Jesu Aussprüche am Kreuz: Unterschied zwischen den Versionen

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(Jesu zweiter Ausspruch)
 
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=='''Christi Schrei am Kreuz'''==
 
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===Jesu dritter Ausspruch===
 
===Jesu dritter Ausspruch===
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Mit diesem Ausspruch gibt der Herr einen erneuten Beweis dafür, dass Ihn Seine Leiden nicht abhalten konnten, stets von Sich weg nur an andere zu denken. Damit, dass der Herr zuerst Seiner Feinde gedachte und erst nach diesen Seiner Mutter, ruft Er auch uns zur Nachahmung dieser Gesinnung auf. Viel verbreiteter ist aber leider die andere Einstellung, mehr auf die Zukunft der Nächststehenden bedacht zu sein. Fernstehende und vor allem eigene und besonders Feinde Gottes übergibt man dagegen ohne Gewissensnot einer nie endenden Qual im Feuersee. Dieser Christus fremden eigensüchtigen Gesinnung stellt Gott in Seinem Wort die selbstlose Fürbitte Seines Sohnes entgegen. In Seinem schmerzvollen Sterben am Kreuz stand ihm das künftige Los Seiner Feinde im Vordergrund! Erst nachdem Er Sich bei Gott für ihre Errettung im Glauben an die Erfüllung Seiner Bitte verwandt hatte, nahm Er Sich der Eigenen an! Wie traurig ist es deshalb, dass viele Gläubige meinen, Er habe als künftiger Richter grundsätzlich mit dieser Gesinnung gebrochen!
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Wenn wir nun in [[Phil 2:5]] lesen: "Denn diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christo Jesu ist ..." , so hat uns doch der Herr am Kreuz. hierzu das hehrste Vorbild gegeben, mit dem Er nun auch unsere Gesinnung zu allen Menschen, welcher Art sie auch seien, prüft. Mögen wir Ihm doch auch hierin Seine Nachahmer werden! Nachdem Er also erst für seine Feinde gebetet und Sich des einen Verbrechers angenommen hatte, galt Seine Fürsorge Seiner Mutter. Als Er Seinen Jünger Johannes bei ihr stehen sah, nahm Er sogleich die Gelegenheit wahr, für ihre Zukunft zu sorgen. Dies tat Er in feiner, unaufdringlicher Weise mit wenigen Worten. Zu der Mutter gewandt sagte Er: "Weib, sieh! Dein Sohn", und zu Johannes: "Siehe! Deine Mutter" ([[Joh 19:27]]). Die Ruhe aber, mit der Er auch diese Worte aussprach, bezeugen - wie die zuvorigen Aussprüche - die traute Gemeinschaft des Sohnes mit dem Vater. Wie eindrucksvoll offenbarte Er doch mit Seinen ersten drei Aussprüchen das Herz Seines Vaters! 
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Als der Vater Seinen Sohn sandte, geschah es zur Aussöhnung der Ihm feindlich gesinnten Welt, zu der auch wir nach [[Röm 5:9]] und [[Kol 1:21]]-22 gehörten. Diese Gesinnung lebte der Sohn während Seiner ganzen Erdenzeit aus und dies auch auf dem weg zum Kreuz und am Kreuz selbst. Wie strahlt doch gerade dort Seine tiefste Liebe darin auf, dass Er sie zuerst Seinen feinden zuwandte und diese geradezu auf sie überströmen ließ! Ja, der Herr lebte bis zum Tode am Kreuz so eindrücklich des Vaters Liebeswillen aus, dass auch in Seiner Gesinnung in höchster Todesnot das zu den Jüngern geredete Wort zur vollen Geltung kam: "Wer Mich sieht, der siehet den Vater: ([[Joh 14:9]]).
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Diese hehre Offenbarung Gottes war aber dem Sohne nur möglich aufgrund innigster Gemeinschaft mit dem Vater. Aus ihr floss Ihm die Kraft. zum sieghaften Überwinden zu.<br/><br/>
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===Jesus vierter Ausspruch===
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Mit diesen Worten wendet Sich der Sohn wieder zu Gott Selbst. Dies geschah, nachdem Er Ihn bereits mit drei Aussprüchen verherrlicht hatte. Wenn wir jetzt nicht wüssten,
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was Er mit den nachstehenden Worten zu Ihm geschrieen hat, so würden wir ohne weiteres voraussetzen, dass sich dieses nächste Wort würdig an die vorhergehenden Aussprüche darstellen müsste, der zu Gottes Erquickung und weiteren Verherrlichung dienen würde.
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Doch was lasen wir bisher einheitlich, vielfach mit Betrübnis, ja oft sogar mit Entsetzen, weil sprichwörtlich wahrhaft. zum Himmel schreiend? Denn nun steht vor uns nicht nur ein starker Ruf, sondern ein markerschütternder Aufschrei! Rückhaltlos soll der Herr dort vor der ganzen Welt geschrieen haben: "Mein Gott! Mein Gott! Warum hast Du Mich verlassen?"
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Als schriller Misston gellt uns dieser schrei völlig unerwartet nach der vollkommenen Harmonie der drei vorangegangenen Aussprüche entgegen. Aber noch mehr! Bestürzung mit bitterer Enttäuschung bemächtigt sich unser ob des Vaters schroffer Abkehr von seinem geliebten Sohn, die Ihn in eine völlige Ausweglosigkeit und Verzweiflung stürzen würde und ihn in Seinem Werk z um Zusammenbruch gebracht hätte! Eine größere Katastrophe in Gottes Erlösungswerk könnten wir uns tatsächlich nicht vorstellen, wie sie Christi Not- und Verzweiflungsschrei zum Ausdruck gebracht hatte! Mit Entsetzen müssten wir fragen, was denn zwischen Vater und Sohn auf einmal vorgefallen sei, dass Er nun so plötzlich vom Vater verlassen werde? Denn aus Seinen bisherigen Aussprüchen, die Er in klarem, ungetrübtem Geist, in tiefem Herzensfrieden gesprochen hatte, war deutlich zu erkennen, dass der Vater bei Ihm gewesen war und ihm uneingeschränkt Seine Gemeinschaft gewährt hat.
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Zu dieser Frage stellt sich noch eine weitere schwerwiegende, da Mt in [[Mt 27:46]] berichtet, dass der Herr Seinen Schrei um die neunte Stunde ausstieß. Das war in der letzten Stunde Seiner Leiden. Somit hatte Er bereits fünf volle Stunden Sein Leben und Sein die Sünden tilgendes Blut dahingegeben. Man kann also sagen, dass der Herr um diese Zeit schon den Hauptteil Seines Opfers für die Sünden der Welt dargebracht und Sein großes Werk schon fast vollendet hatte.
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Erst jetzt hätte aber der  Aussage Gottes in Seinem Wort, Er (Christus) wisse alles, was über Ihn kommen werde ([[Joh 18:4]]), die furchtbare Tatsache gegenübergestanden, dass Er doch nicht um alles, und zwar um das Schwerste, die Gottverlassenheit gewusst hätte! Auch das Zeugnis des Sohnes ([[Joh 10:30]]):
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"Ich und der Vater sind ein",
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wäre brutal zunichte geworden; denn mit dem Schrei wäre unverhüllte Uneinigkeit zwischen Vater und Sohn offenbar geworden, ja, sogar Feindschaft des Vaters zum Sohne in Erscheinung getreten!
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Nach der bislang und vor allem am Kreuz mit dem Vater verlebten innigen Gemeinschaft müsste der Sohn jetzt ein ganz unvermitteltes Schwinden der Gegenwart seines Vaters "in den letzten Augenblicken Seiner Todesleiden gleich einem Verrat empfunden haben!
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Auch müssten wir den Sohn Gottes durch diesen Schrei in einer anderen, völlig umgewandelten inneren Verfassung sehen. Er wäre nun plötzlich nur noch von Sich und Seiner Notlage eingenommen gewesen, nachdem Er bis dahin nur an andere gedacht hatte! Die Verlassenheit vom Vater hätte Ihm einen solchen Schock verursacht, dass Ihm alle Gewissheit Seines einzigartigen Auftrages entschwunden wäre, und Er - ganz von dem zu vollbringenden Erlösungswerk abgezogen - so niedergedrückt gewesen wäre, das Er nur noch auf die vom Vater erflehte Antwort gewartet hätte..., die aber offensichtlich ausblieb! Ja, sollte es denn wirklich so sein, dass Got seinen Sohn während des Vollbringens des göttlichen Rettungswerkes verlassen habe?
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Da ist. zunächst zu bedenken, dass dieses Werk nur durch das ununterbrochene Zusammenwirken von Vater und Sohn vollkommen erfüllt werden konnte ([[Joh 14:10]]). Er musste ja als "Fürst des Lebens" den unwürdigen Todesweg der in Sünde gefallenen Menschenkinder gehen und Sein Leben und Sein Blut dahingeben, um so die Sünden der Welt zu tilgen. Damit eröffnete Er nach [[2Kor 5:19]] dem Vater den Weg, die Welt mit sich Selbst zu versöhnen. Für dieses '''Zusammenwirken von Vater und Sohn''' heißt es aber nicht, dass Gott nur bei Christus war, sondern die denkbar innigste Gemeinschaft und Vereinigung wird mit den Worten bezeugt: "'''Gott war in Christo'''", d.h. Gott identifizierte Sich gleichsam mit Christus und Dessen Werk. Entsprechend des schon angeführten Schriftwortes von [[Kol 1:19]] und 20 wohnte Gott sogar in Christo. Hätte Er nun Seinen Sohn plötzlich verlassen, so wäre Er nicht länger in Christo gewesen und hätte noch weniger in Ihm gewohnt. Gott Selbst hätte das große, gemeinsam mit dem Sohn unternommene Rettungswerk kurz vor seinem Abschluss unterbrochen! Wir müssen hier noch einmal aufs neue be tonen, dass dies unübersehbare Folgen für die Erlösung der Welt gehabt hätte!
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Denn wenn Christus mit seiner Darbringung als Sündopfer des Vaters Willen auch vollkommen erfüllt hätte, wäre die Versöhnung und Allaussöhnung dadurch nicht selbstständig verwirklicht worden. Es heißt doch ausdrücklich in [[2Kor 5:19]]: "Gott versöhnte2 und [[Kol 1:20]]: "Er hat durch Christus ausgesöhnt das All, und Er hat Frieden gemacht." Ohne das Opfer Seines Sohnes hätte Gott aber diese Heilswerke nicht absolut vollkommen vollbringen können, weil es eben das Hauptstück dieses gemeinsam vom Vater mit dem Sohne unternommenen Werkes bildete! Und umgekehrt wäre Christi Dahingabe ohne die Gegenwart des Vaters ebenso unvollkommen gewesen. Diese Unmöglichkeiten wären eingetreten, wenn der Sohn während Seiner Darbringung einen Notschrei ausgestoßen hätte. Denn im Augenblick, wo Ihn der Vater - nach der menschlichen Überlieferung - verließ, wäre Sein Heilswirken zum Stillstand gekommen, weil Ihn nur das Eine, Negative erfüllt hätte: Warum verlässt Mich Mein Gott?
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Die sechs Stunden am Kreuz erforderten aber ununterbrochenes Zusammenwirken des Vaters mit dem Sohn und des Sohnes mit dem Vater, so wie wir es auch im Vorbild der Darbringung Isaaks durch Seinen Vater Abraham sahen.
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Wie viel Unheilvolles läge doch in dem vom Sohn geschrieenen "warum"? Man erschrickt schon, wenn der Sohn in unsagbarem Schmerz aufschreit: Mein Gott hat Mich verlassen! Aber das nun aus der Mitte des Schreies aufgellende: "Warum" deckt erst den ganzen abgrundtiefen Jammer des Schreies und seine verheerenden Folgen auf! Aus ihm spricht doch: "Warum hast Du Mich nun doch verlassen, nachdem Du Mir mit zwei Verheißungen versichert hattest, Du werdest das niemals tun? Warum hast Du Mich Deine Abkehr nicht, wie alles andere, zuvor wissen lassen und gibst Mir auch jetzt nicht den Grund dafür an? Warum hast Du unsere bis jetzt bestandene Gemeinschaft im Zusammenwirken so plötzlich und unerwartet unterbrochen, obwohl Ich doch ohne '''Dich''' dieses unser gemeinsames Werk nicht mehr weiterführen kann? Warum willst du durch Meine Lahmlegung der Schöpfung nicht ein völlig durchgeführtes und vollkommenes Heil schenken; denn ohne dich ist es Mir unmöglich, weiter daran zu arbeiten?" Und schließlich: "Warum verlässt Du Mich, nachdem Wir bereits fünf Stunden am großen Rettungswerk zusammenwirkten, Wir jetzt vor dessen Vollendung stehen und damit Dein Friedensangebot für Deine Schöpfung so nahe an seine Erfüllung gebracht haben?"
