Jesu Aussprüche und Gesinnung

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"Christi Schrei am Kreuz - Sein herrlichster Lobpreis"
von M. Jaegle (1976)

Abschrift mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Groß, Balingen
Dort als Schrift noch erhältlich.

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Inhaltsverzeichnis

Christi Schrei am Kreuz

4. Jesu Aussprüche und Gesinnung

Wir gehen jetzt näher auf das irdische Leben Christi ein und wollen erforschen, was wir aus Seinen Aussprüchen und aus Seiner Gesinnung über Seinen Schrei in Erfahrung bringen können. Hören wir zum Anfang einen Seiner können. Hören wir zum Anfang einen Seiner Aussprüche, der aber auf Grund ungenauer Wiedergaben auf eine falsche Fährte führen kann.

Es handelt sich um Lk 12:50. Diese Aussage lautet nach mancher Übersetzung: "Aber Ich muss Mich zuvor taufen lassen mit einer Taufe, und wie ist Mir so bange, bis sie vollendet werde." Mit dieser Taufe redet der Herr von der Tilgung der Sünden der. Welt durch das Ihn am Kreuz treffende Gottes-Gericht.

In diesem Ausspruch steht das Wort "bange" im Vordergrund. Bangigkeit kommt aus Angst vor etwas bevorstehendem Schweren. Der Herr hätte also Angst gehabt vor seinen Kreuzesleiden. Hieraus könnte man schließen, dass Er. um die Ihm bevorstehende Verlassenheit wusste und dies Ihm die Bangigkeit verursacht hätte. Das wäre bestimmt kein gutes Vorzeichen für Seinen Kampf am Kreuz gewesen. Das wäre bestimmt kein gutes Vorzeichen für Seinen Kampf am Kreuz gewesen,. Es ist also das Wort "bange", welches tatsächlich diesen falschen Gedanken stützen könnte.

Aber nein! Denn im Urtext steht nicht: "... Mir ist bange..." sondern: "... wie drängt es Mich..."!

Jetzt erhält des Herrn Ausspruch einen geradezu entgegen gesetzten Sinn, und zwar den richtigen! Während Bangigkeit vor einer bevorstehenden Aufgabe zurückschreckt, drängt das "Gedrängtsein" im Gegenteil zu einem mutvollen Vorwärtsschreiten zur Erfüllung der schweren Aufgabe. Dies wird mit Lk 9:51 bestätigt, wo es heißt: "... das Er auch festigte Sein Angesicht, zu gehen nach Jerusalem". Mit Entschiedenheit und mutvoller Standhaftigkeit schritt Er also unaufhaltsam dem Ihm bewussten Kreuzesleiden zu!

Beiläufig möge hier ein ähnlicher Fall erwähnt werden. Es ist des Herrn Ausspruch in Joh 16:33. Nach der allgemein verbreiteten Wiedergabe: "In der Welt habt ihr Angst...", gäbe es für die Seinen in der Welt keinen anderen Weg, als Angst zu haben, so bestimmt spräche dies der Herr aus. Doch nach dem Urtext hat der Herr gesagt: "In der Welt habt ihr Drangsal..." In Drangsalen muss man aber nicht notwendigerweise Angst haben, denn nach Röm 5:3 vermögen wir uns sogar zu rühmen in den Drangsalen und können darin ausharren. Da uns Gottes Wort versichert, dass Drangsale uns nicht zu scheiden vermögen von der Liebe Gottes, muss diese Gewissheit Angst verscheuchen*

* Wollte man alle in Bibeln zu berichtigenden Fälle anführen, so ergäbe sich eine erstaunlich lange Liste!

Wiederholt hat Er den Jüngern Sein Kreuzesleiden vorausgesagt: Mt 16:21; Mt 20:17-19; Mk 10:32-34; Lk 18:31-34. Wir können aus diesen Aussagen erkennen, dass Er Seinen Jüngern nichts verheimlichte. Zu beachten ist, was Er bei Mk 8:31-32 noch hinzusetzt: "Und mit Freimut sprach Er das Wort" (von Seinen Ihm bevorstehenden Leiden), Was für eine feste Entschlossenheit und welche Leidens-Willigkeit -und -Bereitschaft sprechen doch aus den Worten "mit Freimut". Besonders aus diesem Zeugnis ist zu entnehmen, dass bei einem solchen Leidensmut nie ein Zweifelsschrei dem Herzen des Herrn entsteigen würde. Dazu finden wir in keiner der Leidensverkündigungen die geringste Andeutung von dem Leiden, welches für Ihn das Schwerste gewesen wäre: die Verlassenheit vom Vater.

In diesem Zusammenhang wollen wir auch des Herrn Worte in Joh 12:26-28 stellen. "... Nun ist Meine Seele erregt, und was sollte Ich sagen: "Vater, errette Mich aus dieser Stunde?" (Nein!) Sondern deshalb kam Ich in diese Stunde. Vater, verherrliche Deinen Namen!" ... Selbst Sein triumphaler Einzug, bei dem Ihm eine zahlreiche Schar als König und Messias zujubelte, vermocht en icht, Ihm Seinen Entschluss für den vorgezeichneten Weg über`s Kreuz fragwürdig zu machen oder Ihn gar davon abzubringen. So sind denn auch Seine Worte gleichnishaft eingerahmt vom in die Erde fallenden und ersterbenen Weizenkorn (Joh 12:24) und dem Hinweis auf seine Erhöhung an das Kreuz (Joh 12:32.33).

