheit zurückholen lassen. Israel ist nicht für immer verworfen; Israels Berufung ist nicht weniger wert als unsere; wir sollen auch dieses Volk mit Liebe im Gebet und Herzen mittragen!

Röm 11:25-26

"Verstockung ist Israel zum Teil widerfahren, bis die Vervollständigung der Nationen eingehe. Und sodann wird Israel als Gesamtheit gerettet werden."

Wir haben hier den Inhalt des Geheimnisses beieinander, es besteht aus den folgenden drei Punkten:

  1. Verstockung ist Israel zum Teil widerfahren;
  2. diese Verstockung ist zeitlich begrenzt;
  3. die Gesamtheit Israel wird gerettet.

Der erste Punkt enthält zwei wichtige Aussage: Einmal, dass Israels Verstockung gottgewollt ist, und weiter, dass die Verstockung nur einen Teil Israels trifft.

Dass die Verstockung Israels in Gottes geheimer Absicht lag, offenbart uns schon der Prophet Jes (Jes 6:9-10) durch seine Weissagung. Selbst Jesus nahm während Seiner Erdenzeit die Aussage Jesajas in Anspruch (Joh 12:39). In diesem Punkt offenbart Paulus also noch kein Geheimnis, im Gegenteil, die Verstockung Israels war eine altbekannte Weissagung!

Zu schaffen macht uns aber die Aussage: "Verstockung ist Israel zum Teil widerfahren ..." Wer ist dieser "Teil" Israels?

Wenn wir eine Antwort suchen, die auch zur Rettung Israels als "Gesamtheit" passt, müssen wir wohl die geschichtliche Tatsache der Teilung Israels in die zwei Hälften Juda und Israel ins Auge fassen. Diese Teilung brachte die Wegführung des Hauses Israel in die assyrische Gefangenschaft, betroffen waren zehn Stämme. Diese zehn Stämme tauchen nicht mehr auf! Das Haus Juda, bestehend aus nur noch zwei Stämmen (Juda und Benjamin), kann somit nicht als "Gesamtisrael" angesehen werden! Da die Verstockung aber nur diese beiden Stämme traf, redet Paulus demgemäß von einer Verstockung Israels "zum Teil", oder anders ausgedrückt, "von nur zwei Stämmen."

Heute kommen wir zu dem eigentlichen Geheimnis, nämlich "der zeitlichen Dauer der Verstockung Israels". Und hier enthüllt Paulus in der Tat ein tiefgreifendes Geheimnis!

Die Schrift bezeugt vielfach die Beiseitestellung und Wiederannahme Israels, aber sie umgeht die wichtige frage: Wie lange bleibt Israel verstockt? Es ist dem Apostel der Nationen gegeben, das Geheimnis der zeitlichen Dauer zu enthüllen, weil es in engster Beziehung zu der durch Paulus ins Leb en gerufenen Körpergemeinde Christi Jesu steht.

"... bis die Vervollständigung der Nationen eingehe", mit diesen Worten ist zwar kein Datum genannt, aber eine klare zeitliche Abgrenzung. Wer ist die Vervollständigung der Nationen? Es sind dies zwei weitere Geheimnisse, die Paulus in Eph 3:2-3 und Eph 5:32 enthüllt hat: das Geheimnis der geheimen Verwaltung der Gnade Gottes (auch in Kol 2:2 angeführt) und das Geheimnis des Christus und der Herausgerufenen.

Es lag von Anfang an in Gottes Ratschluss, während der Beiseitestellung Israels eine Vollzahl an Menschen aus allen Nationen herauszurufen, an denen er in ganz besonderer Art und Weise in den herankommenden Äonen Seine Gnade zur Schau stellen will (Eph 2:7). Diese Menschen, sie werden bildlich als Glieder am Körper des Christus bezeichnet, wurden von Gott schon vor dem Niederwurf der Welt in Christus auserwählt (Eph 1:4).

Unser Leitvers offenbart nun speziell uns das Geheimnis, das wir einmal eine von Gott bestimmte Vollzahl erreichen werden, und es offenbart Israel, dass die Verstockung enden wird, wenn die Vollzahl gemäß 1Thes 4:13-18 in Wolken dem Herrn entgegen entrückt wird, um so allezeit mit dem Herrn zusammen zu sein. Diese Worte enden mit dem Zuspruch, den auch wir uns heute gerne sagen lassen: "Daher sprecht einander zu mit diesen Worten!"

Wir kommen zum letzten Teil des Geheimnisses: Israel als Gesamtheit wird gerettet werden.

Wir wissen sehr wohl um die Problematik des Verbleibs der in die Gefangenschaft geführten zehn Stämme Israels. "Problematisch" deshalb, weil es inzwischen viele Verfechter der sogenannten "Zehn-Stämme-Lehre" gibt, die behaupten, in den Gläubigen aus den Nationen jene verschollenen zehn Stämme zu erkennen. Wer sich mit dieser Lehre auseinandersetzt, muss in manchen Punkten nachdenklich werden, andere Punkte wiederum scheinen an den Haaren herbeigezogen zu sein! Wir wollen im Rahmen dieses Andachtsbüchleins keine Beurteilung dieser Ansicht abgeben, wohl aber feststellen und aussagen, dass Jesus keine zwei, sondern zwölf Apostel berief, die ja auch klar für die zwölf Stämme stehen. Jakobus schreibt nicht nu r an zwei, sondern an "zwölf" Stämme in der Zerstreuung (Jak 1:1). Und an dem himmlischen Jerusalem befinden sich "zwölf" Tore, auf denen "zwölf" Boten sind, und die Namen der "zwölf" Stämme der Söhne Israels sind darauf geschrieben. Weiter lesen wir von "zwölf" Grundfesten, und darauf die Namen der "zwölf" Apostel (Offb 21:10-14).

Wir sehen zweifelsfrei, dass Gott Seinen Vorsatz ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht nur mit zwei, sondern mit allen zwölf Stämmen ausführen wird. Wir dürfen also davon ausgehen, dass mit der Vervollständigung der Nationen und deren Entrückung auch Vertreter der verschollenen zehn Stämme wieder öffentlich auf der Weltbühne auftreten werden. Und wir dürfen davon ausgehen, dass auch aus diesen Vertretern der zehn Stämme eine Gnadenauswahl vorhanden ist, die zusammen mit der Gnadenauswahl der restlichen zwei Stämme die "Gesamtheit" Israels darstellt.

"so wie geschrieben steht: Eintreffen wird der Bergede aus Zion; abwenden wird Er die Unfrömmigkeit von Jakob."

