Bereiche der zukünftigen Herrlichkeit

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Abschrift des Buches: Heilsgeschichtliche Entfaltung im Neuen Testament
Verfasser: E. W. Bullinger (1874)

Herausgeber:
Manfred Mössinger, 76307 Karlsbad, Eigenverlag (1993)
In englischer Sprache:
The Foundation of Dispensational Truth

Weitere Bücher unter: Abschriften

Kapitel davor:
III. Die Apostelgeschichte

1. Phase der Erwartung
2. Phase des bestätigenden Zeugnisses
3. Phase des göttlichen Zeugnisses
4. Phase der mitfolgenden Zeichen
5. Von den Zeichen, die aufhören

IV. Bereiche der zukünftigen Herrlichkeit

Es gibt noch etwas zu lernen über die heilsgeschichtlichen Phasen, bevor wir die einzigartige Stellung und wunderbare Lehre der späteren paulinischen Briefe, die er aus der Gefangenschaft in Rom geschrieben hat, richtig verstehen können.

Allgemein spricht man von zwei solchen Phasen, einer alten und einer neuen, aber wir müssen auch das, wie alles, anhand des geschriebenen Wortes prüfen und beurteilen. Dann werden wir sehen, ob wir von Menschen oder von Gott gelehrt sind, aus Tradition oder Offenbarung. Bis zu einem gewissen Grad werden wir alle übereinstimmen.

1. Wir stimmen alle darin überein, dass ein wiederhergestelltes Israel und eine neugeschaffene Erde (Mt 19:28) das große Thema der Prophetie des Alten Testaments bilden. Es ist gewiss nicht notwendig, die vielen Weissagungen zu zitieren, die von der Zeit reden, wenn die Erde voll Erkenntnis und Ehre des Herrn sein wird, wie Wasser das Meer bedeckt (4Mo 14:21; Ps 72:19; Jes 6:3; Jes 11:9; Hebr 2:14).

Wir sind uns mit unsern Lesern einig, diese Weissagungen wörtlich zu verstehen, und nicht zu versuchen, sie zu erklären oder sie durch spirituelle Interpretation, die sie all ihrer Kraft und Wahrheit beraubt, zu zerpflücken, bis nichts davon übrig bleibt.

Wir schauen auch alle nach der Zeit aus, wenn er, "der Israel zerstreut hat," es auch wieder sammeln wird (Jer 31:10); wenn sie "alle von Gott gelehrt sein" werden (Joh 6:45; Jes 54:10); wenn "die Reiche der Welt unseres Herrn und seines Christus" sein werden (Offb 11:15); und wenn das irdische Jerusalem in größerer Pracht wiederhergestellt sein wird, als es in alten Zeiten hatte.

Das irdische Königreich

Das Königreich und sein Bereich von Segnung und Herrlichkeit wird auf der Erde sein, und das neue Israel, mit Herzen von Fleisch anstatt von Stein und mit einem neuen Geist, wird "die Früchte der Gerechtigkeit" hervorbringen (Hes 36:24-36; Mt 21:43). Das wird die Wiedergeburt (oder palingenesia) sein, wenn die Apostel "sitzen auf zwölf Thronen und richten die zwölf Stämme Israels" (Mt 19:28). Das wird der erste und unterste Bereich der Segnung sein, auf der Erde und unter dem ganzen Himmel. Das ist das "Volk der Heiligen des Höchsten" (Dan 7:27). Alle Völker der Erde werden teilhaben an dieser Segnung, gemäß Gottes ursprünglicher Verheißung an Abraham (1Mo 12:3.4; 1Mo 17:4; Ps 22:27.28; Ps 67:4; Jes 2:4; Jes 11:10.12; Jes 42:1.6; Jes 49:22; Jes 53:11; Jes 55:5; Jes 60:3.5.11; Jes 66:12 usw. Man beachte aber die Anmerkung des Herausgebers der engl. Neuausgabe am Ende dieses Kapitels).

