Die zukünftigen Gerichte

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Aus der Reihe: Christi unausspürbarer Reichtum:
"Die Gerichte Gottes" (1980)
von Mathias Jaegle (siehe Lebensbild)

Abschrift mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Groß, Balingen
Dort als Schrift noch erhältlich.

Siehe weitere Abschriften:
Inhaltsverzeichnis

Die Gerichte Gottes

2. Die zukünftigen Gerichte:

Richtlinien für ihre Erforschung

Unsere Betrachtungen über die bereits vergangenen Gerichte wurden dadurch wesentlich erleichtert, dass der Weissagung schon die Erfüllung gefolgt ist. Aber nun betreten wir das Gebiet, auf welchem diese noch aussteht. Hier kann nun die Auslegung der Gerichtsvorhersagen nicht mit schon geschehenen Taten als richtig bewiesen werden, sondern nur erkenntnismäßiges Erfassen und Verstehen kann sie recht deuten. Nur vom Geist gewirkte Auslegung kann uns das wahre Zukunftsbild zeigen. Eine solche Darstellung ist auch deshalb notwendig, weil gerade über die zukünftigen Gerichte noch viel Unklarheit herrscht.

Dieser so betrübliche Mangel ist vor allem die Folge des Vermengens der verschiedenen Gerichtsankündigungen. Es gilt zu beachten, dass die zukünftigen Gerichte in der Mehrzahl solche sind, bei denen Prophezeiung samt Erfüllung als nebeneinander laufende Linien gesehen werden sollten. Nur wenn diese göttliche Ordnung voll und ganz anerkannt und berücksichtigt wird, kann es auf diesem Gebiet zu einem klaren Durchblick kommen. Werden aber diese Weissagungen als eine einzige Linie geschaut, welche zu dem sog. „Jüngsten Gericht oder Jüngsten Tag“ führt, so werden Aussagen, die sich auf frühere Gerichte beziehen, mit dem Endgericht verwechselt und umgekehrt. Die dadurch entstehende Verdunkelung kann Gläubige nur zu leicht in unnötige Anfechtungen führen, weil sie die vom Gericht der Gemeinde handelnden Schriftworte so verstehen, als ob sie mit den Ungläubigen in ein und dasselbe Gericht kämen. Ohne das Auseinanderhalten der verschiedenen zukünftigen Gerichte können auch Jesu diesbezügliche Reden nicht recht verstanden werden.

Außerdem ist zu beachten, dass die meisten Gerichtsprophezeiungen, auch die des letzten, des Endgerichts, schon bei den Propheten in den hebräischen Schriften beginnen. Hinsichtlich dieser Wahrheit bringen der Herr in Seinen Reden und die Apostel in ihren Briefen nichts wesentlich Neues, sondern nur eine weitere Ausführung dessen, was schon die Propheten sagten.

Doch sind noch andere Vorbereitungen für die Erforschung der zukünftigen Gerichte zu treffen. Die Gefahr, etwas dabei falsch zu verstehen, ist auch da vorhanden, wo es sich um die Dauer der betreffenden Gerichte handelt. Die von Gott darüber gegebenen Angaben hat man leider durch die Überlieferung stark entstellt. Um hier einem Fehlbetrag zu entgehen, muss man die göttliche Gerichtssprache beherrschen.

Zum besseren Verständnis dieser Notwendigkeit wollen wir eine Angelegenheit des menschlichen Lebens heranziehen. Es ist die Vorbereitung für einen höheren Beruf. Dafür ist die allererste Voraussetzung, dass die Sprache, in der die Themen des Lehrstoffes geboten werden, auch vollständig beherrscht wird. Andernfalls wird es nie zu einem klaren Erfassen der für den Beruf notwendigen Kenntnisse kommen. Dieser Vergleich gibt uns einen Fingerzeig, wessen es zu einer mit Gottes Wort übereinstimmenden Auslegung der zukünftigen Gerichte bedarf. Es ist das rechte Verstehen Seiner Strafsprache. Das führt zum nächsten wichtigen Thema:

Die Gerichtssprache Gottes

Ihre Kenntnis ist unerlässlich, um schlechthin das eigentliche Wesen der Gerichte Gottes zu erfassen. Wenn er auch durch Seine Diener in den Ursprachen, Hebräisch und Griechisch redete, so ist dennoch für den einfachen Gläubigen das Erlernen derselben nicht unumgänglich nötig, um Gott verstehen zu können. Da gibt es für den Laien einen anderen Weg: Er muss sich dabei mit den Erkenntnissen dienen lassen, die Gott der Gemeinde durch berufene Forscher und Übersetzer geschenkt hat.