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Ja, es wäre nicht zu viel gesagt, dass Christi Schrei einen berechtigten Vorwurf des Sohnes an den Vater enthalten hätte, und zwar solcherart: "Warum gibst Du Mir Anlass, einen Notschrei an Dich. zu richten, durch welchen Menschen und himmlischen Wesen offenbar wird, dass Wir nicht mehr eins sind?" - Und in der Tat, wenn ein Notruf die rechte Wiedergabe von Christi Schrei, so müssten wir, wie dargelegt, in diesem die größte Katastrophe erkennen, die es je gab!<br/><br/>
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==='''Die letzten drei Aussprüche Jesu'''===
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====Einleitung====
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Die vorausgegangenen Betrachtungen zum infrage Stehenden Aufschrei des Herrn werden uns bestimmt alle tief berührt haben. Es kann sich die Frage erheben: Wie müsste es da wohl im Herzen des Herrn Selbst ausgesehen haben? Was mag Ihn innerlich bewegt haben? Er tut es uns Selbst mit Seinen nächsten Aussprüchen kund!
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Doch bevor der Herr wieder redete, geschah etwas sehr Bemerkenswertes. Der Geist Gottes trat auf den Plan. Er gibt uns Einblick in Jesu Herz durch Sein die letzten Aussprüche des Herrn einleitendes Einwirken. Denn allein der Geist Gottes konnte so genau und umfassend wissen, was im Herzen des Herrn während des Vollbringens der Aussöhnung vorging. Und nun ist es das wunderbar Große, dass uns der Geist mitteilt, was den Herrn er füllte und bewegte.
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Wir müssen uns jetzt wieder auf eine Überraschung gefasst machen. Von dem eben so überaus trüb gez eigten Bild werden wir unvermittelt vor ein unerhört lichtvolles Gemälde gestellt! Der Geist Gottes sagt uns jetzt aufschlussgebend über die Herzensverfassung des Herrn in Seiner letzten Leidensstunde Folgendes aus: "Nach diesem, da Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, auf dass die Schrift vollendet werde..." ([[Joh 19:28]]). - Wir fragen hier ganz erstaunt. Nachdem der Herr keine Antwort auf Seine Frage erhalten hatte, woher sollte Er nun plötzlich wissen, dass alles vollbracht war?
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Der Herr wusste um Seine gesamte Aufgabe von Anfang Seines Auftretens bis an Sein Ende. Nach [[Joh 6:64]] war Ihm lange im Voraus bekannt, wer die seien, die nicht glauben, und welcher Ihn verraten würde. Johannes schreibt ([[Joh 18:4]]), dass Er alles wusste, was über Ihn kommen werde. Dies tat Er den Jüngern kund mit Seinen mehrmaligen, bis in alle Einzelheiten gehenden Leidensverkündigungen. Diese reichten von Seinen Vorleiden über die Kreuzigung bis zu Seiner glorreichen Auferstehung und Rückkehr zum Vater ([[Joh 13:1]]; [[Joh 16:28]]). Dementsprechend bezeugten Ihm Seine Jünger (V. 30): "Nun wissen wir, dass Du alles weißt...". Zu diesem Wissen gehörte auch, dass Ihm vom Vater alles übergeben wäre ([[Mt 11:27]]; [[Lk 10:22]]; [[Joh 3:35]]; [[Joh 13:3]]). Und in [[Joh 6:39]] bekundet Er mit Bestimmtheit, dass Er von dem, was Ihm der Vater übergeben hat, '''nicht eines verlieren''' werde.  Weiter macht Er in [[Joh 12:32]] die Aussage, dass Er, n ach Seiner Erhöhung aus der Erde, alle zu Sich ziehen werde.
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Alle diese Aussprüche lassen erkennen, dass der Herr einen lückenlosen Blick in die Zukunft besaß, und dass dieser bis hin zur Vollendung reichte. Er bezeugt dies mit Seinem Ausspruch in [[Joh 17:4]]: "Ich verherrliche Dich auf der Erde, das Werk vollendend, das Du Mir gegeben hast, auf dass Ich es tue." Auch in [[Joh 4:34]] und [[Joh 5:36]] redet Er vom Vollenden der Werke Gottes. Da hier der Herr so bestimmt von dieser Ihm von Gott aufgetragenen '''Vollendung Seines Werkes''' redet, ist dies doch der unwiderlegbare Beweis, dass Er tatsächlich das Vollendungsziel Seines Vaters unentwegt im Geist erkannte. Den Kernpunkt dieses Glaubens der Vollendung offenbarte Er später dem Apostel Paulus gemäß [[Kol 1:20]], wo es heißt. ".. durch Ihn auszusöhnen das All mit Sich, Frieden machend durch das Blut Seines Kreuzes". So war Er der erste, welcher '''die Allaussöhnung''' glaubte!
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Christus wusste also, dass dieses Ziel durch Seinen Kreuzestod und die Dahingabe Seine heiligen Blutes erreicht werde. Ihm waren demnach nicht nur Seine Leiden, Sein Sterben und Auferstehen gegenwärtig, Er glaubte auch an die daraus wachsende Heilsfrucht des '''bleibenden Segens für das ganze Universum.'''
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Daher vermochte Er der ganzen Entwicklung Seines zu vollbringenden Werkes so zu folgen, dass Er genau wusste, wann es vollbracht war. Das ist doch ein deutlicher Beweis der ungetrübten und unerschütterten, gleichbleibenden Klarheit Seines Geistes während der in schwindender Lebenskraft erlittenen furchtbaren Kreuzesqualen. Auch hier ist die einen Notschrei ablehnende Frage zu erheben: Wenn der Herr einen solchen Schrei ausgestoßen hätte, ohne Antwort vom Vater zu erhalten, wie hätte Er dann wissen können, dass alles vollbracht war?
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In unserer bisherigen Betrachtung der ersten Aussprüche Jesu am Kreuz standen wir bereits vor zwei grundverschiedenen geistlichen Einstellungen des Herrn. Während die drei ersten uns eine erquickende Schau boten, offenbarte uns der vierte eine (vermeintlich) abgrundtiefe, überaus schmerzliche und betrüblich. Demzufolge wäre also vorauszusetzen gewesen, dass die folgenden drei letzten Aussprüche im Sinne und unter dem Eindruck des vorausgegangenen vierten ausfallen würden, d.h. uns den Herrn auch weiter in Seiner verzweifelten Lage zeigen würden. Zu unserem Erstaunen stehen wir jetzt wieder vor '''einem vollkommen erquickenden, ja glaubensstärkenden Erlebnis!'''
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Bemerkenswert ist zunächst, dass der vierte, uns so bewegende Ausspruch in der Mitte der von Jesus am Kreuz gesprochenen sieben Worte steht. Er würde demnach als Not- und Jammerschrei einen überaus misstönenden, uns enttäuschenden Mittelpunkt der gesamten Kreuzes-Aussprüche bilden, durch den der Abschluss des Leidenswegs Jesu beschattet würde. Wider alles Erwarten erhalten wir aber jetzt '''einen ganz erhebenden, lichtvollen Ausblick,''' und zwar durch das, was der Herr nach der gelesenen Offenbarung des Geistes wusste und nun Selbst aussprach. Es war Sein Werk, das Er nun als vollbracht erkannte. Welch ein wunderbares Bild der Vollendung muss demnach in des Herrn Geist erstanden sein!
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Bezeichnend ist nun, was Er als erste Frucht Seines Werkes wahrnahm: Ihm ging über alles: "... auf das die (Seines Gottes) Schrift vollendet werde" ([[Joh 19:28]]). Mit diesem Wort lehrt uns der Sohn '''die Erfüllungen der göttlichen Verheißungen''' richtig einzuschätzen, und zwar als das Höchste, was es gibt! Schon während Seines Erdenlebens ging Ihm über alles: "... auf dass die Schrift erfüllt werde" ([[Joh 15:25]]; [[Joh 17:12]]; [[Joh 18:9]]). Denn Er wusste: Jede Erfüllung des Wortes Gottes dient zur Verherrlichung Seines Vaters!
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Oh, dass man doch in Seiner Herausgerufenen dem Herrn darin noch treuer und vollkommen folgen möchte! Paulus sagt hierzu ein wichtiges Wort ([[2Kor 1:18]]-20): "... Treu aber ist Gott, dass unser Wort (Pauli Briefe) an euch nicht ist Ja und Nein..., sonder es ist Ja in Ihm geworden. Denn so viele Verheißungen Gottes als da sind, die sind Ja in Ihm." Aber welche ein echo bekommt Gott gerade auf seine Verheißungen über die Vollendung aus Seiner Herausgerufenen zu hören? Einen unharmonischen, wirrstimmigen Chor, aus dem dazu noch überwiegend das "Nein" heraus klingt!
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Nun isit auch zu beachten, dass Johannes mit dem Satz: "Nachdem er Wusste, dass schon alles vollbracht war" ([[Joh 19:28]]), nicht fortfuhr: "... auf dass die Schrift erfüllt...", sondern: "vollendet werde." Das Urtextwort für "erfüllen" heißt "pleroo" und bedeutet, dass einer unfertigen Sache das noch Fehlende hinzugefügt und diese damit vervollständigt wird. In dem Ausdruck "vollenden"" = "teleioo" liegt nun nicht der Sinn von "beendigen", sondern eine Sache "vollkommen machen" Wie nach [[Hebr 2:10]] und [[Hebr 5:8]]-9 Christus durch Leiden vollkommen gemacht wurde, so wurde durch Sein Leiden auch das Wort vom Kreuz vollkommen gemacht.
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Ferner offenbart uns Johannes, wann der Herr erkannte, dass Sein Werk vollendet war. Dies geschieht mit den zwei Eingangsworten von Joh 19:28: "Nach diesem..." Aus der Wortfolge und dem Bericht von Mt 27:46-48 ist ersichtlich, dass sich "nach diesem" auf Christi vorhergehenden Schrei als das nächstliegende Ereignis bezog und damit unbedingt noch in die Zeit des Schreies hineinragte, also mit ihm verbunden und sogar dessen Ursache war. Wir werden das in den nachfolgenden Ausführungen über den rechten Wortlaut des Schreies noch deutlich herausstellen.
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Hier steht wieder die gewichtige Frage vor uns: Wenn doch der Herr zur Zeit des Notschreies schon wusste, dass Sein werk vollbracht war, wie konnte Ihn gerade in dieser Zeit der Vater verlassen haben, so dass Sein Sohn aus tiefer innerer Not zu Ihm nach Antwort schreien musst? Wenn dem tatsächlich so wäre, so befänden wir uns in einem Labyrinth von Irrgängen, aus dem es kein en Ausgang gäbe! Des Herrn letzte Leidensstunde wäre von schroffsten Gegensätzen gekennzeichnet: Einerseits hätte uns die Schrift den Vollsieg Christi bezeugt, andererseits jedoch müssten wir den Sieger von Golgatha als "Einen von Gott Verlassen" und deshalb kraftlos Zusammengebrochenen sehen. der außerstande gewesen wäre, Sein großes Werk zur Vollendung zu führen.
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Durch einen solchen Riss in der Gemeinschaft zwischen Vater und Sohn würde Gottes Erlösungswerk jählings unterbrochen worden sein. Aber Gott sei Dank, dass dies alles nicht zutrifft! Denn gerade der kurze Zeitabschnitt dieses Geschehens enthält das Herzstück des göttlichen Heilsplanes, wie dies im Folgenden erklärt wird.<br/><br/>
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===Jesu letzte Aussprüche===
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Jesu nächstfolgender  Ausspruch lautet kurz: "Mich dürstet!" ([[Joh 19:28]]). Gewiss war schon zuvor Sein gemarterter Körper von brennendem Durst erfüllt. Doch war Er von Seinem Werk der Aussöhnung derart durchdrungen, dass in Ihm ein seelisches Verlagen gar nicht aufkommen konnte. Erst als Er Sein Werk ans Ziel gebracht sah, konnte sich dieses brennende Bedürfnis bei Ihm durchsetzen.
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Aus allen Worten, die der Herr bis dahin am Kreuz ausgesprochen hatte, strahlte demnach die Herrlichkeit Seiner Gottessohnschaft, und keines derselben hatte eine Äußerung über die Ihn ohne Unterlass quälenden, fürchterlichen körperlichen Schmerzen enthalten! Nun tat Er aber einen Ausspruch, den fünften, der Ihn als den leidenden Menschensohn offenbar machte, mit den zwei Worten: "Mich dürstet!" Hier sehen wir Ihn, den Gottessohn, auch als den Menschensohn, der unsäglich litt, wie jeder andere Gekreuzigte.
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Mit diesem Ausspruch fand das Psalmwort ([[Ps 22:15]]) seine Erfüllung. In diesem Psalm sind Christi Qualen des Durstes, die als die schwersten aller körperlichen Leiden gelten, ergreifend geweissagt: "Mein Kraft ist vertrocknet wie ein Scherben, und Meine Zunge klebt an Meinem Gaumen; und in den Staub des Todes legst Du Mich."
