Das Eindringen des Bösen

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Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort“ (Jahrgang 1923-25)
Begründet von Professor E. F. Ströter

Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.

Siehe weitere Abschriften

Das erste Buch Mose

von: Prof. E. F. Ströter
Inhaltsangabe: 1Mo 1-50

2. Das Eindringen des Bösen

Drittes Kapitel

Ein guter Teil dieses Kapitels handelt von der Schlange, die „listiger war, denn alle Tiere auf dem Felde“. Ob sie zu den Tieren zu rechnen ist, die vor den Herrscher der neuen Schöpfung gebracht worden sind, oder zu den Geschöpfen, die von früher her vorhanden waren?

Wenn man heute Skelette ausgestorbener Tierklassen sieht, z.B. die der riesenhaften Saurier, so bekommt man den Eindruck, dass es Ungeheuer gegeben haben muss, die schon vor dem sechsten Tagewerke da gewesen sind; denn ihre Überreste reichen in Schichten, in denen es keine Menschengebeine gibt.

Der Schluss liegt also nahe, dass es sich bei ihnen um Überbleibsel aus früheren Zeiträumen handelt, und dass zu diesen auch die Schlange gehört. Zu viel Gewicht wollen wir ja nicht darauf legen, obwohl eine solche Annahme nicht ohne Begründung zu sein scheint. Gehörte sie der Neuschöpfung an, so würde sich die schwerwiegende Frage erheben: wie konnte Satan sich ohne weiteres in den Besitz eines ganz unschuldigen und der Neuschöpfung angehörenden Tieres setzen?

Jedenfalls liegen ganz eigenartige Beziehungen vor uns. In Satan tritt uns ein Wesen höchster Gattung, ein Engelfürst, wenn auch ein gefallener, entgegen, dem in der Schrift eine Rücksicht gezollt ist, die uns in Erstaunen setzt.

So darf der Erzengel Michael über ihn kein Urteil fällen, sondern nur sagen: „Der Herr strafe dich!“ (Jud 1:9). Dieses Wesen muss zu den höchsten Herrschaften, Throninhabern in der Engelwelt gehört haben, ehe es Menschen gab, wenn es seitdem auch furchtbare Einbuße erlitten hat.

Aus allem, was wir aus der Schrift über Satan wissen, leuchtet eine großartige Begabung und Veranlagung hervor. Unter allen Umständen aber bleibt das Rätsel ein sehr tiefes, wie ein solches Wesen sich in den Besitz eines andern, aus der Erde geschaffenen Wesens setzen, und wie dieses in die Gewalt und Herrschaft jenes gefallenen Engelfürsten geraten konnte. Die Schrift lässt uns im Unklaren über diese Tatsache.

Gleich hier am Anfang sehen wir, dass die Schrift die Möglichkeit kennt, dass höchste Geistwesen sich in den Besitz einer Leiblichkeit setzen können. Damit begegnet uns der erste Fall von Besessenheit, wenn es sich auch nicht um einen Menschen, sondern um ein unter dem Menschen stehendes Geschöpf handelt.

Aus dem Bericht Mt 8:28-34 über den Besessenen, bei dem die Geister so massenhaft den einen Körper in Besitz genommen hatten, ersehen wir, dass die Geister es vorziehen, in eine Herde Säue zu fahren, Mt 8:31, als leiblos herumirren zu müssen.

Wir stellen diese Tatsachen nebeneinander und entnehmen daraus, dass bei diesen entsetzlich tief gefallenen Wesen nicht nur die Möglichkeit offen ist, sich in den Besitz anderer Wesen zu setzen, sondern dass sogar ein sehr starkes Verlangen danach vorhanden zu sein scheint, sonst wäre doch das Begehren, in eine Schweineherde zu fahren, unverständlich. Das ganze unheimliche Andringen, Anstürmen dieser gefallenen Geistwesen, sich auf irgendeine Weise zu verleiblichen, lässt den Schluss zu, dass sie durch den Sturz in einer für sie höchst schmerzlichen Weise entkörpert worden sind. Ihr Verständnis für den Wert der Leiblichkeit, ihre starke Neigung zur Verleiblichung wäre unerklärlich, wenn sie nicht von Haus aus im Besitz einer, wenngleich noch so feinen Leiblichkeit gewesen wären.

