Vorbilder und Weissagungen der Leiden Christi: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 22. April 2024, 10:53 Uhr

"Christi Schrei am Kreuz - Sein herrlichster Lobpreis"
von M. Jaegle (1976)

Abschrift mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Groß, Balingen
Dort als Schrift noch erhältlich.

Inhaltsverzeichnis
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Christi Schrei am Kreuz

3. Vorbilder und Weissagungen der Leiden Christi

Von diesen zahlreichen Vorbildern und Weissagungen, die im Alten Testament auf Christi Leidensweg hinweisen oder diese abschatten, können wir nur einige, und zwar die markantesten anführen. Wir wollen diese besonders dahin untersuchen, ob Gott seinem Sohn nicht irgendwo und -wann, selbst nur andeutungsweise zu erkennen gab, dass Er Ihn am Kreuz verlassen würde.

Zu den klarsten Vorbildern von Christi Dahingabe durch Seinen Vater gehört:

Die Geschichte Isaaks

Diese Geschichte ist eine der ergreifendsten Begebenheiten der Bibel. Sie ist ausführlich in 1Mo 22 berichtet. Mit der Aufforderung Gottes an Abraham, seinen einzigen. geliebten Sohn Isaak zu opfern, hat Gott dem Sohn unüberhörbar "Seinen Vorsatz mit Ihm" kundgetan. Da der Herr Sich dort Selbst in Isaak sah, muss Ihm dessen gehorsames und duldsamen Verhalten besonders tiefen Eindruck gemacht haben. Es war für Ihn zutiefst vorbildlich, für "Seinen eigenen Gehorsam bis zum Tode des Kreuzes."

Isaak hatte nur eine Frage an seinen Vater (1Mo 22:7): "... aber wo ist das Lamm der Aufsteignahung?" Diese einzige frage geschah noch auf dem Wege. Bei der Vorbereitung zur Opferung, als Isaak erkannt hatte, dass er das Opferlamm sei, hat er den Vater nichts mehr gefragt! Beim Lesen dieser Geschichte sah der Herr einen jungen Mann voll jugendlicher Kraft und Leben vor sich, der sich willig vom Vater zur Opferung binden ließ, ohne ihm auch nur eine "Warum-Frage" zu stellen, wie etwas diese: "Warum verlässt du mich, indem du dich von mir abkehrst?" Damit gab Gott mit Isaak eines der deutlichsten und herrlichsten Vorbilder von Christi Gehorsam bis zum Tode des Kreuzes.

Wenn nun Gott dies mit einem menschlichen Vorbild erreichte, wie unwahrscheinlich, ja unmöglich ist es dann, dass Christus als Erfüller, mit einer bangen Frage so weit hinter Seinem Vorbild zurückgeblieben wäre! In Wirklichkeit war es doch immer so, dass Vorbilder irgend einen Zug der Unvollkommenheit trugen, während ihre Erfüllung - in diesem Falle Christus - vollkommen war.

Im Lichte der Haltung Isaaks wird eben Mt 27:46 in der alten Fassung zu einer wohl ungewollten, aber offensichtlichen Herabsetzung Christi. Nicht einmal den Stand des Schweigens und der stillen Ergebenheit, wie Isaak sie zur Schau trug, hätte Er erreicht. Aber noch tiefer stünde Er unter ihm, wenn Er nicht mehr gewusst hätte, warum Er in diese Lage gekommen sei und dadurch so ratlos geworden wäre, dass Er vor alle Welt den Vater flehentlich um Aufklärung fragen musste. Und schließlich, wieviel mehr wäre Isaak berechtigt gewesen, nach dem Sinn seiner unerwarteten Opferung zu fragen!

Weiter gewahrte der Herr in dem Vorbild von Isaak, dass Abraham seinen Sohn nicht allein ließ. Isaak verblieb die Gemeinschaft des Vaters, auch wenn er ihm mit dem schon gezückten Messer den todesstoß gegeben hätte. dass Abraham seinen Sohn nicht verlassen würde, wird mit der zweimaligen, die gewaltige Tragik dieses göttlichen gEschehens bekundenen Aussage hervorgehoben: "Und sie gehen, sie, die zwei, zusammen!" (1Mo 22:6-8).