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Zu dieser Weissagung gibt es noch andere. Jede fand auf Golgatha ihre Erfüllung, und somit gehören alle unter den Ausspruch: "... auf dass die Schrift vollendet werde."
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Als Er dann den Ihm in einem Schwamm dargereichten Essig genommen hatte, was in [[Ps 69:21]] prophezeit war, ließ er das nächst Wort, den Siegesruf erschallen ([[Joh 19:30]]): "Es ist vollbracht!" Schon zuvor wusste Er, dass alles vollbracht war, aber nun rief Er Seinen so schwer erkämpften Sieg öffentlich aus. Damit war das von Ihm zu vollbringende '''Werk, für welches Gott Ihn "übriggelassen"''', zum Ziel gekommen.
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Von des Herrn Ausspruch: "Es ist vollbracht", können wir nicht groß genug denken, um seinen ganzen gewaltigen Heilsinhalt im Glauben aufzunehmen; umfasst doch dieser die Erfüllung von Gottes Liebeswillen, der das gesamt All umschließt! Allgemein. wird von den Gläubigen das "Es ist vollbracht" als ein Siegesruf gewertet. Doch muss leider festgestellt werden, dass in vielen Fällen an der das ganze All umfassenden Erfüllung dieser Proklamation des Herrn Ihn tief verunehrende Abstriche gemacht werden. Der Siegesruf wird ohne logische Verbindung mit Gottes untrüglichem Wort beurteilt! Dazu erkannten aber wir alle nicht oder nur teilweise den schroffen Gegensatz, ja die unüberbrückbare Kluft, die zwischen beiden Ausrufen durch den Frageschrei aufgeworfen wurde. Tatsächlich können beide unmöglich nebeneinander bestehen. Entweder hebt der Notschrei das "Vollbracht" auf, oder das "Vollbracht" den Notschrei, und letzteres ist das Zutreffende.
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Würde aber tatsächlich Christi vierter Ausruf als frage- und Notschrei bestehen, so ständen wir auch mit Christi letzten Ausspruch zum dritten Mal vor einem unlösbaren Problem. Dieser letzte, der siebente lautet: "Vater in Deine Hände befehle Ich Meinen Geist" ([[Lk 23:46]]). Wie hätte Er so zuversichtlich Seinen geist in die Hände des von Ihm abgewandten Vaters legen können?, so müssen wir uns fragen!
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Wie in Seinem ersten Ausspruch, so hören wir auch in diesem letzten das von inniger Gemeinschaft mit Gott  zeugende Wort "Vater". Auch dieser Ausspruch lässt nicht im Geringsten darauf schließen, dass sich zuvor der so schwere Zwischenfall ereignete, zufolge dem Gott Seinem Sohn ohne Grundangabe verlassen hätte. Vom Anfang bis zum Schluss der Leidensstunden des Herrn am Kreuz steht also alles Geschehen dagegen, dass Christus einen frage- und Notschrei ausstieß!<br/><br/>
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====Erklärung von "Schreien"====
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Nachdem wir aufgrund von Gottes Wort die Unmöglichkeit eines Notschreies darlegten und zeigten, dass Christus im Gegenteil dem Vater einen Lobpreis darbrachte, bleibt uns n och ein Problem zu lösen. Dieses stellt sich mit dem Wort "schreien".
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Zuerst wollen wir auf eine kleine Verschiedenheit zwischen den Aussagen der beiden Apostel hinweisen. In [[Mt 27:46]]a lesen wir: "Um die neunte Stunde aber schrie Jesus auf mit lauter Stimme und sagte: .." Bei Markus ([[Mk 15:34]]) fehlt das "auf". Es  heißt nur: "Und um die neunte Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme und sagte:..."
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Diesen Unterschied erwähnt die KW, und zwar für [[Mt 27:46]] unter "aufschreien" = "anaboao" (Seite 378) und für [[Mk 15:34]] unter "schreien" = "boao" (Seite 567). Dazu wird vermerkt: Mehr im Sinne von Hilfe oder Beistand fordern und vergelichen mit helfen (Sk 480). Dieses Wort heißt im Griechischen "boetheo". Daher ist angezeigt, dass im Ausdruck "Boao" der Sinn von Helfen liegt.
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Mit diesen Anmerkungen wird Christi Schrei als ein zu Gott gesandter Hilferuf erklärt. Vergleichen wir aber die stellen, wo dies beiden griechischen Wörter vorkommen, so ist dies für beide Wörter nicht in jedem Fall ein Hilferuf. So lesen wir in [[Mk 15:8]]: "Und aufschreiend (anaboao) fängt die Schar an zu fordern (den Barabbas)." Das ist schon kein ausgesprochener Hilferuf mehr.
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Noch eine stärkere Abweichung finden wir in der Rubrik "schreien = boao", in welcher der Schrei von [[Mk 15:34]] angegeben ist. Dort wird dieses griechische Wort auch mit "Rufer" wiedergegeben, und zwar auf Johannes den Täufer angewandt ([[Mk 3:3]]; [[Mk 1:3]]; [[Lk 3:4]], [[Joh 1:23]]). Johannes heroldete, rief aber nicht. um Hilfe, sondern half im Gegenteil mit seinem Heroldsruf dem Herrn den weg bereiten, Ihm damit Hilfe und Beistand leistend.
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Wenn nun die beiden griechischen Ausdrücke auch nicht in jedem Fall für Hilferufe angewandt werden, so dürfen wir trotzdem das "Hinauf-Hilfe-Rufen" im Schrei Christi nicht ausschalten, weil eben doch in "anaboao" dieser Sinn liegt. Wir können aber deshalb Christi Schrei nicht mit Sicherheit als Not- und Frageschrei festlegen. Das verbieten uns die daraus entstehenden Unheil-Folgen in Gottes Heilsratschluss sowie die rechte Übersetzung des Schreies, die wir mit der Schrift herausstellen werden. Hier stellt sich das Problem, wie wir diesen beiden Gedanken ger acht werden, bzw. sie harmonisch nebeneinander bestehen lassen. Im Folgenden ein Lösung zur Erwägung.
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Jeder Gläubige, der sich in irgend einer wirklich schweren Not übte, Gott dafür nach Seinem Wort ([[Eph 5:20]]; [[Phil 4:6]]; [[1Thes 5:17]]) zu danken, also zu lobpreisen, konnte feststellen, dass in diesem Lobpreis, unbeabsichtigt, die leidende Seele nach Hilfe verlangte. Nun hing Jesus nicht nur als der Gottessohn am Kreuz, sondern auch als Menschensohn. Dass eR als solcher wie ein Mensch in Leiden fühlte und litt, zeigte sich im Garten Gethsemane. Nach [[Mk 14:33]]-34 wurde Er voll Grauens und niedergedrückt, und tief betrübt war Seine Seele bis zum tod.
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Dort wird Sein Doppelwesen offenbar. Als Mensch im seelischen Selbsterhaltungstrieb bat Er: "!Abba, Vater, alles ist Dir möglich. Wegtragen lass diesen Becher von Mir". Doch als der gehorsame Sohn Gottes fügte Er in der Kraft Seines Geistes sofort hinzu: "Jedoch, nicht was Ich will, sondern was Du willst" ([[Mk 14:36]]). So wird es auch am Kreuz gewesen sein. Als der Sohn Gottes brachte Er Seinem Gott einen Lobpreis dar; aber diesem Gehorsam untergeordnet, mag Seine schon zuvor bis zum Tode be trübte Seele unwilkürlich nach Hilfe aus diesen schrecklichen Todesnöten verlangt haben. Auf diese Weise kann Lobpreis und "Hinauf-Hilfe-Rufen" zusammen bestehen, ohne dass das eine das andere aufhebt. Denn nach [[Hebr 4:15]] war Er in allem nach unserer Gleichheit auf die Probe gestellt, also auch in denselben seelischen Empfindungen in Leiden. Weil Er aber diese in der Kraft Seines Geistes vollkommen überwand, stellt die Seinen Sieg nur noch größer hin!
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Mit dieser doppelten Auswirkung Seines schweren Kampfes hat der Herr vorbildlich [[Phil 4:6]] ausgeführt: "... in allem lasset eure Bitten im Gebet und Flehen mit Danksagung bekannt werden vor Gott..." Das Flehen entrang sich Seiner im Übermaß leidenden Seele. Doch weit darüber hinaus brachte Er Gott als Danksagung und Frucht Seines Geistes Seinen Ihn erquickenden herrlichsten Lobpreis Dar!
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Ergänzend ist noch zu bemerken, dass im griechischen Text für den zweiten Schrei des Herrn, mit dem Er Seinen geist entließ ([[Mt 27:50]]) und aushauchte ([[Mk 15:37]]), "krazo" steht, das diesen Schrei nur als "lauten Ruf" bezeichnet.<br/><br/>
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==='''Die Unheilfolgen'''===
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"Wenn wir jetzt, vor Abschluss des ersten Teiles nochmals alle aus einem Notschrei Christi sich ergebenden Unheilfolgen überblicken, so bietet sich uns das ganze Geschehen als das größte Trauerspiel in Gottes Heilsplan dar. Wir können in der Tat nun nicht mehr Lücken und Einzelschäden im göttlichen Erlösungswerk sehen, nein, sein völliger Zusammenbruch stünde vor uns! Dieses erschreckend traurige Gesamtergebnis wollen wir nochmals näher herausstellen und begründen.
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Unsere Ausführungen fußen auf der furchtbaren Tatsache, dass Christi Schrei in seiner geläufigen Form Christus als ein makelhaftes Opferlamm darstellt: Sein gehorsam wäre unvollkommen und dadurch seine Übererhöhung unmöglich geworden. Gottes Gerechtigkeit wäre nicht Genugtuung geschehen, und ohne diese wäre Gottes Liebe außerstande gewesen, alles zu tragen. Denn der Herr hätte nicht im Glauben beharrt. Er wäre von ihm zurückgewichen!
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Damit wäre aber unsere Rechtfertigung unmöglich gemacht und unser Zutritt zum Vater verschlossen geblieben. Das Erlösungswerk der Errettung und Aussöhnung und die mit ihm verbundene Verherrlichung Gottes und Seines Sohnes wären schließlich nicht erreicht, bzw. "vollbracht" worden. Sie hätten deshalb auch seither nicht verkündigt werden dürfen! Zählen wir diese Reihe der Unheilfolgen zusammen, so ergibt sich das Gesamtergebnis des völligen Zusammenbruchs des dem Sohne von Gott aufgetragenen Rettungswerkes.
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Im Blick auf Gott, Dessen Tun nach [[5Mo 32:4]] vollkommen ist, müssten wir nicht nur sagen, dass durch einen Notschrei Christi am großen Werk der Aussöhnung des Alls ein Teil fehlen würde, sondern dass diesem das Fundament zerstört worden wäre! Hier gibt es nur ein "Entweder-Oder". Entweder ist das Werk vollkommen oder es fällt in sich zusammen, und zwar schon dann, wenn es nur die geringste Lücke aufweist. Dies wäre aber unwiderruflich das erschreckende Ergebnis, wenn der eingeführte Wortlaut des Schreies Christi der wahre wäre. Die Welt bliebe unversöhnt, ohne dass Gott Frieden mit ihr hätte machen können. Der weitere Verrlauf wäre der, dass Gott für immer zürnen müsste, wodurch Seine abgefallene, unversöhnte Schöpfung für immer im Gericht bliebe. Das wäre dann in der Tat eine von der Schrift beglaubigte ewige Verdammnis, in die selbst die Gläubigen mit hinein gezogen würden!
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Entspräche demnach der von Gott in Verlassenheit gestoßene Sohn der Wahrheit, so gäbe es tatsächlich mit dem Notschrei einen göttlichen Ausspruch, von dem man die schreckliche Lehre von einer endlosen Qual aller Geschöpfe ableiten könnte. Leider tut man aber das mit Schriftstellen, welche, '''wenn sie treu nach dem Urtext übersetzt werden''', das gar nicht lehren.
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Merkwürdigerweise sah man dabei nicht einmal, dass der falsche Schrei Christi, als einziges Seiner Worte, die Möglichkeit der Ableitung dieser wahrhaft teuflischen Lehre jahrhundertelang offen ließ! Damit ist im voraus ein besonders großer Segen durch die rechte Übersetzung des Schreies Christi angezeigt.
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Jetzt sind wir zum zweiten Teil unserer Abhandlung gekommen. In diesem wird ausführlich erläutert, wie Christi Schrei in Wahrheit lautet, und wie uns der Herr diese Erkenntnis schenkte.<br/><br/>
  