Hier, am Höhepunkt Seiner irdischen Laufbahn, beim glorreichen Einzug in Jerusalem, des großen Königs Stadt, mit der Anerkennung Seiner Herrscherwürde durch eine Ihm zujubelnde Volksmenge, stand Ihm des Vaters Wille klar vor Seinem geistigen Auge. Jetzt, da es Ihm in die Hände gelegt war, Sein verheißenes Königtum aus der Menschen Hände zu nehmen, stand es bei Ihm. unverrückbar fest, den Pfad des Gehrosams zu gehen. Jeder andere hätte gierig nach dieser bereitliegenden Ehre und Anerkennung gegriffen und sie wie einen Raub festgehalten. Nicht so der Sohn Gottes, Jesus Christus, in Seiner vorbildlichen Gesinnung (Phil 2:5-8). - Wundern wir uns daher nicht, dass auch Seine Seele in jener Stunde erregt war.

Er bat aber Seinen Vater nicht um Errettung aus dieser vor Ihm liegenden, Ihm tiefste Schmach und Verachtung einbringenden Stunde, sondern um die Verherrlichung Seines Vaters Namen! Anstatt der Schmach auszuweichen oder gar das Kreuz zu umgehen, ruhte Sein Blick glaubensstark im Geiste auf dem vor Ihm liegenden Kreuzesleiden; denn Er wusste, dass Sein Weg zum Königtum über diese Welt über das Kreuz ging. Wie sehr Er damit unter Gottes Wohlgefallen stand, bezeugte Ihm Sein himmlischer Vater mit der Zusage der Verherrlichung Seines Namens (Joh 12:28). Dies ist dann hernach vollends geschehen, als Gott Ihn mit dem Namen begnadete, der über jedem Namen ist (Phil 2:9).

Doch nun hören wir noch zwei weitere Hauptzeugnisse, die gegen den bekannten Wortlaut des Schreies Christi aussagen. Es sind zwei große Verheißungen, die Gott Seinem Sohn gegeben hat.

Zwei große Verheißungen

Diese beiden Verheißungen oder Zusicherungen tat Jesus vor Seinem Tod kund. Sie wurden vom Apostel Johannes niedergeschrieben und stehen in Joh 8:29 und Joh 16:32. Beide wurden schon erwähnt. Um ihrer Wichtigkeit willen wollen wir sie nun einmal in ihren Zusammenhängen hören, und zwar Joh 8:28-30: "Es sagte nun Jesus wiederum zu ihnen: 'Wenn ihr erhöhen werdet den Sohn des Menschen, dann werdet ihr erkennen, dass Ich es bin, und von Mir Selber tue Ich nichts, sondern, so wie Mich Mein Vater lehrt, dieses sprechen Ich, und Der Mich sendet ist mit Mir. Nicht lässt Er Mich allein, da Ich immer tue, was Ihm gefällig ist'. Da Er dieses sprach glaubten viele an Ihn." Und Joh 16:31-33: "Es antwortete Jesus: 'Jetzt glaubt ihr. Siehe, es kommt die Stunde und ist gekommen, dass ihr versprengt werdet, ein jeglicher in das Eigene, und Mich allein lasset. Und Ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei Mir. Dieses habe Ich zu euch gesprochen, auf dass ihr in Mir Frieden habet. In der Welt habt ihr Drangsal, jedoch fasset Mut, Ich habe die Welt überwunden'."

Hier möchten wir auch noch auf die besonders enge Beziehung hinweisen, in welcher des Herrn Ausspruch steht: "Wenn ihr erhöhen werdet den Sohn des Menschen (an das Kreuz), ... und Der Mich sendet, ist mit Mir. Nicht lässt Er Mich allein ..." (Joh 8:28-29). Jesus verbindet hier Seine Aussage, dass Ihn Sein Vater nicht verlassen werde, mit Seiner Erhöhung durch der Menschen Hände an das Kreuz. Dasselbe tut Er auch unverkennbar in Joh 16:32, wo Er das Nicht-allein-Gelassenwerden durch Seinen Vater unauflöslich mit dem Kreuzesgeschehen verknüpft.

Dabei ist das Erhöhen des Sohnes des Menschen ebenso buchstäblich zu nehmen wie des Herrn diesbezügliche Worte Joh 3:13; Joh 12:32.34. Denn allein der Glaube an Sein zu vollbringendes Erlösungswerk am Fluchholz von Golgatha konnte und kann den Menschen wahrhaftig erretten von ihren Sünden. Sie müssten sonst in diesen sterben, wie es ihnen der Herr in Joh 8:24 angesagt hat. Da genügt nicht ein bloßes "Ihm-Ehre-Geben" wie es durch ein bildliches Erhöhen zum Ausdruck gebracht wird. Das Nichtbeachten das Nichterkennen er ununterbrochenen Verbundenheit zwischen Vater und Sohn entstand - haben viel zu dem hartnäckigen Festhalten an Christi angeblichem Ausruf der Gottverlassenheit beigetragen. Diese steht eben ganz eindeutig im Widerspruch zu den angeführten Aussagen!

