Das Wachstum der Offenbarung Gottes

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Abschrift: Wer ist Satan?
Satans Ursprung, Werke und Ziel (Heft 4)
aus der Reihe „Mannigfaltige Weisheit Gottes“
von M. Jaegle 1977

Abschrift mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Groß
Als Schrift noch erhältlich.

siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

8. Das Wachstum der Offenbarung Gottes

Beginn der Heilsgeschichte der Menschheit

Drei Vorbilder auf Christus

Die bisherige Betrachtung der Geschichte Josephs enthüllte uns, wie durch Gottes Weisheit und Liebe eine Familientragödie, in der das Böse eine bedeutende Rolle spielte, zu einem der schönsten und umfangreichsten Vorbilder der Heiligen Schrift erstand. Wenn wir dieses in Beziehung mit den zwei vorhergehenden Geschehnissen betrachten und nun mit drei Schemen veranschaulichen, so tritt ihr hoher Wert und die in Gottes Heilsvorsatz waltende Ordnung mit dem sich zunehmend erweiternden Aufbau der göttlichen Offenbarung noch deutlicher hervor.

1. Vorbild 2. Vorbild 3. Vorbild
Abels Tod, Isaaks bildlicher Tod, Josephs bildlicher Tod,
vom Bösen von Gott durch die Brüder und Nationen
durch Kain: durch Abraham: von Gott:


Gericht Segen Gericht und Segen


Diese drei Vorbilder lassen uns in dieser Zusammenstellung die Ursachen und die Folgen des Todes Christi erkennen.

Im ersten Vorbild sehen wir die Wirksamkeit des Bösen in Doppelgestalt: Kain, der vom Bösen war (1Jo 3:12), wird vom Bösen zum Mord an seinem Bruder gedrängt. Gott Selbst bleibt in diesem Geschehen im Hintergrund verborgen. Es ist deshalb ein auf Zermalmung der Ferse des Retters durch Satan beschränktes Vorbild. Tatsächlich scheint es hier, als ob diese böse Tat allein von dem Widerwirker ausgegangen wäre. Gottes Vorsatz bleibt dabei völlig verborgen, und da Abels Blut nach Rache schreit (1Mo 4:10; Hebr 12:24; Offb 6:9-10), sehen wir als Folge jener Tat nur Gericht. Das stellt die ernste Wahrheit in den Vordergrund, dass die ungerechte von Satan bewirkte Hinrichtung des Sohnes Gottes, sowohl für den Widerwirker als auch für alle daran Beteiligten, schweres Gericht nach sich ziehen wird.

Schon das zweite Vorbild enthebt uns der Niederung alleinigen Gerichtes und damit auch einer verkürzten Schau. Zwar weist es prophetisch auf dieselbe Wahrheit hin wie das erste Vorbild: auf den Tod des Sohnes Gottes. Doch während wir beim ersten nur Böses und deshalb auch nur Gericht vor Augen hatten, sehen wir hier (am zweiten) nur segensvolle Auswirkung; denn die dabei Wirkenden sind Gott Selbst und die beiden im Gehorsam zu ihm Stehenden Abraham und Isaak. Dies weist hin auf den reichen Segen, welcher der Opferung des Sohnes Gottes entspringen wird.

Beide Vorbilder betonen also nur Einzelzüge, die einer vervollständigenden Ergänzung bedürfen. In solch unvollkommener Sicht hat Gott den Anfang der Heilsgeschichte nicht belassen. Er fügt daher den beiden Einführungsbildern noch ein drittes, vollkommenes hinzu.

Dieses dritte Vorbild führt uns in beidem, Gericht und Segen, ein harmonisches Ganzes vor. Damit erhalten wir die abschließende Belehrung über den Gottes Heilswege beherrschenden Grundsatz: Kein Gericht ohne Segen, aber auch kein Segen ohne Gericht.

Beim Vergleich des zweiten mit dem dritten Vorbild ist ein Wechsel von Stellungen zu erkennen. Bei Isaaks bildlichem Tod tritt zuerst Gott als Auftraggeber in den Vordergrund. Dann erst kommt Abraham als der Beauftragte. Auch wird Isaak seinem Vater nicht durch böse und diesem feindlich gesinnte Mächte entrissen, sondern Gott verlangt die Dahingabe dieses Sohnes. In der Geschichte Josephs hingegen bleibt Gott sehr lange Zeit unerkannt im Hintergrund, und die Brüder mit ihrem bösen Wirken erscheinen als Erste auf dem Schauplatz, gefolgt von mächtigen Nationen, die nun gemeinsam den Vater seines Sohnes berauben. Erst viel später macht Gott durch Joseph kund, dass auch dieses Trauerspiel ebenso von Ihm ausgegangen ist wie die Opferung Isaaks. Doch ehe Seine segnende Hand offenbar wird, lässt Er bei Joseph zuerst das Böse und den abgrundtiefen Hass der Brüder sich voll entfalten.