Es geht ihnen da ähnlich wie uns, wenn wir unsere Leiblichkeit verlassen werden; jedoch wir legen diese Hülle nur für eine Zeitlang ab, unser Entkleidetsein ist nur von kurzer Dauer.

Ihr Verständnis und ihre Neigung für die Leiblichkeit kann nicht aus der Schöpfung des Menschen und der Bildung seines Leibes, sondern nur daher kommen, dass sie vor dem eine Leiblichkeit gehabt haben müssen. Der Herr sagt zwar von den Söhnen der Auferstehung: „Sie werden weder freien noch sich freien lassen, sondern sie sind gleich wie die Engel Gottes im Himmel“ (Mt 22:30). Das bedeutet aber nicht das Aufhören der Leiblichkeit, sondern nur das Aufhören der geschlechtlichen Beziehungen. Wenn sie nun den Engeln gleich sind, so müssen auch diese eine Leiblichkeit haben, und die später gefallenen Engel haben vor dem Fall sicher keine Ausnahme gemacht. Die Engel kennen also Leiblichkeit.

Ein Beispiel einer Leiblichkeit feinster Art würden wir z.B. im Kometen haben, dessen Schweif, durch den man andere Himmelskörper durchleuchten sieht, in der Hauptsache stofflicher Art ist.

Man glaubt ja, unsere Erde sei ursprünglich ein feuer- oder gasförmiger Körper gewesen, der sich nach und nach verdichtet und eine Kruste erhalten habe. Diese Ansicht mag wohl richtig sein. Denken wir uns die Engel mit gasförmigen Körpern und dem Vermögen, diese zu verdichten und sichtbar zu machen, so können wir uns vorstellen, dass es Engelwesen gäbe, die ebenso leicht in der Sonne leben könnten, wie wir auf der Erde, für deren Dasein es nichts ausmachen würde, auch Tausende von Graden zu ertragen, und die sich dabei so wohl fühlen, wie wir bei 14 Grad. Wir weisen darauf hin, dass Asbest nicht brennt.

Die Schrift zeigt nun aber, dass die Engel einen Körper haben, der sich verdichten, sichtbar, hörbar, fühlbar machen kann. So schlägt der Engel von Apg 12:7 dem Petrus an die Seite. Das Vermögen dazu ist ihnen ganz gewiss nicht abzusprechen.

Die Versuchungsgeschichte ist von grundlegender Bedeutung für Erkenntnis und Glauben. Diese Bedeutung kennen zu lernen und das Licht, das von da aus auf das Entstehen der Sünde in der Menschheit fällt, ist von ganz unschätzbarem Werte für uns. Man sieht auch hier, wie wichtig der organische Zusammenhang der Schrift ist, und wie unerlässlich es ist für jeden, der in der Wahrheit Gottes gründlich hinein will, dass er ja nicht vorübergehen und vernachlässigen soll, ein eingehendes Studium gerade dieser Urunterweisungen, die wir hier bekommen. Denn allein von einer von Grund aus richtigen Erkenntnis von Entstehung, Art und Wesen der Sünde in der Menschheit aus ist ein richtiges Verständnis auch der Erlösung möglich. Hier enthüllt uns das Wort Gottes die allerersten Keime, Ansätze des Bösen in der Menschheit.

Der Angriff des Feindes

Der Angriff des Feindes ist ein Angriff auf die Stellung des Menschen zum Worte Gottes. Das allererste Wort, das die Schlange an das Weib richtet, ist: „Sollte Gott gesagt haben?“ Es ist höchst bedeutungsvoll für uns, zu erfassen, dass der Hauptangriff des Feindes zuerst und vor allem darauf hinausläuft, dem Menschen das Wort Gottes fraglich zu machen. So wie ihm das gelang, war der nächste Schritt leicht, die Übertretung schon gegeben.

Wir ersehen daraus klar, dass die einzige Sicherheit eines Menschen Gottes darin besteht, im Worte der Wahrheit zu bleiben. Der Feind will in erster Linie nicht den Menschen in Schlechtigkeit, Elend, Not oder Übertretung bringen; das kommt erst in zweiter Linie. Er war seiner Sache ganz sicher: dahin würde er ihn ohne Schwierigkeiten bringen, wenn es ihm nur erst gelänge, den Menschen zu bewegen, sich auch nur auf eine geringe Abweichung vom Worte einzulassen.