Zum Schluss der Enthüllung seines Geheimnisses zitiert Paulus noch Jes 59:20. Das ganze Kapitel 59 handelt vom tragischen Wesen der Sünde und in den Versen Jes 59:16-21 von der Suche nach einem Menschen als Mittler. In Vers 20 wird dann dieser Mittler genannt, es ist "der Bergende aus Zion", oder wie in Jesaja direkt zu lesen ist: "Der Erlöser für Zion".

Vergegenwärtigen wir uns die zukünftige Lage, in der es ja nicht nur um die Rettung Israels geht, sondern auch um die Wiedereinsetzung des Volkes in seine ursprüngliche Aufgabe. Dies alles geschieht nicht in der Atmosphäre der "überströmenden Gnade", sondern in der des "Tages des Zorns".

Und wenn schon wir, die Körpergemeinde, voller Sehnsucht nach dem Kommen des Herrn zur Entrückung Ausschau halten, weil das Geheimnis der Gesetzlosigkeit (2Thes 2:7) von der Regierungsspitze bis hinab zum einfachen Bürger in einem Maß um sich greift, dass es fast schon unerträglich wird, um wieviel mehr dann die Gläubigen aus Israel! Wenn wir trotz dieser Missstände heute ja noch relativ unbehelligt unseren Glauben ausleben dürfen und in gewisser Weise auch noch ein ruhiges Leben führen können, wird dies in der Zeit des Zornes Gottes nicht mehr gegeben sein. Es wird eine Zeit sein, wie sie noch nie gewesen ist, Jeremia beschreibt sie als "Zeit der Angst in Jakob" (Jer 30:7). Dann werden sich die Gläubigen in einem Maße nach dem "Bergenden aus Zion" sehnen, wie wir es uns wohl kaum vorstellen können!

Bei Daniel lesen wir, dass sich sogar der Botenfürst "Michael" aufmachen wird, um für das Volk, über welches er gesetzt ist, zu streiten. Und es werden alle jene gerettet werden, die im Buch des Lebens geschrieben stehen (Dan 12:1) . Und nur diesen gilt die Verheißung: "abwenden wird Er die Unfrömmigkeit von Jakob"!

Röm 11:27

"Und dies ist Mein Bund mit ihnen, wenn Ich ihre Sünden wegnehme."

Viele von uns haben wahrscheinlich ein großes Problem mit der Tatsache, dass nicht alle Israeliten in das Königreich einbezogen werden, sondern lediglich eine Auswahl nach der Gnade Gottes. Das Problem entsteht dadurch, wie viele Schriftstellen einfach von der "Rettung Israels" sprechen und damit den Eindruck erwecken, es wären damit auch alle Israeliten gemeint. Der Römerbrief sollte uns aber bis jetzt überdeutlich gelehrt haben, dass es eine große Zahl an Israeliten gibt, die im Unglauben gelebt haben und gestorben sind. Ihnen gilt das gleiche Los wie allen anderen ungläubigen Menschen, und dies ohne Unterschied ihrer Nationalität. Wir haben also bisher lernen dürfen, dass eine Auslegung "Vers für Vers" wesentlich tiefere Erkenntnis bringt, als ein Herauspicken von einzelnen Versen, und dann auch noch solchen, die eine vermeintliche Erkenntnis unterstützen.

Auch unser heutiger Leitvers erweckt, aus dem Zusammenhang genommen, den Eindruck, dass Gott von allen Israeliten ihre Sünden wegnimmt und sie auch alle im Königreich auferstehen lässt. Doch selbst Daniel bezeugt, wie wir gestern lasen, dass nur jene gerettet werden, die im Buch des Lebens stehen.

Mit dem durch den Zorn hindurch geretteten und stark dezimierten Volk Israel wird Gott im messianischen Königreich seinen Bund machen. Wir sprechen so viel vom "Neuen Bund" und meinen im Grunde das "Neue Testament"; doch hier, im kommenden Königreich, bekommt diese Bezeichnung erst ihre wahre Berechtigung. Mit den Nationen hat Gott nie einen Bund geschlossen, wohl aber mit Israels Vätern. In der Zeit der Beiseitestellung Israels gab es also auch keinen wirksamen Bund mehr; dieser wird erst wieder ins Leben gerufen, wenn auch das Volk in seiner eigentlichen Bestimmung neu auflebt (siehe Jer 31:33-34). Dann wir Gott der Sünden, die das Volk als solches begangen hat, nicht mehr gedenken, Er wird sie wegnehmen. Auch hier sind nicht die Sünden des Einzelnen, sondern die Sünden des Volkes insgesamt gemeint - das Volk wird für seine große Aufgabe an den Nationen gereinigt!

Wir wollen heute den Bund betrachten den Gott schon im siebten Jahrhundert v. Chr. durch Jeremia niederschreiben ließ:

"Siehe, es kommt der Tag, spricht Jewe, da Ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund machen werde, ... sondern dies ist der Bund, den Ich mit dem Hause Israel machen werde nach jenen Tagen, spricht Jewe: Ich werde Mein Gesetz in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben; und Ich werde ihr Gott, und sie werden Mein Volk sein. Und sie werden nicht mehr ein jeder seinen Nächsten und ein jeder seinen Bruder lehren und sprechen: Erkennet Jewe!, denn sie alle werden Mich erkennen von ihrem Kleinsten bis zu ihrem Größten, spricht Jewe. Denn Ich werde ihre Missetat vergeben und ihrer Sünden nicht mehr gedenken" (Jer 31:31-34).

Wir wollen diese wunderbare Aussage nicht übergehen, denn sie kann uns zutiefst erfreuen, auch wenn sie Israel be trifft. Wir sehen, dass erst in jener zukünftigen Zeit von einem "neuen Bund" die Rede ist; und dieser Bund wird mit den beiden vormals getrennten Häusern "Israel" und "Juda" gemacht, es wird also ganz klar eine Vereinigung aller zwölf Stämme geben, die dann nur noch "Haus Israel" heißen.

Und es wird in jener Zeit wieder ein Gesetz geben, doch dieses Gesetz wird Gott in ihr Inneres legen und auf ihr Herz schreiben. Dies bedeutet, dass es kein Zwang mehr sein wird, sondern eine reine Freude, Ihm nicht nur zu dienen, sondern auch Seine Gebote zu halten! Und welche Liebe klingt aus den Worten: "und Ich werde ihr Gott, und sie werden Mein Volk sein!" Können wir etwas erahnen von der Freude und dem Glück, das Gott Seinem Volk schenken wird?