Und nun folgt ein weiteres Schema, welches die stufenweise Entwicklung der symbolischen und prophetischen Züge der drei erwähnten Vorbilder nach anderer Seite hin zeigt. Aus ihnen erhebt sich das Vorbild Josephs ebenfalls als das umfassendste. Die Darstellung gliedert sich in zwei Teile, nämlich in erfüllte und der Erfüllung harrende Vorbilder:

E R F Ü L L T E - V O R B I L D E R
ABEL ISAAK JOSEPH
1 Christi Tod 1 Christi Tod A Christi erstes Kommen zu Israel in Niedrigkeit:
2 Christi Auferstehung 1 Christi Tod
2 Christi Auferstehung
3 Christi Erhöhung


Z U - E R F Ü L L E N D E - V O R B I L D E R
JOSEPH
B Christi zweites Kommen zu Israel in Macht und Herrlichkeit C Die Gesamtschau des zur Vollendung führenden Weges:
4 Richter der Welt 7 Christus Richter der Ungläubigen
5 Retter der Welt 8 Christus Retter aller Menschen
6 Wiederhersteller 9 Christus Aussöhner des Alls


Mit Abel ist nur Christi Tod vorgebildet. Isaak umschließt dazu auch die Auferstehung Christi. Aber mit Joseph wird uns ein ganzer Film von Schattenbildern in genauer Reihenfolge vorgeführt. Er enthält als erstes Israels vergangene wie auch zukünftige Geschichte. Doch prophetisch reicht diese Schau weit über Israel hinaus; denn sie enthält sogar unverkennbare Züge der Vollendung.

Im ersten Teil (A), unter Punkt 1-3 wird uns zunächst

Christi erstes Kommen zu Israel in Niedrigkeit

gezeigt. Josephs Sendung zu seinen Brüdern und seine Verwerfung durch sie ist ein getreues Vorbild für das spätere Ergehen Christi durch Seine Brüder nach dem Fleisch. Sein Pfad verwirklicht wesenhaft Josephs Vorbild von Tod, Auferstehung und Erhöhung.

Gerade wie Joseph nach seiner Verwerfung durch die Brüder und seinen bildlichen Tod durch Pharao in Ägypten erhöht wurde, ohne dass die Brüder auch nur eine Ahnung davon hatten, so hat auch Gott Seinen Sohn nach Seinem Tod hoch erhöht zu Seiner Rechten droben, ohne dass Israel bis heute, mit Ausnahme einiger Weniger, auch nur eine Ahnung davon hat.

Einen weiteren prophetischen Zug enthält auch die erste Reise der Brüder zu Joseph. Sie erkannten ihn nicht bei dieser ersten Begegnung, wie auch die Juden ihren Messias nicht erkannten, als Er das erste Mal zu ihnen kam.

Aus Josephs Verkauf leuchtet uns dann der unendlich viel größere Segen entgegen, den Israel durch die Verwerfung und Kreuzigung ihres Messias der Welt, ja dem gesamten Universum, bewirkt hat. Da aber Gott gerade Israel als Werkzeug für ein Heil solchen Ausmaßes gebrauchte, ist damit auch Seine Treue zu diesem, Seinem auserwählten Volk, unverbrüchlich dargestellt und dessen Wiederannahme verbürgt. Schließlich wird Israels Rettung ebenso wie diejenige der Brüder Josephs mit Gerichten vorbereitet.

So gewahren wir, wie Joseph seine Brüder schon beim ersten Treffen durch gerichtsmäßiges Vorgehen in eine sehr bedrängte Lage brachte, aus welcher er aber dann umso herrlicher selbst als ihr Retter erstand. Seinem Gnade-Erweisen ging also Gericht voraus! Übereinstimmend mit diesem Vorbild weissagte auch der Herr Seinem Volk Gericht voraus bei Seinem ersten Verweilen beim ihm (Mt 21:41; Lk 19:27-43).