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Lies weiter: <br/>
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[https://www.bibelwissen.ch/wiki/Unerlässliche_Richtlinien '''6. Unerlässliche Richtlinien''']<br/><br/>

Aktuelle Version vom 24. April 2024, 11:25 Uhr

"Christi Schrei am Kreuz - Sein herrlichster Lobpreis"
von M. Jaegle (1976)

Abschrift mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Groß, Balingen
Dort als Schrift noch erhältlich.

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Inhaltsverzeichnis

Christi Schrei am Kreuz

5. Jesu Aussprüche am Kreuz

Ohne Zweifel ist jeder Gläubige davon überzeugt, dass die vom Herrn am Kreuz während der Ausführung Seines gewaltigen Werkes der Aussöhnung des Alls ausgesprochenen Worte von höchster Heilsbedeutung sind. Da nun Gott Seinem Sohn in Seinem Wort das erhabene Zeugnis ausstellt: Er war gehorsam bis. zum Tode des Kreuzes (Phil 2:8), müssen auch alle Seine am Kreuz ausgesprochenen Worte diesem Gehorsam entsprechen!

Wir wollen nun vorerst untersuchen, ob ein Not- und Verzweiflungsschrei mit Seinen anderen am Kreuz ausgesprochenen Worten in Einklang zu bringen ist.

Jesu erster Ausspruch

Das erste Wort, das der Herr am Kreuz aussprach, war "Vater" (Lk 23:34). Ein gesegneteres Wort hätte Er am Anfang Seiner Leiden am Kreuz nicht aussprechen können. Schon dies allein zeugt doch von der innigen Liebe des Sohnes zum Vater und von der ungetrübten Gemeinschaft, die zwischen Ihnen bestanden hatte. Damit hätte Er nicht stärker zum Ausdruck bringen können, dass der Vater nun weiter mit Ihm sei! Und dieses Einssein Beider strahlt uns am herrlichsten in der dem Apostel Paulus geoffenbarten Wahrheit in 2Kor 5:19 entgegen: "... Gott war in Christo, die Welt mit Sich Selber versöhnend..." Diese größte aller Heilstatsachen wird uns in Kol 1:19-20 nochmals offenbart. Wir lesen dort, dass "die gesamte Vervollständigung ihre Lust daran hat, in Ihm (Christus) zu wohnen und durch Ihn auszusöhnen das All mit sich (wörtlich: hinein in Ihn)!, indem Er Frieden macht durch das Blut Seines Kreuzes - durch Ihn, es sei das auf der Erde oder das in den Himmeln."

In diesem Ausspruch kommt das Wort "Vervollständigung" giechisch "pleroma", vor, d.h. Vervollkommnung einer Sache, der das noch Fehlende hinzugefügt wird und diese vollkommen macht. Und da Gott durch Christus nicht nur "das auf der Erde", sondern darüber hinaus auch "das in den Himmeln" restlos ausgesöhnt hat, ist damit Sein Liebesratschluss auf ein unüberbietbares Vollmaß gebracht, d.h. restlos vollendet worden. Denn nun ist der Grund gelegt für die endgültige Überwindung und Beseitigung jeglicher von Gott und Seinem Christus trennenden Feindschaft im ganzen All, auf dass Gott Seinen Geschöpfen "alles in allen werden kann", gemäß Seiner Verheißung in 1Kor 15:28.

Die Tatsache der bleibenden Innewohnung Gottes in Seinem Sohn, die auch die sechs Kreuzesstunden mit einschließt, wird noch durch die im Urtext gewählte unbestimmte Zeitform (Aorist) des Verbs "wohnen" in Kol 1:19 erhärtet - welches in der Konkordanten Wiedergabe mit einem kleinen erhöhten waagerechten strich gekennzeichnet ist. Alle Verben, die dieses Zeichen haben, drücken eine zeitlose Tatsache aus. Ds besagt, dass die mit solchen Verben bezeugten Wahrheit sowohl für die Vergangenheit wie für die Gegenwart und Zukunft ihre Gültigkeit haben. (Siehe KW Seite 334, wo die verschiedenen Zeitformen des Verbs erläutert sind.)

So schreibt ein Griechischkenner vom Aorist, also jenen Worten, die eine Tatsache ausdrücken: "Tatsachen - so wissen wir - sind unabänderliche Fakten, an denen wir, auch wenn wir wollten oder möchten, nichts ändern können. Wir werden auch nicht gefragt, ob sie uns gefallen oder nicht. Es sind objektive, unumstößliche Gegebenheiten, egal ob man sie akzeptiert oder nicht, sie sprechen für sich selbst!"

Gleicherweise wie Gott unaufhörlich und bleibend die Welt nach Joh 3:16 liebt (auch Zeitform des Aorist), also wohnt Er auch ohne Unterlass in Seinem Sohn, denn: "in Ihm (Christus) wohnt die gesamte Vervollständigung der Gottheit körperlich" (Kol 2:9). Diese Tatsache bestimmt denn auch uneingeschränkt das ganze Kreuzesgeschehen!

Wie sehr nun der Sohn vom Willen Seines Vaters erfüllt war, durch Sich das All auszusöhnen, und wie gewiss Er war, dass Er dieses hohe Ziel auch erreichen werde, bezeugt Er mit Seinem ersten Ausspruch, dem Bittgebet: "Vater, vergibt ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!" Dass der Herr nach Joh 8:28 nichts von Sich Selber tat, sondern nur das, was Er den Vater tun sah (Joh 5:19), brachte Er mit seiner Bitte zum Ausdruck, die Feinde mit Ihm (Gott) auszusöhnen. So hat der Herr mit Seinem ersten Ausspruch die Wahrheit bezeugt: Ich und der Vater sind. eins (Joh 10:30). Mit der Bitte um Vergebung bezeugte Er, dass auch Er Selbst Seinen Feinden vergeben hatte.

Auch bei Ihm stand es fest, dass der Vater durch die Dahingabe des Lebens Seines Sohnes und durch das am Kreuz von Ihm vergossene Blut noch Frieden machen und die Feindschaft im Himmel und auf eRden aufheben werde (Kol 1:20). Nach Röm 5:9 und Kol 1:22 stehen wir Gläubige schon heute in dieser Gnade und sind als von Gott auserwählte Erstlingsfrucht die Gewähr, dass Er dieses Ziel noch mit allen Menschen erreichen wird.

Da nun Christus gleich am Anfang Seiner unsäglich schmerzvollen Kreuzesstunden den unverrückbaren Glauben besaß, dass Gott mit Seiner Dahingabe die Aussöhnung des gesamten Alls auch erreichen werde, so verbürgte Er das mit Seinem Eintreten für Seine und Gottes größten Feinde; denn sie verübten ja mit der Ermordung des Sohnes Gottes die größte aller Sünden.

Für Seine feinde konnte der Sohn um Vergebung bitten, weil Er wusste, dass Er auch für sie, ja gerade für sie, den Sühnetod starb (Röm 5:9). Geradezu überwältigend für uns ist aber die Tatsache, dass der Sohn, während Ihn Seine Peiniger in Sein grausames Sterben hineinstießen, gleichzeitig aus Liebe zu ihnen auch diese ihre größte Sünde tilgte und sie mit Gott versöhnte. Es gibt keine größere Macht als diese im Sohn am Kreuz geoffenbarte Liebe Gottes. Kein Geschöpf kann diese Liebe auf die Dauer wirksam widerstehen. Alle werden noch von ihr überwunden.

Zu der Bitte um Vergebung tat der Herr aber noch mehr für Seine Feinde, die Ihn in blindem Hass zu Tode marterten. Er trat auch noch - menschlich gesprochen - als Entlastungszeuge für sie in die Schranke, indem Er Seine Bitte mit der Aussage begründete: "Sie wissen nicht, was sie tun." Damit hat Er Seine Feinde von dem Fluch des Gesetzes befreit. Wenn nämlich ein Israelite einen Volksgenossen aus Hass tötete, so musste der nächste Verwandte des Ermordeten die Blutrache vollziehen, d.h. das Amt des Gerichtsvollstreckers ausüben (4Mo 35:16:21). Hatte dagegen jemand seinen Nächsten unabsichtlich, ohne Wissen, d.h. ohne zu wollen erschlagen (5Mo 19:4-5), so wurden Zufluchtsstätte für den unfreiwilligen Totschläger bestimmt, wohin er sich vor dem Bluträcher in Sicherheit begeben konnte. Dort musste er von seinem Heim getrennt bis zum Tode des Priesterfürsten bleiben. Erst darauf durfte er straflos nach Hause zurückkehren (4Mo 35:25).