Darauf ging also von Anfang an sein ganzes Bestreben hin, ein Fragezeichen hinter ein deutlich ausgesprochenes Wort Gottes zu setzen: „Sollte Gott gesagt haben?“

In 1Mo 3:2.3 spricht das Weib die Wahrheit, aber sie erlaubt sich eine ganz kleine Übertreibung der göttlichen Wahrheit, die auf den ersten Blick nicht so gefährlich aussieht. Sie setzt etwas hinzu zu dem, was sie ganz richtig verstanden hat und richtig wiedergibt.

In dem Verbot war nichts gesagt davon, dass sie „nicht anrühren“ sollten. Das ist eine ganz kleine Steigerung und Verschärfung, die sie sich erlaubt. Auch das ist von tiefer psychologischer Bedeutung. Es ist eine heute noch zu beobachtende Erscheinung, dass wir Menschen geneigt sind, uns solche anscheinend harmlose und durchaus mit dem Worte Gottes übereinstimmende Übertreibungen zu gestatten. Das ist uns geblieben bis auf diesen Tag. Es ist schmerzlich zu beobachten, wie liebe Gottesmänner in tiefe Verirrung geraten, indem sie sich ganz kleine Hervorhebungen, Verschärfungen, einseitige Betonungen gewisser Linien der göttlichen Wahrheit, die anscheinend durchaus auf der Übereinstimmung mit dem Worte Gottes beruhen, erlauben, ohne dass man sagen könnte, es sei ein Bruch mit der Wahrheit.

Das „ihr sollt es nicht anrühren“, ist ganz zu vereinbaren mit dem: „ihr sollt es nicht essen“. Aber es ist eine nicht keusche Behandlung des Wortes Gottes, wenn sie auch durchaus verschieden ist von einem bewussten Verneinen.

Das Weib stellt nichts in Abrede. Es betont deutlich und bestimmt: „Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten; aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: „Esset nicht davon“. Das ist ganz auf den Linien dessen, was sie aus dem Munde Jehovas, ihres Gottes, vernommen haben. Denn das Weib war doch wohl dabei, als Gott ihnen das Gebot gegeben hat.

Aus dem zweiten Teil der Antwort geht klar hervor, dass das Verbot, von der Frucht des Baumes der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen, nicht eher gegeben wurde als nach der Erschaffung des Weibes. Auf jeden Fall hat sie eine klare Erkenntnis von dem Inhalt und der Bedeutung des Verbotes gehabt, sonst hätte sie nicht so viel sagen können, wie sie getan.

Darin liegt das Gefährliche, dass das Weib zwar bei der Wahrheit bleibt, aber doch nicht ganz, so dass der Feind eine Handhabe gewinnt zur Verfolgung seines weiteren Ziels. Es gelang ihm nunmehr ohne Schwierigkeit, mit dem Weibe fertig zu werden.

Die List Satans

Vergessen wir nicht, dass auch nur die geringste Abweichung von der Wahrheit, sei es eine kleine Übertretung, sei es eine kleine Hervorhebung einer Wahrheit, unsere Stellung schwächt und uns in die Gefahr bringt, in die Gewalt Satans zu geraten. Dahin kam es bei dem Weibe, und da wurde sie sehr leicht überwältigt von dem Ferneren, mit dem die Schlange herauskommt.

Nun darf der Feind sich erlauben, geradewegs dem Worte Gottes zu widersprechen, in frechster Weise die Wahrheit als Lüge hinzustellen (1Mo 3:4): „Ihr werdet mitnichten des Todes sterben“. Ja, er geht 1Mo 3:5 noch weiter, indem er eine offenkundige Anschuldigung Gottes, des Neides gegen die Geschöpfe, hervorbringt.

Es ist ein höchst bemerkenswerter Zug, dass in der heidnischen Göttersage selbst bei den so hoch gebildeten Griechen der Neid der Götter eine so hervorragende Rolle spielt. Wir sehen wieder, welchen Ursprungs das ist: es ist satanisch. Wir wollen es ehrlich eingestehen, dass es dem Feinde nur zu wohl gelungen ist, diesen finstern Argwohn gegen Gott tief in das Menschenherz hinein zu senken.