Was dem Herrn mit der vorbildlichen Opferung Isaaks durch dessen Vater Abraham gezeigt wurde, hat got tSeinem Sohn später durch den Propheten Jesaja sagen lassen. In dieser Rolle (Jes 53:10a) las Er: "Doch Ieue gefiel es, Ihn zu zerschlagen." Da der Sohn aber bei Isaak zu sehen bekam, dass der V ater im Moment des Zerschlagens bei Isaak verharrte, wusste Er, dass auch Sein Vater Ihn in jener schwersten Sunde nicht verlassen würde!

Die Geschichte Josephs

Ein weiteres Beispiel auf Sein Leiden und Sterben fand der Herr im Leben Josephs. Mit ihm wird dem Herrn Sein Leidensweg auf andere Weise dargestellt. An diesem in schwere Prüfungen geführten jungen Mann sah der Herr wieder einen stillen, willigen Glaubensgehorsam. Doch im Leben Josephs stellt sich die frage, ob durch seine Trennung vom Vater nicht vorbildlich des Sohnes Verlassenheit gezeigt wurde.

Auf den ersten Blick mag das so scheinen, aber bei näherem Vergleich wird dieser Gedanke hinfällig durch folgende Tatsache: Joseph wurde gewaltsam, ohne den Willen seines Vaters, von diesem getrennt. Hingegen hat nach Röm 8:32 Gott Sich Selbst von Seinem Sohne getrennt, als Er Ihn nach Seinem vorgefassten Ratschluss auf die Erde entsandte un din die Hände der Sünder dahingab. Dennoch blieb Gott im Geiste Seinem Sohn immer nahe, wie dies der Herr zweimal in Joh 8:29 und Joh 16:32 Selbst bezeugte.

Diese Tatsache enthüllt uns auch Josephs Leidensweg, der uns Antwort gibt über Gottes wirkliche Einstellung zu Seinem Sohn am Kreuz. Zweimal heißt es in der Geschichte Josephs: "Und Ieue war mit Joseph..." (1Mo 39:2 und 1Mo 39:21). Das erste Mal erfuhr er Gottes Nähe im Hause des Potiphar, das zweite Mal im Gefängnis. Da ab er gerade diese Zeit im Kerker des Herrn Leiden und Sterben vorbildet, ist damit auch der Hinweis gegeben, dass während des Herrn sTerben am Kreuz Gott mit Seinem Sohn sei und Ihn in der größten Not nicht verlassen werde.

Die zwei Ziegenböcke

Von einer besonderen Opferszene wird in 3Mo 16 berichtet. Zwei Ziegenböcke wurden dazu benötigt. Nach 3Mo 16:8 musste Aaron Lose über sie werfen, ein Los für Ieue und eines für Asasel, d.h. wörtlich "Ziegenbock des Weggangs". Der Bock, der für Ieue bestimmt war, wurde als Sündopfer dargebracht. Sein Blut wurde nach 3Mo 4:6 siebenmal vor Ieue gegen den Vorhang des Heiligtums hin gesprengt. Derart tat der Priester Sühnung für den Sünder, der Vergebung erhielt. Hingegen heißt es vom anderen Bock (3Mo 16:10): "Und der Bock, auf welchen das Los für Asasel gefallen ist, soll lebendig vor Ieue gestellt werden, um auf ihm Sühnung zu tun, um ihn von Asasel fortzuschicken in die Wüste."

Hier sollte man meinen, dieser in die Wüste geführte Bock versinnbildliche des Herrn Verlassensein vom Vater am Kreuz. Doch dieser Bock konnte gar nicht Christus am Kreuz abschatten, da er ja nicht als Opfer geschlachtet und keine Sühnung mit seinem Blut getan wurde, so wie es in Hebr 9:22 ausdrücklich betont wird: "... ohne Blutvergießen geschieht keine Vergebung." Somit erhielt Israel auch nicht mit dem Ziegenbock des Weggangs Vergebung, wie es mit dem geopferten Bock geschah, dessen Blut zu ihrer Vergebung gesprengt wurde. Nur dieser letztere konnte deshalb kein Vorbild des wahren göttlichen Opferlammes am Kreuz sein, nicht aber der andere. Aus der Wegführung dieses Bockes können wir dhaher nicht die Gottverlassenheit des Sohnes herleiten.

Die Wegführung und das Verschwinden des vor den Augen Israels in die Wüste geführten Bocks war vielmehr eine Bestätigung dafür, dass mit dem geopferten Bock ihre. Sünden so gesühnt und von ihnen entfernt wurden, als seine sie überhaupt nicht mehr vorhanden. Dieser Ziegenbock des Weggangs illustrierte also vorbildlich die köstliche Frucht, die Seinem Volke verheißen ist: "Denn Ich werde ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nicht mehr gedenken" (Jer 31:34b; Jer 50:20).