Das himmlische Königreich

2. Aber Abraham und sein geistlicher Same sind "die Heiligen des Höchsten" und sind zu unterscheiden von "dem Volk (dieser Heiligen) auf der Erde ([Dan 7:18].22.25). Sie nehmen einen anderen Platz im himmlischen Bereich desselben Königreichs ein. Diese sind, nach dem Wort des Herrn in Lk 20:34-36 "gleich den Engeln" und "Kinder der Auferstehung," die auferstanden sind in der "ersten Auferstehung," vor den tausend Jahren der Segnung für Israel und die Nationen "unter dem ganzen Himmel" (5Mo 4:19; Offb 20:4-6). Sie gehören zu dem "himmlischen Jerusalem," das Johannes "herniederkommen" sah, " aus dem Himmel von Gott," und "ihr Licht war gleich dem alleredelsten Stein". Dieses "heilige Jerusalem" wird in Offb 21:9-27 ausführlich beschreiben. Es ist die Stadt, "die einen festen Grund hat," auf die schon Abraham zu warten gelehrt worden war (Hebr 11:10), als er "des Herrn Tag sah und sich freute" (Joh 8:56); denn da "der Glaube aus dem Hören kommt," muss Abraham gehört haben, und dieses Hören muss aus dem (gesprochenen) Wort Gottes gekommen sein (Röm 10:17).

Das ist das "Erbe," von dem Petrus den Gläubigen in der Diaspora schreibt, "die mit uns denselben teuren Glauben empfangen haben" 2Petr 1:1. Dieses "Erbe" ist unvergänglich und unbefleckt und unverwelklich und wird aufbewahrt im Himmel für euch (1Petr 1:4). Das Griechische betont durch die Sprachfigur homoioteleuton dieses "Erbe" als nicht irdisch, sondern aphtharton, amianton, amaranton (1Petr 1:4). Die Einwohner dieser himmlischen Stadt werden "die Braut, das Weib des Lämmleins" genannt (Offb 21:9 K).

Seit der Berufung Abrahams gab es immer diese beiden Samen, den irdischen und den himmlischen. Der eine wurde von Jahwe mit dem "Staub der Erde" oder dem "Sand am Meer" verglichen (1Mo 13:16; 1Mo 22:17), der andere mit den "Sternen des Himmels" (Hebr 11:12; 1Mo 15:5). Beide Ausdrücke deuten auf die große Menge, aber der erstere ist speziell mit irdischen Segnungen verbunden, der letztere dagegen weist auf die, die "teilhaben an der himmlischen Berufung" (Hebr 3:1). Das sind diejenigen, die wie ihr Vater Abraham auf einen Anteil am Himmel und auf himmlische Segnung warteten, und auf die Stadt, die den "festen Grund" hat (siehe die Anmerkung des Herausgebers der engl. Neuausgabe am Ende dieses Kapitels.)

"Diese alle sind gestorben im Glauben und haben das Verheißene nicht erlangt, sondern es nur von ferne gesehen und gegrüßt und haben bekannt, dass sie Gäste und Fremdlinge auf Erden sind. Wenn sie aber solches sagen, geben sie zu verstehen, dass sie ein Vaterland suchen. Und wenn sie das Land gemeint hätten, von dem sie ausgezogen waren, hätten sie ja Zeit gehabt, wieder umzukehren. Nun aber sehnen sie sich nach einem besseren Vaterland, nämlich dem himmlischen. Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott zu heißen; denn er hat ihnen eine Stadt gebaut" (Hebr 11:13-16).

Was sonst hätte diese Stadt sein sollen, wenn nicht die Stadt, die Johannes gezeigt wurde "herniederkommen aus dem Himmel von Gott," deren Grundmauern in Offb 21:19.20 speziell beschrieben werden? Durch alle Zeitalter, von Abrahams Tagen bis heute, kann man diese "Teilhaber der himmlischen Berufung," den gläubigen Überrest finden. Sie bildeten die "Gemeinde des Herrn" und werden noch immer so bezeichnet.