Da nun jene Menschen den Herrn aus Hass (Lk 19:14) und aus Neid (Mt 27:18) absichtlich ans Kreuz brachten, so hätten sie n ach dem Gesetz unverzüglich mit dem Tod bestraft werden müssen. Der Herr jedoch enthob und befreite sie von dieser sofortigen Strafe mit dem sie entlastenden Ausspruch: Sie haben Mich ohne Wissen zu Tode gebracht. Und da Er als der große Priesterfürst starb, dürfen auch sie, gemäß dem Vorbild aus dem Gesetzeshaushalt, nach längerer Trennung durch Gericht wieder als einst verloren gewesene Söhne ins Vaterhaus Gottes zurückkehren. Denn es war Sein Tod, der ihnen - als unbewusst Handelnde - dieser Rückweg eröffnete.

Mit diesem Einstehen für Seine Feinde bringt der Herr Seinen felsenfesten Glauben zum Ausdruck, dass Er mit Seinem Kreuzestod ihre Sünde sühnt und sie für Gott erkauft. Somit ist des Herrn erster Ausspruch am Kreuz eine Erstlingsfrucht der uns mit Ihm erschienenen Gnade (Joh 1:17), welche weit über das Gesetz Moses hinausragt. Trotzdem möge man aber des Herrn Bitte ja nicht dahin verstehen, dass Gott nun die große Sünde Seiner Feinde einfach übersehen würde und ihnen ohne weiteres Vergebung schenken werde. Oh nein! Das Vorbild dieses Vorgangs finden wir im Leben Josephs.

Als er, der Vizekönig Ägyptens, seine feindlichen Brüder das erste Mal vor sich sah (1Mo 42:7), stand es schon gleich in seinem Herzen fest, ihnen zu vergeben und sich mit ihnen auszusöhnen. Er führte sie aber zuerst - wie es ihre an ihm begangene Untat von Rechts wegen forderte - durch ein Gericht, und zwar als Hilfsmittel zu ihrer Zurechtbringung. Diesen Weg gehen auch die Mörder des Sohnes Gotts. Erst vor dem großen weißen Thron, d.h. nach dem Gericht, wird des Herrn Bitte um Vergebung in Kraft treten und ihre Erfüllung finden. Der Herr Selbst hat ja Seinem Volk von Seinem Gebet um Vergebung mehrere Male Gericht angekündigt (Mt 21:41 und Lk 19:27).

Durch das Gebet des Herrn für seine Feinde wird uns zudem erneut ergreifend die selbstlose Gesinnung gezeigt, die Er schon auf dem Kreuzesgang zum Ausdruck brachte. Alle erlittenen Ungerechtigkeiten und Folterungen haben also nicht vermocht, Ihn in Seiner Selbstverleugnung zu schwächen, geschweige denn zu erschüttern und Seine Liebe zu Seinen Feinden zu ersticken.

Jesu zweiter Ausspruch

Nachdem der Herr Sein erstes Wort zugunsten all seiner Feinde ausgesprochen hatte, galt nun Sein zweites einem einzelnen Feind.

Dieser war der eine der zwei Verbrecher, die mit gekreuzigt wurden (Mt 27:38; Mk 15:27; Lk 23:32; Joh 19:18). Von beiden Mitgehängten berichtet Mk 15:32b: "Und die mit Ihm gekreuzigt waren, schmähten Ihn." Beide waren also ausgesprochene Feinde Christi. Diese gehörten aber schon lange zuvor zu Seinen Ihn kränkenden Feinden. Denn während der Herr in Seinem Dienst die Sünder zur Umsinnung rief, verübten sie ja todeswürdige Verbrechen. Ihre völlig verdorbene Gesinnung wurde dann während ihrer Hinrichtung offenbar, indem beide den Herrn schmähten.

Doch nun ging bei dem einen eine innere Wandlung vor. Nach Lk 23:39 lästerte nur noch einer de beiden den Herrn mit den Worten: "Bist Du nicht der Christus? Rette Dich Selbst und uns!" Er wusste also um Christus, den Messias Israels, Offenbar war er ein Jude. Doch ungläubig und aus Zweifel und Verzweiflung höhnte er den Herrn. Ihn herausfordernd verlangte er von Ihm als Beweis, Sich Selbst und sie beide zu retten. Die dann so erlangte Freiheit hätte er aber nur weiter für sein Leben in der Sünde benutzt, denn er hatte ja nicht umgesonnen.

Bei dem anderen Verbrecher ging aber eine innere, grundsätzliche Umstellung vor. Wir lesen davon in Lk 23:40-43: "Als Antwort aber schalt ihn der anderweitige und erklärte: 'Nicht einmal du fürchtest Gott, da du doch in demselben Urteil bist! Und wir zwar gerechterweise; denn was die Dinge verdienen, die wir verüben, erhalten wir wieder. Dieser aber verübt nichts Ungehöriges.' Und er sagte zu Jesus: 'Gedenke meiner, Herr, wenn Du kommst in Deinem Königreich.' Und Jesus sagte. zu ihm: 'Wahrlich, dir sage Ich heut: Mit Mir wirst du sein im Paradies.'" Nach diesen Worten kam dieser Verbrecher zur Erkenntnis seiner Sünden und unterstellte sich dem gerechten Gericht seiner Hinrichtung. Damit war bei ihm die Vorbedingung erfüllt, Jesus als den Messias zu erkennen, wie dies auch mit Vers 42 berichtet wird: "Gedenke meiner, wenn Du kommst in Deinem Königreich."

Wie zuvor der Herr schon wärhend der Gerichtsverhandlung von Pilatus und von dessen Frau unschuldig gesprochen worden war (Joh 19:4 und Mt 27:19), so sprach es nun auch der eine der Verbrecher vor aller Welt aus, dass Der in ihrer Mitte unschuldig hingerichtet wurde.

Welch tiefgreifende Umwandlung hatte also dieser Gehängte erfahren. Auch er muss ein Jude gewesen sein, der um die Aufrichtung des Paradieses auf Erden durch den Missas wusste. Für ihn war es keine Frage mehr, ob Der in ihrer Mitte Gehängte der Messias sei. Er hatte Ihn als Diesen erkannt. Wenn wir nach einer weiteren Ursache seiner Umwandlung suchen, so können wir diese aus des Herrn gebet für Seine Feinde ersehen. Dieser Verbrecher war also eine Ihm aus der Menschheit geschenkte Erstlingsfrucht Seiner zuvorigen Bitte um Vergebung. Als Jude kannte er das Gesetz. Sicher wusste er, dass in ihm ganz wenige Aussprüche empfahlen, Mitleid mit seinen feinden zu haben, wie dies 2Mo 23:4; Spr 24:17; Spr 25:21-22 bezeugen. Dies vergebende Gesinnung hatten aber nur ganz aufrichtig Fromme auszuleben vermocht Zu ihnen gehörte der König David, das große Vorbild auf Christus; denn so handelte er an Saul, seinem Feind (1Sam 24 und 26). Dies geschieht übrigens auch heute noch in der Welt, dass Peiniger durch das Gebet der Gequälten zu solcher Umsinnung geführt werden.

einen überaus tiefen Eindruck muss daher des Herrn gebet für Seine feinde auf den Mitgekreuzigten gemacht haben! Da musste doch sein erster Gedanke sein, dass Dieser nichts Schlechtes verübt hatte, sondern die vergebende Gesinnung Davids noch stärker zum Ausdruck brachte. Er muss darin eine so innige Verbindung mit Gott erkannt haben, dass sie ihm. zur Erkenntnis führte: Das ist ja der uns verheißene Messias, Der Sein Königreich auf Erden aufrichten wird. Nur Dieser konnte solche Liebe zu Seinen Feinden haben und in solcher Vollmacht zu Gott für sie beten! Er war dieses Glaubens voll gewiss geworden, so dass er Ihn bat, seiner zu gedenken, wenn Er in Seinem Königreich komme. Und ohne Zögern verhieß ihm der Herr (Lk 23:43), dass er dann mit Ihm im Paradies sein werde. Diese Verheißung gab Er ihm aber nur aufgrund seines eigenen Glaubens; denn am Kreuz verblieb Ihm nur der nackte Glaube, sonst war Ihm ja dort alles genommen. Im Glauben hielt Er demnach standhaft an seiner Gottessohnschaft und sEinem Messias-Auftrag an Israel fest. Der Herr unterstrich auch noch dem Schächer gegenüber Seine Glaubwürdigkeit mit den Worten: "Dir sagen Ich heute" (am Tage Meine Schmach und tiefsten Erniedrigung) usw., was bedeutet: Du hast recht, nicht von deinem Glauben an Mich zu lassen.

Somit haben wir im zum Glauben gekommenen Verbrecher und in der ihm von Herrn erteilten Verheißung eine kostbare Frucht des Einsseins des Vaters mit dem Sohn und Ihres gemeinsamen Zieles: der Aussöhnung.

Wenn auch der andere Verbrecher in seiner Feindschaft und Schmähung verharrte, steht aber auch dieser, nach dem Gericht, unter dem auf alle Gerichte folgenden künftigen Segen des Gebetes des Herrn für alle Seine Feinde.

Jesu dritter Ausspruch

Mit diesem Ausspruch gibt der Herr einen erneuten Beweis dafür, dass Ihn Seine Leiden nicht abhalten konnten, stets von Sich weg nur an andere zu denken. Damit, dass der Herr zuerst Seiner Feinde gedachte und erst nach diesen Seiner Mutter, ruft Er auch uns zur Nachahmung dieser Gesinnung auf. Viel verbreiteter ist aber leider die andere Einstellung, mehr auf die Zukunft der Nächststehenden bedacht zu sein. Fernstehende und vor allem eigene und besonders Feinde Gottes übergibt man dagegen ohne Gewissensnot einer nie endenden Qual im Feuersee. Dieser Christus fremden eigensüchtigen Gesinnung stellt Gott in Seinem Wort die selbstlose Fürbitte Seines Sohnes entgegen. In Seinem schmerzvollen Sterben am Kreuz stand ihm das künftige Los Seiner Feinde im Vordergrund! Erst nachdem Er Sich bei Gott für ihre Errettung im Glauben an die Erfüllung Seiner Bitte verwandt hatte, nahm Er Sich der Eigenen an! Wie traurig ist es deshalb, dass viele Gläubige meinen, Er habe als künftiger Richter grundsätzlich mit dieser Gesinnung gebrochen!

Wenn wir nun in Phil 2:5 lesen: "Denn diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christo Jesu ist ..." , so hat uns doch der Herr am Kreuz. hierzu das hehrste Vorbild gegeben, mit dem Er nun auch unsere Gesinnung zu allen Menschen, welcher Art sie auch seien, prüft. Mögen wir Ihm doch auch hierin Seine Nachahmer werden! Nachdem Er also erst für seine Feinde gebetet und Sich des einen Verbrechers angenommen hatte, galt Seine Fürsorge Seiner Mutter. Als Er Seinen Jünger Johannes bei ihr stehen sah, nahm Er sogleich die Gelegenheit wahr, für ihre Zukunft zu sorgen. Dies tat Er in feiner, unaufdringlicher Weise mit wenigen Worten. Zu der Mutter gewandt sagte Er: "Weib, sieh! Dein Sohn", und zu Johannes: "Siehe! Deine Mutter" (Joh 19:27). Die Ruhe aber, mit der Er auch diese Worte aussprach, bezeugen - wie die zuvorigen Aussprüche - die traute Gemeinschaft des Sohnes mit dem Vater. Wie eindrucksvoll offenbarte Er doch mit Seinen ersten drei Aussprüchen das Herz Seines Vaters!