Da der Herr so noch viel deutlicher erkannte, dass der Ziegenbock des Weggangs kein Vorbild Seines Opfertodes war, weil dessen Blut nicht vergossen wurde, so konnte Er unmöglich in der Wegführung Sein Verlassensein von Gott am Kreuz sehen.

Noch ein Gedanke ist der Darbringung der Tieropfer beizufügen. Nach 2Mo 29:11; 3Mo 4:4; 3Mo 6:18-19; 3Mo 16:7; 3Mo 17:3-6+8-9 war es durch göttliche Verordnung unter Todesstrafe verboten, die Opfer außerhalb der Stifshütte und des Lagers, d.h. fern von der Gegenwart Gottes, darzubringen. Sie mussten an den Eingang des Zeltes gebracht und vor Ieue gestellt und geopfert werden. Dann wurde ihr Blut von dem Priester an den Altar gesprengt. Die Darbringung der Opfer vollzog sich also ganz in der Nähe der Gegenwart Gottes.

Auch mit dieser Verordnung gibt Gott einen Hinweis, dass Sein Sohn Sich nicht fern von Ihm als Opfer darbringen konnte, sondern allein in Seiner unmittelbaren Nähe.

Wenn auch vom Sündopfer das Fleisch, seine Haut und sein Mist außerhalb des Lagers verbrannt wurden (2Mo 29:14), so geschah aber am Eingang des Zeltes, und in der Gegenwart Gottes (2Mo 29:11) das, was die Vergebung bewirkte: der Tod und das Sterben des Sündopfers. Und von dessen Blut tat der Priester an die Hörner des Altars und goss den Rest des Blutes an den Fuß des Altars (2Mo 29:12).

Dazu war aber der Herr nicht nur das Sündopfer, sondern auch das Brandopfer, eigentlich Ganz-Brandopfer, welches ganz auf dem Altar verbrannt wurde, ohne dass der Priester etwas davon essen durfte. Das war ein Feueropfer lieblichen Geruchs dem Ieue (3Mo 1:3-9). Von diesem Opfer lesen wir in Eph 5:2, wo es heißt, dass Christus "Sich Selbst für uns dahingibt als Darbringung und Opfer für gott zum Duft des Wohlgeruchs." Wenn wir bedenken, dass der Herr auch als ein solches Opfer am Kreuz hing, Seinem Gott als Duft des Wohlgeruchs zur Erquickung, so ist es - von diesem Opfer aus gesehen - unmöglich zu schließen, dass Er Seinen Sohn verlassen konnte.

Von den Jüngern verlassen

In der Reihe der Weissagungen lesen wir in Sach 13:7 ein ganz besonderes Leiden Christi: "Schwert, erwache wider Meinen Hirten und wider den Mann, der Mein Genosse ist! spricht Ieue der Heerscharen; schlage den Hirten, und die Herde wird sich zerstreuen." Hier wird dem Herrn vorausgesagt, dass er in Seiner Leidenszeit von den Jüngern verlassen werde. Nachdem Er am Abend des Passah mit ihnen lobsingende auf den Ölberg ging (Mt 26:39), war das erste, was Er ihnen sagte (Mt 26:31), "... denn es steht geschrieben (Sach 13:7): "Ich (Gott) werde erschlagen (Ihn) den Hirten, und versprengt werden die Schafe der Herde."

Wenn wir dieses ZItat aus den Herrn Mund mit Sach 13:7 vergleichen, so können wir erkennen, dass Er dieses Prophetenwort nicht wörtlich wiedergab. Während Sacharja schreibt "Schwert erwache...: schlage den Hirten" - was bedeutet, dass irgendein Schwert den Hirten erschlagen soll - führt jetzt der Herr den Ihn treffenden Schlag auf Gott zurück.

Als dann der Haufe kam und Ihn gefangen nahm (Mt 26:55), wurde diese Weissagung erfüllt, denn es heißt weiter (V. 56): "Dann verließen Ihn alle Seine Jünger und flohen." Dieses Alleingelassenwerden von Seinen Jüngern kam also nicht unerwartet über Ihn. Gott hatte es Ihm durch den Propheten Sacharja (Sach 13:7) im voraus angezeigt, was Jesus auch den Jüngern prophezeite.