Nicht ganz Israel bestand aus Leuten, die regelmäßig in Stiftshütte und Tempel anbeteten. Nicht alle lebten nach dem Gesetz Moses oder opferten die vorgeschriebenen Opfer, besuchten "die Feste Jahwes" oder hielten die befohlenen Riten ein. Die sich zum verordneten Dienst Jahwes hielten (wahrscheinlich die Minderheit, wie wir heute sehen), werden "die Versammlung" oder "die Herausgerufenen" genannt.

Das hebräische Wort für "Herausgerufene" kommt von kahal (von dem zweifellos das englische Wort call rufen stammt). Das Wort bedeutet rufen, zusammen-berufen, versammeln, und das Substantiv wird für jede Versammlung verwendet, die so zusammengerufen wird. Siebzigmal ist es in der Septuaginta, der griechischen Form des Alten Testaments, mit ekklesia (das Wort für "Gemeinde" im Neuen Testament) übersetzt.

Die Gemeinde Gottes

Vor allem findet es sich in dem Ausdruck "die ekklesia (oder Gemeinde) der Herrn" in 5Mo 23:2.3.4.9; 1Chr 28:8; Mi 2:5. In Neh 13:1 ist es "die ekklesia (oder Gemeinde) Gottes." Diese ekklesia (Gemeinde oder Versammlung), kommt vor in Ps 22:23; Ps 26:12; Ps 35:18; Ps 40:10.11; Ps 68:27. In Ps 22:25 wird sie die große ekklesia oder Gemeinde genannt, und in Ps 149:1 "die ekklesia der Heiligen." Das ist es, was David meint, wenn er in Ps 22:23 sagt:

"Ich will dich in der Gemeinde rühmen," und in Ps 22:26: "Dich will ich preisen in der großen Gemeinde."

In den Evangelien wird das Wort ebenso verwendet, wenn der Herr sagt: "auf diesen Felsen will ich meine ekklesia bauen."

Als er das zu Israeliten sagte, gebrauchte er das Wort nicht in dem neuen, exklusiven und speziellen Sinn, in dem es später, in der Offenbarung "des Geheimnisses" in den Gefangenschaftsbriefen, gebraucht wird, sondern in dem größeren, weiteren alttestamentlichen Sinn, den seine Zuhörer verstehen konnten; die ganze Versammlung der Gläubigen und Anbeter Jahwes umfassend, "die teilhaben an der himmlischen Berufung" (Hebr 3:1).

Wenn der Geist bei Stephanus von der "ekklesia in der Wüste" spricht (Apg 7:38), meint er diese Versammlung gläubiger Anbeter. Das sind die, die sicher bewahrt wurden "unter dem Schatten des Allmächtigen" während der achtunddreißig Jahre der als Strafe verfügten Wanderung in der Wüste (siehe Ps 90 und Ps 91).

Als der Herr nach Pfingsten zur ekklesia hinzufügte, "die gerettet wurden" (Apg 2:47), da fügte er sie zu den Einhundertzwanzig, die sich vor Pfingsten in dem Obergemach versammelten, und von denen es heißt:

"Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel (brachten aber nicht mehr Opfer dar und nahmen nicht mehr an den dort gebotenen Mahlzeiten Teil) und brachen das Brot (oder aßen, wie in Lk 24:30.35 und Apg 27:35) hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen bei dem ganzen Volk.

Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde (ekklesia) hinzu, die gerettet wurden" (Apg 2:46.47).

Es stimmt, dass die Wörter "zur Gemeinde" (griech.: ekklesia) im Apg 2:47 von allen Textkritikern (auch den konservativsten und am wenigsten "modernen"), Lachmann, Tischendorf, Tregelles, Alford, Westcott und Hort und von der R.V. weggelassen wird, aber wir wollen hier diese Auslassung nicht überbewerten, denn auch wenn es dasteht, ist es in dem alttestamentlichen Sinn von "Gemeinde des Herrn" gebraucht, und nicht in dem späteren Sinn, wie in dem Brief an die Epheser; denn sie hätten es damals nicht verstanden (wir heute auch nicht, wenn wir diesen späteren Brief nie gesehen hätten).

