Die Zukunft Israels und der Menschheit

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Abschrift des des Buches:
Das tausendjährige Königreich Christi auf Erden
von Heinz Schumacher (1964)

Paulus Verlag Karl Geyer, Stuttgart

Inhaltsverzeichnis
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5. Die Zukunft Israels und der Menschheit

Bevor wir die paulinischen Briefe verlassen, wenden wir uns noch zwei Briefabschnitten des „Lehrers der Nationen“ unsere besondere Aufmerksamkeit zu: Röm 11:15.29 und 1Kor 15:22-28. Der erstere Text zeigt uns die Zukunftserwartung des Apostels hinsichtlich I s r a e l s, der letztere hinsichtlich der M e n s c h h e i t überhaupt.

Hat Paulus, der Verwalter der Geheimnisse der Gemeinde, überhaupt ein kommendes messianisches Reich erwartet, jenes Reich, das die Propheten im Geiste geschaut hatten und um dessen Kommen der Meister Seine Jünger bitten lehrte? - Zweifellos hat auch er es erwartet. Wir sehen, dass Paulus sich ausdrücklich in Apg 26:6.7 und Apg 28:20 zur Hoffnung Israels bekennt. Wenn er nach Apg 26:27 an einen Großen dieser Erde die kühne Frage richtete: „Glaubst du, König Agrippa, den Propheten?“, dann setzt dies voraus, dass er selbst auf dem Verheißungsboden der alttestamentlichen Propheten stand. In Apg 26:22 bekennt er sich ebenfalls zu Mose und den Propheten. Was sie gesagt hätten, bezeuge auch er. Zwar spricht er an dieser Stelle nicht ausdrücklich von der R e i c h s botschaft der Propheten, sondern vom Leiden und der Auferstehung des Messias, wovon auch sie schon geredet hätten. Doch ersahen wir schon aus anderen Stellen, dass Paulus auch das zukünftige Königreich (neben der gegenwärtigen, relativ verborgenen Königsherrschaft Christi im Leben Seiner Gläubigen) kennt und bezeugt. Wir erinnern an 1Thes 2:12; 2Thes 1:5; 2Tim 2:12.18 *53

Kennt Paulus ein Tausendjähriges Reich?
*53 Nach Bietenhard „darf zusammenfassend über Paulus gesagt werden: er kennt wohl die gegenwärtige, über diesen Äon sich erstreckende Herrschaft Jesu Christi, er weiß aber noch nichts von einem Reiche Christi im Sinne von Offb 20. Nach Paulus herrscht Christus bis zu dem Zeitpunkt, wo der Tod als letzter Feind vernichtet sein wird, 1Kor 15:26. Dieses Ereignis findet nach Offb 20:14 als ein Akt des Endgerichtes statt. Das aber werden wir sagen dürfen; es ist bei Paulus R a u m für ein solches endzeitliches Reich Christi, wie die Offenbarung es verheißt, indem ja das Tausendjährige Reich auf der alten Erde aufgerichtet wird, zu einer Zeit, da der Tod noch herrscht.“ (Bie/88)
Wir begrüßen es, dass nach Bietenhard bei iPaulus wenigstens R a u m für ein Tausendjähriges Reich ist. Ob aber die Behauptung, „er weiß noch nichts von einem Reiche Christi im Sinne von Offb 20 so sicher ist? Kann Paulus nicht noch manches gewusst und gesagt haben, ,das in seinen Briefen n i c h t steht? Genügt es nicht, dass er ein zukünftiges Königreich Christi ü b e r h a u p t erwähnt, auch ohne es mit alt- oder neutestamentlichen apokalyptischen Farben auszumalen? Der Verzicht auf die Ausmalung interessanter Einzelzüge des Reiches muss doch nicht heißen - das möchten wir immer wieder betonen -, dass Paulus diese Einzelheiten nicht kennt oder nicht mehr gelten lassen will mehr hat sie doch auch deshalb unerwähnt lassen, weil er sie als bekannt voraussetzen konnte, oder weil sie ihm für seinen gegenwärtigen A u f t r a g, die Herausrufung und Zubereitung der Gemeinde, welche Sein Leib ist, weniger wichtig erschienen.’'
Der Apostel Paulus hat das Königreich Christi mindestens in alttestamentlicher Sicht gekannt. Dass er verhältnismäßig selten und nur kurz davon spricht, beweist nicht das Gegenteil.

Dass Paulus das messianische Reich uns damit die Wiederherstellung Israels erwartet, tritt uns sehr deutlich auch in Röm 11:25-27.29 entgegen, wo der Apostel schreibt:

“Ich will euch nämlich, meine Brüder, über dieses Geheimnis nicht in Unkenntnis lassen,damit ihr nicht in vermeintlicher Klugheit auf eigene Gedanken verfallt: Verstockung ist über einen Teil der Israeliten gekommen bis zu der Zeit, da die Vollzahl der Heiden (in die Gemeinde Gottes) eingegangen sein wird; und auf diese Weise wird Israel in seiner Gesamtheit gerettet werden, wie geschrieben steht (Jes 59:20.21; Jes 27:9): Aus Zion wird der Retter (oder: Erlöser) kommen; er wird Jakob von allem gottlosen Wesen frei machen; und darin wird sich ihnen der von mir herbeigeführte Bund zeigen, wenn ich ihre Sünden wegnehme (oder: tilge) ... denn unwiderruflich sind die Gnadengaben (oder: Gnadenverheißungen) und die Berufung Gottes.“ (Men)