Als der Vater Seinen Sohn sandte, geschah es zur Aussöhnung der Ihm feindlich gesinnten Welt, zu der auch wir nach Röm 5:9 und Kol 1:21-22 gehörten. Diese Gesinnung lebte der Sohn während Seiner ganzen Erdenzeit aus und dies auch auf dem weg zum Kreuz und am Kreuz selbst. Wie strahlt doch gerade dort Seine tiefste Liebe darin auf, dass Er sie zuerst Seinen feinden zuwandte und diese geradezu auf sie überströmen ließ! Ja, der Herr lebte bis zum Tode am Kreuz so eindrücklich des Vaters Liebeswillen aus, dass auch in Seiner Gesinnung in höchster Todesnot das zu den Jüngern geredete Wort zur vollen Geltung kam: "Wer Mich sieht, der siehet den Vater: (Joh 14:9).

Diese hehre Offenbarung Gottes war aber dem Sohne nur möglich aufgrund innigster Gemeinschaft mit dem Vater. Aus ihr floss Ihm die Kraft. zum sieghaften Überwinden zu.

Jesus vierter Ausspruch

Mit diesen Worten wendet Sich der Sohn wieder zu Gott Selbst. Dies geschah, nachdem Er Ihn bereits mit drei Aussprüchen verherrlicht hatte. Wenn wir jetzt nicht wüssten, was Er mit den nachstehenden Worten zu Ihm geschrieen hat, so würden wir ohne weiteres voraussetzen, dass sich dieses nächste Wort würdig an die vorhergehenden Aussprüche darstellen müsste, der zu Gottes Erquickung und weiteren Verherrlichung dienen würde.

Doch was lasen wir bisher einheitlich, vielfach mit Betrübnis, ja oft sogar mit Entsetzen, weil sprichwörtlich wahrhaft. zum Himmel schreiend? Denn nun steht vor uns nicht nur ein starker Ruf, sondern ein markerschütternder Aufschrei! Rückhaltlos soll der Herr dort vor der ganzen Welt geschrieen haben: "Mein Gott! Mein Gott! Warum hast Du Mich verlassen?"

Als schriller Misston gellt uns dieser schrei völlig unerwartet nach der vollkommenen Harmonie der drei vorangegangenen Aussprüche entgegen. Aber noch mehr! Bestürzung mit bitterer Enttäuschung bemächtigt sich unser ob des Vaters schroffer Abkehr von seinem geliebten Sohn, die Ihn in eine völlige Ausweglosigkeit und Verzweiflung stürzen würde und ihn in Seinem Werk z um Zusammenbruch gebracht hätte! Eine größere Katastrophe in Gottes Erlösungswerk könnten wir uns tatsächlich nicht vorstellen, wie sie Christi Not- und Verzweiflungsschrei zum Ausdruck gebracht hatte! Mit Entsetzen müssten wir fragen, was denn zwischen Vater und Sohn auf einmal vorgefallen sei, dass Er nun so plötzlich vom Vater verlassen werde? Denn aus Seinen bisherigen Aussprüchen, die Er in klarem, ungetrübtem Geist, in tiefem Herzensfrieden gesprochen hatte, war deutlich zu erkennen, dass der Vater bei Ihm gewesen war und ihm uneingeschränkt Seine Gemeinschaft gewährt hat.

Zu dieser Frage stellt sich noch eine weitere schwerwiegende, da Mt in Mt 27:46 berichtet, dass der Herr Seinen Schrei um die neunte Stunde ausstieß. Das war in der letzten Stunde Seiner Leiden. Somit hatte Er bereits fünf volle Stunden Sein Leben und Sein die Sünden tilgendes Blut dahingegeben. Man kann also sagen, dass der Herr um diese Zeit schon den Hauptteil Seines Opfers für die Sünden der Welt dargebracht und Sein großes Werk schon fast vollendet hatte.

Erst jetzt hätte aber der Aussage Gottes in Seinem Wort, Er (Christus) wisse alles, was über Ihn kommen werde (Joh 18:4), die furchtbare Tatsache gegenübergestanden, dass Er doch nicht um alles, und zwar um das Schwerste, die Gottverlassenheit gewusst hätte! Auch das Zeugnis des Sohnes (Joh 10:30):

"Ich und der Vater sind ein",

wäre brutal zunichte geworden; denn mit dem Schrei wäre unverhüllte Uneinigkeit zwischen Vater und Sohn offenbar geworden, ja, sogar Feindschaft des Vaters zum Sohne in Erscheinung getreten!

Nach der bislang und vor allem am Kreuz mit dem Vater verlebten innigen Gemeinschaft müsste der Sohn jetzt ein ganz unvermitteltes Schwinden der Gegenwart seines Vaters "in den letzten Augenblicken Seiner Todesleiden gleich einem Verrat empfunden haben!

Auch müssten wir den Sohn Gottes durch diesen Schrei in einer anderen, völlig umgewandelten inneren Verfassung sehen. Er wäre nun plötzlich nur noch von Sich und Seiner Notlage eingenommen gewesen, nachdem Er bis dahin nur an andere gedacht hatte! Die Verlassenheit vom Vater hätte Ihm einen solchen Schock verursacht, dass Ihm alle Gewissheit Seines einzigartigen Auftrages entschwunden wäre, und Er - ganz von dem zu vollbringenden Erlösungswerk abgezogen - so niedergedrückt gewesen wäre, das Er nur noch auf die vom Vater erflehte Antwort gewartet hätte..., die aber offensichtlich ausblieb! Ja, sollte es denn wirklich so sein, dass Got seinen Sohn während des Vollbringens des göttlichen Rettungswerkes verlassen habe?

Da ist. zunächst zu bedenken, dass dieses Werk nur durch das ununterbrochene Zusammenwirken von Vater und Sohn vollkommen erfüllt werden konnte (Joh 14:10). Er musste ja als "Fürst des Lebens" den unwürdigen Todesweg der in Sünde gefallenen Menschenkinder gehen und Sein Leben und Sein Blut dahingeben, um so die Sünden der Welt zu tilgen. Damit eröffnete Er nach 2Kor 5:19 dem Vater den Weg, die Welt mit sich Selbst zu versöhnen. Für dieses Zusammenwirken von Vater und Sohn heißt es aber nicht, dass Gott nur bei Christus war, sondern die denkbar innigste Gemeinschaft und Vereinigung wird mit den Worten bezeugt: "Gott war in Christo", d.h. Gott identifizierte Sich gleichsam mit Christus und Dessen Werk. Entsprechend des schon angeführten Schriftwortes von Kol 1:19 und 20 wohnte Gott sogar in Christo. Hätte Er nun Seinen Sohn plötzlich verlassen, so wäre Er nicht länger in Christo gewesen und hätte noch weniger in Ihm gewohnt. Gott Selbst hätte das große, gemeinsam mit dem Sohn unternommene Rettungswerk kurz vor seinem Abschluss unterbrochen! Wir müssen hier noch einmal aufs neue be tonen, dass dies unübersehbare Folgen für die Erlösung der Welt gehabt hätte!

Denn wenn Christus mit seiner Darbringung als Sündopfer des Vaters Willen auch vollkommen erfüllt hätte, wäre die Versöhnung und Allaussöhnung dadurch nicht selbstständig verwirklicht worden. Es heißt doch ausdrücklich in 2Kor 5:19: "Gott versöhnte2 und Kol 1:20: "Er hat durch Christus ausgesöhnt das All, und Er hat Frieden gemacht." Ohne das Opfer Seines Sohnes hätte Gott aber diese Heilswerke nicht absolut vollkommen vollbringen können, weil es eben das Hauptstück dieses gemeinsam vom Vater mit dem Sohne unternommenen Werkes bildete! Und umgekehrt wäre Christi Dahingabe ohne die Gegenwart des Vaters ebenso unvollkommen gewesen. Diese Unmöglichkeiten wären eingetreten, wenn der Sohn während Seiner Darbringung einen Notschrei ausgestoßen hätte. Denn im Augenblick, wo Ihn der Vater - nach der menschlichen Überlieferung - verließ, wäre Sein Heilswirken zum Stillstand gekommen, weil Ihn nur das Eine, Negative erfüllt hätte: Warum verlässt Mich Mein Gott?

Die sechs Stunden am Kreuz erforderten aber ununterbrochenes Zusammenwirken des Vaters mit dem Sohn und des Sohnes mit dem Vater, so wie wir es auch im Vorbild der Darbringung Isaaks durch Seinen Vater Abraham sahen.

Wie viel Unheilvolles läge doch in dem vom Sohn geschrieenen "warum"? Man erschrickt schon, wenn der Sohn in unsagbarem Schmerz aufschreit: Mein Gott hat Mich verlassen! Aber das nun aus der Mitte des Schreies aufgellende: "Warum" deckt erst den ganzen abgrundtiefen Jammer des Schreies und seine verheerenden Folgen auf! Aus ihm spricht doch: "Warum hast Du Mich nun doch verlassen, nachdem Du Mir mit zwei Verheißungen versichert hattest, Du werdest das niemals tun? Warum hast Du Mich Deine Abkehr nicht, wie alles andere, zuvor wissen lassen und gibst Mir auch jetzt nicht den Grund dafür an? Warum hast Du unsere bis jetzt bestandene Gemeinschaft im Zusammenwirken so plötzlich und unerwartet unterbrochen, obwohl Ich doch ohne Dich dieses unser gemeinsames Werk nicht mehr weiterführen kann? Warum willst du durch Meine Lahmlegung der Schöpfung nicht ein völlig durchgeführtes und vollkommenes Heil schenken; denn ohne dich ist es Mir unmöglich, weiter daran zu arbeiten?" Und schließlich: "Warum verlässt Du Mich, nachdem Wir bereits fünf Stunden am großen Rettungswerk zusammenwirkten, Wir jetzt vor dessen Vollendung stehen und damit Dein Friedensangebot für Deine Schöpfung so nahe an seine Erfüllung gebracht haben?"

Ja, es wäre nicht zu viel gesagt, dass Christi Schrei einen berechtigten Vorwurf des Sohnes an den Vater enthalten hätte, und zwar solcherart: "Warum gibst Du Mir Anlass, einen Notschrei an Dich. zu richten, durch welchen Menschen und himmlischen Wesen offenbar wird, dass Wir nicht mehr eins sind?" - Und in der Tat, wenn ein Notruf die rechte Wiedergabe von Christi Schrei, so müssten wir, wie dargelegt, in diesem die größte Katastrophe erkennen, die es je gab!

Die letzten drei Aussprüche Jesu

Einleitung

Die vorausgegangenen Betrachtungen zum infrage Stehenden Aufschrei des Herrn werden uns bestimmt alle tief berührt haben. Es kann sich die Frage erheben: Wie müsste es da wohl im Herzen des Herrn Selbst ausgesehen haben? Was mag Ihn innerlich bewegt haben? Er tut es uns Selbst mit Seinen nächsten Aussprüchen kund!

Doch bevor der Herr wieder redete, geschah etwas sehr Bemerkenswertes. Der Geist Gottes trat auf den Plan. Er gibt uns Einblick in Jesu Herz durch Sein die letzten Aussprüche des Herrn einleitendes Einwirken. Denn allein der Geist Gottes konnte so genau und umfassend wissen, was im Herzen des Herrn während des Vollbringens der Aussöhnung vorging. Und nun ist es das wunderbar Große, dass uns der Geist mitteilt, was den Herrn er füllte und bewegte.