Überdies lässt Gott Seinen Sohn in einer ähnlichen Weissagung in Jesaja wissen, dass Er Ihn zerschlagen, also zum Tode bringen würde. Unverhüllt redet Gott durch den Propheten (Jes 53:10): "Doch Mir (Ieue) gefiel es, Ihn (den Sohn) zu zerschlagen."

Das sind zwei Weissagungen, nach welchen es greifbar nahe läge, dass, wenn Er schon Seinen Sohn zu Tode bringe, Er Ihn auch allein ließe! Aber gerade aus der von Sacharja (Sach 13:7) verzeichneten Stelle, die dem Herrn die Flucht Seiner Jünger voraussagt, ergibt sich auch, dass Gott sicher diese Gelegenheit wahrgenommen hätte, um dem Sohne gleichzeitig zu sagen, dass auch Er Ihn verlassen würde!

Zu der fragwürdigen Wiedergabe des Schreies gehört also die Annahme, dass Er Ihm das so viel schwere Verlassenwerden verheimlicht hätte" also gerade das, auf welches Er zu Seiner Vorbereitung unbedingt hätte zählen müssen! Denn wenn dem so wäre, könnte man verstehen, dass, als das Allerschwerste plötzlich und unerwartet über Ihn gekommen, Er. unter der Wucht dieser auf Ihn unvorbereitet geworfenen Last aus tiefster Seelennot einen Frageschrei. zum Vater ausgestoßen und Ihn um eine aufklärende Antwort angefleht hätte.

Träger und Tilger des Gesetzesfluches

Dass Christus den Fluch des Gesetzes trug und uns von diesem Fluch erkauft hat, steht Gal 3:13 geschrieben: "Christus erkauft uns aus dem Fluch des Gesetzes, da Er ward ein Fluch für uns; denn es ist geschrieben: "Verflucht ist jeder, der am Holze hängt..."

Auch dieses tiefste und mit Schmach verbundene Leiden hat Gott schon durch Mose in Seinem Wort (5Mo 21:22-23) geweissagt. Dort lesen wir: "Und wenn an einem Manne eine todeswürdige Sünde ist, und er wird getötet, und du hängst ihn an ein Holz, so soll sein Leichnam nicht über Nacht an dem Holze bleiben, sondern du sollst ihn jedenfalls an demselben Tage begraben; denn ein Fluch Gottes ist ein gehängter; und du sollst dein Land. nicht verunreinigen, das Ieue, dein Gott, dir als Losteil gibt."

Es ist tief ergreifend, dass diese Weissagung nicht nur gehängten Verbrechern, sondern vor allem dem gekreuzigten Gottessohn galt. Der Fluch des Gesetzes verlangte das Hängen des Verbrechers! Und weil der Herr diesen Fluch im Einvernehmen mit Seinem Gott auf Sich genommen und für uns getragen hat, musste Er wie ein gemeiner Verbrecher an das Kreuz gehängt werden! Damit sich aber diese furchtbare Hinrichtung an Christus erfüllen konnte, hat Gott die Völkergeschichte so gelenkt (Hi 12:23), dass die Römer zur Zeit Jesu Palästina in Händen hatten; denn dieses Volk übte diese grausamste Todesart, das Aufhängen Lebender an einem Holz! Ja, in die schaerlichste und grtauenvollste Todesnacht musste der Sohn hinabsteigen, um uns dort wie ein verfluchter Verbrecher vom Fluch des Gesetzes loszukaufen.

Ob all des Furchtbaren, das sich auf den Sohn entlud, ist nun auch allen Ernstes zu fragen: Hat Gott Seinen Sohn als den Fluchträger des Gesetzes (5Mo 21:22-13) nmicht doch verlassen? Spircht nicht dafür auch die an Ihm ausgeübte Todesart, die ja dem Gedanken der Gottverlassenheit sehr n ahe kommt? Das Gleiche tut auch die Schriftstelle, die als Beweis gilt, dass Christus als verfluchter und Träger des Zornes Gottes einfach ein von Gott Verlassener sein mu sste! So überzeugend dies auch scheinen mag, diese These ist doch unhaltbar, und zwar aus folgendem Grunde: Der Herr war gleich mit Beginn der Kreuzigung ein verfluchter; Gott hätte Ihn also dort schon sofort verlassen müssen. Dann würde aber der Herr mit Seinem Notschrei nicht bis in die sechste Stunde gewartet haben. Die Ihm so überraschend gewordene, grenzenlose Enttäuschung hätte Ihn veranlasst, anstelle Seiner Bittgebetes für Seine Feinde den Notschrei als ersten Seiner Aussprüche auszustoßen! Angesichts dieser Tatsache lässt sich selbst mit 5Mo 21:22-23 nicht begründen, dass der Herr als Verfluchter von Gott verlassen wurde.