Dieser Text beantwortet die Frage, die sich denkenden Gläubigen zur Zeit des Apostels Paulus (und seither bis in unsere Tage) aufdrängen musste: Wie reimt sich die gegenwärtige Verhärtung Israels mit den großen Verheißungen Gottes für dieses Volk? Kann denn ein Volk, das seinen Messias verwarf und kreuzigte, hernach Seinen Heiligen Geist und ein nochmaliges Gnadenangebot seines Gottes (Apg 3) ebenfalls ablehnte und seither offensichtlich unter göttlichem Fluch und Gericht steht, dennoch zum Segensträger für die Menschheit, zum Herrscher und Missionar im Reich des Gesalbten bestimmt sein? Hat es sich nicht dieser seiner Berufung als unwürdig erwiesen und sie ein für allemal verscherzt? - Paulus antwortet: Die Gnadenverheißungen und die Berufung (an Israel) sind unwiderruflich, unbereubar (Röm 11:29). Ähnlich hatte er sich in Röm 3:3 geäußert, wo der schreibt: Die Untreue Israels hebt die Treue Gottes nicht auf, oder, wie man dieses Wort auch übersetzen kann: Ihr Unglaube hebt Gottes Glauben nicht auf! Und in unserer Stelle Röm 11 zeigt er in den Versen Röm 11:25-27 den Weg, wie aus dem Fluchträger einmal ein Segensträger werden soll (vgl. Sach 8:13). Wieder enthüllt er damit ein ihm von Gott geoffenbartes Geheimnis:

Die Vollzahl der Nationen

Israels Verstockung ist nicht nur der Umfang nach („zum Teil“), sondern auch der Dauer nach begrenzt („bis dass“). Zwischen dem Eingehen der Fülle oder Vollzahl der Nationen und dem Weichen der Verstockung von Israel besteht ein geheimer Zusammenhang. Desgleichen besteht ein solcher Zusammenhang zwischen dem sichtbaren Kommen des Erlösers und der Rettung ganz Israels, die als herrliches Endergebnis in Röm 11:26 proklamiert wird.

Was ist unter „Fülle, Vollzahl der Nationen“ zu verstehen? Ströter erblickt darin in seiner vergriffenen Auslegung von Röm 11 den Organismus des Leibes Christi: „Das in den Briefen Pauli immer wieder mit großer Ausführlichkeit angewandte Bild von dem ‚Leib‘, d. h. einem in sich vollendeten, abgerundeten Organismus, der für das Haupt als künftiges Betätigungsorgan jetzt zubereitet wird, gibt uns wohl den richtigen Schlüssel zum Verständnis dessen, was mit dem Ausdruck Fülle oder Vollzahl bezeichnet werden soll.“ Zu dem gleichen Ergebnis kommt Heinrich Langenberg in seiner Auslegung des Römerbriefes, obwohl er das Wort „pläroma“ (Fülle, Vollzahl) anders erklärt: „Das Pläroma ist nicht die volle Zahl, quantitativ, sondern die volle Reife, das Ergebnis der vollen Ausreifung einer heilsgeschichtlichen Entwicklung ... Die Fülle der Nationen ist die vollreife Frucht aus den Heiden.“

Die Verstockung eines (sehr großen) Teiles von Israel soll so lange andauern, „bis die Fülle der Nationen eingegangen ist“. Das heißt mit anderen Worten also: Wenn die Vollzahl der volle Ausreife der Heiden eingegangen ist, wird die Verstockung von Israel weichen, werden in immer stärkerem Maße Israeliten zum Glauben an Christus kommen. Dem entsprechend schaut Johannes im Buch der Offenbarung, wie am Tage des Herrn, während der noch ausstehenden letzten Jahrwoche von Dan 9, da die „Vollzahl“ der Nationen, der Christus-Leib, bereits eingegangen, d. h. voll ausgereift und zum Herrn entrückt sein dürfte, zunächst 144 000 Israeliten - je 12 000 aus allen 12 Stämmen - für den Herrn gewonnen werden *54

*54 Näheres über die Endzeit-Ereignisse findet sich in dem Heft „Die 70 Jahrwochen und die kommende Endzeit“ von Heinz Schumacher (44 Seiten, Paulus-Verlag)’’

Sie sind E r s t l i n g e für Gott und das Lamm (Offb 4:4); mit ihrer Errettung b e g i n n t also erst das endzeitliche Heilsgeschehen in Israel. Diesem Beginn folgt dann die noch herrlichere F o r t s e t z u n g beim K o m m e n des M e s s i a s zu Seinem V o l k: „Der Erlöser wird kommen und Jakob von allem gottlosen Wesen frei machen.“ Paulus zitiert hier ein Propheten Wort: Jes 59:20.21 (wahrscheinlich standen ihm auch Jes 27:9 und Jer 31:31ff vor Augen). Während Röm 11:25, das eine Beziehung zwischen der Vollendung der Gemeinde und dem Weichen der Verstockung von Israel aufzeigt, ein „Geheimnis“ darstellt, handelt es sich im folgenden Vers Jes 59:26 um Wahrheiten, die durch Prophetenmund schon längst bekanntgemacht waren: Beim Kommen des Messias wird Israel Errettung und Befreiung von seinen Sünden erlangen; die Glieder des auserwählten Volkes werden (überwältigt von Seiner Herrlichkeit wie einst Saulus vor Damaskus) sehen und glauben; eine tiefgehende völkische Buße wird einsetzen (vgl. Sach 12:10ff.); Gott wird den in Jes 59:21; Jer 31:31ff. u. a. Stellen verheißenen n e u e n Bund mit ihnen schließen, ,der nicht mehr - wie der erste Bund - allein durch Worte, Gesetze, Satzungen gekennzeichnet ist, sondern durch G e i s t und W o r t!