Wie hat sich doch diese Gerichtsandrohung des Herrn im Jahre 70 nach Christi Geburt in aller Schärfe erfüllt! Und durch wieviel Gerichte musste seither das in Verstockung dahinlebende Volk Israel gehen. Es kam der Zorn Gottes schon als ein Vorgeschmack auf sie (1Thes 2:16b). Zu Beginn der nächsten Verwaltung harrt seiner aber noch das allerschwerste Gericht, die große Drangsal (Offb 7:14). Die Vorschatten auch dieser Gerichte sehen wir bei den Brüdern in ihrer höchsten Not, kurz bevor sich ihnen Joseph zu erkennen gab. Diese Drangsal war für sie notwendig, denn sie brachte sie dazu, ihre Schuld zu bekennen.

Christi zweites Kommen zu Israel in Herrlichkeit

(Diese Seite des Geschehens ist im Schema unter Absatz B dargestellt.)
Welch ein getreues Vorbild für das zweite Kommen des Herrn zu Seinem Volk gemäß Sach 12:10-13 bietet doch die ergreifende Szene, die sich zwischen Joseph und seinen Brüdern abspielt, als dieser sich den Brüdern zu erkennen gibt. Auch der Prophet Jeremia (Jer 30:7) beschreibt in hehren Worten dieses zweite Kommen des Herrn zu Seinem Volk: "Wehe! denn groß ist jener Tag, ohnegleichen, und es ist eine Zeit der Drangsal für Jakob; doch wird er aus ihr gerettet werden." In dieser Not erscheint ihnen ihr Messias als Retter, und sie werden Ihn erkennen, in Den sie gestochen haben. Und weiter werden sie wie Josephs Brüder auch ihre Missetat erkennen und alle Stämme werden darüber wehklagen. Ja, der Prophet Sacharja sagt sogar, dass sie dann bitterlich um Ihn Leid tragen. Zu der Beugung vor dem Sohn wird dann auch die vor dem himmlischen Vater kommen, ob dem Schmerz, den sie Ihm durch die Kreuzigung Seines einzig gezeugten Sohnes zugefügt hatten - ganz wie dies auch bei den Brüdern Josephs geschah. (Das Kommen des Herrn zur Entrückung Seiner herausgerufenen Körperschaft aus den Nationen vor der großen Drangsal war damals noch ein Geheimnis, das erst dem Apostel Paulus geoffenbart wurde.) Wie überaus groß ersteht hier vor uns jenes Schuldbekenntnis der Brüder Josephs, wenn wir bedenken, dass es anbruchhaft im Kleinen die zukünftige, nationale Buße des gesamten Volkes Israel verkörpert! Es ist tief beeindruckend, wenn wir das Schuldbekenntnis in der Josephsgeschichte mit den nachfolgenden Weissagungen der Propheten vergleichen. So kündet Jesaja (Jes 53:6): "Wir alle - wie Kleinvieh gingen wir irre...." Und Jeremia schreibt (Jer 14:7) ähnlich: "....gegen Dich haben wir gesündigt." Und weiter Vers 20: "Jewe, wir kennen unsere Gesetzlosigkeiten, die Ungerechtigkeit unserer Väter; denn wir haben gegen Dich gesündigt."

Dass Jakobs Familie von Joseph (1Mo 45:17-20; 1Mo 47:11) und auch von Pharao selbst (1Mo 47:5) Gosen, das beste Land in Ägypten, zum Wohnen erhielt und überdies Joseph sie ganz in seine Nähe nahm (1Mo 45:10), ist ein deutlicher Hinweis auf Israels Vorzugsstellung im tausendjährigen Königreich. Dann werden sie wohnen im Lande, das die herrlichste Zierde der Nationen ist und deshalb auch das fruchtbarste sein wird (Jer 3:19; Hes 20:6), vergleichbar dem Garten Eden. Und von Jewe zum Haupt der Nationen gesetzt, werden sie Ihm heilsmäßig von allen Völkern am nächsten stehen. Mit einem markanten Bild ist der ihnen von den Nationen zufließende Reichtum beschrieben (Jes 60:16a) "Dann saugst du (Israel) Milch der Nationen, und den Reichtum der Könige sollst du saugen." Das alles lässt ihnen Jewe aber nicht zum Selbstzweck zukommen, sondern zum Segen der Nationen, welche die in Jes 66:10 erwähnte Stellung zu Israel einnehmen. Dieser durch Israel strömende Segen ist (V. 11) so geschildert: "Damit ihr sauget und satt werdet an der Brust ihrer (Israels) Tröstungen, damit ihr ausschlürfet und euch labet an ihrer (Israels) reichen (Wörtlich: schweren) Mutterbrust."