Wenn Paulus sagt, "... weil ich die ekklesia Gottes verfolgt habe" (1Kor 15:9), dann verwendet er das Wort nicht in einem Sinn, von dem er zu dieser Zeit noch nie gehört hatte, oder auch nur die entfernteste Idee davon hatte. Seine Worte müssen in demselben Sinn verstanden werden, in dem er sie damals gebraucht hat, und wir dürfen in eine Schriftstelle nicht hineinlesen, was der Gegenstand einer späteren Offenbarung war, besonders wenn der Sinn so völlig eindeutig und klar ist wie hier.

Wir müssen das Wort ekklesia in den Evangelien, der Apostelgeschichte und den früheren Paulinischen Briefen im Sinne des Alten Testaments (Septuaginta) verstehen, wo es einfach Gemeinde oder Versammlung von Jahwe anbetenden Leuten heißt, "die teilhaben an der himmlischen Berufung," die eine himmlische Hoffnung, einen himmlischen Bereich der Segnung haben, und die auf ihr Teil an der "Auferstehung zum Leben" warten.

Es war seit alters her prophezeit, dass es eine Auferstehung geben werde (siehe Hi 19:25-27; Hos 13:14; Joh 11:24), aber es war später auch offenbart worden, dass es zwei Auferstehungen geben werde - eine zum Leben und eine zum Gericht. Paulus zeugte von der früheren, dass sie die Hoffnung der Anbeter Gottes sei (Apg 24:14.15); David hoffte darauf (Ps 16:9-11 Obwohl der Psalm sich auf den Messias bezieht Apg 2:27-31; Apg 13:35, dürfen wir David selber nicht ausschließen, obwohl seine Erwartung nicht in naher Zukunft ist (s. Ps 49:15). Ebenso war es bei Daniel (Dan 12:1-3).

Der Herr nannte die erstere ausdrücklich "die Auferstehung der Gerechten" (Lk 14:14) und "die Auferstehung des Lebens" (Joh 5:29). "Durch das Wort des Herrn" war eine weitere Hoffnung offenbart worden, oder eigentlich eine Formulierung der Hoffnung (Joh 11:25.26). Es gab nicht nur die Hoffnung für die, die an der "ersten Auferstehung" teilhaben, sondern für die, "die leben und übrig bleiben," wenn dieses Ereignis stattfindet. Das "Wort des Herrn" hat es zuerst erwähnt, und der Heilige Geist hat es dann durch Paulus in 1Thes 4:16.17 ausgeweitet.

Es geht um den Herrn, der nicht nur "die Auferstehung" ist, sondern auch "das Leben." Er sagt:

c - "Ich bin die Auferstehung
d - und das Leben.
c - Wer an mich glaubt, der wird (wieder) leben, auch wenn er stirbt (für ihn bin ich die Auferstehung);
d - und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben (für ihn bin ich das Leben)."

Das war und ist die Hoffnung für alle, die "teilhaben an der himmlischen Berufung" (Hebr 3:1). Es gab viele von ihnen, als der Messias kam.

Das waren die, von denen es heißt:

die "auf den Trost Israels warteten" (Lk 2:25),
die "auf die Erlösung Israels warteten" (Lk 2:38),
die "auf das Reich Gottes warteten" (Mk 15:43; Lk 23:51),
"wie viele ihn aber aufnahmen" (Joh 1:12),
"die das Wort bereitwillig aufnahmen" am Pfingsttag und später (Apg 2:41; Apg 8:14; Apg 11:1; Apg 17:11),
"und habt das Wort aufgenommen in großer Bedrängnis" (1Thes 1:6),
"dass ihr das Wort der göttlichen Predigt, das ihr von uns empfangen habt, nicht als Menschenwort aufgenommen habt, sondern als das, was es in Wahrheit ist, als Gottes Wort, das in euch wirkt, die ihr glaubt" (1Thes 2:13).
Sie haben "nicht erlangt, was verheißen war" (Hebr 11:39) aber sie glaubten und haben es im Glauben empfangen.