Die Verstockung wird weichen! Der Erlöser wird zu Seinem Volke kommen! Er wird einen neuen Bund mit ihnen schließen! Denn Seine diesem Volke gegebenen Gnadenverheißungen und Seine Berufung sind unwiderruflich! Mit diesen Aussagen bekennt sich Paulus eindeutig zur Wiederherstellung Israels im Tausendjährigen Reich, und wenn er hier nicht ausdrücklich von der ä u ß e r e n Wiederherstellung spricht und Israels Reichsherrlichkeit und Weltherrschaft und Weltmissison nicht besonders erwähnt, sondern nur die innere Wiederherstellung andeutet, so darf man daraus nicht etwa schließen, ,er habe das andere nicht mehr erwartet. Wie der Herr selbst in den Evangelien, legt auch Paulus den Ton auf die i n n e r e E r n e u e r u n g. Dies schließt aber das andere nicht aus, sondern zieht es zwangsläufig nach sich; will doch Gott im Reich des Messias die innere Wiederherstellung äußerlich sichtbar machen. Wenn nach Pauli Glauben Gottes Gnadenverheißungen und Seine Berufung für Israel unwiderruflich sind, dann gilt das ohne Ausnahme für das Gesamt-Panorama der alttestamentlichen Propheten, in erster Linie - aber keinesfalls n u r - für die innere geistige Erneuerung*55