Es ist einer der Schäden, an dem Kinder Gottes noch lange, lange nach ihrer Bekehrung kranken, und bei dem wir uns, nachdem wir jahrzehntelang die Liebe, Treue und Freundlichkeit unseres Gottes erfahren haben, immer wieder einmal ertappen, indem wir Ihm Arges zutrauen. Wir finden in uns den tiefen Argwohn gegen Gott, als ob, was Er tut, doch nicht aus lauter Liebe geboren sei. Wer von uns ist daran unschuldig? Dieses furchtbare Misstrauen ist das Kanälchen, durch das Satan Gift in uns hineinsenken kann, so wie man durch ein kleines Löchlein Morphium in den Körper sendet und damit das ganze Blut vergiftet.

Satan bringt dem Weibe den Gedanken bei: Die Wirkung des Essens von der Frucht dieses Baumes wird sein, dass ihr werdet wie Gott. Das aber will Er euch vorenthalten, weil Er es euch nicht gönnt. Wir können uns einigermaßen vorstellen, wenn auch nicht in aller Tiefe und Klarheit, welches Echo dieser Gedanke in dem Herzen eines Geschöpfes gefunden haben muss, in dem die denkbar höchste Veranlagung war gerade auf dieser Linie, Gott gleich zu werden. Mit großer List bewegt sich Satan genau auf dieser Linie und er macht es dem Weibe begreiflich, dass diese angestammte Veranlagung befriedigt werden würde, wenn sie nur ihm, und seiner Weisung folgen würde; er könne ihr den geraden Weg dahin zeigen, während Gott Neid und Missgunst es ihnen vorenthalten wolle.

1Mo 3:4 ist eine Leugnung: „Ihr werdet nicht sterben.“ In 1Mo 3:5 aber liegt ein großartiger Wahrheitszug, bei dem Satan sich in Übereinstimmung mit den göttlichen Gedanken auf durchaus göttlichen Linien bewegt. Das ist von höchster Bedeutung. Er hat in allen diesen Dingen sein Verfahren, seine Angriffsweise auf die Kinder Gottes nicht geändert. Er konnte sie auch nicht ändern; denn er musste gleich am Anfang die besten Waffen hervorholen, die ihm zur Verfügung standen.

Der Feind macht einen äußerst geschickten Gebrauch von einem großartigen Wahrheitsmoment. Denn der Mensch war veranlagt zur Gottesebenbildlichkeit (1Mo 1:26). Da decken die Züge Satans sich mit den Zügen Gottes. Nur der Weg dahin war verschieden. Auch daran ist kein Zweifel, dass der Mensch Gott gleich zur Erkenntnis von Gut und Böse gelangen sollte, jedoch nur so, wie Gott es kennt, ohne dass das Böse ein Teil seines Wesens geworden wäre, so dass nicht er selbst böse geworden wäre.

Das satanische Verfahren besteht also nicht darin, die Wahrheit zu leugnen, sondern sie liegen zu lassen, und nur dem Menschen beizubringen: ich führe euch einen anderen, sicheren Weg. Das ist bis auf den heutigen Tag seine Weise geblieben, wie wir es um uns her beobachten können.

Es wäre eine der größten Täuschungen, zu denken, dass nur bei grobem, argem Unglauben, und bei Verneinung der Gottheit und der Erlösung Christi, Satan sein Wesen enthülle. Wohl versteht er auch das; doch nur zu einem Teil können wir ihn danach abwägen und schätzen. Nein, er bewegt sich noch heute auf der Linie der Wahrheit mit derselben Geschicklichkeit wie damals; und wie versteht er es, neben der Verneinung mancher Wahrheit große Wahrheiten groß hinzustellen und uns zuzuraunen: ich führe euch hinein. Mit einer Jahrtausende langen Erfahrung am menschlichen Leben weiß er sie auszubieten nach seiner Art, und er hat es darin zu einer durchtriebenen Geschicklichkeit gebracht.