Mit Josephs Herrschaft über die damalige Völkerwelt ist weiter der Hinweis auf Christi Regentschaft über alle Völker im tausendjährigen Königreich gegeben. Auch Nationen sind dann zur Einsicht ihres Irrwegs gelangt; denn nach Jer 16:19 werden ganze Völker vom Ende der Erde kommen und bekennen: "Nur Lüge haben. unsere Väter ererbt, nichtige Götter (wörtlich: einen Hauch), und unter ihnen ist keiner, der etwas nützt." Dann gehen sie nicht mehr ihre Wege, sondern lassen sich gemäß Jes 2:3 von Jewe unterweisen, um in Seinen Pfaden zu wandeln. Diese Umkehr der Nationen wird aber zum großen Teil gerichtsmäßig durch Christi Herrschaft mit "eiserner Keule" erreicht (Offb 2:26-27), d. h. unter Anwendung strenger Züchtigungen, aber zum Wohle der Menschheit. Von diesen Gerichten und ihren heilsamen Folgen schreibt sehr treffend der Prophet Jesaja (26:9b): "Denn gleichwie ein Licht sind Deine Gerichte für die Erde; Gerechtigkeit lernen so die Bewohner des Wohnlandes."

Damit erweist Sich Christus als der große Wiederhersteller und Zurechtbringer dessen, was vormals unter der Misswirtschaft des Menschen und Satans Herrschaft daniederlag. Als einstmals in die Widerspenstigkeit eingeschlossen erlebt Israel als erstes Volk im kommenden Millennium die wiederherstellende und erneuernde Kraft ihres Retters, wenn Er als der Bergende von Zion aus abwenden wird von Jakob die Ruchlosigkeit und wegnimmt ihre Sünden (Röm 11:26b-27). In der Folge werden an diesem Segen dann auch die Nationen teilhaben (Röm 15:9-12), wenn die Zeiten der Wiederherstellung angebrochen sein werden (Apg 3:21).

Dennoch sind die weissagenden Züge aus der Geschichte Josephs mit dem kommenden messianischen Königreich n icht erschöpft. Sie reichen weit darüber hinaus. Wie schon bei Adam klare Umrisse der Vollendung offenbar wurden - wie dies in. unserem Heft 2 dieser Artikelserie dargelegt wurde, - so wird nun mit Joseph und seinen Brüdern dieses Vorbild um gleichartige prophetische Züge erweitert. Damit kommen wir zum Teil C des Schemas.

Die Gesamtschau des zu Vollendung führenden Weges

Nach den tausend Jahren des Königreiches wird zuerst das Vorbild von Christus als Richter in großem Umfang erfüllt werden. Überein mit Joseph, der nicht nur Richter war, sondern danach auch der Retter und Aussöhner seiner Brüder wurde, wird gleicherweise Christus nicht nur Richter sein, sondern ebenfalls auch Retter und Aussöhner aller werden. Doch ehe dieses einzigartige Ziel der Vollendung erreicht sein wird, erweist Sich Christus zuerst als Richter, ganz wie einst Joseph an seinen Brüdern.

Das Gericht über die Ungläubigen

Dieses gewaltige Ereignis, die Auferstehung sämtlicher Ungläubiger zum Gericht, ist in den wenigen Versen von Offb 20:12-15 zusammengefasst.

Wenn die Ungläubigen nach Abschluss des tausendjährigen Königreiches auferweckt werden, stehen sie plötzlich - wie einst die Brüder vor dem erhöhten Joseph - vor dem erhöhten Christus.

Mit Josephs Geschichte gewährt und Christus Einblick in Sein Eigenes Rechten der Milliarden zählenden Menge von ungläubigen Menschen vor dem großen weißen Thron. Denn übereinstimmend mit Christi Gerichtsprinzipien richtete auch Joseph seine Brüder entsprechen der an ihm verübten bösen Werke. Von dem Gericht Christi über die Ungläubigen, das dem Johannes gezeigt wurde, schreibt dieser: "Und sie wurden verurteilt, ein jeglicher nach seinen Werken" - so wie es Joseph tat. Alle diese angesichts des weißen Thrones stehenden Menschen werden demnach von Christus je nach ihren im Erdenleben vollbrachten Werken ihr angemessenes Urteil empfangen, das in Dauer und Schärfe unterschiedlich ausfallen wird. Diesen Grundsatz zum Richten der Ungläubigen hat der Herr bei den zwei Gerichtsankündigungen (Mt 11:22 und Lk 10:11-15) unmissverständlich herausgestellt. Damit wird die Auffassung von einem gleichlautenden und unterschiedslosen Einheits-Urteil über die Ungläubigen als Trugschluss entlarvt. Und da überdies der Gerichtsspruch unwandelbare, ewige Verdammnis sein soll, ist vollends offenbar, dass eine solche Auslegung des Gerichts von Offb 20:12.15 eine der größten Irrlehren ist.