Dieser Lehrgang, den wir kurz durchnehmen wollen, beginnt wie jeder andere mit der elementaren Stufe, und diese liegt in den hebräischen Schriften, dem sog. Alten Testament. Wenn auch die konkordante Schriftauslegung betont, dass nur die paulinischen Briefe der Gemeinde Christi ihre Berufung und Stellung offenbaren, weil ja Gott nur durch Paulus die sie betreffenden Geheimnisse enthüllte, so ist doch auch hier wieder erneut Gelegenheit geboten, zu zeigen, dass wir uns von der gesamten Heiligen Schrift dienen lassen sollen. Weil der Apostel sagt, dass alle Schrift nützlich zur Lehre ist (2Tim 3:16), beginnen wir damit, Gottes Gerichtssprache aus den hebräischen Schriften zu lernen. Sagt doch Paulus weiter: „Denn so viel, als vorher geschrieben ward, ward uns zur Lehre geschrieben“ (Röm 15:4).

Wir lassen eine Reihe von Beispielen folgen, in welchen Gott die schärfste Gerichtssprache führt:

  • Mi 6:13: „So will Ich dich unheilbar schlagen.“
  • Hos 1:6a: „ ... denn Ich werde Mich fortan des Hauses Israel nicht mehr erbarmen.“
  • Hos 1:6b: „ .., dass Ich ihnen irgendwie vergeben.“
  • Hos 9:15: „Ich werde sie nicht mehr lieben.“
  • Hes 22:31: „Und Ich gieße Meinen Zorn über sie aus, vernichte sie durch das Feuer Meines Grimms.“
  • Jer 7:29: „ ... denn Jewe hat das Geschlecht Seines Glutzorns verworfen und verlassen.“
  • Jer 15:6a: „Ich werde Meine Hand wider dich ausstrecken und dich verderben.“
  • Jer 15:6b: „Ich bin des Bereuens müde.“
  • Jer 4:8: „ ... denn die Hitze des Zornes Jewes hat sich nicht von uns abgewendet.“
  • Am 7:8: „Ich werde fortan nicht mehr schonend an ihm (Israel) vorübergehen.“:
  • Hos 9:3: „Sie werden nicht im Lande Jewes bleiben.“
  • Hos 12:15: „ ... sein Herr wird seine Blutschuld auf ihm lassen.“
  • Jer 23:39-40: „Darum siehe, Ich werde euch ganz vergessen und euch die Stadt, die Ich euch und euren Vätern gegeben habe, von Meinem Angesicht verstoßen; und Ich werde „ewigen" Hohn auf euch legen und eine „ewige“ Schande, die nicht vergessen werden wird.“

Schon das sind Gerichtsworte, die ohne tiefere Betrachtung keine Aussicht auf Rettung offen lassen, sondern von einem bleibenden Gerichtszustand zu reden scheinen. Und dazu gibt es andere, die noch hoffnungsloser aussehen:

  • Jer 4:4: „Beschneidet euch für Jewe und tut hinweg die Vorhäute eurer Herzen, ihr Männer von Juda und ihr Bewohner von Jerusalem, damit Mein Grimm nicht ausbreche wie ein Feuer und verzehre, und da isst kein Löschen.“
  • Jer 21:12: „So spricht Jewe: Haltet jeden Morgen Gericht und befreit den Beraubten aus der Hand des Bedrückers, damit Mein Glutzorn nicht ausbreche wie ein Feuer und brenne, und da ist kein Löschen, wegen der Bosheit eures Verhaltens.“
  • 2Kö 22:17: „Darum, dass sie Mich verlassen und anderen Göttern geräuchert haben, um Mich zu reizen mit all dem Machwerk ihrer Hände, so wird Mein Grimm sich entzünden wider diesen Ort und wird nicht erlöschen.“
  • Jer 17:4: „ ... Denn ihr habt ein Feuer angezündet in Meinem Zorn, es wird ewiglich brennen.“