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass für Paulus auch Gal 3:13 ff der Ort gewesen wäre, unbedingt mit dem auf Christus gefallenen Fluch auch die Gottverlassenheit zu erwähnen. Dem Apostel genügte aber die Feststellung: "Verflucht ist jeder, der am Holze hängt, auf dass der Segen Abrahams unter die Nationen gebracht werde, in Jesu Christo..." Es ist Sein "An-das Holz (Kreuz-)-Erhöht-sein", das uns diesen Segen gebracht hat, niemals aber ein angebliches Verlassensein.

Psalm 22

Ein weiterer bedeutsamen Zeuge von Christi Leiden ist Ps 22. Dieser Psalm ist mit Recht als der bekannt, welcher am meisten von den Leiden Christi weissagt. Weitere Psalmen, die auch auf Christi Leiden hinweisen, tun die gewöhnlich nur mit einem Vers, wie z.B. Ps 27:12; Ps 34:20; Ps 41:9 u.a.

In diesem Weissagungen nimmt David eine doppelstellung ein: Er redet oft von seinen ihm widerfahrenen Leiden. Da sie ähnlicher Art waren wie die, welche Christus erlitt, wurde Davids Leidensweg in vielem ein Vorbild der Leiden des Herrn. Davids Leiden begannen sofort nach seiner Salbung zum König (1Sam 18:11), und es dauerte lange, bis er endlich von seinem Volk als König anerkannt un dangenommen wurde. So zeichnet Gott mit Davieds Verwerfung auch Seinem Sohn Seinen Leidensweg auf Erden vor.

Auch Er kam als gesalbter König, und durch die Verwerfung Seines Volkes musste Er vorerst ebenfalls den Weg der Erniedrigung und der Schmach gehen. Erst wenn Er zum zweiten Mal zu Israel kommen wird, werden sie Ihn nach Sach 12:10 und Offb 1:7 annehmen. Der Leidensweg Davids eignet sich daher auch vorzüglich als Vorbild der Leiden des Sohnes Gottes.

Deshalb musst David - durch den geist Gottes angeregt - seine Leiden in den Psalmen niederschreiben, wodurch er zugleich auch prophetisch von den Leiden Christi weissagte. Hier ist aber die Mahnung zur rechten Wortteilung nach 2Tim 2:15 zu beachten, indem scharf auseinanderzuhalten sind: die Schilderung des persönlichen Erlebens Davids und die Prophetie auf Christi Leiden. Und das trifft nun besonders auf Ps 22 zu.

Manche Leidendesberichte Davids sind ohne direkten Bezug auf Christus. Andere geben wieder unverkennbare, prophetische Hinweise auf. Christi Leiden. So schreibt David in Ps 30:2: "Ieue, mein Gott! Zu Dir habe ich geschrien, und Du hast mich geheilt (erhört)." Im Gegensatz hierzu lesen wir David selbst betreffend - Ps 20:7: "... Du verbargst Dein Angesicht, ich ward bestürzt."

Dann finden wir wieder Weissagungen der Leiden Christi, die eingerahmt sind von Davids Sünden-Bekenntnis. Man vergleiche in Ps 31:5 mit Vers Ps 31:10b, Ps 41:9 mit Ps 41:4 und Ps 69:9 mit Ps 60:5. Dieses nahe Beisammensein der Weissagungen von Christi Leiden und davids Sünden-Bekenntnis ist ein deutlicher prophetischer Hinweis auf das Zusammensein Christi mit den Sündern, als Er auf Erden wandelte.

Gewiss finden wir in den Psalmen auch zahlreiche Aussprüche Davids, mit denen er Gott für Rettungen aus Drangsalen und Nöten und für Erhörungen seine Schreiens dankt. Das geschah ab er erst nach erfahrener Rettung. In den Leiden selbst war der stöhnende Mann, der sich von Gott verlassen fühlte. - Sich in den Drangsalen zu rühmen (Röm 5:3) vermochten die Männer des alten Bundes noch nicht, da ihnen noch nicht die Auferstehungskraft Christi zu Verfügung stand. - Sie brachten es bestenfalls soweit, wie es der Schreiber de Ps 42:5+11 bekennt. Er beschwichtigt seine Seele uns spricht ihr zu, auf die Hilfe Gottes zu warten, um erst nach erlebter Erhörung Ihm zu danken.