Wer von uns hatte nie Schwierigkeiten damit, dass von den "Heiligen des Alten Testaments" gesprochen wird? Hier sehen wir sie das ganze Alte Testament hindurch als "die Gemeinde (oder Versammlung) Gottes," als die "teilhaben an der himmlischen Berufung," die eine Himmlische Erwartung haben und nach dem Bereich der himmlischen Segnung Ausschau halten.

Das Geheimnis Gottes

3. Das bringt uns zu einem andern Bereich der Segnung, dem höchsten an Herrlichkeit, der "seit ewigen Zeiten verschwiegen war." Es ist der ewige "Vorsatz" Gottes, der bestand "ehe der Welt Grund gelegt war," und der nun "kundgemacht ist durch die Schriften der Propheten" (Röm 16:26). Er betraf als Geheimnis nicht das Israel auf der Erde, auch nicht die, "die teilhaben an der himmlischen Berufung," sondern Christus und die auserwählten Glieder seines Leibes.

Auch im irdischen Wirken Christi gehörte das zu den Dingen, die er nicht einmal den zwölf Aposteln in der Vertrautheit des Obergemachs nach seinem letzten Abendmahl offenbaren konnte. Er konnte ihnen diese Dinge damals nicht nur nicht sagen, sondern die Apostel ihrerseits wären gar nicht fähig gewesen, sie aufzunehmen.

Und da der Herr in den Evangelien nicht davon gesprochen hatte, konnten die Apostel sie auch nachher, in der Apostelgeschichte nicht "bekräftigen." Es sind die Ereignisse und Wahrheiten Christi, die in einer besonderen Beziehung zu ihm stehen, und die sich auf die ganze Wahrheit beziehen, die ohne sie nicht vollständig wäre. Sie waren notwendigerweise dem "Geist der Wahrheit" zur Offenbarung vorbehalten. "Er wird euch in alle Wahrheit leiten." Die kostbaren "Reichtümer der Gnade" und der Herrlichkeit das waren die Lehren, die die Tatsachen der Sendung Christi zur Grundlage hatten, die damals nicht stattgefunden hatten; obwohl sie damals alle nahe bevor standen.

Diese Ereignisse im Leben Christi auf Erden waren die Grundlage der Lehren, die auf ihnen errichtet wurden, und ohne sie hätte man die Lehren nicht kennen können. Wie hätten die Lehren von Eph 2:5.6 vor dem Leiden und Sterben, vor Auferstehung und Himmelfahrt offenbart und gelehrt werden können, worauf sie doch beruhen?

Aber dieses besondere Kommen, Wirken und Leiten des "Geistes der Wahrheit" müssen wir uns für den nächsten Abschnitt vorbehalten, denn wir müssen diese letzte Phase dessen, was "Jahwe geredet hat" unbedingt betrachten, bevor unsere Betrachtungen zu den Gefangenschaftsbriefen beginnen. Denn darin und nur darin finden wir die "Reichtümer" der Gnade und Herrlichkeit, in die der Heilige Geist sie leiten sollte. Die gute Nachricht davon war dazu bestimmt, die lange Ära von Israels Blindheit und dunkler (geistlicher ) Nacht des Volkes auszufüllen (Jes 60:1-3).

Die Gefangenschaftsbriefe, die unmittelbar auf die Verkündung des Urteils der Verblendung und Verstockung Israels folgten (festgehalten in Apg 28:25.26), haben ihr eigentliches Thema in der Offenbarung des letzten Bereichs von Segnung und Herrlichkeit, der besonders mit Christus und seiner Gemeinde zusammenhängt.