Wer wird nicht tief beeindruckt von dem Ausmaß dieser Gerichte! Nicht mehr erbarmen, vernichten, verderben, „ewiglich“ brennen, das sind die Ausdrücke, die das schärfste Gericht aussagen, das man sich vorstellen könnte, das endlose Feuergericht! Wenn es kein Löschen heißt, wer wollte das abändern in „löschbar“! Und wenn Gott „ewig“ meinte, wer dürfte dann ein Ende setzen? So und ähnlich wird gefolgert, und der nicht prüfende und tiefer forschende Gläubige erkennt das als ehrfurchtsvolle Behandlung des Wortes Gottes an, da ja nichts an diesen Aussagen geändert wird.

Und doch entspringt ein solches Urteil einer oberflächlichen Kenntnis der göttlichen Gerichtssprache. Das kann schon mit der wörtlichen Wiedergabe von ewig aus dem Urtext bewiesen werden; denn dort heißt es meist für den Äon. Z.B. lautet der oben angeführte Gerichtsspruch (Jer 17:4): „...denn ihr habt ein Feuer angezündet in Meinem Zorn bis zum Äon wird es glühend erhalten.“ doch wollen wir dies zurückstellen und zunächst den Weg gehen, auf dem man ohne jedwede Kenntnis der hebräischen Sprache den eigentlichen Inhalt von „ewig“ finden kann.

Dazu wenden wir das Grundprinzip der Schriftauslegung an, nämlich die Zusammenhänge zu beachten, und zwar hier in Bezug auf die Rettung verneinenden Gerichtsaussagen. Jedem denkenden Schriftleser drängt sich die Frage auf: Ist denn damit ein bleibender Gerichtszustand gemeint? Hier führt nun der Zusammenhang zu anderen, und zwar verheißungsvollen göttlichen Aussprüchen, welche die absolute Verneinungsform einfach nicht zulassen. Den gerichtsschwangeren Worten stehen nämlich auch rettungsbringende gegenüber, wie folgende Gegenüberstellung zeigt:

(Unheilbar) Jer 30:17: “Denn Ich will dir einen Verband anlegen und dich von deinen Schlägen heilen."
(Nicht mehr erbarmen Jer 12:15: „Und es soll geschehen, nachdem Ich sie herausgerissen habe, werde Ich Mich ihrer wieder erbarmen und sie zurückbringen."
(Nicht mehr vergeben) Jer 33:8: “Ich werde alle ihre Verwerflichkeit vergeben, womit sie gegen Mich gesündigt haben."
(Nicht mehr lieben) Hos 14:4: „Ich will sie willig lieben."
(Vernichten) Jer 31:4: „Ich will dich wieder bauen, und du wirst gebaut werden, Jungfrau Israel!"
(Verworfen) Zeph 2:7: „ ... denn Jewe, ihr Gott, wird Sich ihrer annehmen und ihre Gefangenschaft wenden."
(Verderben) Jer 30:11: „Denn Ich bei dir, spricht Jewe, um dich zu retten."
(Des Betreuens müde) Ps 106:45: „Und Er gedachte ihnen Seinen Bund, und es reute Ihn nach der Menge Seiner Gütigkeiten."
(Zorn nicht angewendet Hos 14:4: „ ... denn Mein Zorn hat sich von ihm abgewendet."
(Nicht mehr schonen Joe 2:18: „ ...und verschonen tut Er Sein Volk."
(Nicht bleiben) Jer 30:3: „Ich werde sie in das Land zurückbringen, welches Ich ihren Vätern gegeben habe, damit sie es besitzen."
(Blutschuld belassen) Jes 40:2: „ ... ruft ihr zu, dass ... ihre Schuld abgetragen ist."
(Ewige Schande nicht vergessen) Jer 33:9: „Und es soll Mir zum Freudennamen, zum Ruhm und zum Schmuck sein bei allen Nationen der Erde."