Allgemein wird nun angenommen, dass der Herr Seinen Schrei mit den Anfangsworten von Ps 22 ausrief: "Mein Gott! ein Gott! Warum hast Du mich verlassen?" Um aber einen klaren Durchblick für diesen Ausruf zu erhalten, dürfen wir diesen einen Ausspruch nicht vom nachfolgenden trennen, und müssen überdies den ganzen Vers 2 dazu lesen. Da vernehmen wir: "... bist fern von meiner Rettung, den Worten meines Stöhnens. Mein Gott! ich rufe des Tages, und Du antwortest nicht; und des Nachts, und mir wird keine Ruhe." Nach diesen Worten hat der sich von Gott verlassen fühlende David Tage. und Nächte hindurch gestöhnt, weil Gott fern von ihm blieb und Sein Angesicht vor ihm verbarg. Hier wird uns doch deutlich gezeigt, dass der Zustand dieses von Gott Verlassenen nicht auf den Herrn bezogen werden kann. In den vier Berichten (Evangelien) lesen wir nie, dass der Herr überhaupt gestöhnt hat und dazu noch Tage und Nächte hindurch.

Freilich lesen wir in Hebr 5:7 von dem Sohne Gotte, dass Er "in den Tagen Seines Fleisches Flehen als auch inständige Bittrufe mit starkem Geschrei und Tränen Dem dargebracht hat, der Ihn konnte aus dem Tode retten, und ward erhört wegen Seiner Ehrfurcht vor Gott". Da wir aber nirgends lesen, dass der Herr in der Weise Seine Stimme in Gegenwart der Jünger oder anderer Menschen erschallen ließ, muss das in der Einsamkeit geschehen sein, wenn Er auf dem Berge im Gebet zu Gott war (Mt 14:23; Mk 6:46; Joh 6:15). Man könnte diese Gebetsnächte des Herrn als Vorgärten des Gartens Gethsemane bezeichnen; denn auch mit den Gebeten auf dem Berge bereitete Er Sich für Sein Sterben am Kreuze vor. Seine Bittrufe und sSein Geschrei zeigen die Schwere Seines Hindurchringens an. Aber wie Seine Leidensankündigungen so war auch Sein Ringen im Gebet getragen von Seinem Glauben: Gott weckt Mich am dritten Tage auf. Und gewiss er fuhr Er in jenen Stunden des Gebets ganz besonders, was Ihm der Vater verheiß, nämlich Ihn nicht allein zu lassen!

Es ist also keine Gleichheit zwischen dem Manne in Ps 22:1-2, der stöhnte, weil ihm Gott fern war und ihn ohne Antwort ließ und dem Flehen, Bittrufen und starkem Geschrei des Sohnes Gottes. Hingegen passt jener Zustand treffend auf David. Tage- und nächtelang befand er sich auf der Flucht vor Saul. Er litt unschuldig und fand keinen Grund dafür. Zudem hatte er als Mann des alten Bundes nur eine beschränkte Erkenntnis und deshalb auch keinen Durchblick. Allein so ist zu verstehen, dass er zu Gott schrie, warum Er ihn denn verlassen habe, ihm fern bliebe und ihn ohne Antwort lasse. Auch in anderen Psalmen erhebt David eine ähnliche Klage, so in Ps 10:1 und Ps 13:1.

Dazu steht das, was David hier sagt, im Widerspruch zu des Herrn eigenen Aussagen während seiner Erdentage, in denen Er sagen konnte: "Vater, Ich danke Dir, dass Du Mich hörst. Ich aber weiß, dass Du Mich immer (griechisch PANTOTE = ALLEZEIT) hörst. (Joh 11:41-42). Jesus, der überragend mehr und inniger mit Seinem himmlischen Vater vertraut war (Joh 7:29; Joh 8:19+55; Joh 15:21) als David mit seinen Vorvätern (Ps 22:4-5), konnte sagen: "Wir sind eins" (Joh 10:30; Joh 17:11.21-22). Auch dürfen wir die Bitte Davids im Ps 22:20 nicht in den Mund des Herrn legen; denn Er wusste, dass Er als das wahre Opferlamm Seine Seele als Schuldopfer ausgießen musste (Jes 53:10.12)

Hören wir noch Ps 22:24: "Denn nicht verachtet hat Er, noch verabscheut das Elend des Elenden, noch Sein Angesicht vor Ihm verborgen; und als Er zu Ihm schrie, hörte Er." Diese Erfahrung steht im Gegensatz zu den Versen 1 und 2 dieses Psalmes. Beides kann aber unmöglich auf ein und denselben Mann zutreffen. Der Mann der ersten Aussage stöhnt ob des Verlassenseins von Gott, während der andere bezeugt, dass Gott Sein Angesicht nicht vor Ihm verborgen habe und Er Sein Schreien hörte.