Dass der Vater Ihn nicht allein lassen werde, hat also der Herr aufgrund der Ihm ausdrücklich vom Vater gegebenen Verheißungen und nicht aus Sich Selbst den Jüngern bezeugt. Der Herr beugt ja Selbst diesem Gedanken vor, indem Er ausdrücklich erklärt, dass Er nichts von Sich Selber aus tue, also auch nicht rede. Sagte Er doch: "so wie Mich Mein Vater lehrt, dieses (nur) sprechen Ich ..." Und gleich anschließend führt Er aus, was Ihn der Vater lehrte, nämlich: "Ich lasse Dich nicht allein, weil Du immer nur das Tust, was Mir gefällig ist!" Un nochmals betont Er (Joh 16:32), dass Ihn der Vater nicht allein lassen werde.

Auch mit Joh 3:32.34; Joh 5:19-20.30; Joh 12:49-50 und Joh 14:12 beteuert uns Gottes Wort, dass Christus nur spricht, was Er gesehen und gehört hat beim und vom Vater. Somit sind Ihm die zwei unverbrüchlichen Verheißungen, dass Ihn der Vater nicht allein lasse, sondern bei Ihm bleibe, vom untrüglichen Gott und Vater Selbst gegeben worden.

Mit einem Ausruf der Gottverlassenheit hätte Gott Seinen Sohn später etwas diesen Aussagen Gegensätzliches, ja Widersprechendes gelehrt! Wenn dem so wäre, dann hätte der Sohn das bestimmt auch durch eine Gegenerklärung berichtigt und uns wissen lassen, auf dass kein unvereinbarer und unlösbarer Widerspruch durch eine spätere, unerwartete und nicht vorausgesagte "Abwendung Gottes von Seinem Sohn" in der Heiligen Schrift bestünde, denn Gott ist wahr, und nicht ein irrender Mensch, auf dass Sein Offenbarungswort immerdar in ungetrübtem Lichtglanz widerspruchsloser und vollkommener Harmonie und vollendeter Schönheit erstrahle!

Wir können auch dessen gewiss sein, dass der Herr nach Seiner Auferstehung Seine Jünger über Sein "Nicht-vorher-wissen" der Gottverlassenheit aufgeklärt und ihnen dabei auch den Sinn und das Warum Seines lauten Ausrufs kundgetan hätte. Denn nun musste es der Herr ganz bestimmt wissen, nachdem Er beim Vater gewesen war und hernach noch einige Zeit bei Seinen Jüngern weilte, ehe Er sich endgültig zur Rechten Gottes niedersetzte. Wäre diese Unterweisung nicht geschehen, kann hätten die Jünger Ihren Meister gewiss danach gefragt, wenn tatsächlich Sein lauter Schrei nicht in Übereinstimmung oder gar in Widerspruch zu Seinen früheren Worten gestanden hätte. Da aber in Gottes Wort jeder derartige Hinweis fehlt, so ist das ein erneuter Beweis dafür, dass zur damaligen Zeit das heutige Problem, wie es durchgängig in Bibeln und Schriften aufgeworfen wurde, gar nicht bestanden hat! Sein Schrei muss deshalb ursprünglich anders gelautet haben und verstanden worden sein als heute.

Aber noch mehr. Der Vater gibt Ihm sogar den Grund an, weshalb Er Sich nie von Ihm zurückziehen werde, un dzwar: Weil Du, Mein Sohn, stets im Glaubensgehorsam das Mir Gefällig tust!

Und nun bedenken wir: Am Kreuz hat der Herr den Ratschluss des Vaters ausgeführt und damit das dem Vater Wohlgefäligste im Glaubensgehorsam durchgeführt. Ausgerechnet an diesem Höhepunkt Seines Gehorsams sollte also der Vater Seinen Sohn verlassen haben!? Das ist doch ganz unwahrscheinlich, ja undenkbar! Wäre dies dagegen geschehen und hätte Gott an Seinem Sohn in Dessen höchster Not so unglaubhaft gehandelt, dann wäre des Sohnes Schrei der Verzweiflung berechtigt und verständlich gewesen. Dann hätte aber auch in diesem Frageschrei der stille, aber umso schmerzlichere Vorwurf mitgeklungen: Nachdem Du, Vater, Mir wiederholt Deine Zusicherung gabst, Mich nicht zu verlassen, warum verlässest Du Mich gerade jetzt, wo Ich doch das Dir Wohlgefälligste ausführe, und warum sagst Du Mir nicht einmal warum!? Und wie unfassbar muss dies für alle die sein, die Du Mir anvertraut hast!