Verwirklicht sich Israels Hoffnung in der Gemeinde?
*55 An diesem Punkt müssen wir HANS BIETENGARD widersprechen, der in seinem beachtlichen theologischen Werk „Das Tausendjährige Reich“ sich einerseits f ü r die künftige Wiederherstellung Israels ausspricht und sich gegen die Vergeistigung der alttestamentlichen Weissagungen wendet, der aber im gleichen Werk die alttestamentliche Verheißungen für Israel nur geltenlassen will im Raum der Kirche. Bietenhard sagt einerseits:
(S. 98): „Die Sachlage scheint uns die zu sein: Verstockung, ja Verwerfung des Volkes Israel bei gleichzeitiger Bewahrung der an es ergangenen Verheißungen.“ - „Israel hat das Heil Gottes in Jesus Christus nicht angenommen; dafür erleidet es Strafe. Es ist seinem Berufe, Gottes Volk zu sein, untreu geworden. Seine Untreue hebt aber Gottes Treue nicht auf.“ - (S. 99 zu Mt 23:37-39) „Einmal wird Israel den Christus anerkennen und freudig begrüßen, wenn Er wiederkommt ... Sprechen die Juden bei der Parusie diese Worte des Lobes, dann müssen sie vorher das Evangelium angenommen und sich zu Christus bekehrt haben. Die Verhärtung wird von ihren Herzen weggenommen werden.“ (S. 101:) Israel und die Heilszeit gehören zusammen: so werden wir das Zeugnis all dieser Stellen (gemeint sind: Mt 23:37-39; Mt 19:28 und Parallelen) zusammenfassen dürfen. (S102/103:) „Dass die Verheißung am Israel nicht aufgehoben ist, trotzdem man es bei oberflächlicher Exegese meinen könnte, zeigt auch eine Stelle wie Apg 1:6f ... Die Verheißung des Geistes weckt in den Jüngern das Verlangen nach dem Reiche Gottes ... Denn beides, Reich und Geist, gehört zusammen ... ‚Darum waren die Apostel wohl berechtigt zu der Erwartung, dass Jesus gleichzeitig mit der Sendung des Geistes auch dem so lange geknechteten Volk Israel zu der ihm verheißenen Königsherrschaft auf Erden verhelfen werde‘ (Zahn) ... Die Antwort in Apg 1:6f. ‚enthält eine unzweideutige Bestätigung davon, dass Israel das Reich noch einmal erhalten soll ... Der Herr sagt also Seinen Jüngern beim Scheiden: Zuerst die Kirche, dann das Reich‘ (Zahn).“ - (S. 104:) „Zu beachten ist, dass bei allem Hinweis auf die Mission und bei allem Anknüpfen an die Predigt des Täufers von der Gabe des Geistes (nämlich in Apg 1:6-8) die Sonderstellung Israels nicht angetastet wird ... Die Hoffnung auf eine Wiederherstellung Israels ist im ganzen Zeugnis der Bibel fest verankert.“ - (S. 108:) „Gott wird dieses Volk noch zum Glauben an Jesus Christus und damit zum Ziel seiner Hoffnungen und Verheißungen führen.“ - (S. 114:) „Jesus hört nicht auf, der Messias Israels zu sein, auch wenn dieses Volk selbst Ihn verworfen hat. Damit ist aber die Hoffnung auf eine heilvolle Zukunft Israels nicht einfach biblizistisch, sondern christologisch begründet. Es deutet damit alles darauf hin, dass Jesu Werk auf Erden so zu seinem Ziele kommt, dass Israel dabei vollendet wird, indem es zum Glauben an seinen Messias kommt und nun die ihm gegebenen Verheißungen empfängt, Apg 3:19-21 ... ‚Die einzige Tatsache, dass im NT, und wahrlich nicht nur in Röm 11, vom einer zukünftigen Bekehrung Israels die Rede ist, wirft alle Versuche, die alttestamentliche Weissagung konsequent zu spiritualisieren (vergeistigen), über den Haufen‘ (F. H. R. Frank).“ - (S. 115:) „... Bei dieser Sicht verbietet es sich aber, die alttestamentlichen Weissagungenkonsequent zu spiritualisieren (vergeistigen), und zwar sowohl die Heils- als auch die Unheilsweissagungen. Man hat sich leider in der Kirche weithin daran gewöhnt ... die alttestamentlichen Weissagungen im ‚geistlichen‘ Sinne zu deuten ... Aber konsequent war man da wieder nicht; denn man deutete die Unheils- und Gerichtsdrohungen durchaus im realistischen Sinne: sie hatten sich buchstäblich an den Juden erfüllt ... Warum wechselte man plötzlich die Methode, indem man die Heilsweissagungen geistlich umdeutete?“ -
Über solche Äußerungen positiver Erwartung für Israel in einem theologischen Werk über das Tausendjährige Reich kann man sich nur freuen! Nur wird aber diese Freude beim Weiterlesen bald getrübt. Denn auch Bietenhard ist leider nicht konsequent. Während er in den zitierten Sätzen die Wiederherstellungs-Verheißungen für Israel als V o l k buchstäblich 8und nicht etwa vergeistigt) festhalten will und S. 104 hervorhebt, dass z. B. auch in Apg 1 „die Sonderstellung Israels nicht angetastet wird“, tastet der Verfasser selber im weiteren die Sonderstellung Israels kräftig an ja nimmt sie ihm, indem er plötzlich statt von Israel von der „Kirche“ spricht:
(S. 114/115:) „Die alttestamentliche Weissagung wird also wirklich, nicht nur geistlich, erfüllt werden an dem Bundesvolk des Neuen Bundes, an der aus Heiden und Juden bestehenden vollendeten und triumphierenden Kirche.“ - (S. 119:) „... scheint es uns eine Konstruktion, ja ein profunder Irrtum zu sein, anzunehmen, dass in Bezug auf die Erfüllung der Verheißungen das Schicksal der Judenchristen ein anderes sein werde als das der Heidenchristen.“ - (S. 124 zu Gal 3:16:) „Die Verheißung an Abraham zielt auf Jesus Christus; Er ist das Heil der Völker, nicht die Juden, auch nicht die christlich gewordenen Juden. Wer an Jesus Christus glaubt, sei es Jude oder Heide, wird Erbe der Verheißungen. Ist einmal der Jude zum Glauben gekommen, dann verschwindet der Unterschied zwischen Heidenchristen und Judenchristen, Gal 3:26-29. Die Verheißungen, die dem alttestamentlichen Bundesvolk gegeben wurden,werden dann dem neutestamentlichen Volke Gottes als der Kirche aus Juden und Heiden zugesprochen und an ihr in der Zukunft erfüllt. Diese Gemeinde wird dann zum ‚Licht der Völker‘, sei es vor oder während des Millenniums. Und wenn wir sagten, Gott werde an den bekehrten Juden Seine Verheißungen wahrmachen, dann nur so, dass die Heidenchristen eben an all dem teilhaben, was dem Samen Abrahams verheißen ist.“ (S. 126:) „Die Kirche aus Juden und Heiden wird als triumphierende im Tausendjährigen Reiche im Gegenüber der Welt herrschen. Eine Trennung der beiden Teile der Kirche kann nicht in Frage kommen, denn der Leib Christi ist e i n e r. Irdischer Mittelpunkt dieses Reiches wird Jerusalem sein ... Die dem Volke Gottes des AT gegebenen Verheißungen beginnen sich zu erfüllen an der ganzen Kirche des Neuen Bundes, die die legitime Erbin der dem Volke Gottes je und je gegebenen Verheißungen ist. Klar dürfte auch sein, dass von einer spezifisch jüdischen Weltherrschaft keine Rede sein kann im Millennium. Die Weltherrschaft übt Jesus Christus aus - eine in Ihm beruhende Theokratie. Mit Ihm herrscht die Kirche aus Juden und Heiden. Damit werden z. B. die alttestamentlichen Verheißungen, die von einer Weltherrschaft Israels reden - die ja eine Herrschaft des Volkes Gottes ist! - am Volke Gottes des Neuen Bundes, der Kirche, erfüllt werden.“