Im Bericht von diesem Gericht vor dem weißen Thron wird uns nichts über das Verhalten derer gesagt, die dort erscheinen. Dennoch können wir uns lebhaft vorstellen, dass diese Menschen angesichts der Majestät des Herrn und Seiner absoluten richterlichen Gewalt niederfallen werden wie damals die Brüder vor Joseph.

Die Mörder Christi vor ihrem Richter

Inmitten jener unzählbar großen Menschenmenge, die wir im Geist vor dem Thron stehen sehen, wollen wir jetzt unser Augenmerk auf eine ganz besondere Gruppe richten. ES sind die Menschen, welche an der größten aller Sünden beteiligt waren: an dem Mord des Gottessohnes!" Auf diese Menschen passt vorbildlich jene Szene, wo die Brüder vor dem hoch erhöhten Bruder Joseph standen. Auch sie, diese großen Übeltäter, werden einmal vor Ihm, dem Christus, als ihrem Richter stehen müssen. Denn nach Joh 5:22.27 und Apg 17:31 hat Gott Seinem Sohn Vollmacht gegeben, Gericht zu halten.

In einzigartiger Weise stellen die Brüder im Vorbild die Menschen dar, welche den Sohn Gottes verrieten und ans Kreuz brachten. Das Bewusstsein, Ihn, den Sohn Gottes geschmäht, verhöhnt und erbarmungslos hingerichtet zu haben, wird für sie unvorstellbar erschütternd sein! Furcht und Schrecken wird sie ergreifen, wenn sie Den erkennen, Den sie gekreuzigt haben. Sie werden den Eindruck haben, in ein Gericht. zu kommen, aus dem es für sie überhaupt keine Rettung mehr gibt. Gleich den Brüdern Josephs werden auch diese Sterblichen bekennen, dass sie wegen des von ihnen verworfenen und gekreuzigten Bruders gerechterweise das schwerst mögliche Urteil verdient haben. Wie die Brüder durch Joseph, werden auch diese großen Sünder durch Christus zu einem völligen Zerbruch gebracht werden. In der Erkenntnis, dass sie an Christus die größten Schuldner geworden sind, weil sie die allerschwerste Sünde begingen, werden sie das Gericht als in allem gerecht empfinden und willig hinnehmen. Damit ist aber weder der künftige Weg noch das endgültige Los gekommen und besiegelt. Ihr Geschick nimmt seinen Fortgang genau wie dasjenige der Brüder Josephs im gleichen Stadium ihrer Schuld.

Die zwei verschiedenen Kniefälle

Auch für das Beugen der Knie aller Ungläubigen sind Josephs Brüder ein Vorbild. Aus zwei ganz verschiedenen Gründen beugten sie ihre Knie vor ihrem erhöhten Bruder. Zuerst fielen sie aus Furcht vor ihm nieder, als sie vom Gewissen verklagt, unter der Last ihre Sünde standen und auf ihre Bestrafung warteten (1Mo 43:26.28; 1Mo 44:14).

Kniefälle solcher Art wird es dereinst auch bei den Ungläubigen geben. Offb 6:15-17 bekundet eine solche Begebenheit im Hinblick auf die machtvolle Aufrichtung des Königreichs Christi auf dieser Erde. Dabei werden die Menschen vor der richterlichen Gewalt des majestätisch thronenden Herrn einfach zu Boden niederfallen. Doch in einem weit übertreffenden Ausmaß wird das nach Abschluss des tausendjährigen Königreiches geschehe; denn dort sitzt Christus auf dem großen weißen Thron und alle Ungläubigen, die dann aus dem Tode erweckt werden, erscheinen vor Ihm, von Dessen Angesicht Erde und Himmel fliehen werden (Offb 20:11-15).