Lassen wir aber dem gegenüber den Schrei der Überlieferung angesichts solcher Tatsachen gelten, dann ergibt sich in Gottes Heilsplan eine ganz unmögliche, verzweifelt ernste Situation. Wir sind vor die Alternative, d.h. Wahl zwischen zwei Möglichkeiten gestellt, die man nur schwer aussprechen kann, so erniedrigend sind sie für Gott und Christus. Denn hätte Gott Seinen Sohn verlassen, so hätte entweder Christus nicht mehr das Gott Gefällige getan, oder aber Gott hätte Ihn zu Unrecht verlassen! Diese strikten Unmöglichkeiten sind hier nur angeführt, um auszudrücken, dass dem einfach nicht so sein kann. Denn letztlich war es Gott, der Sein Werk in Seinem Sohne hatte (Joh 14:10; 2Kor 5:19; Kol 1:20).

Allein die beiden Aussprüche von Joh 8:29 und Joh 16:32 - besonders aber der erste - genügen als. unumstösslichen Beweis dafür dass Gott Seinen Sohn nicht verlassen hat, und dass als weitere Folge der Herr auch keinen Grund hatte, einen verzweifelten Frageschrei an den Vater zu richten.

Diese dem Sohn vom Vater gegbenen zwei Verheißungen werden Ihm dann am Kreuz zu einer großen Stärkung gedient haben. So konnte Er Sich in den schmachvollen Tod begeben, in der untrüglichen Gewissheit: Auch am Fluchholzu bleibt der Vater bei Mir, Dem um der Sünden der Menschen willen Verfluchten!

Diese Zuversicht in Seinen Todesleiden hat Christus durch Seinen geist schon mit Jes 50:6-7 bezeugt. Wenn wir in Vers 6 von Ihm lesen: "Meinen Körper gebe Ich hin...", so tat Er das schon in Seinen Vorleiden und dann erst recht am Kreuz. In welchem Vertrauen zu Gott Er diese Ganzhingabe anführte, bezeugt Er zweimal in Vers 7: "Doch Mein Herr Ieue hilft mir. Deshalb werde Ich nicht zuschanden, ... Und Ich weiß, dass Ich nicht beschämt werden soll."

Wie aber, wenn Ihn der Vater doch im höchsten Schmerz verlassen hätte? Dann wäre Er in Seinem Glauben und vertrauen zu Ihm wirklich zuschanden geworden. Also verbürgt auch diese Weissagung von Christi Leiden die Wahrheit, dass Gott Seinen Sohn nicht verlassen hat.

Die Wahrheit der beiden großen Verheißungen (Joh 8:29 und Joh 16:32) finden wir auch im Ausspruch des Hebräerbriefes (Hebr 2:9): ".. damit Er in der Gnade Gottes für alle den Tod schmecke." Gnade und Gott sind aber untrennbar miteinander verbunden. Wo Gnade ist, da ist auch Gott, und wo Gott zurückweicht, tut das auch die Gnade. Da nun aber Christus in der Gnade Gottes am Kreuz starb, so war doch auch Gott, mit oder in der Gnade, unablässig mit Ihm, d.h. ohne Ihn zu verlassen.

In diesen beiden nie widerrufenen, unzweideutigen Aussagen, die Gott Seinem Sohne gab, liegt nun auch noch für uns ein glaubensstärkender Segen. Der Herr offenbart diesen mit den Worte: "Dieses - dass nämlich der Vater (nach Joh 16:32) bei Seinem Sohne bleibe - habe Ich zu euch gesprochen, auf dass ihr in Mir Frieden habt" (V. 33). Welch ein überaus wichtiger Nachsatz für uns! Die köstliche Tatsache, dass Gott Seinen Sohn am Kreuz nicht verlassen hat, verleiht uns "Frieden in Ihm" und damit einen ungetrübten Glauben an Seinen Wollsieg in unseren eigenen Anfechtungen.

Dazu wird diese Wahrheit noch durch ihr Gegenteil unterstrichen. Denn ein von Gott verlassener Sohn erzeugt unweigerlich im erzen des gläubigen bange, beunruhigende Fragen. So haben es der eingangs erwähnte Gottesmann und andere schon erfahren. Und jeder, der sich in Christi Not-Schrei vertieft, muss feststellen, dass dies nicht zum wahren Frieden in Ihm beitrug. Wie notwendig ist daher die Erkenntnis der Wahrheit im Blick auch auf unser inneres Leben, das Christi Schrei ein Lobpreis war.

Letztlich ist aber auch noch anzuführen, dass ein Warum- und Notschrei Christi uns viel zu klein denken lässt über die alles überwindende Kraft de Geists Gottes, den der Herr doch in überfließendem Maß besaß.

Die Kraft des Geistes Christi

In der Urkraft dieses von jeder Sünde und Tod unberührt gebliebenen Geistes Gottes war unserem Herrn alles möglich, auch das Schwerste: der Gehorsam bis zum schändlichen Verbrechertod am Kreuz. Er hätte deshalb auch im Falle eines tatsächlichen und plötzlichen Verlassenseins vom Vater und des Ausbleibens einer erklärenden Antwort kraft Seiner entschiedenen Unterordnung unter des Vaters Willen diese Prüfung in aufrecht bleibender Geisteskraft und im Glaubensgehorsam getragen, wenn er nämlich entgegen der ausdrücklichen Zusagen Seines Vaters und deshalb aller Erwartung zuwider doch von Seinem Verlassensein überrascht worden wäre. Auf diese Weise würde Sich der Herr auch in dieser Erprobung als siegreicher Überwinder erwiesen haben. Ein nicht überwundener Not- und Frageschrei hätte aber für den Vater und den Sohn eine totale Niederlage bedeutet, d.h. eine ganz unausdenkbare Situation.