Was der Verfasser noch auf S. 115 seines Buches rügt: dass die Kirche dem Volke Israel die ihm gegebenen Heilsweissagungen genommen habe, „indem man fast alles in der Gegenwart der Kirche erfüllt sein ließ (an die Stelle Israels tritt die Kirche!)“, das tut er auf derselben Seite und später selber: auf dem Wege über die Forulierungen „Gottesvolk“, „Bundesvolk“ überträgt er die Israel gegebenen Verheißungen auf die Kirche!
Wir fragen: Ist Israel als V o l k (dem doch die Verheißungen gegeben sind) etwa zu irgendeiner Zeit identisch mit derjenigen A u s w a h l Israels, die einen Teil der Gemeinde, des Leibes Christi bildet? Paulus unterscheidet jedenfalls in Röm 11 scharf zwischen beiden Größen, zwischen den gläubigen Erstlingen (die er rückschauend auch Überrest nennt) und der verstockten „Masse“ des Volkes Israel; und wenn er auch für die letztere das Heil weissagt, dann nicht etwa so, dass das ganze Volk Israel der „Kirche“ Heil weissagt, dann nicht etwa so, dass n a c h der Erreichung der „Vollzahl der Nationen“, da. h. nach Abschluss der Zeit der Gemeinde (oder, um mit Bietenhard zu reden: der Kirche) die Verstockung von Israel weicht. Israels völkische Bekehrung geschieht nach paulinischer Schau nicht i n der Zeit der Gemeinde („Kirche“), sondern n a c h Vollendung der Gemeinde!
Auch darin ist Bietenhard inkonsequent, dass er eine künftige Sonderstellung Israels praktisch ablehnt, aber die Sonderstellung der (irdischen!) Stadt Jerusalem beibehält (S. 27, 29, 36, 95, 109). Der Grund ist einleuchtend: allzu deutlich wird bis hinein in Offb 20 Jerusalem, und zwar das irdische, als Königsstadt des Millenniums erwähnt. Und da Bietenhard sein Buch auf der Stelle Offb 20 aufbaut und wenigstens von dieser Stelle nichts streichen und umdeuten will, muss er auch dem irdischen Jerusalem seine künftige Rolle als Regierungssitz zugestehen. - Kann man aber das irdische Jerusalem und das irdische Israel voneinander trennen? Kann man der Stadt eine Sonderstellung einräumen, aber dem Volk Israel nicht mehr? Wenn sich die Israel gegebenen Verheißungen nur noch im Raum der „Kirche“ erfüllen, und zwar unterschiedslos an Juden und Heiden, wozu dann noch eine Sonderrolle des irdischen Jerusalems? Wenn Gal 3:28 nicht nur für das Zeitalter der Gemeinde, sonder für a l l e Zeiten Gültigkeit haben soll: „Da ist nicht Jude noch Grieche“, also auch im Tausendjährigen Reich, müsste es dann nicht entsprechend auch heißen: „Da ist nicht Jerusalem noch Rom noch Wittenberg ...“?
Gewiss hat Gal 3:16 seinen guten Sinn: in und durch J e s u s C h r i s t u s werden die Abraham gegebenen Verheißungen erfüllt. Aber bedeutet das, dass nun plötzlich die Adressen beliebig erweitert und vertauscht werden dürfen? Könnte es nicht auch bedeuten, dass Christus eben der Garant dafür ist, dass alle Verheißungen eben an denen einmal erfüllt werden, denen sie gegeben wurden?
Wir bestreiten auch nicht, dass manche Verheißung, die Israel gegeben wurde, infolge des Übergangs des Heiles auf die Heiden und der Zurechtbringung des Leibes Christi einen erweiterten Geltungsbereich bekommen hat, und heben das in diesem Werk des öfteren hervor. Denn auch die Gemeinde soll mit Christus herrschen. Dennoch ist die Gemeinde nicht Israel, und Israel als Volk mehr als nur die zur Gemeinde gehörigen, in der jetzigen Heilszeit gläubig werdenden Israeliten. Wie in einer guten Ehe der Mann an manchen Aufgaben, die eigentlich die der Frau sind, Anteil nimmt, sie berät und ihr hilft, und wie umgekehrt die Frau sich für die Anliegen des Mannes interessiert, auch wenn es anfänglich nicht ihre, sondern des Mannes Interessen waren, - ebenso gibt es nach der „Hochzeit des Lammes“ keinerlei scharfe Trennung mehr, kein „Droben“ und „Drunten“ im Sinne zweier sich gegenseitig ausschließender Interessengebiete, sondern „Mann“ und „Frau“ (Haupt und Körper des Christus einerseits und Israel andererseits) arbeiten „Hand in Hand“. Dennoch bleiben - um im Bilde zu reden - Haus und Küche grundsätzlich der Bereich der Frau, und Fabrik und Maschinenraum der des Mannes. - Wenn aber auch viele Verheißungen an Israel auch der Gemeinde gelten (z.B. die Verheißungen des Herrschens und Richtens mit Christus), so bleibt dazu doch zweierlei zu sagen:
1. ist damit nicht unbedingt gesagt, dass ähnlich oder gleich klingende Verheißungen an Israel und die Gemeinde sich auf der gleichen Ebene erfüllen müssten; es mag trotzdem dabei bleiben, dass Israel, das von jeher von Gott im i r d i s c h e n Bereich geschult und gesegnet und gerichtet wurde, nun auch im irdischen Bereich in den 1000 Jahren sein Betätigungsfeld findet, während die Gemeinde, die schon heute gesegnet ist im h i m m l i s c h e n Bereich (Eph 1:3) und auch dort ihre Kämpfe führt (Eph 6:12ff.), auch einmal vornehmlich im h i m m l i s c h e n Bereich herrschen und richten soll (was z. B. durch 1Kor 6:2.3 sehr nahegelegt wird! Wo ist jemals Israel Entsprechendes verheißen worden?).
2. Bleiben noch genug Verheißungen übrig, die n u r Israel gelten. Oder wird die Gemeinde, der Leib Christi aus allen Völkern, etwa beim Kommen des Messias erst seine Bekehrung erfahren und den Heiligen Geist empfange, wird die Gemeinde vom irdischen Jerusalem aus herrschen (wie groß müsste dann dieses irdische Jerusalem sein?!) und den Nationen-Abordungen durch Opferhandlungen und Festversammlungen Anschauungsunterricht erteilen usw. usw.? - Entweder muss man derartige Weissagungen heue vergeistigen - das aber lehnt Bietenhard mit klaren Worten ab, wie wir es auch abweisen -, oder aber sie gelten wirklich und buchstäblich, dann auch dem wirklichen ursprünglichen Adressaten, Israel, und nicht ohne weiteres der „Kirche“ (womit ja Bietenhard wohl dasselbe bezeichnen will, das wir mit „Gemeinde“ meinen die Gläubigen der jetzigen Heilszeit).
Unseres Erachtens ist es somit n i c h t z u l ä s s i g, einerseits festzuhalten an Israels zukünftiger völkischer Bekehrung, an Jerusalem als Königssitz, an der wirklichen und buchstäblichen Erfüllung aller Verheißungen für dieses Volk, - und andererseits dies alles zu beschränken auf diejenigen Juden, die Glieder der „Kirche“ (oder Gemeinde) sind oder noch werden. Heute ist die Zeit der Gemeinde, in der Nationen-Auswahl und Israel-Auswahl ohne Vorrang der Israeliten beisammen; dann folgt die Heilszeit für Israel als V o l k. Trotz allem Gemeinsamen der Heilsgrundlage, der Zubereitung und des Zieles bleiben doch beide als Körperschaften verschieden, mit besonderen Gaben und Aufgaben, somit bleibt auch Israels Sonderrolle im Tausendjährigen Reich auf erden ebenso unangetastet wie die Sonderrolle des irdischen Jerusalems.