Wie schon betont, wird ein durchgreifendes, scharfes Gericht über alle ergehen und ganz besonders die Mörder des Herrn treffen. Keinesfalls wollen wir der einschneidenden Schärfe dieses und aller anderen Gerichte das Geringste abstreichen oder sie gar verharmlosen. Dennoch dürfen wir nicht bei diesem stehenbleiben. Sie alle liegen ja noch auf der Wegstrecke zum Ziel! Das lehrt uns eindrücklich das Vorbild der Brüder Josephs. Als dann die Brüder die Vergebung Josephs besaßen und überdies das noch viel Größere, ihre und ihrer Sünde Rechtfertigung, geschah das zweit Niederfallen (1Mo 50:18) vor ihm. Der Beweggrund für diese Kniebeugen war nicht mehr Furcht, sondern Freude darüber, dass sie nun mit ihm Ausgesöhnte waren. Es geschah aus hingebender Liebe zu Joseph als Folge seiner erbarmenden Liebe und seiner Tränen. Deshalb wird kein Bibelleser dieses zweite Niederfallen wie das erste deuten, das nur ein erzwungenes und widerwilliges war.

Wie bei Joseph wird es auch vor Christus ein. zweites, von staunender Freude und tiefem Dank bewirktes Beugen der Knie derer geben, die es zuvor aus Furcht taten. Und zwar geschieht es aus derselben Ursache wie bei den Brüdern. Überwunden von Christi Liebesmacht beugen sich dann alle Knie und alle Zungen huldigen Ihm als ihrem Herrn zur Herrlichkeit Gottes des Vaters.

Diese erhebende Tatsache in Phil 2:9-11 wird uns auch vom genau wiedergegebenen Urtext bestätigt. Allgemein wird übersetzt: "... jede Zunge wird 'bekennen'..." was meist als ein erzwungenes Bekennen ewig Verdammter ausgelegt wird. In Phil 2:11 steht aber nicht nur "homologeo" = "bekennen", sondern "ex omologeo" (wörtlich: ausbekennen), welches mit "zustimmende bekennen" oder "huldigen" richtig wiedergegeben ist. Dasselbe Wort steht auch in Mt 11:25, wo der Herr dem Vater aus innerer Übereinstimmung "huldigt", was jeglichen Zwang ausschließt! Demnach ist es in beiden Fällen eine "aus dem Herzen kommende, freiwillige Huldigung". Das wird weiter auch damit bestätigt, dass es zur Herrlichkeit des Vaters geschieht. Ein erzwungenes Bekenntnis könnte wohl zur Genugtuung und Ehre des Richters, aber niemals zur erquickenden Verherrlichung des Vaters und unseres Herrn Jesu Christi als dem Retter und Aussöhner gereichen.

Die nachfolgende Darstellung veranschaulicht die zwei verschiedenen Beweggründe für das Kniebeugen der Brüder und der Ungläubigen.

Vorbild der Brüder Josephs: Erfüllung der Ungläubigen vor Christus:
Erstes Niederfallen aus Furcht 1Mo 42:6.28; 1Mo 44:14 vor der richterlichen Gewalt Josephs Erstes Niederfallen aus Furcht Offb 6:15-17; Offb 20:11-15 vor der richterlichen Gewalt des Herrn
Zweites Niederfallen aus Liebe 1Mo 50:18 und Anhänglichkeit zu Joseph Zweites Niederfallen aus Liebe Phil 2:11 in huldigender Anbetung, Dank und Freude vor Christus


Nebst diesen Menschen gibt es noch ein kleine dritte Gruppe, die sogar aus drei sehr verschiedenen Gründen ihre Knie vor Christus beugen. Das sind jene Krieger, die Christus einen Kranz aus Dornen auf Sein Haupt setzten. "Darauf fielen sie vor Ihm auf die Knie ... und höhnten Ihm" (Mt 27:29). Das war der erste, Ihn verachtende und schmähende Kniefall jener Menschen. Ihr zweiter wird mit schrecken vor dem großen weißen Thron erfolgen. Und darauf werden sie zum dritten Mal ihre Knie beugen, wenn sie - in der Vollendung (1Kor 15:25) - Ihm als willige Untertanen aus von Seiner Liebe überwundenen Herzen zustimmen werden.

Wenn Gottes Wort auch sehr wenig über das Gericht der Ungläubigen offenbart, so gibt es uns jedoch klare Aussagen über das, was n ach dem Gericht folgt. Und erstaunlich genau hat Gott mit dem zweiten Niederfallen der Brüder vor Joseph das Beugen der Knie der einstmals Ungläubigen vor Christus vorgebildet. Wenn wir unvoreingenommen den Bericht der Verwirklichung dieses Zukunftsbildes in Phil 2:9-11 und Offb 5:13-14 lesen, so ist es unmöglich, hier ein widerwillig erzwungenes Niederfallen und Bekennen zu sehen.