Dabei darf uns noch etwas ganz wichtig werden: Christus wird ja als König in jenem Tausendjahrreich regieren - und wo unser Haupt ist, da dürfen sich sicherlich auch Seine Glieder aufhalten, bzw. mitfreuen!

Röm 11:28

"Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen, nach der Auserwählung aber Geliebte um der Väter willen."

Nachdem Paulus die Rettung Israels in ihrer Gesamtheit als Nation im kommenden Königreich hervorgehoben hat, stellt er jetzt die großen Gegensätze vor unsere Augen und. zeigt uns, dass Gott nichts vergeblich geschaffen hat, sondern dass Ihm vielmehr alles zur Ausführung Seines Ratschlusses dient.

Im Hinblick auf unseren Leitvers sehen wir das Volk Israel einmal als Geliebte um der Väter willen und zum anderen als Feinde um unseretwillen, denn: Mit "nach dem Evangelium" kann nur das paulinische Evangelium angesprochen sein; das Evangelium des Königreiches ist ja nunmehr seit zweitausend Jahren beiseite gestellt!

Es mag uns innerlich berühren, wenn Paulus so offen bekennt, dass wir, die Glieder der Körpergemeinde, die Ursache dafür sind, dass Israel zu Feinden Gottes wurde. Doch Paulus klagt uns ja nicht an, sondern er möchte Zusammenhänge aufzeigen: Gott kommt auf allen Wegen zum Ziel, vor allem oder gerade auch mit "Gegensätzen"! Er hätte es leicht verhindern können, dass Israel zum Feind wurde, Er hätte überhaupt alles Böse und Üble. erst gar nicht erschaffen brauchen, alle Qualen und Leiden Seiner Schöpfung hätte Er verhindern können. Doch welcher Mensch möchte dem Töpfer vorschreiben, wie Er den Ton zu formen hat? Oder wer möchte Ihm raten, auf welchen Wegen Er besser zum Ziel kommt?

Gott sieht nie nur einen kurzen Zeitabschnitt, sondern Er übersieht den ganzen Weg Seiner Schöpfung., und Er sieht vor allem das Ziel! Und an diesem Ziel dürfen wir alles in Gottes Armen, ja an Seinem Herzen sehen, nichts geht verloren, nichts war vergeblich ins Leben gerufen worden, sei es Freund oder Feind, gut oder böse. Erst wenn wir dies alles glauben können, wenn wir Gottes wahre Größe und Herrlichkeit, vor allem aber Seine unsagbare Liebe erkannt haben, dann können wir Ihm auch in allem und für alles danken!

Röm 11:29

"Denn unbereubar sind die Gnadengaben und die Berufung Gottes."

Auch dieses Wort bezieht sich zuerst einmal auf Israel, doch dürfen wir wohl darüber hinaus sagen, dass es auch für uns eine untrügliche Wahrheit darstellt.

In den drei folgenden Versen (29-31) erklärt Paulus mit einem jeweiligen "denn", warum Israel zu Feinden werden musste und warum es trotzdem von Gott geliebt ist.

Unser heutiger Vers nennt die Gnadengabe und die Berufung und verbindet sie mit der Tatsache, dass beide vor Gott "unbereubar" sind. Wäre das Gegenteil der Fall und Gott würde es gereuen, dass Er Israel berufen und mit Gnade beschenkt hat, würde das Fehlverhalten des Volkes auf Ihn Selbst zurückfallen, der Töpfer hätte etwas geformt, was Ihm total missraten wäre! Und dies würde kein gutes Licht auf den Töpfer werfen!

Bedenken wir hier: Gott hat fast nie einzelnen aus dem Volk Seine Verheißungen gegeben, sondern zumeist dem Volk als Nation. Als solche wurde es begnadet, aus allen übrigen Völkern heraus, Sein Volk zu sein, mit dem Er Seinen Vorsatz ausführt. Dabei ist es für Gott unerheblich, wieviel Einzelne sich von Ihm abwenden und ihre eigenen Wege gehen. Wir haben längst aus diesem Brief gelernt, dass auch wenige das Gesamtvolk repräsentieren, dass Gott gerade mit Wenigen, mit einer Gnadenauswahl, ans Ziel kommt.

"Unbereubar" ist deshalb Gottes Gnadengabe an das Volk und "unbereubar" ist Seine Berufung", die für Israel beinhaltet, "zum Segen für die übrigen Nationen zu sein."

Und da Gottes Gnadengabe an Israel unbereubar ist, dürfen wir dies in gleicher Weise auf uns beziehen. Gott hat jeden, der in Christus glauben kann, berufen, und nichts kann Gott dahin bringen, diese Berufung zu bereuen oder gar zurückzunehmen (siehe Röm 8:38-39)! Gerade auch dieses Wissen darf uns einen tiefen Frieden ins Herz geben!

Wir wollen uns noch etwas mit den Bündnissen beschäftigen, die Gott den Vätern gab, um deretwillen das Volk Israel für immer von Gott geliebt ist und die für Gott unbereubar sind.

Gott machte einst mit den Väter Israels Bündnisse mit und ohne Bedingungen. Dabei wollen wir feststellen, dass Israels unzählige Bundesbrüche nur an den mit Forderungen verbundenen Bündnissen verübt werden konnten. Die Aufgabe dieser Bündnisse war es, Israel zu er proben und den Erweis zu erbringen, dass mit Werken des Gesetzes und in eigener Kraft kein unvergängliches Leben und keine vollgültige Gerechtigkeit zu erlangen waren. Wer jetzt Israel um seines Fehlverhaltens willen tadelt oder als verworfen ansieht, spricht ein Urteil, bevor der eigentliche Richter überhaupt auf dem Richtstuhl sitzt. Zudem wusste Gott, als das Volk noch gar nicht im Lande war, dass es Seinen Bund brechen würde. In 5Mo 31:16 teilt Er dies Seinem Knecht Mose schon mit!

Die Einlösung des Bundes ohne Bedingungen (1Mo 15) geschieht ohne menschliche Mitwirkung. Auf ihm ruhen die Verheißungen an Heil und zukünftiger Herrlichkeit Israels.Diese Gnadengaben sind es, auf die Paulus sich beruft, Gott ist hier der allein Wirkende.

Wir sehen also, dass beide Arten von Bündnissen ihre Aufgabe haben. Das eine dient der Erziehung des Volkes, das andere der Herrlichkeit und Treue Gottes. Gottes Gnadengaben und die Berufung Israels sind für Ihn unbereubar, weil letztlich alles, was Er Seinem geliebten Volk an Heil und zukünftiger Herrlichkeit verheißen hat , sich auf. Seinen bedingungslosen Gnadenbund gründet, bei dessen Abschluss Er der allein Wirkende war, wie es in 1Mo 15:17-18 zu lesen ist.