Alle Verheißungen werden erfüllt

Dass Paulus die Erfüllung a l l e r dem Volke Israel von Gott gegebenen Verheißungen erwartet, geht auch aus dem Wort 2Kor 1:20 hervor, das wir an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen möchten.

“So viele Verheißungen Gottes es gibt, in Ihm (d. h. in Christo) ist das Ja, daher durch Ihn auch das Amen, Gott zur Ehre durch uns.“

„So viele V e r h e i ß u n g e n G o t t e s es g i b t ...“! Bibelausleger haben gezählt, dass es Tausende sind! Viele auch der alttestamentlichen Verheißungen sind davon noch unerfüllt. Paulus erwartet, dass Christus zu j e d e r Verheißung Gottes das Ja und das Amen ist (daher nennt Er sich auch „der Amen“; Offb 3:14; vgl. Offb 19:11). Nach der Bedeutung des hebräischen Wortes „Amen“ und nach dem Zusammenhang von 2Kor 1: bedeutet das: Gott wird keine Seiner Zusagen zurücknehmen! Sonst würde Er ein einmals gegebenes „Ja“ in ein „Nein“ verfälschen. Vielmehr werden alle Verheißungen restlos erfüllt. Der Garant dafür, dass Gott nach wie vor zu allen Seinen Verheißungen steht („Ja“) und sie treu und zuverlässig erfüllt („Amen“), ist Christus. Bei der Erfüllung aller Gotteszusagen aber bedient Er sich Seines Körpers, der Gemeinde („durch uns“)! - Neben Mt 5:17.18; Lk 24:44; Apg 3:19-21 und 2Petr 1:16-19 ist 2Kor 1:20 eines der stärksten neutestamentlichen Zeugnisse dafür, dass Gott Seine im AT gegebenen Zusagen restlos einhält und ausführt! *56

*56 Ein Schulbeispiel übler Vergeistigung und Verflüchtigung alttestamentlicher Weissagungen, wobei man den angeblich überholten alttestamentlichen Standpunkt durch den neutestamentlichen ersetzt, bietet Richard vom Bauer in seiner Schrift: „Das Volk Israel“ (S. 12/13): „Hier (in Mi 4:1-5) wird deutlich gesagt, dass das Volk Israel unter seinem künftigen König vom Berge Zion aus, das heißt von Jerusalem, die heidnischen Völker regieren wird, und die Götter der Heiden werden dem Gott Israels untertan sein. Dies ist der Standpunkt des AT ... Die Unhaltbarkeit dieses alttestamentlichen Standpunktes geht aus Folgendem hervor:
1. Die Juden als Volk haben die Bedingungen nicht erfüllt, unter welchen ihnen die Verheißung der Regierung auf Erden gegeben wurde ...
2. Die alten Propheten haben das Wesen des Friedens- und Messiasreiches noch nicht in seiner ganzen Tragweite erkannt, ihre Weissagungen müssen daher im Licht des NT, der Lehre Jesu und der Apostel erklärt undnicht ohne weiteres buchstäblich aufgefasst werden ... Von dem alttestamentlichen Reichsbegriff ist im NT nichts mehr zu finden. Es ist daher ein ganz unmöglicher Gedanke, dass Gott nach Ablauf der neutestamentlichen, den Heiden (Nationen) gewidmeten Bundeszeit, wenn die Vollzahl aus den Nationen eingegangen ist, wieder zum alttestamentlichen jüdischen Reichsbegriff zurückkehren werde ... Es kann und wird keine Rückkehr vom Neuen zum Alten Bunde geben, ebensowenig wie die Wurzeln des Baumes wieder oben auf die Äste gesetzt werden.
Hier vermengt der Autor u. E. zwei sehr verschiedene Dinge: „Reichsbegriff“ und Bund! Beides ist durchaus nicht dasselbe. Wohl tritt an die Stelle des alten Gesetzesbundes im Tausendjahrreich der Neue Bund, wie es schon eben die alttestamentlichen Propheten, ein Jeremia u. a., geweissagt haben. Aber nicht tritt an die Stelle des alttestamentlichen „Reichsbegriffes“ ein neuer; höchstens insofern, als Jesus und die Apostel dem alttestamentlichen Gemälde der Propheten noch einige neue Züge hinzufügen, keineswegs aber so, dass irgend etwas gestrichen wird, was die Propheten voraussahen und -sagten. Wer das behauptet, stellt sich gegen Jesu eigene Worte. Christi Geist, Sein Auferstehungsleben, der Neue Bund, - all dies steht weder im Gegensatz zu irdischer, sichtbarer Reichsherrlichkeit noch zu Israels besonderer Aufgabe im Reich, den Völkern in einem Musterstaat Anschauungsunterricht einer wahren und gerechten Theokratie zu vermitteln.’'
Es wundert uns nach dem Vorangegangenen nicht, dass auch v. Baur in seiner Schrift „Das kommende Königreich Jesu auf Erden, das 1000-jährige Friedensreich“ (S. 9, 10) Israel nur eine Hoffnung „im Rahmen der Gesamtgemeinde und als Teil derselben“ zugestehen will („Nur im Rahmen der Gesamtgemeinde und als Teil derselben, kann man überhaupt noch von einer Bestimmung Israels im kommenden Reiche Jesu Christi auf Erden sprechen“), das AT ziemlich abwertet („Das At ist nur insofern lehrreich für uns, als wir daraus ersehen, wie Gott in früheren Zeiten die Menschen führte“), ja sich sogar zu der Äußerung versteigt: „Der größere Teil des Volkes (Israel) geht im Antichristentum unter, der kleinere Teil (Überrest) wird durch sein Gläubigwerden an Christus in die Gesamtgemeinde aus allen Völkern eingefügt. Damit l ö s t sich das j ü d i s c h e V o l k s t u m auf, es kann und wird nicht mit hinübergehen ins Tausendjährige Reich.“ Dass solche Sätze angesichts des neuen Staates Israel, ja vor allem angsichts von Röm 11 geschrieben und verbreitet werden, zeugt von einer wahrhaft erschreckenden Blindheit.