Christi Gesinnung

Weiter würde der Herr Seinen Schrei am Kreuz in Wortlaut der bekannten Übersetzung ausgestoßen haben, so wäre Er damit von Seiner vorher ausgelebten, selbstlosen Gesinnung grundsätzlich abgewichen, wie aus dem nun Folgenden hervorgeht.

Des Herrn dreijähriges Wirken unter Seinem Volk fasst Petrus in die wenigen Worte (Apg 10:38): "... Jesus von Nazareth..., der durchzog wohltuend und alle heilend...". Von dieser Seiner zielbewussten und vollkommenen Gesinnung zeugen die Apostel fortlaufend in den Berichten über ihres Herrn Erdenleben. Es jammerte Ihn der Schar (Mt 9:36; Mt 14:14; Mt 15:32), der beiden Blinden (Mt 20:34), des Aussätzigen (Mk 1:41), der Witwe (Lk 7:13). Wie offenbaren doch dies Begebenheiten Sein liebeerfülltes Herz, Sein Mitleid mit jder Art vonGebrechen, wie Er immer in völliger Selbstlosigkeit, aber auch zielbewusst, nur stets auf das Wohl anderer bedacht war.

Als die letzten, schweren Leiden von der Gefangennahme an begannen, trat diese Seine Gesinnung nur noch deutlicher zutage. Schon gleich als die Schergen im Garten Gethsemane Ihm entgegentraten, galt seine erste Fürsorge den Jüngern, indem Er den Schergen entgegenhielt (Joh 18:8): "... lasst diese hingehen..." Dann h eilte Er die dem Malchus abgehauene Ohrmuschel und machte damit den von Petrus verursachten Schaden vollkommen gut (Lk 22:50-51). Auch weiterhin ließ Er den Pet rus nicht aus dem Auge. Während seiner Folterung durch die Schergen und Kriegsknmechte (Mt 26:67-68) verfolgte Er unentwegt den Gang der. Verleugnung durch Petrus (Mt 26:69-75). Im rechten Moment (nach dem Hahnenschrei) wandte Er Sich um zu Petrus (Lk 22:61), erinnerte ihn mit einem Blick der Liebe an sein Versprechen und brachte ihn wieder zurecht.

Durch die ungerechteste Gerichtsverhandlung wurde Er zum Tode verurteilt. Es ist herzergreifend, wenn man liest, wie grausam sich die Kriegsleute und Schergen an Ihm ergingen (Mt 27:27-30; Mk 15:16-20) Gleich einer von Satan auf Christus gehetzten Meute von Bestien fielen sie über Ihn her. Es war dies ein vom Feind unternommener Zermürbungsversuch ohnegleichen. Sein Ziel war, die Widerstandskraft des Herrn innerlich und äußerlich vollständig zu zerrütten, um Ihn völlig gebrochen ans Kreuz zu bringen. Dort "sollte Er", von den vielen Leiden betäubt, mit verzweifelten Ausrufen Sein Leben aushauchen.

War Er aber nach einer solchen Folter zusammengebrochen? Die Kräfte Seines Körpers waren allerdings äußerst geschwächt. Nach Mt 27:32 und Mk 15:21 war Er unter der erdrückenden Last des Kreuzes zusammengebrochen. In dieser erbarmungswürdigen körperlichen Schwachheit wurde Er dann nach 2Kor 13:4 gekreuzigt! Dies alles wirkte sich aber nicht auf Seine von Sünde unberührte, göttliche Geisteskraft aus. Das wird offenbar an einer Szene, die sich auf dem Weg nach Golgatha begab.

Als die Ihm folgenden, barmherzig gesinnten Frauen mit Wehklagen und Weinen Ihm ihr Mitleid bezeugten (Lk 23:27), wandte Er Sich zu ihnen mit den von tiefster fürsorglicher Liebe getragenen Worten (Lk 23:28-31): "Töchter von Jerusalem, jammert nicht über Mich. Jammert indes über euch selbst und über eure Kinder. Denn Siehe! Tage kommen, in welchen sie also reden werden: 'Glückselig die Unfruchtbaren un ddie Leiber, die nicht geären und die Brüste, die nicht nähren!'

Schon früher hatte Er diese Gesinnung zum Ausdruck gebracht. Als Er Sich der Stadt Jerusalem näherte, die im begriff stand, Ihn zu Tode zu bringen, schluchzte Er über sie, da Er an ihre Leiden dachte.

Und nun blieb Er auch nicht bei dem Ihm von diesen edlen Frauen bezeugten Mitleid stehen. Seine Gedanken gingen weiter. Ihm stand auch das Gericht über Sein Volk vor Augen. Bei voller Klarheit des Geistes konnte Er ihnen dieses aus der Schrift bezeugen, wie es in Jes 2:19.21 geweissagt ist. Er heilt ihnen dieses Gericht aber nicht als Vergeltung für die Ihm zugefügten Leiden vor. Oh, nein! Vielmehr war es ein Ausfluss Seines Mitleides, Seiner Barmherzigkeit und Seiner Liebe. zu Seinem irrenden Volk.