Wir müssen uns jetzt wieder auf eine Überraschung gefasst machen. Von dem eben so überaus trüb gez eigten Bild werden wir unvermittelt vor ein unerhört lichtvolles Gemälde gestellt! Der Geist Gottes sagt uns jetzt aufschlussgebend über die Herzensverfassung des Herrn in Seiner letzten Leidensstunde Folgendes aus: "Nach diesem, da Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, auf dass die Schrift vollendet werde..." (Joh 19:28). - Wir fragen hier ganz erstaunt. Nachdem der Herr keine Antwort auf Seine Frage erhalten hatte, woher sollte Er nun plötzlich wissen, dass alles vollbracht war?

Der Herr wusste um Seine gesamte Aufgabe von Anfang Seines Auftretens bis an Sein Ende. Nach Joh 6:64 war Ihm lange im Voraus bekannt, wer die seien, die nicht glauben, und welcher Ihn verraten würde. Johannes schreibt (Joh 18:4), dass Er alles wusste, was über Ihn kommen werde. Dies tat Er den Jüngern kund mit Seinen mehrmaligen, bis in alle Einzelheiten gehenden Leidensverkündigungen. Diese reichten von Seinen Vorleiden über die Kreuzigung bis zu Seiner glorreichen Auferstehung und Rückkehr zum Vater (Joh 13:1; Joh 16:28). Dementsprechend bezeugten Ihm Seine Jünger (V. 30): "Nun wissen wir, dass Du alles weißt...". Zu diesem Wissen gehörte auch, dass Ihm vom Vater alles übergeben wäre (Mt 11:27; Lk 10:22; Joh 3:35; Joh 13:3). Und in Joh 6:39 bekundet Er mit Bestimmtheit, dass Er von dem, was Ihm der Vater übergeben hat, nicht eines verlieren werde. Weiter macht Er in Joh 12:32 die Aussage, dass Er, n ach Seiner Erhöhung aus der Erde, alle zu Sich ziehen werde.

Alle diese Aussprüche lassen erkennen, dass der Herr einen lückenlosen Blick in die Zukunft besaß, und dass dieser bis hin zur Vollendung reichte. Er bezeugt dies mit Seinem Ausspruch in Joh 17:4: "Ich verherrliche Dich auf der Erde, das Werk vollendend, das Du Mir gegeben hast, auf dass Ich es tue." Auch in Joh 4:34 und Joh 5:36 redet Er vom Vollenden der Werke Gottes. Da hier der Herr so bestimmt von dieser Ihm von Gott aufgetragenen Vollendung Seines Werkes redet, ist dies doch der unwiderlegbare Beweis, dass Er tatsächlich das Vollendungsziel Seines Vaters unentwegt im Geist erkannte. Den Kernpunkt dieses Glaubens der Vollendung offenbarte Er später dem Apostel Paulus gemäß Kol 1:20, wo es heißt. ".. durch Ihn auszusöhnen das All mit Sich, Frieden machend durch das Blut Seines Kreuzes". So war Er der erste, welcher die Allaussöhnung glaubte!

Christus wusste also, dass dieses Ziel durch Seinen Kreuzestod und die Dahingabe Seine heiligen Blutes erreicht werde. Ihm waren demnach nicht nur Seine Leiden, Sein Sterben und Auferstehen gegenwärtig, Er glaubte auch an die daraus wachsende Heilsfrucht des bleibenden Segens für das ganze Universum.

Daher vermochte Er der ganzen Entwicklung Seines zu vollbringenden Werkes so zu folgen, dass Er genau wusste, wann es vollbracht war. Das ist doch ein deutlicher Beweis der ungetrübten und unerschütterten, gleichbleibenden Klarheit Seines Geistes während der in schwindender Lebenskraft erlittenen furchtbaren Kreuzesqualen. Auch hier ist die einen Notschrei ablehnende Frage zu erheben: Wenn der Herr einen solchen Schrei ausgestoßen hätte, ohne Antwort vom Vater zu erhalten, wie hätte Er dann wissen können, dass alles vollbracht war?

In unserer bisherigen Betrachtung der ersten Aussprüche Jesu am Kreuz standen wir bereits vor zwei grundverschiedenen geistlichen Einstellungen des Herrn. Während die drei ersten uns eine erquickende Schau boten, offenbarte uns der vierte eine (vermeintlich) abgrundtiefe, überaus schmerzliche und betrüblich. Demzufolge wäre also vorauszusetzen gewesen, dass die folgenden drei letzten Aussprüche im Sinne und unter dem Eindruck des vorausgegangenen vierten ausfallen würden, d.h. uns den Herrn auch weiter in Seiner verzweifelten Lage zeigen würden. Zu unserem Erstaunen stehen wir jetzt wieder vor einem vollkommen erquickenden, ja glaubensstärkenden Erlebnis!

Bemerkenswert ist zunächst, dass der vierte, uns so bewegende Ausspruch in der Mitte der von Jesus am Kreuz gesprochenen sieben Worte steht. Er würde demnach als Not- und Jammerschrei einen überaus misstönenden, uns enttäuschenden Mittelpunkt der gesamten Kreuzes-Aussprüche bilden, durch den der Abschluss des Leidenswegs Jesu beschattet würde. Wider alles Erwarten erhalten wir aber jetzt einen ganz erhebenden, lichtvollen Ausblick, und zwar durch das, was der Herr nach der gelesenen Offenbarung des Geistes wusste und nun Selbst aussprach. Es war Sein Werk, das Er nun als vollbracht erkannte. Welch ein wunderbares Bild der Vollendung muss demnach in des Herrn Geist erstanden sein!

Bezeichnend ist nun, was Er als erste Frucht Seines Werkes wahrnahm: Ihm ging über alles: "... auf das die (Seines Gottes) Schrift vollendet werde" (Joh 19:28). Mit diesem Wort lehrt uns der Sohn die Erfüllungen der göttlichen Verheißungen richtig einzuschätzen, und zwar als das Höchste, was es gibt! Schon während Seines Erdenlebens ging Ihm über alles: "... auf dass die Schrift erfüllt werde" (Joh 15:25; Joh 17:12; Joh 18:9). Denn Er wusste: Jede Erfüllung des Wortes Gottes dient zur Verherrlichung Seines Vaters!

Oh, dass man doch in Seiner Herausgerufenen dem Herrn darin noch treuer und vollkommen folgen möchte! Paulus sagt hierzu ein wichtiges Wort (2Kor 1:18-20): "... Treu aber ist Gott, dass unser Wort (Pauli Briefe) an euch nicht ist Ja und Nein..., sonder es ist Ja in Ihm geworden. Denn so viele Verheißungen Gottes als da sind, die sind Ja in Ihm." Aber welche ein echo bekommt Gott gerade auf seine Verheißungen über die Vollendung aus Seiner Herausgerufenen zu hören? Einen unharmonischen, wirrstimmigen Chor, aus dem dazu noch überwiegend das "Nein" heraus klingt!

Nun isit auch zu beachten, dass Johannes mit dem Satz: "Nachdem er Wusste, dass schon alles vollbracht war" (Joh 19:28), nicht fortfuhr: "... auf dass die Schrift erfüllt...", sondern: "vollendet werde." Das Urtextwort für "erfüllen" heißt "pleroo" und bedeutet, dass einer unfertigen Sache das noch Fehlende hinzugefügt und diese damit vervollständigt wird. In dem Ausdruck "vollenden"" = "teleioo" liegt nun nicht der Sinn von "beendigen", sondern eine Sache "vollkommen machen" Wie nach Hebr 2:10 und Hebr 5:8-9 Christus durch Leiden vollkommen gemacht wurde, so wurde durch Sein Leiden auch das Wort vom Kreuz vollkommen gemacht.

Ferner offenbart uns Johannes, wann der Herr erkannte, dass Sein Werk vollendet war. Dies geschieht mit den zwei Eingangsworten von Joh 19:28: "Nach diesem..." Aus der Wortfolge und dem Bericht von Mt 27:46-48 ist ersichtlich, dass sich "nach diesem" auf Christi vorhergehenden Schrei als das nächstliegende Ereignis bezog und damit unbedingt noch in die Zeit des Schreies hineinragte, also mit ihm verbunden und sogar dessen Ursache war. Wir werden das in den nachfolgenden Ausführungen über den rechten Wortlaut des Schreies noch deutlich herausstellen.

Hier steht wieder die gewichtige Frage vor uns: Wenn doch der Herr zur Zeit des Notschreies schon wusste, dass Sein werk vollbracht war, wie konnte Ihn gerade in dieser Zeit der Vater verlassen haben, so dass Sein Sohn aus tiefer innerer Not zu Ihm nach Antwort schreien musst? Wenn dem tatsächlich so wäre, so befänden wir uns in einem Labyrinth von Irrgängen, aus dem es kein en Ausgang gäbe! Des Herrn letzte Leidensstunde wäre von schroffsten Gegensätzen gekennzeichnet: Einerseits hätte uns die Schrift den Vollsieg Christi bezeugt, andererseits jedoch müssten wir den Sieger von Golgatha als "Einen von Gott Verlassen" und deshalb kraftlos Zusammengebrochenen sehen. der außerstande gewesen wäre, Sein großes Werk zur Vollendung zu führen.

Durch einen solchen Riss in der Gemeinschaft zwischen Vater und Sohn würde Gottes Erlösungswerk jählings unterbrochen worden sein. Aber Gott sei Dank, dass dies alles nicht zutrifft! Denn gerade der kurze Zeitabschnitt dieses Geschehens enthält das Herzstück des göttlichen Heilsplanes, wie dies im Folgenden erklärt wird.

Jesu letzte Aussprüche

Jesu nächstfolgender Ausspruch lautet kurz: "Mich dürstet!" (Joh 19:28). Gewiss war schon zuvor Sein gemarterter Körper von brennendem Durst erfüllt. Doch war Er von Seinem Werk der Aussöhnung derart durchdrungen, dass in Ihm ein seelisches Verlagen gar nicht aufkommen konnte. Erst als Er Sein Werk ans Ziel gebracht sah, konnte sich dieses brennende Bedürfnis bei Ihm durchsetzen.

Aus allen Worten, die der Herr bis dahin am Kreuz ausgesprochen hatte, strahlte demnach die Herrlichkeit Seiner Gottessohnschaft, und keines derselben hatte eine Äußerung über die Ihn ohne Unterlass quälenden, fürchterlichen körperlichen Schmerzen enthalten! Nun tat Er aber einen Ausspruch, den fünften, der Ihn als den leidenden Menschensohn offenbar machte, mit den zwei Worten: "Mich dürstet!" Hier sehen wir Ihn, den Gottessohn, auch als den Menschensohn, der unsäglich litt, wie jeder andere Gekreuzigte.

Mit diesem Ausspruch fand das Psalmwort (Ps 22:15) seine Erfüllung. In diesem Psalm sind Christi Qualen des Durstes, die als die schwersten aller körperlichen Leiden gelten, ergreifend geweissagt: "Mein Kraft ist vertrocknet wie ein Scherben, und Meine Zunge klebt an Meinem Gaumen; und in den Staub des Todes legst Du Mich."

Zu dieser Weissagung gibt es noch andere. Jede fand auf Golgatha ihre Erfüllung, und somit gehören alle unter den Ausspruch: "... auf dass die Schrift vollendet werde."

Als Er dann den Ihm in einem Schwamm dargereichten Essig genommen hatte, was in Ps 69:21 prophezeit war, ließ er das nächst Wort, den Siegesruf erschallen (Joh 19:30): "Es ist vollbracht!" Schon zuvor wusste Er, dass alles vollbracht war, aber nun rief Er Seinen so schwer erkämpften Sieg öffentlich aus. Damit war das von Ihm zu vollbringende Werk, für welches Gott Ihn "übriggelassen", zum Ziel gekommen.