Dieser Bereich ist nicht irdisch.

Er ist nicht überirdisch.

Er ist in den höchsten Himmeln.

Daher hat er mit irdischen "Zeichen und Wundern" nichts zu tun, die denen folgen sollten, die in frohem Gehorsam glaubten, was dort geschrieben ist. Solche unerreicht erhabene Sprache ist von menschlichen Gläubigen niemals vorher oder nachher gesprochen worden. Die Herrlichkeit dieses Bereichs verträgt sich nicht mit irdischen Zeichen oder Erweisungen, wie wunderbar sie auch immer sein mögen, oder mit Verordnungen, so wichtig die einst waren (es mag sogar sein, dass sie denen zugehören, die "teilhaben an der himmlischen Berufung," obwohl sie für die undenkbar sind, die ihre Position so wahrnehmen, wie in Kol 1:12-14 und Kol 2:20 beschrieben). Diese Briefe kennen den, der an sie glaubt, nicht an "mitfolgenden Zeichen," sondern kennen sie als "tot" für die Welt und alle irdischen Verbindungen und Beziehungen, und als mit-gestorben, mit-auferstanden und mit Christus in den höchsten Himmeln sitzend. Selbst das Dichten und Trachten ist nicht mehr mit Irdischem behaftet, sondern auf die erhabenen Dinge gerichtet, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Hand Gottes.

Daher lesen wir in diesen Briefen nichts vom Kommen Christi auf die Erde, vielmehr von unserer Hinwegnahme, damit wir seien, wo er ist; nichts von seiner parousia oder Gegenwart auf der Erde oder "in der Luft," dafür von unserer Gegenwart und Darstellung mit ihm in seiner Herrlichkeit. Wir lesen nichts von anastasis oder Auferstehung (die das Thema der früheren paulinischen Briefe ist) sondern von "ex-anastasis" (Phil 3:11) und "Berufung in die Himmel" (Phil 3:14 Es ist völlig unkorrekt, das griechische ano mit 'hoch' zu übersetzen, so als wäre es ein Adjektiv, das den Charakter dieses "Rufes" bezeichnet, denn es ist ein Adverb, das die Richtung angibt), die das Thema der späteren Briefe ist; nichts von irgendwelcher persönlichen Glückseligkeit, aber von Christi persönlicher Herrlichkeit, die zu teilen wir das unfassbare Privileg haben.

In diesem Zusammenhang möchten wir auf ein Wort aufmerksam machen, das unseres Erachtens das eigentliche Schlüsselwort der Gefangenschaftsbriefe ist und zum höchsten Bereich gehört. Es ist ein bemerkenswertes Wort, das wir in dieser Form im Neuen Testament nur hier finden. Es kommt einmal in Röm 13:9 vor, aber dort in der passiven Form der Gegenwart (anakephalaioutai) und bedeutet "aufhaupten für sich" (gipfelt). Aber in Eph 1:10 ist der Aorist Infinitiv der Mittelform (zwischen Aktiv und Passiv) (anakephalaiosasthai). Dieser Unterschied wird von der autorisierten und der revidierten Version (A.V. und R.V. der englischen Bibel) ignoriert, die Eph 1:10 die Mittelform wiedergeben, als wäre sie im Aktiv. Das ist im Interesse der gewöhnlichen Bibelleser, die doch zweifellos ein Recht auf eine grammatikalisch richtige Übersetzung einer solchen Stelle haben ein beinahe unverzeihliches Versehen.

Richtig übersetzt heben das Wort und der ganze Abschnitt die grundlegende Tatsache hervor, dass in allen Dingen, die dort offenbart sind, unser himmlischer Vater bei sich selbst beschlossen hat, was hier festgestellt ist:

"Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach seinem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte, um ihn auszuführen, wenn die Zeit erfüllt wäre, dass das All aufgehauptet würde für sich in Christus, was im Himmel und auf Erden ist. In ihm sind auch wir zu Erben eingesetzt worden, die wir dazu vorherbestimmt sind nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluss seines Willens; damit wir etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christus gehofft haben" (Eph 1:9-12).