Diese Gegenüberstellung bildet eine Lektion von grundlegender Bedeutung für das rechte Verstehen der göttlichen Gerichtssprache. Diese Aussprüche, die früher angesagte Gerichte zum Abschluss bringen, und die Wiederverbindung mit Gott verkünden, bedeuten jedoch nicht Korrektur oder Widerruf. Nein, sondern in den nackten, strengen Ankündigungen ist in Wirklichkeit schon der Abschluss des Gerichts, sowie ein Neuanfang Seiner Gnade eingeschlossen. Wie könnte sonst Gott den Gerichteten solche Verheißungen geben!

Die unnachgiebige Strenge von Gottes Gerichtsansagen zeigt uns, wenn Er schon mit Gericht beginnen muss, Er dann nicht schont und Sich nicht erbarmt, sondern zunächst verstößt und verwirft, und den Gerichtsbecher bis zur letzten Neige zu trinken gibt. Dass Ihn solch schmerzvolles Zugreifen reut, ist jedoch nicht als ein schmerzliches Erkennen eines falschen Handels zu verstehen. In diesem Sinne gereut Gott niemals etwas, wie dies bei den Menschen geschieht; denn Er handelt immer recht. Heißt es ja von Ihm: „Er bereut nicht; denn nicht ein Mensch ist Er, um zu bereuen“ (1Sam 15:29). Die rechte Antwort liegt in der wörtlichen Bedeutung des „reuen“ und die ist „nach-kümmern“. Gemeint ist das Gefühl Seines Herzens, das von Mitleid mit Seinen im Gericht leidenden Geschöpfen erfüllt ist.

Weiter lernen wir, dass Seine vernichtenden Gerichte nie als eine absolute Zerstörung gedacht werden dürfen, als ob überhaupt nichts mehr von den Gerichteten übrigbliebe; denn sonst könnte Er sie ja nicht wieder aufrichten. Wenn Er von Seinem Zorn sagt, er bleibe, so gibt Er mit dessen Aufhebung deutlich zu verstehen, dass Er einen gewissen Zeitraum im Auge hat.

Ewiges und unauslöschliches Feuer

Betrachten wir zunächst einige Beispiele, in denen von buchstäblichem Feuer die Rede ist. Sodom und Gomorra wurden durch einen Schwefel- und Feuerregen vernichtet (1Mo 19:24). Auch Jerusalem wurde mit Feuer gerichtete (2Chr 36:19). Nadab und Abihu (3Mo 10:2) und die Rotte Korahs wurden vom Feuer Gottes verzehrt (4Mo 16:35). Achan wurde mit seiner Familie vom Volk gesteinigt und verbrannt (Jes 7:25). Auch schwere Sünder auf sittlichem Gebiet mussten durchs Feuer ausgerottet werden (3Mo 20:14; 3Mo 21:9). Die beiden Verführer, Zedekia und Ahab, wurden nach göttlichem Willen von Nebukadnezar verbrannt (Jer 29:21.22).

Neben diesen durchgreifenden Feuergerichten gibt es zahlreiche Aussagen, welche bildlich von Feuer reden. Da haben wir allem die vielen Aussprüche: „Der Zorn Jewes entbrannte“ (Hos 8:5 u.a.). Ferner: „Die Glut des Zornes Jewes“ (Jer 12:13); „das Feuer Meines Grimmes“ (Hes 21:36); „im Feuer Meines Grimmes“ (Hes 36:5) usw.

Damit will die Schrift sagen, dass alle durch Gottes Zorn und Grimm ausgeführten Gerichte, auch wenn buchstäbliches Feuer nicht in Anwendung kommt, dennoch ähnliche Schmerzen und Pein wie wirkliches Feuer verursachen. In diesem Sinne schildert Jeremia das damalige Gericht, welches über Israel erging, wenn er schreibt: „Aus der Höhe hat Er ein Feuer in meine Gebeine gesandt, dass es sie überwältigte“ (Kla 1:13). Und weiter: „Vor dem Glutwind des Hungers ist erhitzt unsere Haut wie ein Ofen“ (Kla 5:10).