Röm 11:30

"Denn ebenso wie ihr einst gegen Gott widerspenstig wart, nun aber bei deren Widerspenstigkeit Erbarmen erlangtet,"

Mit der Anrede "ihr" spricht Paulus uns, die Herausgerufenen der Körperschaft Christi Jesu an. Waren wir alle einst gegen Gott widerspenstig, wie Paulus behauptet? Mancher mag dies empört von sich weisen, wurde er doch christlich erzogen, hat fromm gelebt und hat sich nie etwas zuschulden kommen lassen. W ie oft erleben wir auch Eltern, die mit viel Mühe ihren Kindern eine christliche Erziehung gegeben haben und dann erleben müssen, wie diese Kinder, fern von Gott, ihre eigenen Wege gehen. Hier ist es wichtig, ein klares Wort zu sagen:

Die Zugehörigkeit zur Körpergemeinde ist keine Vererbung von den Eltern auf die Kinder, sondern wird einzig und allein von Gott bestimmt. Er wählt aus, und dies, noch ehe ein Mensch geboren ist (siehe Eph 1:4). Danach ruft Er Seine Auserwählten aus der Welt her aus, was bedeutet, dass diese im Grunde zuerst einmal die Last der Finsternis erleben müssen. Und zu dieser Last gehört normalerweise auch die "Widerspenstigkeit".

Und wie wunderbar macht Sich Gott gerade diese "Widerspenstigkeit" zunutze, indem Er sie einer Wechselwirkung unterwirft. Wir, die Nationen, die einst in der Widerspenstigkeit lebten, durften hautnah erfahren, was Gottes Erbarmen bedeutet, während das Volk Seiner Auswahl, Israel, in die Widerspenstigkeit geriet.

"Erbarmen Gottes" setzt aber die völlige Kapitulation des Menschen voraus. Hier gibt es keinen Fleischesruhm, keine eigenen Werke und keinerlei Verdienste. Und weil dem so ist und im Grunde jeder Mensch, ob früher oder später, Gottes Erbarmen erlangen wird, darf Paulus mit weit hinaus gerichtetem Blick bezeugen: "Gott aber, der so reich an Erbarmen ist - um Seiner vielen Liebe willen ..." (Eph 2:4).

Röm 11:31

"so sind auch diese nun dem euch gewährten Erbarmen gegenüber widerspenstig geworden, damit auch sie von nun an Erbarmen erlangen können."

Israel kam, und dies ist nun die Wechselwirkung des Erbarmens, aufgrund des uns erzeigten Erbarmens in die Widerspenstigkeit, doch gleichzeitig gibt Paulus dem Volk die Hoffnung mit auf den Weg, dass sich ihnen Gottes Erbarmen wieder zuwendet.

Man gewinnt aus unserem Leitvers den Eindruck, als ob Gott Sich des ganzen Volkes erbarmen würde; doch, auf das Königreich bezogen, erbarmt er Sich nur einer relativ kleinen Auswahl, nämlich dem Überrest bzw. der Gnadenauswahl. Diese Tatsache bestätigt sich ja auch bei uns, den Körpergliedern Christi Jesu: Auch wir stellen nicht alle Nationen dar, an denen Sich Gott erbarmt hat, sondern sind nur eine winzige Auswahl. Es ist nun einmal Gottes Heilsprinzip, dass Er Sich am Ende aller erbarmen wird, doch Sein Heil erst mit Wenigen beginnt, und diese Wenigen dann zum Segen der Übrigen werden lässt.#

"Widerspenstigkeit" ist die Voraussetzung zum Erweis der Barmherzigkeit Gottes. Dies zeigt uns Paulus nicht nur an den Nationen, sondern wir sehen dies auch sehr beeindruckend an dem nach dem Fleisch gezeugten Sohn Abrahams, dem Ismael. Noch bevor dieser geboren war, stand über ihm das göttliche Zeugnis der Widerspenstigkeit (1Mo 16:11). Und wie ergreifend sorgte sich Abraham auch um diesen Sohn! In 1Mo 17:18 lesen wir seine Worte. zu Gott: "O dass Ismael leben möchte vor Dir!" Und wie wird es das Vaterherz Abrahams erfreut haben, dass nicht nur Isaak, sondern auch Ismael eine wunderbare Verheißung von Gott bekam, und ihm bzw. seinen Nachkommen eine große Zukunft verheißen wurde (1Mo 17:20).

Und wie über Ismael die Widerspenstigkeit, aber auch die große Verheißung stand, steht über Israel heute die Widerspenstigkeit und vielleicht schon morgen, in jedem Fall aber in naher Zukunft, wieder Gottes Erbarmen!

Röm 11:32

"Denn Gott schließt alle zusammen in Widerspenstigkeit ein, damit Er Sich aller erbarme."

Mit dem dritten "denn", womit Paulus die Liebe Gottes zu seinem Volk beweisen möchte, kommt er zu einem absoluten Höhepunkt, der in wenigen Worten das Größte umreißt: "Gott wird Sich aller erbarmen!"

Es war in den letzten Versen von der einen Nation Israel, und in einer Wechselwirkung zu Israel von allen anderen Nationen die Rede. Wenn Paulus jetzt das Wort "alle" benutzt, so meint er auch "alle", nämlich die gesamte Menschheit.

Damit stehen wir vor einem ganz einfachen und für jedermann leicht verständlichem Wort, und doch führt gerade diese Aussage unter den Gläubigen aller Zeiten zu heftigstem Widerspruch. Mit welcher Leidenschaft und leider nur zu oft kaum mehr fassbaren Härte wird bestritten, dass Gott Sich einmal aller erbarmen wird! Und welchen Schmähungen waren und sind zu Teil immer noch viele gläubige von Seiten jener Unverbesserlichen ausgesetzt, die keinen Gott der Liebe und des Erbarmens haben wollen, sondern einen Gott, der ewige Rache und Unversöhnlichkeit in Sich trägt!