Welch einen überwältigenden Anblick bietet uns hier der Herr. In Seinem durch Folterung und Peinigung geschwächten Körper wird eine übermenschliche Geistesstärke, ein ungetrübter Denksinn und vor allem eine ungebrochene, gleichbleibende Liebe zu Seinem Volk offenbar. Wie hell strahlt sie uns gerade hier auf! Wir werden schon in diesem Stadium des Leidens des Sohnes Gottes zur Wahrheit geführt, dass Gottes Liebe im Sohn diese übermenschliche Belastung durch Satan und dessen Werkzeuge zu. ihrer Volloffenbarung benötigt. Der Vater wurde wahrlich nicht enttäuscht durch Seinen Sohn! Er lebte diese Liebe aus und bewies, dass sie nach 1Kor 13:7 "alles auszuhalten vermag!" Und das war erst ein Vorspiel des Kreuzes. Doch bietet uns dieses die Gewähr, dass der Herr auch am Kreuz Seine selbstverleugnende und nur an andere denkende Gesinnung beibehalten hat.

Wie unüberbietbar groß steht der Herr da, wenn wir bedenken, dass Er mit Seinem ersten Ausspruch am Kreuz erbarmend Seiner feinde gedachte und den Vater um Vergebung für sie bat! Darauf nahm Er Sich des fragenden Verbrechers an, und anschließend gedachte Er fürsorglich der Zukunft Seiner Mutter. In all diesem war Sein Blick auf die Verherrlichung Seines himmlischen Vaters gerichtet. Dann aber wäre Er plötzlich mit einem Notschrei aus dieser völlig selbstlosen Gesinnung gefallen, indem Er vor allem nur noch an Sich und Seine missliche Lage gedacht hätte, in der Er Sich unversehens durch die Gottverlassenheit befunden hätte! Das wäre doch ein die schwersten Probleme aufwerfender Rückfall aus Seiner bisherigen aufopfernden Gesinnung gewesen!

Doch welch ein überaus herrliches, alles Dunkel des Kreuzgeschehens überstrahlende Bild bietet sich uns darauf mit Seinem Lobpreis dar! Nachdem Er zuvor in Seiner selbstlosen Gesinnung einiger Menschen gedachte, war nun Sein Sinnen und Trachten darauf gerichtet, eEinen Gott und Vater über alles zu erheben und zu erquicken. Und das geschah ,it dem Lobpreis, dem Mittel- und Höhepunkt des Sieges Christi!

Jesu Gebetsleben

Des Herrn irdisches Leben war reichlich mit Gebet ausgefüllt. So berichten uns Matthäus (Mt 14:23) und Markus (Mk 6:46), wie Er auf den Berg stieg, um zu beten und abends daselbst allein war. Auch entwich Er in die Einsamkeit der Wildnis und betete dort (Lk 5:16). Dann wieder heißt es in Mk 1:35: "Und des Morgens, noch ganz bei Nacht, ... ging Er hin an einen einsamen Ort und betete dort." Beeindruckend ist auch der Bericht in Lk 6:12: "Es geschah aber, dass Er ausging auf den Berg, um zu beten, und Er war die Nacht hindurch im Gebet Gottes." Eine ganze Nacht hindurch verharrte Er im Gebet als Vorbereitung zur Berufung Seiner Jünger des anderen Tages. Und dann kam Gethsemane. Mit inbrünstigem gebet und Flehen zum Vater bereitet Er Sich für Seinen Sühnetod am Kreuz vor. Sein Gebetsleben ist in Hebr 5:7 in die Worte gefasst: "Welcher in den tagen Seines Fleisches Flehen als auch inständige Bittrufe mit starkem Geschrei und Tränen Dem dargebracht, der Ihn konnte aus dem Tode retten, und ward erhört wegen seiner Ehrfurcht vor Gott."

Alle diese Seine Gebet gründeten sich auf die Ihm vom Vater gegebene Gewissheit, die Er bei der Auferweckung des Lazarus aussprach: "Vater, Ich danke Dir, dass Du Mich hörst. Ich aber weiß (von Dir), dass Du mich immer hörst" (Joh 11:40.41).

Der Herr, der während Seines Erdenwandels die Gemeinschaft mit dem Vater ohne Unterlass so reichlich im Gebet pflegte, muss aber erst recht während der sechs Stunden am Kreuz in aller innigster, ununterbrochener Gebetsverbindung mit Seinem Gott und Vater gestanden haben! Dieses so starke Festhalten an Ihm durch inständiges Gebet und Flehen war Ihm Kraftzufuhr zum Ausharren bis zum vollen Sieg.