Doch kehren wir noch einmal zu Röm 11 zurück und vergleichen wir die dort niedergelegte paulinische Schau mit der Erwartung des Jakobus laut Apg 15:13-18! Was Jakobus auf dem Apostelkonzil zu Jerusalem im Heiligen Geist erkannte und aussprach, und was Paulus uns durch denselben Geist in denselben Geist in Röm 11:2ff. offenbart, stimmt in auffallender Weise überein und ergänzt sich zugleich gegenseitig: Jakobus sagt voraus, dass Gott sich in der Gegenwart „zuerst“ eine Körperschaft aus den Völkern zubereite; und „danach“ werde Er die zerfallene Hütte Davids, das „heruntergekommene und aller Macht beraubte Davidshaus“ wieder aufrichten; Paulus lehrt, dass Gott, nachdem die Gemeinde aus den Nationen vollzählig gesammelt ist, die Verstockung von Israel nimmt und ihm beim Kommen des Messias Errettung von seinen Sünden und den verheißenen neuen Bund schenkt. Beide halten daran fest, dass Gott nach Ablauf der Gemeindezeit die Israel gegebenen Verheißungen einlöst; dabei betont Jakobus mehr die völkisch-politische, Paulus aber stärker die innerlich-geistlichen Wiederherstellung. Beide zitieren dabei Worte der Propheten, die sich nach dem Zusammenhang deutlich aufs messianische Reich beziehen. Jakobs nahm ein Zitat aus dem Zusammenhang von Am 9:8-15; während Pauli Wort Jes 59:18-21 entnommen ist, aber auch an Jer 31:31-34 anklingt.

Man darf Paulus in Röm 11:25-27 allerdings nicht so verstehen, als wollte er sagen, jeder Jude, der irgendwann gelebt hat, oder gar jeder Israelit, sein im messianischen Reich anwesend und erneuert. Zwar wird einem g a n z Israel e r r e t t e t. In seinem Vollsinn wird dieses Wort jedoch noch nicht im Millennium, sondern erst am Ende aller Wege Gottes erfüllt (so wie viele Prophetenworte im messianischen reich erst eine vorläufige, die endgültige volle Erfüllung aber in der neuen Schöpfung finden). Immerhin ist die Entwicklung im Reiche Christi gegenüber heut schon so weit vorangeschritten, dass nicht nur „ihrer etliche“ (Röm 11:14) wie heute das Heil ergreifen, sondern das ganze Volk Israel, soweit es ins Reich Eingang gefunden hat, erneuert ist und dem Herrn a l s ganzes V o l k zur Verfügung steht und dient.*57

"Ganz Israel"
*57 Sehr fein sagt Erich Sauer zu dem Begriff „ganz Israel“ mit Bezug auf Röm 11: „In der Endzeit werden auch die ausgebrochenen natürlichen Zweige wieder eingepfropft werden, und somit wird ‚ganz‘ Israel errettet werden. Unverkennbar steht der Ausdruck ‚ganz‘ hier im Gegensatz zu der bisherigen Z w e i teilung, d. h. der im Ölbaum verbliebenen und der aus dem Ölbaum ausgebrochenen natürlichen Zweige. Diese Zweiteilung soll zuletzt aufgehoben werden. Durch die Bekehrung der Juden bei der Erscheinung des Messias geht der Glaube des kleinen ‚Überrests‘ in die große Gesamtmasse über. Das b u c h s t ä b l i c h e Israel ist zugleich g e i s t l i c h e s Israel g e w o r d e n ... Das Nationale deckt sich von nun an mit dem Geistlichen ...“ -
Karl Ludwig Schmidt antwortet auf die Frage: „Welche sind in dem ‚pas Israel‘ (ganz Israel) inbegriffen?“ wie folgt: „Bekanntlich gehen die Auslegungen auseinander. Immerhin sollte man sich darauf einigen können, dass die G e s a m t h e i t der J u d e n, das ganze fleischliche Israel, inbegriffen ist. Denn die vorangehenden Gedankengänge würden leer auslaufen, wenn der Schluss feststellen würde, Israel sei auch dann komplett, wenn nur vereinzelte Juden dabei sein werden ...“ (Theologische Studien H. 13.)
E. F. Ströter weist außerdem nach, dass von vereinzelten Ausnahmen abgesehen, auch die v e r s t o r b e n e n Israeliten in dem ‚ganz Israel‘ enthalten sind. (Das ausführliche Zitat findet sich in meiner Römerbrief-Auslegung in „Gnade und Herrlichkeit“ Jg. 1964; Heft 2. Weitere Zitate über „ganz Israel“ in Röm 11:26 sind in meinem Buch „Das biblische Zeugnis von der Versöhnung des Alls“ auf den Seiten 202-204 gesammelt)

Im Vollsinn wird ganz Israel erst errettet sein, wenn auch die Gesamtmenschheit durch Gericht und Gnade einmal heimgefunden hat. Darüber schreibt der Apostel Paulus in 1Kor 15:22-28 das Folgende:

“Denn ebenso wie in dem Adam alle sterben, also auch werden in dem Christus alle lebendig gemacht werden. Ein jeglicher aber in seiner eigenen Ordnung. Der Erstling Christus, darauf die des Christus in Seiner Anwesenheit, danach die Vollendung, wenn Er das Königreich übergibt Gott und dem Vater, wenn Er aufhebt jede Oberherrschaft und jede Obrigkeit und Macht. Denn Er muss König sein, bis Er sollte alle Seine Feinde legen unter Seine Füße. Der letzte Feind, der abgetan wird, ist der Tod. Denn alles unterordnet Er sich unter Seine Füße. Wenn Er aber sagt, dass alles sich untergeordnet hat, ist es offenkundig, dass es außer Dem ist, der Ihm unterordnet das All. Wenn aber das All Ihm untergeordnet ist, dann wird auch der Sohn selber untergeordnet sein Dem, der Ihm unterordnet das All, auf dass Gott sei alles in allen.“ (KW)