In das vergangene Geschehen wollen wir auch noch den Vater Jakob mit einbeziehen. Auch in diesem erweiterten Gemälde liegt eine prophetische Schau. Wenn Jakob das angsterfüllte Niederfallen seiner Söhne geschaut hätte, so wäre er bestürzt und erschüttert worden. Sein Vaterherz wäre darob unbedingt mit schmerzlichem Mitleid erfüllt worden. Ein nur widerwilliges Niederfallen und eine andauernd erzwungene Unterjochung seiner Söhne hätten den Vater zeitlebens unglücklich gemacht. Doch als er dann erleben durfte, dass die Brüder auf die versöhnende Gesinnung Josephs eingingen und sich diesem und damit auch ihm in hingebender Liebe freiwillig unterordneten, so ist kaum auszudenken, mit welcher Wonne Jakobs Vaterherz erfüllt wurde!

Aus diesem Vergleich ist mühelos zu erkennen, was auch Gottes erbarmungsvolles Herz bei den zwei Kniefällen Seiner Geschöpfe bewegen wird. Gemessen an Seinem Vorsatz, gemäß dem Er will, "dass alle gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen" (1Tim 2:4), auf dass Er sein kann "alles in allen" (1Kor 15:28), könnte Er Sich jedenfalls niemals zufrieden geben, wenn die Ungläubigen allein aus Furcht vor Christus als dem sie zu endlosem Untergang Richtenden auf ihre Knie fallen würden.

Wäre dies aber nach der verbreiteten unbiblischen Lehre der Fall, so hätte ja Joseph als unvollkommenes Vorbild mit seinen Brüdern - den einstigen Todfeinden - mehr erreicht als der Herr Selbst, das den Joseph überragende Ebenbild! Auch wäre dem Vater Jakob durch die Aussöhnung der Brüder mit Joseph eine größere Glückseligkeit zuteil geworden als dem himmlischen Vater; denn Er müsste immerdar das Ihn schmerzende Bild der verhärteten und widerspenstigen Herzen der meisten Seiner Geschöpfe vor Augen haben, dessen Er Sich nicht anders erwehrwen könnte als durch das endlose Feuer des Schwefelsees.

Christi Gesinnung im Richten

Da die Urteilssprüche über die Ungläubigen von schonungsloser Schärfe sein werden, wollen wir jetzt erforschen, in welcher Gesinnung und inneren Einstellung der Herr diese fällen wird. Auch dafür ist Joseph, der als der bereits mit seinen Brüdern Versöhnte das Gericht an ihnen durchführte, wieder ein Vorbild; denn auch der Herr wird die Ungläubigen in gleicher Gesinnung richten.

Wir konnten dies schon in dem angeführten Ausspruch in Mk 3:5 feststellen wie bei Gott und Christus Zorn mit Betrübnis gepaart isst. Wie nahe Strenge und Erbarmen in den Gerichten Gottes beieinander liegen, und wie der Herr Selbst nach diesem Prinzip richtet, lehrt uns deutlich in Seinem Erdenleben. So hören wir, wie Er im Gleichnis (Lk 19:11 ff) Seinen Feinden schonungslos ankündigt, dass Er sie abschlachten lassen werde (Lk 19:27). Bald darauf aber, da Er Sich Jerusalem näherte (Lk 19:41-44) und im Geist dieses Gericht schon in seiner Ausführung sah, schluchzte Er! Was damals in Seinem Herzen vorging und später in diesem Gericht noch vorgegangen ist, offenbart der Prophet Hosea (Hos 11:8): "Mein Herz hat sich in Mir umgewendet, erregt sind alle Meine Erbarmungen."

Wie Gott Sein Richten Selbst beurteilt und wie Seine Einstellung zu ihm ist, lässt Er durch Jesaja (Jes 28:21) sagen: "Denn wie am Berge Perazim wird Sich Jewe erheben, wie im Tal bei Gibeon wird Er rauschen (erschüttern), zu tun Seine Tat (des Gerichts), die Ihm fremde Tat, und zu dienen Seinen Dienst (des Gerichts), Seinen seltsamen Dienst." Gerichte sind für Ihn fremde Taten und seltsame Dinge. Das ist genug gesagt! Dass Er Seine Gerichte auch keinen Augenb lick länger andauern lässt als nötig - was Er auch unverkennbar durch Joseph erzeigte - bekundet Er in Röm 9:28 (Zitat aus Jes 10:23): "Denn der Herr wird eine abschließende und kurz und bündige (Gerichts-) Abrechnung machen auf Erden." Das ist Gottes Grundsatz im Gericht: scharf einschneidend, aber dabei kurz und bündig!