Wie kann es sein, dass Menschen, die durch Gottes Geist gläubig wurden, solch eine Härte aufweisen? Könnte Got tnicht auch leicht solchen Herzen aufzeigen, was Barmherzigkeit ist? Es scheint, dass uns in vielen Fällen die Konfrontation mit solchen Geschwister als Lektion gegeben ist. Je mehr wir Gott erkennen, je größer wird er uns! Nun sollen wir aber mit jenen, die ihren Grund noch auf "Holz, Gras und Stroh" gebaut haben (1Kor 3:12) , nicht hochmütig umgehen, sondern sie in Geduld und Liebe tragen, Gott zutrauen, dass Er auch diese erkennen lassen kann, dass Er alles vermag! Vielleicht sollen wir lernen, uns in bestimmten Fällen weniger auf zeitraubende und wortreiche Diskussionen und Beweisführungen über die Rettung aller Menschen einzulassen, dafür aber Gott umso mehr vertrauen! Spätestens vor der Preisrichterbühne Christi (2Kor 5:10) wird auch der Härteste beschämt erkennen müssen, wie reich Gott an Erbarmen ist!

Lobpreis der Herrlichkeit Gottes

Röm 11:33

"O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unausforschlich sind Seine Urteile und wie unausspürbar Seine Wege!"

Wir haben in den zurückliegenden Versen zusammen mit Paulus einen hohen Aussichtsberg erklommen, der zwar manches von uns abverlangt haben mag, dafür aber eine herrliche Aussicht bietet! Und zusammen mit Paulus dürfen auch wir jetzt überwältigt in den Lobpreis Gottes mit einstimmen.

"O Tiefe des Reichtums", mit diesen Worten versuchen wir ein klein wenig jenem gerecht zu werden, was wir an Reichtum in Gott, unserem Vater, erkannt haben, und dem, was uns geschenkt wurde!

In acht Kapitel hat Paulus den Stand der Nationen und jenen der Körpergemeinde Christi Jesu dargelegt. Es folgten drei Kapitel, die das Bundesvolk Israel zum Inhalt hatten, und wir haben immer wieder herausgehört, wie das Herz des Apostels ganz besonders mit seinen Stammesgenossen mitfühlt. Dabei ist wohl besonders hervorzuheben, dass "Auswahl" nicht immer nur Reichtum, Glück und Freude bedeutet, sondern durchaus auch schwerste Wege beinhalten kann. Israels Auswahl dient dem Zweck, ein Segen für die anderen Nationen zu sein. Der Weg, der. zur Ausführung dieser Aufgabe führt, war in der Vergangenheit für Israel mehr als steinig - er führt in die völlige Beiseitestellung! Ist dies auch Reichtum?

Wer nur egoistisch denkt, wird obige Frage mit "Nein" beantworten, doch wer bereit ist, für die anderen ein Stück von sich selbst zu opfern, wird erkennen, dass auch im Verzicht "Reichtum" liegt. Lassen wir uns von Paulus daran erinnern,: "Denn diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus ist" (Phil 2:5); und was ist Seine Gesinnung? Im Anschluss an obiges Zitat lesen wir von Entäußerung, Erniedrigung,, und Gehorsam bis zum Tod, ja zum Kreuzes Tod!

O Tiefe des Reichtums, wenn wir erkennen dürfen, dass Geben seliger ist als Nehmen!

"Reichtum" haben wir gestern zuerst einmal als ein Stück "Verzicht, Dahingabe, Opfer" definiert. "Denn so liebt Gott die Welt, dass Er Seinen einzig gezeugten Sohn gibt, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht umkomme, sondern äonisches Leben habe" (Joh 3:16). Der Welt Reichtum ruht also auf dem absoluten Fundament der Dahingabe des Vaters und dem Opfer des Sohnes! Des einen Schmerz wird also des anderen Reichtum. Hier muss man wirklich ausrufen: "O Tiefe des Reichtums!"

Nun haben wir aber, neben der Dahingabe des Vaters und dem Opfer des Sohnes, welches der Welt den größten Reichtum brachte und in seiner Art einmalig und einzigartig ist, ein weiteres schweres Schicksal, nämlich das des Volkes Israel. Auch dieser schwere und entbehrungsreiche Weg Israels brachte als Wechselwirkung "der Welt Reichtum" (Röm 11:12), ja der Niedergang des Volkes wird direkt als "Reichtum der Nationen " beschrieben.

Wie schwer trägt also Israel an seiner Auserwählung!

Doch die Tiefe des Reichtums, die im Verzicht, in der Entbehrung und im Leid liegt, bewirkt bei Gott immer einen herrlichen Ausgang. Und hier möchte Paulus uns hinführen. Wir können das momentane Leid betrachten, wir können darüber traurig, ja sogar trübsinnig werden, wenn wir dabei stehen. bleiben; doch sobald wir über das Gegenwärtige hinausschauen, sobald wir unsere Blicke auf das Ziel richten, bleibt alles Leid zurück und die Tiefe des Reichtums Gottes wird sichtbar.

Und welcher Reichtum und welche Tiefe ist es, wenn Gott uns in Seinem Wort versichert, dass Er Sich einmal aller erbarmen wird! Was heute noch weit von Ihm entfernt ist, was Ihn ignoriert, wird Ihm einmal huldigen, und Er wird alles an Sein Herz ziehen, damit Er alles in allen sei!

Aber wir dürfen nicht nur die Tiefe des Reichtums, sondern auch die "Tiefe der Weisheit"! Dabei stellt Gottes Wort in vielfacher Weise die Weisheit Gottes derjenigen der Menschen gegenüber.

Im ersten Korintherbrief 1Kor 1 ist viel von menschlicher Weisheit die rede. Die Aussagen gipfeln in 1Kor 1:19-20: "Ich werde die Weisheit der Weisen zunichte machen und den Verstand der Verständigen verwerfen. Wo ist der Weise? Wo ist der Gebildete? Wo ist der Fragesteller dieses Äons? Macht. nicht Gott die Weisheit dieser Welt zur Torheit?" Die Aussagen gehen im gleichen Sinn noch weiter, doch wir haben schon an diesen zwei Versen leicht erkannt, wie vernichtend Gott die Weisheit dieser Welt beurteilt. Aber wohlgemerkt: Es handelt sich hierbei um die reine menschliche Weisheit, die Gott außer Acht lässt!

Dort hingegen, wo Menschen ihre Weisheit in Gott suchen. und diese solchermaßen kundtun, erregt diese Weisheit Erstaunen. So lesen wir in Mt 13:54 von dem Menschen "Jesus", dass Er, in der Synagoge lehrend, Seine Zuhörer in Verwunderung versetzte, so dass diese sich fragten: "Woher hat der diese Kraft und Kräfte?" Wir wissen, dass Jesus in jeglicher Art und Weise mit seinem himmlischen Vater in Einklang stand - dies gab Ihm Seine Weisheit!