Auf welchen Mann nun jede dieser beiden gegensätzlichen Erfahrungen zutrifft, ist leicht zu erkennen: die erste in den Versen 1 und 2 auf David, und die andere auf Christus. Und weil Christus zwischen den beiden Psalmstellen Seine Kreuzesleidens schilderte, so zeigte der Vers Ps 22:24 prophetisch an, dass Er dort nicht von Gott verlassen war. Das ist ein Beweis mehr, dass Christus Seinen Schrei in einem anderen Sinne ausstieß, als dem Ihm von Übersetzern zugedachten.

In einem folgenden Abschnitt werden wir nochmals auf Ps 22:1 nach dem Urtext eingehen.

Psalm 23

Doch nun hat zu unserer Untersuchung auch der nächste bekannte Ps 23 ein klärendes Wort mitzureden. Auch in diesem Psalm finden wir einen Mann, der durch das Tal des Todes geht und der seine Erfahrung darin beschreibt. Das lesen wir in Ps 23:4: "Auch wenn ich wanderte im Tale des Todesschattens, fürchte ich nichts Übles, denn DU BIST BEI MIR; Dein Stecken und Dein Stab, sie trösten. mich."

Wieder ist uns damit der Gegensatz zu Ps 22:1-2 vor Augen gestellt. Dort, ob seiner Verlassenheit von Gott in höchster Not stöhnender Mann und hier (Ps 23:4) ein Mann, der in tief vertrauendem und getröstetem Bewusstsein zu Seinem Gott das Tal des Todes durchwandert, denn Er kann bezeugen: "Ich fürchte nichts Übles, denn Du bist bei Mir."

Also auch hier erscheint wieder der Mann, der das Gegenteil von dem erfuhr, was David nach Ps 22:1-2 durchmachen musste. Wenn also auch manches von Ps 23 auf David passt, so aber nicht das, was Vers 4 bezeugt. Er konnte doch nicht über Gottverlassenheit klagen und gleichzeitig bekennen, dass Er bei ihm sei! Hier hat vielmehr david durch den geist christi, der nach 2Sam 23:2 und 1Petr 1:11 auch durch ihn redete, von den für Christus bestimmten Leiden geweissagt.

Damit hat der Geist erneut bezeugt, dass der Herr den Todesschatten des Kreuzes ohne Furcht vor Üblem - Gottverlassenheit - durchwanderte, weil Gott bei Ihm blieb.

Ähnlich weissagen noch andere Psalm. Zu diesen gehört auch Ps 16, der prophetisch von Christus redet, und zwar besonders offensichtlich in den Versen Ps 16:9-11, wo Sein Todeszustand und Seine Auferstehung geweissagt sind. Ps 16:8 gibt uns zuerst Einblick in Seine vorhergehenden Leiden: "Ich habe Ieue stets vor Mich gestellt, weil Er zu Meiner Rechten ist, werde Ich nicht wanken." In der ersten Vershälfte wird uns des Herrn Stellung zu Gott gezeigt und in der zweiten, wie Gott zu Seinem Sohne steht. Das ist doch eine klare Verheißung für Christus am Kreuz. Sie gab Ihm die Gewissheit, dass Gott zu Seiner Rechten sein werde, und dass Er deshalb nicht wanken werde. Dieses Wort steht also auch dagegen, dass Christus einen Ihn wankend zeigenden Not- und Frageschrei ausstoßen musste, weil Ihn Sein Vater verlassen hätte.

Wir kommen jetzt nochmals auf die Ähnlichkeit der Leiden Davids und derjenigen des Herrn zurück, um auf einen weiteren Unterschied im Verhalten beider Leid-Tragenden hinzuweisen. Gewiss, auch David brachte seinem Gott Dank und Anbetung dar. Aber es standen doch auch "Warum-Fragen" vor ihm (Ps 22:1-2). Auch ging es durch Klagen und Gestöhn, durch Ängste, Furcht und Zittern (Ps 55:1-5) und Ps 64:1).