Von des Herrn Ausspruch: "Es ist vollbracht", können wir nicht groß genug denken, um seinen ganzen gewaltigen Heilsinhalt im Glauben aufzunehmen; umfasst doch dieser die Erfüllung von Gottes Liebeswillen, der das gesamt All umschließt! Allgemein. wird von den Gläubigen das "Es ist vollbracht" als ein Siegesruf gewertet. Doch muss leider festgestellt werden, dass in vielen Fällen an der das ganze All umfassenden Erfüllung dieser Proklamation des Herrn Ihn tief verunehrende Abstriche gemacht werden. Der Siegesruf wird ohne logische Verbindung mit Gottes untrüglichem Wort beurteilt! Dazu erkannten aber wir alle nicht oder nur teilweise den schroffen Gegensatz, ja die unüberbrückbare Kluft, die zwischen beiden Ausrufen durch den Frageschrei aufgeworfen wurde. Tatsächlich können beide unmöglich nebeneinander bestehen. Entweder hebt der Notschrei das "Vollbracht" auf, oder das "Vollbracht" den Notschrei, und letzteres ist das Zutreffende.

Würde aber tatsächlich Christi vierter Ausruf als frage- und Notschrei bestehen, so ständen wir auch mit Christi letzten Ausspruch zum dritten Mal vor einem unlösbaren Problem. Dieser letzte, der siebente lautet: "Vater in Deine Hände befehle Ich Meinen Geist" (Lk 23:46). Wie hätte Er so zuversichtlich Seinen geist in die Hände des von Ihm abgewandten Vaters legen können?, so müssen wir uns fragen!

Wie in Seinem ersten Ausspruch, so hören wir auch in diesem letzten das von inniger Gemeinschaft mit Gott zeugende Wort "Vater". Auch dieser Ausspruch lässt nicht im Geringsten darauf schließen, dass sich zuvor der so schwere Zwischenfall ereignete, zufolge dem Gott Seinem Sohn ohne Grundangabe verlassen hätte. Vom Anfang bis zum Schluss der Leidensstunden des Herrn am Kreuz steht also alles Geschehen dagegen, dass Christus einen frage- und Notschrei ausstieß!

Erklärung von "Schreien"

Nachdem wir aufgrund von Gottes Wort die Unmöglichkeit eines Notschreies darlegten und zeigten, dass Christus im Gegenteil dem Vater einen Lobpreis darbrachte, bleibt uns n och ein Problem zu lösen. Dieses stellt sich mit dem Wort "schreien".

Zuerst wollen wir auf eine kleine Verschiedenheit zwischen den Aussagen der beiden Apostel hinweisen. In Mt 27:46a lesen wir: "Um die neunte Stunde aber schrie Jesus auf mit lauter Stimme und sagte: .." Bei Markus (Mk 15:34) fehlt das "auf". Es heißt nur: "Und um die neunte Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme und sagte:..."

Diesen Unterschied erwähnt die KW, und zwar für Mt 27:46 unter "aufschreien" = "anaboao" (Seite 378) und für Mk 15:34 unter "schreien" = "boao" (Seite 567). Dazu wird vermerkt: Mehr im Sinne von Hilfe oder Beistand fordern und vergelichen mit helfen (Sk 480). Dieses Wort heißt im Griechischen "boetheo". Daher ist angezeigt, dass im Ausdruck "Boao" der Sinn von Helfen liegt.

Mit diesen Anmerkungen wird Christi Schrei als ein zu Gott gesandter Hilferuf erklärt. Vergleichen wir aber die stellen, wo dies beiden griechischen Wörter vorkommen, so ist dies für beide Wörter nicht in jedem Fall ein Hilferuf. So lesen wir in Mk 15:8: "Und aufschreiend (anaboao) fängt die Schar an zu fordern (den Barabbas)." Das ist schon kein ausgesprochener Hilferuf mehr.

Noch eine stärkere Abweichung finden wir in der Rubrik "schreien = boao", in welcher der Schrei von Mk 15:34 angegeben ist. Dort wird dieses griechische Wort auch mit "Rufer" wiedergegeben, und zwar auf Johannes den Täufer angewandt (Mk 3:3; Mk 1:3; Lk 3:4, Joh 1:23). Johannes heroldete, rief aber nicht. um Hilfe, sondern half im Gegenteil mit seinem Heroldsruf dem Herrn den weg bereiten, Ihm damit Hilfe und Beistand leistend.

Wenn nun die beiden griechischen Ausdrücke auch nicht in jedem Fall für Hilferufe angewandt werden, so dürfen wir trotzdem das "Hinauf-Hilfe-Rufen" im Schrei Christi nicht ausschalten, weil eben doch in "anaboao" dieser Sinn liegt. Wir können aber deshalb Christi Schrei nicht mit Sicherheit als Not- und Frageschrei festlegen. Das verbieten uns die daraus entstehenden Unheil-Folgen in Gottes Heilsratschluss sowie die rechte Übersetzung des Schreies, die wir mit der Schrift herausstellen werden. Hier stellt sich das Problem, wie wir diesen beiden Gedanken ger acht werden, bzw. sie harmonisch nebeneinander bestehen lassen. Im Folgenden ein Lösung zur Erwägung.

Jeder Gläubige, der sich in irgend einer wirklich schweren Not übte, Gott dafür nach Seinem Wort (Eph 5:20; Phil 4:6; 1Thes 5:17) zu danken, also zu lobpreisen, konnte feststellen, dass in diesem Lobpreis, unbeabsichtigt, die leidende Seele nach Hilfe verlangte. Nun hing Jesus nicht nur als der Gottessohn am Kreuz, sondern auch als Menschensohn. Dass eR als solcher wie ein Mensch in Leiden fühlte und litt, zeigte sich im Garten Gethsemane. Nach Mk 14:33-34 wurde Er voll Grauens und niedergedrückt, und tief betrübt war Seine Seele bis zum tod.

Dort wird Sein Doppelwesen offenbar. Als Mensch im seelischen Selbsterhaltungstrieb bat Er: "!Abba, Vater, alles ist Dir möglich. Wegtragen lass diesen Becher von Mir". Doch als der gehorsame Sohn Gottes fügte Er in der Kraft Seines Geistes sofort hinzu: "Jedoch, nicht was Ich will, sondern was Du willst" (Mk 14:36). So wird es auch am Kreuz gewesen sein. Als der Sohn Gottes brachte Er Seinem Gott einen Lobpreis dar; aber diesem Gehorsam untergeordnet, mag Seine schon zuvor bis zum Tode be trübte Seele unwilkürlich nach Hilfe aus diesen schrecklichen Todesnöten verlangt haben. Auf diese Weise kann Lobpreis und "Hinauf-Hilfe-Rufen" zusammen bestehen, ohne dass das eine das andere aufhebt. Denn nach Hebr 4:15 war Er in allem nach unserer Gleichheit auf die Probe gestellt, also auch in denselben seelischen Empfindungen in Leiden. Weil Er aber diese in der Kraft Seines Geistes vollkommen überwand, stellt die Seinen Sieg nur noch größer hin!

Mit dieser doppelten Auswirkung Seines schweren Kampfes hat der Herr vorbildlich Phil 4:6 ausgeführt: "... in allem lasset eure Bitten im Gebet und Flehen mit Danksagung bekannt werden vor Gott..." Das Flehen entrang sich Seiner im Übermaß leidenden Seele. Doch weit darüber hinaus brachte Er Gott als Danksagung und Frucht Seines Geistes Seinen Ihn erquickenden herrlichsten Lobpreis Dar!

Ergänzend ist noch zu bemerken, dass im griechischen Text für den zweiten Schrei des Herrn, mit dem Er Seinen geist entließ (Mt 27:50) und aushauchte (Mk 15:37), "krazo" steht, das diesen Schrei nur als "lauten Ruf" bezeichnet.

Die Unheilfolgen

"Wenn wir jetzt, vor Abschluss des ersten Teiles nochmals alle aus einem Notschrei Christi sich ergebenden Unheilfolgen überblicken, so bietet sich uns das ganze Geschehen als das größte Trauerspiel in Gottes Heilsplan dar. Wir können in der Tat nun nicht mehr Lücken und Einzelschäden im göttlichen Erlösungswerk sehen, nein, sein völliger Zusammenbruch stünde vor uns! Dieses erschreckend traurige Gesamtergebnis wollen wir nochmals näher herausstellen und begründen.

Unsere Ausführungen fußen auf der furchtbaren Tatsache, dass Christi Schrei in seiner geläufigen Form Christus als ein makelhaftes Opferlamm darstellt: Sein gehorsam wäre unvollkommen und dadurch seine Übererhöhung unmöglich geworden. Gottes Gerechtigkeit wäre nicht Genugtuung geschehen, und ohne diese wäre Gottes Liebe außerstande gewesen, alles zu tragen. Denn der Herr hätte nicht im Glauben beharrt. Er wäre von ihm zurückgewichen!

Damit wäre aber unsere Rechtfertigung unmöglich gemacht und unser Zutritt zum Vater verschlossen geblieben. Das Erlösungswerk der Errettung und Aussöhnung und die mit ihm verbundene Verherrlichung Gottes und Seines Sohnes wären schließlich nicht erreicht, bzw. "vollbracht" worden. Sie hätten deshalb auch seither nicht verkündigt werden dürfen! Zählen wir diese Reihe der Unheilfolgen zusammen, so ergibt sich das Gesamtergebnis des völligen Zusammenbruchs des dem Sohne von Gott aufgetragenen Rettungswerkes.

Im Blick auf Gott, Dessen Tun nach 5Mo 32:4 vollkommen ist, müssten wir nicht nur sagen, dass durch einen Notschrei Christi am großen Werk der Aussöhnung des Alls ein Teil fehlen würde, sondern dass diesem das Fundament zerstört worden wäre! Hier gibt es nur ein "Entweder-Oder". Entweder ist das Werk vollkommen oder es fällt in sich zusammen, und zwar schon dann, wenn es nur die geringste Lücke aufweist. Dies wäre aber unwiderruflich das erschreckende Ergebnis, wenn der eingeführte Wortlaut des Schreies Christi der wahre wäre. Die Welt bliebe unversöhnt, ohne dass Gott Frieden mit ihr hätte machen können. Der weitere Verrlauf wäre der, dass Gott für immer zürnen müsste, wodurch Seine abgefallene, unversöhnte Schöpfung für immer im Gericht bliebe. Das wäre dann in der Tat eine von der Schrift beglaubigte ewige Verdammnis, in die selbst die Gläubigen mit hinein gezogen würden!

Entspräche demnach der von Gott in Verlassenheit gestoßene Sohn der Wahrheit, so gäbe es tatsächlich mit dem Notschrei einen göttlichen Ausspruch, von dem man die schreckliche Lehre von einer endlosen Qual aller Geschöpfe ableiten könnte. Leider tut man aber das mit Schriftstellen, welche, wenn sie treu nach dem Urtext übersetzt werden, das gar nicht lehren.

Merkwürdigerweise sah man dabei nicht einmal, dass der falsche Schrei Christi, als einziges Seiner Worte, die Möglichkeit der Ableitung dieser wahrhaft teuflischen Lehre jahrhundertelang offen ließ! Damit ist im voraus ein besonders großer Segen durch die rechte Übersetzung des Schreies Christi angezeigt.

Jetzt sind wir zum zweiten Teil unserer Abhandlung gekommen. In diesem wird ausführlich erläutert, wie Christi Schrei in Wahrheit lautet, und wie uns der Herr diese Erkenntnis schenkte.

Lies weiter:
6. Unerlässliche Richtlinien