Die Weisheit der Welt macht Gott zuschanden, die bezeugt hinreichend 1Kor 1:18 ff, doch in 1Kor 1:30 lesen wir die Alternative:"Christus Jesus, der uns von Gott her zur Weisheit gemacht worden ist". Wer also wirklich Weisheit sucht, findet sie nur in einer Person, in Christus Jesus! In Ihm allein sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen (gem. Kol 2:3)!

Wie wunderbar, die Tiefe der Weisheit ist nur in. unserem Herrn und Haupt zu finden!

Und noch eine "Tiefe" wird uns genannt, an der wir uns erfreuen dürfen und die uns unendlich reicht macht: Die Tiefe "der Erkenntnis Gottes". Dabei geht es darum dass wir Gott in Seiner Größe erkennen sollen.

Nun wissen wir aber nur zu gut, dass unter den Gläubigen sehr abgestufte Erkenntnisse über Gott vorhanden sind. Paulus weiß um diesen Mangel, deshalb lesen wir auch in einer seiner Gebete zu Gott: "... dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch geistliche Weisheit und geistliche Enthüllung zur Erkenntnis Seiner Selbst gebe" (Eph 1:17). Es bedarf also in besonderer Weise "Geistlicher Weisheit und geistlicher Enthüllung", um die Tiefe der Erkenntnis Gottes zu erlangen. Pauli Fürbitte für alle Heiligen ist in diesem Punkt somit auch für uns eine wertvolle Anregung, unsere Gebet so zu formen, dass sie zur Fürbitte für unsere gläubigen Geschwister werden können.

Was sollen wir erkennen, welches sind die Tiefen der Erkenntnis Gottes? Der Text von Eph 1:17 führt uns in der Fortsetzung weiter: "... damit ihr wisst, was das Erwartungsgut Seiner Berufung ist, was der Reichtum der Herrlichkeit Seines Losteils inmitten der Heiligen, was die alles übersteigende Größe Seiner Kraft ist ..." Wir merken, Paulus gebraucht in diesen Versen des Epheserbriefes ähnlich erhebende und gewaltige Worte wie in unserem Leitvers. Dabei geht es hier natürlich um uns, die Gläubigen der Körpergemeinde Christi Jesu, denn nur diese habe ja ein überhimmlisches Losteil, welches sie erkennen sollten!

Wie bei der Weisheit, so ist es auch bei der "Erkenntnis Gottes", sie ist nur in einer Person zu finden; denn: In Christus sind nicht nur alle Schätze der Weisheit verborgen, sondern auch die der Erkenntnis (Kol 2:3). Er ist das Abbild des unsichtbaren Gottes, in Ihm erkennen wir den Willen und die Liebesabsicht Gottes. So haben wir in Ihm auch wirklich alles!

Wir wollen noch zum letzten Satz des ges trigen Tages anfügen: Wer nachlesen möchte, was wir "in Ihm" alles haben, lese das erste Kapitel des Epheserbriefes und unterstreiche rot jedes Vorkommen der Worte "in Ihm". Der Reichtum, der sich uns hier auftut, ist wirklich überwältigend!

Aber Paulus fügt in unserem Leitvers noch einen Ausruf der Bewunderung an: "Wie unausforschlich sind Seine Urteile und wie unausspürbar Seine Wege". Es gibt wahrscheinlich wenige Gläubige, die noch nie über gewisse Aussagen der Schrift in irgendeiner Weise irritiert waren. Gerade die im AT zu lesenden Handlungen und Urteil Gottes sind uns nur zu oft unverständlich. Wenn Paulus auf die "unausforschlichen Urteil" Gottes hinweist und diese als wunderbare Tiefen preist, dann möchte er damit nicht nur klarstellen, dass Gottes Urteile immer richtig sind, er möchte vielmehr dahin führen, dass die Urteile Gottes auch "unausforschlich" sind.

Schon in Röm 9:21 wurde uns am Bild des Töpfer klargemacht, dass Gottes Handeln von keinem Seiner Geschöpfe auch nur im Geringsten anfechtbar ist. Er ist der souveräne Töpfer, der Vollmacht über den Ton hat. Es kann auch gar nicht sein, dass die Geschöpfe alle Wege und Urteile des Schöpfers verstehen. Doch dort, wo wir vor den unausforschlichen Urteile und unausspürbaren Wegen Gottes stehen, darf unser Glaube eingesetzt werden! Er nimmt die Stelle unseres Verständnisses ein, er trägt uns über alle Klippen. und Unebenheiten hinweg, ja er verherrlicht Gott in allen Seinen Urteilen und auf allen Seinen Wegen!

Und doch ... ein gutes Stück des uns betreffenden dürfen wir erkennen: "Was kein Auge gewahrt und kein Ohr gehört hat und wozu kein Menschenherz hinaufgestiegen ist, all das hat Gott denen bereitet, die Ihn lieben. Uns aber enthüllt es Gott durch Seinen Geist; denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes" (1Kor 2:9-10).

Röm 11:34-35

"Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer wurde Sein Ratgeber? Wer hat Ihm etwas zuerst gegeben, damit es Ihm vergolten werden wird?"

Wie viele Fragen hat Paulus in diesem Römerbrief bereits angesprochen und wie oft ermahnte er: "Möge dies nicht gefolgert werden!" Sicherlich musste sich Paulus durch seine Stammesgenossen, vor allem von jener der Kaste der Schriftgelehrten, viele Fragen anhören. Und er gibt auch offen zu, dass es ihm als Mensch gar nicht zusteht, Gottes Sinn bis in die tiefsten Tiefen erkannt zu haben, auch wenn ihm der Geist Gottes viel enthüllt.

Oder denken wir an unsere Zeit. Wieviel Gemeinschaften und Sekten gibt es da! Und alle haben einen gemeinsamen Punkt: Alle behaupten, allein Recht zu haben, dabei sind die Unterschiede zum teil gravierend! Dies beweist, wie wenig der Mensch, auch wenn er gläubig ist, den Sinn des Herrn erkannt hat. Hüten wir uns also ernsthaft davor zu behaupten, wir hätten alles erkannt, bekämpfen wir aber alles, was Gott verunehrt oder Ihn in Zweifel zieht.