Das wird genügen, um uns zu zeigen, dass der Kosmos, wie in Kol 1:15.16 gezeigt, größer, höher und erhabener ist als die irdische Herrlichkeit oder jene Herrlichkeit, die denen vorbehalten ist, "die teilhaben an der himmlischen Berufung."

Das Alte Testament, die Apostelgeschichte und die früheren paulinischen Briefe befassen sich mit dem niedrigeren Bereich der Herrlichkeit, aber die späteren Briefe offenbaren einen Bereich von Erbschaft und Herrschaft über der Erde und den Himmeln. 1Kor 15:40 spricht von irdischer und himmlischer Herrlichkeit, die sich voneinander unterscheiden. Aber es gibt einen Bereich kosmischer Herrlichkeit (wenn wir dieses Wort in diesem Zusammenhang gebrauchen dürfen), hoch über allem geschaffenen Sein, über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat (auch ohne Benennung oder Erklärung) in Eph 1:21 und Kol 1:16 auf Christus bezogen, der das Haupt ist über alles." Das schließt die Unterwerfung aller Feinde ein, zuletzt gar das Zertreten des Kopfes "der alten Schlange", die der Teufel ist.

Deshalb ist es jetzt das große Bestreben des Feindes, die Sinne der Menschen zu verblenden, "dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi" (2Kor 4:4). Und das ist es, warum wir, die wir Gott gehorchen, indem wir an diese, seine größte und herrlichste Offenbarung glauben, das hochhalten sollten als unsere gewisse Hoffnung und ständiges Thema; und nicht in Unkenntnis über Satans Absicht bleiben, zumal uns gesagt ist, worin seine Bedrohung besteht, so dass wir wissen, wohin sich unsere Verteidigung richten muss.

Mit anderen Worten, wir müssen arbeiten, um "den Reichtum seiner Herrlichkeit" bekannt zu machen, der mit dem dritten und höchsten Bereich an Segnung und Herrlichkeit und Ehre für "Christus und seine Gemeinde" verbunden ist.

Anmerkung des Herausgebers der englischen Neuausgabe:

'Der als Zitat ausgewählte Abschnitt ist Dan 7:27, wo erklärt wird, "das Volk" bezieht sich auf den Samen, der das irdische Königreich ererben soll, "die Heiligen" auf die "in die Himmel Berufenen." Aber die Worte scheinen ursprünglich nichts weiter zu bedeuten, als "das heilige Volk," was oft für Israel als Volk verwendet wird. Der Leser möge die Verse Dan 7:18.21.22.25 des gleichen Kapitels beachten, in denen "das Volk" als "die Heiligen" bezeichnet wird, und dazu Dan 8:24 und Dan 12:1.7, verglichen mit der Septuaginta und unter Berücksichtigung der Ausführungen von Gesenius über den chaldäischen Ausdruck. Siehe auch Röm 9:5 und Röm 11:5 und 1Kor 10:5. Es trifft zu, dass nicht alle das Gesetz eingehalten haben, das durch Mose gegeben war, aber wer sich absichtlich für den Unglauben entschied, wer das Gesetz Moses missachtete, hatte gar keine irdischen Segnungen, weder Königreich noch Land; für die gab es nur das Sterben ohne Erbarmen (siehe Hebr 10:28). Das Kapitel wurde trotzdem beibehalten, damit die Leser den treuen Rat von Dr. Bullinger befolgen mögen, sich selbst ein Urteil zu bilden, besonders da es sich hierbei um ein Randthema handelt, und das Hauptthema der heilsgeschichtlichen Entfaltungslehre nicht beeinträchtigt.‘

Lies weiter:
V. Gott redet durch den Geist der Wahrheit