Wie verhielt sich aber der Herr schon in Seinen Vorleiden? Er litt - wie David - unschuldig vor Seinen feinden. Er wurde von den Pharisäern bezichtigt, durch den Obersten der Dämonen die Dämonen auszutreiben (Mt 9:34). Nachdem Er noch andere heuchlerische Abweisungen erfuhr (man lese dazu Lk 11:53-54), machte Er offenbar, wie Er innerlich zu diesen Leiden stand. Das hören wir aus Seinem Mund (Mt 11:25-26): "Zu jener Frist antwortete Jesus und sagte: 'Ich huldige Dir, Vater, Herr des Himmels und der Erde, da Du dieses verbirgst vor Weisen und Verständigen und es enthüllst den Unmündigen. Ja, Vater! Denn also ward es Deine Lust vor Dir."

Welch ein tiefgehendes, grundverschiedenes Verhalten im Leiden zwischen David und dem Herrn! Mit David steht ein Leidender vor Gott mit Stöhnen und der "Warum-Frage". Ihm gegenüber sehen wir einen Mann, den Herrn Selbst, inmitten unsagbar schwerer Leiden vor Gott, Ihm dafür Huldigung darbringend. Welch ein Kontrast! Das war doch für unseren Herrn ein gutes Vorzeichen für Seine Stellungnahme zu Seinen Leiden am Kreuz. Schon hier gewinnt man den bestimmten Eindruck, dass Er auch am Kreuz vermochte, dem Vater einen Lobpreis darzubringen, nicht aber einen Warum- und Jammerschrei.

Psalm 91:11-16

Auch dieser Psalm deutet prophetisch auf Christus, besonders die obigen Verse. In der Versuchung hatte der Widerwirker den Inhalt der Verse Ps 91:11-12 angeführt, um den Herrn vom Glauben weg- und irrezuführen. Jesus widersprach dem Versucher nicht etwa mit: "Dies ist keine Mir geltende Verheißung", sondern entgegnete ihm: "Wiederum ist geschrieben: 'Nicht auf die Probe stellen sollt du den Herrn, deinen Gott'" (Mt 4:7).

Das Ablehnen des Angebots Satans, durch ein Schauwunder Seine Gottes-Sohnschaft und das auf Ihm ruhende Wohlgefallen Gottes zu beweisen (Mt 4:3.6) - denn Jesus genügte die Zusage Seines himmlischen Vaters: "Die ist Mein Sohn, der Geliebte, an Dem Ich Meine Lust habe" (Mt 3:17) - brachte den Sohn hernach in tiefste Schmach und schwerste Bedrängnis bis hin zum Tode des Kreuzes. Gerade diese Leiden und die Art, wie Er sie getragen hat, sind aber der überzeugendste Erweis Seiner Gottessohnschaft - so dass der ungläubige römische Hauptmann, der Ihm gegenüber beim Kreuze stand, zum verwunderten Ausruf gedrängt wurde: "Wahrhaftig! Dieser Mensch war Gottes Sohn" (Mk 15:39).

Wie glaubensstärkend war nun für den Herrn die Ihm von Seinem Gott in Ps 91:14-16 gewährte Zusage. Und wie beachtenswert ist dabei, dass hier Gott plötzlich der Sprechende ist: "Weil Er (Christus) an Mir (Gott) hängt, will Ich (Gott) Ihn erretten; Ich will Ihn in Sicherheit setzen (oder: unerschütterlich machen), weil Er Meinen Namen kennt. Er wird Mich anrufen, und Ich werden Ihm antworten, Ich werde bei Ihm sein in der Bedrängnis; Ich werde Ihn befreien und Ihn verherrlichen."

Was der untrügliche Gott Seinem Sohn auch in diesen unwiderrufenen Worten verheißen hat, ist das strikte Gegenteil von einem auch nur "zeitweiligen Verlassensein"; denn: "Ich Ich bin bei Ihm in der Drangsal" (nach Wiese-Übersetzung),. Diese Tatsache enthebt Jesus auch einer Warum-Frage, auf die Ihm Gott nicht geantwortet hätte. Überdies (Ps 91:15) hat Gott Ihm auf Sein Rufen Antwort versprochen! Auch sind wir dessen gewiss, dass keines dieser Verheißungsworte, deren Inhalt dem Ps 23 entsprechen, hinfällig geworden oder nicht erfüllt worden wäre.

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4. Jesu Aussprüche und Gesinnung