Ein passendes Wort finden wir in 2Kor 10:4-5: "Sind doch die Waffen unseres Krieges nicht fleischlich, sondern mächtig für Gott: zum Einreißen von Bollwerken, wenn wir Vernunftschlüsse einreißen und jede Höhe, die sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt. Wir nehmen alle Gedanken unter den gehorsam des Christus gefangen ..." "Krieg" führen wir gegen jene Mächte der Finsternis, die ständig versuchen, Zweifel an Gottes Handeln in unser Herz zu säen Und wenn uns dann falsche Gedanken gefangen nehmen wollen, wenn uns fragen beginnen zu quälen, dann dürfen wir uns zu Christus hinführen lassen. Die Worte des Petrus dürfen auch uns zusprechen: "Eure gesamte Sorge werft auf Ihn" (1Petr 5:7). Und Paulus schreibt: "Sorgt euch um nicht" (Phil 4:6) - und Sorgen entstehen ja zumeist dort, wo noch zu wenig von der Größe Gottes und wo noch kaum des Herrn sinn erkannt wurde.

Halten wir uns an den Lobpreis Pauli in 1Tim 1:17: "Dem König aber der Äonen, dem unvergänglichen, unsichtbaren, alleinigen, weisen Gott sei Ehre und Verherrlichung für die Äonen der Äonen! Amen!

Röm 11:36

"Denn aus Ihm und durch Ihn und zu Ihm hin ist das All! Ihm sei die Verherrlichung für die Äonen! Amen!"

Zum Abschluss dieser drei an Israel gerichteten Kapitel macht Paulus mit wenigen Worten eine der gewaltigsten Aussagen über Gottes Handeln, die uns bis 1Mo 1:1 zurückschauen lassen. Im Bild eine gewaltigen Kreises zeichnet er den Ursprung, Beginn, Verlauf und das Ende des Alls, und findet darüber nur noch Worte der Verherrlichung seines Gottes.

"Das All auch Ihm" führt uns zu der Voraussetzung, die zwar nicht wörtlich zu finden ist: Wenn das All aus Ihm ist, war es zuvor "in Ihm"! Hier stehen wir wohl an der äußersten Grenze zu der ein Mensch in seinem Denksinn gelangen kann. Dahinter liegt die Anfangslosigkeit und damit schlechthin die Unendlichkeit, und in diese hinein ragt allein Gott. Wir dürfen also Gott "allein" erblicken, das All noch verborgen in Ihm Ihm - es war nach menschlichem Begreifen noch nichts außer Gott Selbst! Und Gott ist, das bezeugt Joh 4:24, "Geist". Dieses Bild zeigt uns aber auch, dass alles einen Anfang hat, nur Gott nicht! Und hiermit wird unserem forschenden Geist die letzte Schranke, aber auch ein erster Anfang gesetzt.

Wenn wir trotz des "ungeschriebenen" Wortes einen Blick in das Innere Gottes tun dürfen und das "All" als zuvor "in Ihm" sehen dürfen, so muss uns dabei tiefe Ehrfurcht ergreifen. Wir sehen nämlich alles am Vaterherzen ruhen, sämtliches Geschaffene in seiner Urquelle, sicher und geborgen bis zu seiner Erzeugung. Und hierzu gehört auch Christus, der Erstgeborene von einer jeden Schöpfung. Wer nun hinterfragen möchte, wie solch ein riesiges All in Gott gewesen sein könnte, lerne aus der Natur, die uns im Kleinen zeigt, was im Großen geschehen ist: Sämtliche Menschen, und ihre Zahl beträgt inzwischen viele Milliarden, sind aus einem ersten Stammvater, Adam, hervorgegangen, waren also zuvor in Adam eingeschlossen.

Nehmen wir einen großen Gedanken mit in den Tag: Wenn alles, auch wir, z uvor in Ihm waren und aus Ihm sind, dann sind wir letztendlich ein Teil von Ihm - fasse dies, wer kann!

Heute soll uns die Aussage "aus Ihm" beschäftigen, doch zuvor sei noch ein köstlicher Gedanke angesprochen: Wie innig und tief muss die Beziehung Gottes zu Seiner Schöpfung sein, die er zuvor in Sich getragen hat! Was ein Mensch mit seinen Händen schafft, mag ihm sicherlich wertvoll sein, doch es bleibt "äußerlich", es fehlt die Lebensbeziehung. Doch zu einem Kind, welches ein Teil der Eltern ist, steht der Mensch in ganz anderer Beziehung, sie ist innig und lebensvoll! Wenn dies schon ein Mensch so erleben und empfinden darf, um wieviel mehr Gott in Bezug auf Seien Schöpfung!

Das All aus Gott nahm seinen herrlichen Anfang im Erstgeborenen einer jeden Schöpfung, im "Sohn Gottes"! In Offb 3:14 sagt der Sohn von Sich: ".. der Ursprung der Schöpfung Gottes". Dabei wollen wir beachten, dass Christus nicht nur der Erstgeborene und Ursprung ist, sondern uns auch zu Johannes führen lassen, der uns noch eine wichtige Aussage macht: "Denn so sehr liebt Gott die Welt, dass Er Seinen einzig gezeugten Sohn gibt". Mit dem Wort "einzig gezeugt" wird uns ein gewisser Abstand zur Folgenden Schöpfung gezeigt, denn. Christus war vor seiner Menschwerdung "ebenso wie Gott" (Phil 2:6), nur mit dem Unterschied, dass Er nicht Vater, sondern Sohn ist!

Wenn wir dem Wort "aus Ihm" weiter folgen, müssen wir an dieser Stelle zu Kol 1:16 umschwenken, denn dort wird uns gezeigt, was nach der Zeugung Christi geschah: "Denn in Ihm ist das All erschaffen ..." und hier ist von Christus die Rede! Wir haben also die beiden Aussagen, einmal unser Leitvers, der besagt, dass das All aus Gott ist, und weiter in Kol 1:16, dass das All in Christus erschaffen ist. Auch dürfen wir eine ungeschriebene Aussage machen: Gott hat das All aus Sich zuerst in Christus gelegt, und "in Ihm ist dann das All erschaffen!

Christus ist aber nicht nur der Träger und Erschaffer des Alls, sondern auch der Garant, dass alles zu seinem vorbestimmten Ziel kommt. Und deshalb lesen wir auch weiter in Kol 1:16b: "Das All ist durch Ihn und zu Ihm hin erschaffen..."!

Wir sehen, dass Paulus mit der Aussage in Kol 1:16 später im Gefängnis in Rom einen gewissen Einschub in die Worte unseres Leitverses macht. Röm 11:36 zeigt die großen Züge der Schöpfung des Alls, der Vers spricht allein von Gott; Kol 1:16 spezifiziert die erste Aussage und schiebt Christus als Träger des Alls gewissermaßen dazwischen. Gott schuf das All also nicht allein, sondern legte dieses vorher in Christus - dies ist die Ergänzung, die Paulus in Kol 1:16-17 vornimmt!