Nun treten wir an die Frage heran, wie es um die Dauer des „unauslöschlichen“ und „ewigen“ Feuers steht? Die Antwort wird auf einem ganz einfachen Wege gefunden. Es bedarf hierzu nur der Herstellung des Zusammenhanges mit dem Gericht, auf welches sich das Feuer jeweils bezieht. Es ist also unerlässlich, jede Ansage zusammen mit dem zugehörigen Gericht selber zu betrachten, sonst entsteht Unklarheit. In vorliegendem Fall ist die rechte Verbindung gut zu finden. Alle die angeführten Gerichtsandrohungen beziehen sich auf ein und dasselbe Gericht, und zwar auf jenes, welches auf den großen Abfall Israels in der Königszeit folgte. Eine gedrängte Beschreibung desselben lesen wir in [Jer 25:8]-9: „Darum, so spricht Jewe der Heere: Weil ihr auf Meine Worte nicht gehört habt, siehe, so sende Ich hin und hole alle Sippen des Nordens, spricht Jewe, und zu Nebukadnezar, dem König von Babel, Meinem Knechte, und bringe sie über dieses Land und über seine Bewohner, und über alle diese Nationen ringsum; und Ich will sie bannen und sie zum Entsetzen machen und zum Gezisch und zur ‚ewigen‘ Schmach.“ Und so kam es dann auch. 2Kö 25 ist ein ergreifender Bericht über den gerichtsmäßigen Abschluss und Untergang des damaligen jüdischen Reiches.

Dies ist die buchstäbliche Erklärung, worin das „ewige“ und „unauslöschliche“ Feuer bestand, welches Israel vertilgte und sein Land zur „ewigen“ Schmach machte. Außerdem gibt Gott noch die genaue Dauer dieses Gerichtes an: „ ... und diese Nationen werden dem König von Babel dienen siebzig Jahre“ (Jer 25:11). Damit sind die Angaben, welche scheinbar eine „endlose“ Strafe ankündigten, geklärt. Während der siebzig Jahre blieb das Gerichtsfeuer für Israel unausgelöscht, so lange mussten sie an den Wassern von Babel im schmerzvollsten Heimweh weinen (Ps 137:1), ohne dass Gott ihre Trübsal wandte. Gut und leicht verständlich gibt dieser Maßstab an, dass mit „ewig“ nicht eine endlose Dauer, sondern eine begrenzte Frist gemeint war. Nach ihrem Ablauf trat die große Wendung ein, welche Gott gleichzeitig mit den Drohungen des Gerichtes verheißen hatte: „Denn so spricht Jewe: Sobald siebzig Jahre für Babel voll sind, werde Ich Mich euer (Israel) annehmen und Mein gutes Wort an euch erfüllen, euch an diesen Ort zurückbringen“ (Jer 29:10). So genau sich die Gerichtsweissagungen erfüllten, so nach siebzig Jahren auch die von Gottes Wiederannahme Seines Volkes Israel.

Die Härte der Verbannung wird durch weitere Aussagen noch bedeutend gemildert. Sach 1:15 sagt Gott, dass Er ein wenig, eine kleine Weile über Sein Volk erzürnt war. Und der Prophet Jesaja redet ebenfalls von einer kleinen Weile (Jes 26:20; Jes 54:8-18). Hiermit will Gott uns Gläubigen eine wichtige Lektion über Seine Gerichtssprache erteilen. Von diesen Schriftstellen ist nur die eine von den siebzig Jahren buchstäblich zu nehmen. Hingegen war jenes Gericht keineswegs endlos, wie das Wort „ewig“ meist ausgelegt wird; gemessen an unseren langen geschichtlichen Zeiträumen, dauerte es in der Tat nur eine kleine Weile.

“Ewig“ im Urtext

Die Unstimmigkeit zwischen dem diesem Ausdruck heute anhaftenden Sinn und seinem eigentlichen Zeitwert führt zur berechtigten Frage, wie es im Urtext laute, und welche Bedeutung es in der Ursprache der Inspiration habe.