Tatsächlich war auch Josephs Gericht von dieser Art, denn gemessen an den vielen glücklichen Jahren, welche die Brüder später unter der Herrschaft Josephs noch genießen durften, war ihr Gericht wirklich "kurz und bündig" So hat Joseph mit seinem Gerichtsverfahren sowohl als ein verzehrendes Feuer als auch als den erbarmenden Gott dargestellt. Genau diesem Grundsatz entsprechend hat Joseph seine ihm entfremdeten Brüder gerichtet und ich nahe gebracht. Bei allem harten und entschiedenen Anfassen der Brüder hat er mehrmals geweint und nur mit Mühe konnte er seine Tränen angesichts der zu verurteilenden Brüder zurückhalten. Wie wahr und zutreffend hat doch Joseph mit seiner Herzenseinstellung den Herrn verkörpert!

Diese erhabene Gesinnung Josephs enthält noch den besonders bemerkenswerten Zug, dass er das Gericht an seinen Brüdern als bereits mit ihnen Versöhnter durchgeführt hat, auch wenn er es ihnen erst später offenbarte. Bevor die Brüder zu ihm kamen, war ihm ja schon bewusst geworden, dass sie ihn nach Gottes vorbedachtem Ratschluss nach Ägypten verkaufen mussten! Er konnte deshalb bereits eine versöhnliche Gesinnung zu seinen Brüdern einnehmen, selbst da sie noch als die alten, verdorbenen Menschen vor ihn traten. So köstlich nun diese Tatsache an sich selbst schon ist, so überirdisch herrlich erstrahlt sie uns durch den in ihr liegenden prophetischen Inhalt! Denn mit Josephs hochherziger, edler Gesinnung führt uns Gott vor Augen, dass auch Sein Sohn die künftigen Gerichte in dieser wunderbar versöhnlichen Gesinnung durchführen wird. Der Herr als das Urbild von Josephs Einstellung hat uns ja diese Herzensoffenbarung eindrücklichst in Seinem Wort gegeben. So enthüllte Er dem Apostel Paulus, dass Gott am Kreuz in Christus war und die Welt mit Sich Selber versöhnte (2Kor 5:19) und am Kreuz durch Christi Blut das All gar aussöhnte, die Feindschaft aufhob und Frieden machte (Kol 1:20). Demnach ist Sein Herz immer und unwandelbar von der göttlichen Aussöhnung mit Seinen Feinden erfüllt, selbst während Er sie dem Gericht übergeben wird.

Überdies beinhaltet Josephs Gericht an seinen Brüdern noch einen weiteren prophetischen Hinweis, denn Joseph behielt seine Brüder nicht in lebenslänglicher Haft. Das Gericht war im Vergleich zum darauf folgenden noch langen schönen Leben der Brüder nur von kurzer Dauer. Folglich dürfen auch wir Christus im Richten der Ungläubigen nicht eine andere Gerichtsart unterstellen, wie etwa die eines in die Endlosigkeit hinein dauernden Gerichtes. Ebenso wie Josephs Brüder durch blosse Vergebung ihrer Sünde diese für immer als solche hätten sehen müssen, so würden auch die Mörder des Herrn und alle vor dem weißen Thron Verurteilten der Last ihrer Sünden nie enthoben werden, wenn ihnen der Herr nur vergeben würde. Sie müssten sich alsdann bleibend den schmerzlichen Vorwurf machen: Hätten wir doch nur nicht die große Sünde begangen! Denn bei nur erhaltener Vergebung oder Erlassung ist die Sünde immer noch weiter vorhanden, weil sie nur mit tragender Liebe zugedeckt wurde.

Auch würde bloße Vergebung nicht an das durch Joseph gegebene Vorbild heranreichen, welches Joseph statuierte als er seinen Brüdern offen heraussagte, dass es Gott war, Der ihn nach Ägypten gesandt hatte, und dass deshalb sein Verkauf von Gott bewirkt war. Er verhehlte ihnen nicht, dass das an ihm verübte Böse ursächlich von Gott war. Wie unfassbar groß den Brüdern aber ihr Freispruch vorkam, sehen wir daraus, dass ihnen Joseph diese Wahrheit viermal vorhalten musste.

Lies weiter:
9. Das Wesen der Rechtfertigung