Hier ist nicht der Ort, dieses Wort erschöpfend auszulegen (In dem Buch „Das biblische Zeugnis von der Versöhnung des Alls“ vom gleichen Verfasser ist auf den Seiten 118-125 und 222-229 eine ausführliche Betrachtung erfolgt.) Uns interessiert im Rahmen unseres Themas vor allem, dass Paulus in 1Kor 15:24-25 vom Königreich bzw. Königtum Christi spricht. Er stellt jedoch dieses Königreich Christi - gewissermaßen als Zwischenglied - in einen größeren Zusammenhang hinein. (Damit tut er das gleiche, was wir auch bei Johannes im letzten Bibelbuch beobachten werden: auch dort ist das Tausendjährige Reich ja „nur“ eine Zwischenperiode, die zu noch Größerem, Umfassenderem, Herrlicherem überleitet.) Sein Blick geht damit weiter als der Blick der alttestamentlichen Propheten, ja auch Jesu selbst in den Evangelium, die alle, ihrem damaligen Auftrag entsprechend, nicht über das Reich hinaussehen und in ihrer Verkündigung hinausführen. Bei den Propheten und noch in den Evangelien (Dan 2:44; Dan 7:14.27; Lk 1:33) heißt es: „Seines Königreiches wird kein Ende sein.“ Paulus und Johannes wissen offenbar mehr; dem Fortgang der Heilsgeschichte entsprechend dürfen sie im Auftrag des erhöhten Herrn mehr aussagen, weitergehende Auskünfte geben (vgl. Joh 16:12). Dennoch besteht - wir wiesen schon früher darauf hin - zwischen Lk 1:35 und 1Kor 15:24-28 kein Widerspruch. Paulus spricht ja nicht von einem „Ende“ des Königreiches Christi, sondern von einem Übergang in einen höhere Vollendungsstufe. Er bezeugt: Christus muss so lange herrschen, bis Ihm alle Seine Feinde untergeordnet sind. Danach übergibt Er die Herrschaft dem Vater. Wann, heilsgeschichtlich gesehen wird das geschehen? Christi Königsherrschaft ist ja nicht auf die 1000 Jahre von Offb 20, also auf das messianische Reich, beschränkt; noch in Offb 22:5 - zur Zeit der neuen Erde - ist vom königlichen Herrschen Gottes und des Lammes und Seiner Knechte die Rede. Paulus schaut also im Geist noch über Offb 22 hinaus; denn Er sieht eine „Zeit“ kommen, da jegliche Gewalt und Herrschaft und Macht, auch Christi eigene königliche Macht, abgetan wird. Er legt sie, nachdem im ganzen All kein Feind, keinerlei gegnerische Gewalt, kein Widerspruch, kein Sünden- und Todeswesen mehr besteht, in die Hände des Vaters zurück. Infolgedessen kann nun das All, befreit von Sünde und Tod, in direkte Lebensbeziehung zum Vater treten: „auf dass Gott sei alles in allen“. Die Schrift meint an dieser Stelle genau, was sie sagt. Wie Christus heute in der Gemeinde „alles in allen“ sein soll, (Kol 3:11), so Gott der Vater zu jener Zeit im ganzen All. Und wie der Vater heute schon im Raum der Gemeinde nach Eph 4:6 nicht nur „über allen“ steht, sondern auch „durch alle“ wirkt und in allen“ ist, so wird Er schließlich auch im ganzen all nicht nur ü b e r allen Seinen Geschöpfen sein - das ist Er ja heute schon! -, sondern i n ihnen allen. Das Ziel der Lebendigmachung aller (1Kor 15:22; Röm 5:12ff.) ist dann erreicht. Volle Harmonie herrscht im ganzen All.Durch Gottes Liebesmacht, geoffenbart in der Selbsthingabe Christi am Kreuz, wurden alle Wesen zuletzt überwunden. Gottes gewaltige Gerichte haben Seine unbestechliche Heiligkeit allen Geschöpfen vor Augen geführt; nun kann Sein wahres Wesen, Liebe ohne Hass, Licht ohne Finsternis, alle erfüllen. -

So wird nach paulinischer Zukunftserwartung das gegenwärtig bis auf „etliche Errettete“ verstockte Volk Israel durch zwei Ereignisse von seiner Verhärtung befreit werden: durch die Vollendung und Hinwegnahme der Gemeinde (nach Erreichung ihrer „Vollzahl“) sowie durch das sichtbare Erscheinen des Messias in Seinem Volk! Dann werden die Israel gegebenen unwiderruflichen Königreichsverheißungen allesamt erfüllt werden. - Dieses Königreich aber ist wiederum nur eine Zwischenstufe in einem noch größeren und umfassenderen göttlichen Programm und Prozess: dem der Lebendigmachung aller. Es ist noch nicht die letzte Vollendung aller göttlichen Liebesabsichten. Dies paulinische Schau harmoniert sowohl mit der der alttestamentlcihen Propheten - die doch auch noch so manche „unvollkommenen“ Striche in das sonst so großartige Panorama vom Reich einzeichneten - wie auch mit der Schau des Johannes in seiner „Offenbarung (Apokalypse) Jesu Christi“, in welcher das Königreich Christi in den 1000 Jahren ebenfalls noch nicht als Abschluss und Krönung der Wege Gottes erscheint.

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6. Das Zeugnis des Hebräerbriefes