Jede Unterbrechung dieser Verbindung mit dem Vater hätte Ihn aber in Seinem Erlösungswerk kraftlos oder gar strauchelnd gemacht, denn der Zufluss der Kraft Gottes wäre unterblieben. Dies bezeugt auch 2Kor 13:4: "Denn wenn Er auch gekreuzigt ward aus (körperlicher) Schwachheit, lebt Er jedoch aus der Kraft Gottes." Diese Gotteskraft floss Ihm auch am Kreuz ununterbrochen zu. Aufgrund dieser gewaltigen Heilstatsache wird die Übersetzung der Gottverlassenheit des Sohnes als ein. unbarmherziges und grausames Dogma der Tradition offenbar, weil es dem ohne Unterlass zum Vater betenden Sohn den Ihn ununterbrochen anhörenden Vater nimmt!

Zorn mit Betrübnis

Nun wollen wir noch weiter danach forschen, ob es sich vereinbaren lässt, dass Gott Seinen Zorn über "Christus den Träger der Sünden" ergehen ließ und doch mit Ihm verbunden bleiben konnte.

Darauf erhalten wir in Mk 3:5 eine der deutlichsten Antworten. Der Herr hatte einem Menschen am Sabbat die verdorrte Hand geheilt (Mk 3:1-6). Dieser Tat widerstrebten Seine Aufpasser und fassten sogar den Plan Seiner Ermordung. Bei dieser Gelegenheit offenbart uns der Geist Gottes durch einen Blick in Jesu Herz, wie Er. zu diesen feindlichen Absichten stand. Er ließ das durch Markus so niederschreiben (Mk 3:5): "Und sie ringsumher anblickend mit Zorn, betrübte Er Sich ob der Verstockung ihres Herzens und sagt zu dem Menschen: 'Strecke aus deine Hand'."

Dies ist eine wunderbare Offenbarung der grundsätzlichen Gesinnung unseres Herrn. Er wird mit Zorn erfüllt, doch dieser ist auch sofort mit Betrübnis gepaart. Es ist die Sünde, die Seinen Zorn entfacht, doch Seinem liebeerfüllten Herzen entsteigt zugleich Betrübnis für den Sünder als Frucht Seines Erbarmens zu ihm.

Diese Offenbarung reicht aber noch viel weiter. Sie gewährt uns Einblick auch in Gottes Vaterherz. Der Herr zeigt sie uns deutlich mit seinen zwei Aussagen in Joh 10:30: "Ich und der Vater sind eins" und (Joh 14:9-10) an Philippus: "Sagt Jesus zu ihm: So viel Zeit bin Ich mit euch und du hast Mich nicht erkannt, Philippus! Wer Mich gesehen hat, hat den Vater gesehen, und wie sagst du: 'Zeige uns den Vater' Glaubst du nicht, dass Ich im Vater bin und der Vater in Mir ist?" Des Sohnes Einstellung zu den Sündern ist also auch diejenige des himmlischen Vaters! Das setzt voraus, dass auch Gott in dieser Herzens-Einstellung zu Seinem Sohn am Kreuz stand.

Gottes Zorn entlud sich also über die Sünde, die Sein Sohn auf Sich genommen, ja nach Jes 53:11 "Sich aufgebürdet hat". Und wie bei der Einweihung der Stifshütte (3Mo 9:24) und später bei derjenigen des Tempels (2Chr 7:1) Gottes Feuer vom Himmel die Opfer verzehrte, so fiel es auch auf Golgatha nieder auf den Brandopferaltar und tilgte dort sämtliche "auf den Sohn gelegten Sünden". Da aber Gott Erbarmen mit dem Sünder hat, wieviel mehr musste Sein Herz als dem Vater des Mitleides (2Kor 1:3) zu Seinem sündlosen Sohn am Kreuz mit Erbarmen erfüllt gewesen sein! So hat der Sohn mit seinem mit Betrübnis gepaarten Zorn schon einen klaren Hinweis gegeben auf die Stellung, die der Vater zu Ihm einnehmen werde, wenn Er, als das Sündopfer, am Fluchholz hangen werde.

Wie. ungereimt erscheint nun aber der Schrei Christi am Kreuz im Lichte dieser Offenbarung! Tiefster und trostlosester Verlassenheit steht hier innigste Gemeinschaft zwischen Vater und Sohn gegenüber. Und diese Gemeinschaft leuchtet nochmals hell auf, als Er Seinen Geist in die Hände des bei Ihm ausharrenden Vaters legen konnte.

So musste es aber auch sein bei der Verwirklichung des höchsten Vorbildes auf Christus, das Gott mit Abraham und Isaak dargestellt hatte. Wie herrlich übereinstimmend erfüllte sich da die in 1Mo 22:6+8 über sie gemachte zweimalige prophetische Aussage: "Und sie gehen, sie die zwei ZUSAMMEN", als Gott und Sein Sohn dann auch zusammen vereint und einsam, den Weg des Kreuzes gingen!