Es gibt in der Tat Lehrfragen, die nur durch solche Forschung befriedigt beantwortet werden können; und zu diesen gehört auch die vorliegende. Das Wort, das fast alle Bibeln mit „ewig“ widergeben, lautet im Urtext olam und bedeutet soviel wie dunkel. Dies ist sehr bezeichnend; weil es als Maßstab für verschiedene Zeitabschnitte, auch die des Planes Gottes, gebraucht wird, kann man aus seiner Wahl ersehen, wie wenig Gott damals darüber offenbaren wollte. Dass tatsächlich dieses weite Gebiet für den Israeliten noch dunkel bleiben sollte, geht daraus hervor, dass der Geist Gottes diese Benennung für gänzlich verschiedene Zeitspannen den heiligen Schreibern eingab. Der Prophet Jona gebraucht sie sogar für eine kurze Frist von nur drei Tagen, während welcher er im Leibe des Seeungeheuers war (Jon 2:7). Der ewige Dienst (2Mo 21:6), und der ewige Aussatz (2Kö 5:27), dauerten nicht einmal ein Menschenalter.

Doch gibt es noch andere Anwendungen von olam, bei denen man erneut fragen muss, ob hier nicht Endlosigkeit gemeint sei. Ps 9:7 spricht David: „Jewe aber thront ewiglich; er hat Seinen Thron aufgestellt zum Gericht.“ Gleich der nächste Vers gibt jedoch an, wo Er diesen ewigen Gerichtsthron aufgestellt hat, und über wen Er Gericht hält. „Und Er, Er wird die Wohnerde richten in Gerechtigkeit, wird über die Volksstämme Gericht halten in Geradheit.“ Diese Ewigkeit bezieht sich auf die Erde und die Nationen, und zwar für die Zeit des messianischen Königreiches.

Da aber Jesaja schon weissagte, dass die Erde zerfallen werde wie ein Kleid, wusste jeder schriftkundige Israelite, dass somit auf ihr der Thron Jewes nicht endlos bestehen könne. Diese Wahrheit von der Herrschaft Jewes drückt David mit einer andern Formel aus: [Ps 10:16] sagt er: „Jewe ist König immer und ewiglich.“ Dieses immer und ewiglich, beziehungsweise von Ewigkeit zu Ewigkeit. (Ps 106:48) heißt wörtlich für den olam und weiterhin. Der verständnisvolle Israelit ersah daraus, wie das Reich seines Messias zwar zu einem Anschluss kommen werde, um in eine neue Zeitperiode überzugehen. Nach Jes 65:17 wusste er auch um die Erschaffung einer neuen Erde, aber mehr war ihm nicht enthüllt.

Eine weitere Anwendung des Wortes olam darf nicht übergangen werden, die auf Gott selbst bezogene. Jesaja sagt: „Ein ewiger Gott ist Jewe, der Schöpfer der Enden der Erde“ (Jes 40:28). Und von Abraham bezeugt die Schrift: „Er rief an den Namen Jewes, des ewigen Gottes (1Mo 21:33). Allgemein werden diese Aussagen als Angaben der Existenzdauer Gottes angesehen. In Wirklichkeit handelt es sich hier um eine andere Gottesoffenbarung.

Sie ist genau so zu verstehen wie die in den hebräischen Schriften immer wiederkehrende Aussage: „Jewe, der Gott Israels“. Nur für eine gewisse Zeit legt Er Sich diese Einschränkung auf. Paulus macht hier einen gewaltigen Fortschritt, wenn er sagt: „Oder ist Er der Gott der Juden allein und nicht auch der der Nationen? Ja, auch der Nationen“ (Röm 3:29) In Wirklichkeit ist er ja noch unendlich weit mehr: Er ist der Gott des ganzen Universums und aller Geschöpfe, sowohl der irdischen als auch der himmlischen. Er ist eben nicht nur der Gott der Unendlichkeit, der vergangenen wie der zukünftigen, sondern Er ist damit zugleich der Gott eines jeden olams oder Äons, die alle Anfang und Ende haben; und dies zu wissen, ist für den Menschen zunächst einmal von grundlegender Bedeutung.