Die Verpflanzung des Alls aus Gott in Christus zieht eine bereits erwähnte Tatsache mit sich: Das All hat nicht nur zum Vater eine innige Verbindungen, sondern auch zum Sohn. Es genügte Gott nicht, dass seine Schöpfung einmal in Ihm war, sie sollte sich auch im Sohn befinden und zu Ihm eine lebendige Beziehung haben. Damit wiederholt sich die köstliche Aussage, die wir schon in Bezug auf den Vater machen durften: Wenn das gesamte All in Christus war, befanden auch wir uns an diesem seligen Ort und durften an Christi Herzen ruhen! Nicht oft genug können wir uns diese Erkenntnis vergegenwärtigen!

Unser Leitvers bezeugt im Blick auf den Vater, dass das All "durch Ihn" ist. Der Vater ist also die Quelle alles Seins. In Kol 1:16-17 lesen wir in Bezug auf den Sohn: "Denn in Ihm ist das All erschaffen ... das All ist durch Ihn und zu Ihm hin erschaffen, und Er ist vor allem, und das All besteht zusammen in Ihm". Diese Worte belegen uns, dass der Vater die Ausführung der Erschaffung des Alls in die Hände des Sohnes gelegt hat. Aber nicht nur das! Die Verantwortung Christi umfasste auch den Abschluss. Der Sohn hatte sehr wohl Kenntnis von der großen Aufgabe, die auf Ihn zukommen würde. Wir sehen dies daran, dass schon vor dem Niederwurf der Welt, noch bevor die Sünde in diese eindringen konnte, Christus als makelloses und fleckenloses Opferlamm erkannt war (1Petr 1:20). Durch David tut Christus kund, dass der Vater auf diesen schweren Auftrag hin von Ihm ein williges und freudiges "Ja" erhielt (Ps 40:7-8). Hier dürfen wir wohl den Grundstein für das Kreuz auf Golgatha sehen!

Nachdem wir in gröbsten Zügen gesehen haben, dass das All aus Gott in Christus gepflanzt und in Christus erschaffen wurde, macht Paulus noch eine weitere gewaltige Aussage: Das All ist "zu Ihm hin"! Das gesamte All hat also vorn Grund an eine einzige Richtung. Diese Aussage wiederholt sich in Kol 1:16 in Bezug auf Christus: "Das All ist ... zu Ihm hin erschaffen".

Wir sehen den kleinen Unterschied der beiden fast gleichlautenden Aussagen, nur in dem zusätzlichen Wort "erschaffen", was besagt, dass unser Leitvers die Quelle nennt, aus der alles kommt, und die W orte des Kolosserbriefes uns den Ausführenden nahebringt. In beiden Fällen aber liegt das Hauptaugenmerk auf der Richtung: "zu Ihm hin".

Wir können jetzt gedanklich einen Kreis malen. Dazu setzen wir den Stift an einem beliebigen Punkt an, ziehen ihn in. mehr oder weniger großem Bogen vom Ausgangspunkt weg, gelangen aber unwillkürlich wieder an den Ausgangspunkt zurück. Und genau dies ist die Bewegung des Alls. In großem Bogen bewegt es sich erst einmal vom Schöpfer weg, doch man kann es drehen und wenden wie man will, aber einem gewissen Punkt geht es wieder zurück zum Ausgang, "zu Ihm hin"! Dabei ist interessant, dass es gewissermaßen zweimal diese Richtung gibt, zuerst hin zu Christus (gem. Kol 1:16), und zuletzt hin zu Gott (gemäß unserem Leitvers). Die Bestätigung finden wir in 1Kor 15:27-28. Dort lesen wir, dass der Vater dem Sohn zuerst einmal alles unterordnet; und wenn dieser Zustand am Ende der Äonen erreicht ist, wird Sich auch der Sohn Selbst dem Vater unterordnen, damit Gott alles in allen sei.

Kann man einen weiteren Bogen ziehen als den, den Paulus hier aufzeigt? Und kann man größere Herrlichkeiten in so wenigen Wortgen sagen, sie in diesem Leitvers? Da kann man doch nur noch Gott verherrlichen, und dies wahrlich für alle Äonen!

Wir wollen bei diesem Thema, zu dem noch unendlich viel zu sagen wäre, was aber im Rahmen dieses Andachtsbüchleins nicht möglich ist, doch noch eine wichtige Sache ansprechen, die. zu allen Zeiten die Menschheit. zuriefst belastet hat: Die Erschaffung Satans! War auch er zuvor in Gott? Wurde auch er in. Christus verpflanzt? Trifft auch auf ihn zu, dass er auf dem Weg "hin zu Christus - hin zu Gott" erschaffen ist? War er von Anfang an böse, oder wurde er dies erst später? Oder anders gefragt: Wie ist es möglich, dass angesichts solch gewaltiger Aussagen, die ja einen von Gott wohl durchdachten Plan offenbaren, ein einziges Geschöpf die ganze Schölpfung in eine Krise stürzen kann?

Wir können noch diese Frage nur in aller Kürze ansprechen, ausführlich ist sie in unserer Schriftenreihe "Satan als Engel des Lichts" (hier klicken) in 6 Bänden ausführlich dargelegt und kann jederzeit bei uns abgerufen werden oder online gelesen werden.

Fest stehen die Worte Gottes, dass das All, und das ist alles, aus Ihm ist, alles durch Ihn ist und alles zu Ihm hin ist! Dieses dreimalige "alles" lässt doch im Grunde keine Ausnahme zu! Kann Gott, dem weisen Baumeister denn etwas misslingen? Muss Christus einmal am Abschluss der Äonen beschämt vor dem Vater bekennen, dass Ihm ein Großteil der Geschöpfe durch das eigenmächtige Wirken Satans abhanden gekommen ist und dies von der Richtung des Kreises abgewichen sind und das "alles" schwer geschädigt ist?

Wir stehen hier vor einem der ernstesten Probleme, dem wir nicht ausweichen dürfen, denn des Vaters und des Sohnes Ehre stehen auf dem Spiel! Auch Halbwahrheiten wie "Satan sei als Lichtengel geschaffen und habe sich erst später gegen Gott erhoben" nützen hier nichts! es muss die klare und den Vater wie den Sohn verherrlichende Aussage stehen bleiben, dass weder unser Leitvers, noch Kol 1:16-17 eine Ausnahme zulassen! Satan wurde aus Gott so geschaffen, wie er ist , und er nimmt den gleichen Weg wie alles andere! Nur mit dieser einfachen und klaren Erkenntnis können wir Gott verherrlichen, und dies für die Äonen! Amen!

Lies weiter:
Der Römerbrief - Kapitel 12