Sünde und Sündopfer

In den Kreis dieser Wahrheit müssen wir noch ein paulinisches Schriftwort mit einbeziehen. Es steht in 2Kor 5:21 und lautet: "Denn Den, der Sünde nicht kennt, macht Er zur Sünde für uns, auf dass wir Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm." Unser Augenmerk richtet sich auf: "Christus zur Sünde gemacht." Das ist ein starkes Wort, das leicht zu der Folgerung führen könnte, dass Er, der Sündlose (Joh 8:46; Hebr 4:15) durch die Sünde Seiner Geschöpfe nun auch durch und durch sündig geworden wäre. Aber selbst wenn Petrus (1Petr 2:24) schreibt: "Welcher unsere Sünden Selbst hinaufträgt, in Seinem Körper, an das Holz", so wurde dadurch von ihnen die Reinheit Seines Herzens und Seines Geistes weder berührt noch befleckt.

Auch der erwähnte Ausspruch von 2Kor 5:19, dass Gott in Christo war, steht wie ein Damm gegen jede Befleckung des Herrn durch die auf Ihn gelegte Sünde. Ja, man kann sagen, dass ebensowenig wie die auf das Opfertier gelegte Sünde in dasselbe eindrang, auch diese Christus innerlich in nichts verunreinigen konnte.

Wir müssen aber nach dem Gesagten auch die so beeindruckende Schrift-Wahrheit: "Christus zur Sünde gemacht" zu ihrem Recht kommen lassen. Allein die Tatsache, dass sämtliche Sünden des gesamten Alls auf Christus gelegt wurden, lässt Ihn vor unserem geistigen Auge wie in einem Sündenmeer ungeheuren Ausmaßes versinken. Wenn wir weiter bedenken, wie sich die Menschen durch die Kreuzigung und während ihrer Durchführung in der schändlichsten Weise an Ihm vergingen, so sehen wir Ihn hier unter einer wahrhaft unerhörten Sündenlast leiden! Tief ergreifend ist dabei, dass Er auch die Ihn vor und am Kreuz treffenden größten aller Sünden tragen und erdulden musste.

So nahe hat Gott Seinen Sohn zu der Welt der Sünden gebracht und Ihn derart mit ihnen verbunden, dass der Geist Gottes niederschreiben ließ (2Kor 5:21): "Denn Den, Der Sünde nicht kennt, macht Er zur Sünde für uns ...". Anschließend wird dann der alle. unsere Segnungen überragende Heilszweck dieser Tat aGottes an Seinem Sohn enthüllt (V. 21b): "..., auf dass wir Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm."

Doch nun ergibt sich uns eine Schwierigkeit. Denn allein dadurch, dass Gott Seinen Sohn zur Sünde machte, konnte der so gewaltig große Segen des Empfangs dieser Heilsgabe: "Dass wir Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm" noch nicht bewirkt werden. Das ist eben nur der erste Schritt zu dieser Wahrheit; denn die gesamte Sündenlast war ja damit noch unverändert vorhanden! Diese musste zuerst getilgt werden, und zwar bevor Gott dem zum Glauben geführten Menschen seine Gerechtigkeit schenken konnte.

In diesen Schriftworten (2Kor 5:21) klafft also offensichtlich eine Lücke zwischen den begriffen von Sünde und Gerechtigkeit durch das Fehlen der Sündentilgung. Der Weg. zur Aufhebung (Ausfüllung) dieser Lücke wird in der Konkordanten Wiedergabe durch die Einschaltung des Vorzeichen "z" vor "Sünde" gezeigt (s. SK Seite 657). Der Buchstabe "z" besagt, dass hier "die Sprachfigur des Zusammenhangs" vorliegt. Der Charakterzug einer solchen Sprachfigur besteht darin, dass bei dem betreffenden Wort (hier Sünde) ein anderes, den Gedankengang ergänzendes Wort ausgelassen wurde. Zu der uns vorliegenden Schriftstelle gehört der sie vervollständigende Gedanke "der Sündentilgung". Das passendste, den Gesamtsinn der Aussage vervollständigende Wort ist "Opfer". In Verbindung mit Sünde entsteht somit das Wort "Sünd-Opfer", das nun in der Tat die vervollständigte Wahrheit von 2Kor 5:21 ergibt! Denn nur durch das "Opfer Christi", mit Seiner Sünden tilgenden Kraft, konnte uns Gottes Gerechtigkeit Seine Gerechtigkeit schenken, "auf dass wir Gottes Gerechtigkeit würden in Ihm."

Hierzu ist nun bedeutungsvoll zu wissen, dass diese erforderliche Vervollständigung, zu Sünde noch Opfer zu setzen, im hebräischen Sprachgebrauch verwirklich ist! In ihm gibt es nämlich für Sünde und Sündopfer nur ein und dasselbe Wort. Damit ist erwiesen, dass Sünde und Opfer untrennbar zusammengehören, und zwar wenn der Sünder vor Gott gerechtfertigt werden soll! Doch will das nicht heißen, dass bei jedem Vorkommen von "Sünde" auch "Opfer" hinzuzusetzen ist. Weil die bei 2Kor 5:21 zutrifft, so ist das u.W. der einzige Fall im N.T. Erwähnenswert ist auch, dass manche fremdsprachigen Übersetzungen die vorliegende Schriftstelle mit "Sündopfer" wiedergeben.

Damit sind wir zu dem Teil unserer Abhandlung gekommen, in dem wir Christi Schrei näher erörtern wollen.

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5. Jesu Aussprüche am Kreuz