Aus dieser kurzen Betrachtung über ewig - olam können wir mit Bestimmtheit schließen, dass der schriftkundige Israelite in keiner einzigen göttlichen Gerichtsbotschaft einen endlosen Zustand sehen konnte. Für ihn hatte olam ebenso einen Abschluss wie jedes damit bezeichnete Gericht.

“Ewig ... bis ...“

Für die Richtigkeit der bisherigen Beweisführung gibt die Schrift noch weitere Belege. Mit einem einzigen Wörtchen, das jeder Bibelleser sofort versteht, begrenzt Gott die Dauer Seiner Gerichte über Israel und zwar in zahlreichen Fällen. So sagt Jeremia zweimal (Jer 23:20; Jer 30:24), dass Gott Seinen Zorn nicht von Seinem Volk wenden werde, „bis Er getan und bis Er ausgeführt habe die Gedanken Seines Herzens.“ Mit diesem Wörtlein zeigt Gott hier den großen Wendepunkt: Nach dem Zorn erbarmt Er Sich wieder über Sein Volk. Ähnlich redet der Geist Gottes durch den Propheten Jesaja. „Und darum harrt Jewe darauf, euch gnädig zu sein; und darum erhebt Er Sich, bis Er Sich euer erbarme, denn Jewe ist ein Gott des Gerichts“ (Jes 30:18). Besonders lehreich ist ein anderer Ausspruch (Jes 32:14-15): „Denn die Burg gibt man auf, die Schar aus der Stadt (Jerusalem) verlässt sie. Ophel und der Schauturm werden zu Höhlen auf ewig, zur Wonne der Wildesel, zur Weide der Herden - bis der Geist über uns ausgegossen wird aus der Höhe, und die Wüste wird eine Vollschnittflur und die Vollschnittflur dem Wildholz gleichgeartet wird.“ Dem ewig wird hier die Endlosigkeit direkt abgesprochen. Mit der Ausgießung des Geistes über Israel bringt Gott grundsätzlich auch das letzte und schwerste Gericht, welches über Sein Volk ergeht, zum Abschluss (Hes 39:29; Sach 12:10-14).

Zu der Frage, ob denn die rechten Israeliten damals Gottes Gerichtssprache auch so verstanden, gibt der Prophet Jesaja einen besonders lehrreichen Aufschluss, als er von Jewe den Verstockungsauftrag an sein Volk erhielt. Es sah hoffnungslos für Israel aus, wenn er verkünden musste: „Hörend höret, und verstehet doch nicht; und sehend sehet, und erkennet doch nicht; denn verdickt sei das Herz dieses Volkes, und seine Ohren mache schwer, und seine Augen lass schielen, damit es mit seinen Augen nicht sehe und mit seinen Ohren nicht höre, und sein Herz nicht verstehe, und es nicht umkehre und Heilung ihm werde“ (Jes 6:9-10). Jesaja erkannte, wie sehr sich Israel an seinem Gott versündigt hatte; und weiter war ihm nur zu sehr bewusst, dass ein Gerichtsausspruch eine ganz furchtbare Strafe bringen werde; denn keine Umkehr und keine Heilung - das war deutlich genug! Aber an einen endlosen Gerichtszustand hatte Jesaja trotzdem nie gedacht. Ohne langes Bedenken stellte er Jewe die Frage: „Wie lange, Jewe?“ (Jes 6:11). Und auf diese so bestimmte Frage antwortete Er mit einem ebenso präzisen „Bis...“ Jesaja hatte Gottes Gerichtssprache recht verstanden; sein Erkenntnisstand ist vorbildlich. Einerseits wich er nicht vor den schwersten Gerichtsdrohungen zurück, andererseits glaubte er aber mit keinem Gedanken an eine endlose Dauer derselben, sondern er erfasst vielmehr die Verheißung, dass sie nur bis zu dem von Gott zuvor bestimmten Zeitpunkt währen würden.

Lies weiter:
Der Zweck der Gerichte Gottes