Die Grundzüge aber sind nicht andere geworden. Wer sie erfasst, ist darin schon gewappnet. Er wird bestätigt finden, dass im grunde genommen Satan kein neues Verfahren gelernt hat, dass er aber sein geschicktes Verfahren in äußerst gesteigerter und verfeinerter Art anzuwenden versteht. Im Grundverfahren ist Satan derselbe geblieben.

Es ist eine köstliche Erkenntnis, zu wissen, dass in dem Wesen Satans nicht ungeahnte Tiefen liegen, die er für uns noch unvorbereitet herausbringen könnte. „Uns ist nicht unbewusst, was er im Sinn hat“ (2Kor 2:11).

Hier müssen wir Gott anbeten und preisen, dass Er nicht nur gestattet, sondern es auch so angeordnet und gefügt hat, dass gleich am Anfang Satan sein Wesen offenbaren musste. Das erkennen wir nirgends deutlicher, als bei dem Versuch 4000 Jahre später: Jesu gegenüber bedient er sich genau der gleichen Methode wie hier.

Wir wollen uns das im Einzelnen klar machen und beobachten bei den Wirkungen der Worte Satans, die in 1Mo 3:6 berichtet sind: „Das Weib schaute an, dass von dem Baume gut zu essen wäre“: das ist Fleischeslust; „und lieblich anzusehen“: das ist Augenlust; „und begehrenswert, weil er klug machte“: das ist Stolz und hochfahrendes Wesen, die nach nichts mehr sich ausstrecken, als Klugheit, Erkenntnis, Einsicht zu gewinnen.

All das ist im Einklang mit dem, was 1Jo 2:16 geschrieben steht. Legen wir diese Grundlinie unter und beobachten wir, welches Verfahren der Feind bei dem Angriff auf den Sohn Gottes in der Wüste einschlägt (Mt 4:1-11): es deckt sich ganz vollkommen. Bei dem Angriff auf den zweiten Adam zeigt sich’s, dass Satan seit dem Paradiese nichts dazu gelernt hat, und in seinem Wesen keine verborgenen Tiefen stecken.

Sollte Gott gesagt haben?

Die erste Versuchung ist ein Seitenstück zu der Zweifelsfrage an das Weib: Sollte Gott gesagt haben? Die Aufforderung an Jesus: „Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden!“ macht ein Fragezeichen gegenüber dem Wort am Jordan: „Das ist Mein lieber Sohn“, das Gott vernehmlich ertönen ließ (Mt 3:17). „Sprich, dass diese Steine Brot werden“, heißt nichts anderes als: befriedige die Bedürfnisse des Fleisches.

Es wäre doch keine Sünde, hungrig zu sein oder Brot zu machen, wie dort bei der Speisung der Fünftausend, wohl aber, sich selbst nach seinem eigenen Belieben, ohne Weisung von seinem Vater, oder gar nach Anstiftung Satans, die Bedürfnisse des Fleisches zu befriedigen.

Die zweite Versuchung lief darauf hinaus, Jesum zu bewegen, ein großartiges Schauspiel zu liefern: „Bist du Gottes Sohn, so lass dich hinab!“ Er war Mensch, um den Zauber zu empfinden, der darin liegt, den Menschen etwas zu zeigen, was sie nicht können; zu zeigen, worin Er ihnen überlegen ist; sich majestätisch vor dem Volke niederzulassen und Sein Vermögen zu offenbaren, zu herrschen über die Kräfte der Natur.

Die letzte Versuchung: „Das alles will ich dir geben“, diente der Hoffahrt des Lebens, der Befriedigung menschlichen Ehrgeizes, groß sein zu wollen; und zwar bewegte sie sich auf dem Boden der Verheißung, denn Satan wusste, dass dem Sohne Gottes die Königreiche der Welt überwiesen worden sind: Du sollst Weltherrscher sein; ich zeige dir den Weg dazu ohne Leiden.

Es ist köstlich, dass Gott es verstanden hat, gleich bei dem ersten Angriff den Feind zu veranlassen, seine ganze Macht zu enthüllen, alles zu zeigen, was ihm an Waffen zur Verfügung stand. Im ganzen Verlauf der Geschichte ist wesentlich nichts Neues mehr zu finden. Das ist ungemein tröstlich und köstlich. Damit hat Gott uns hineinschauen lassen in das Können und die Macht dieses feindseligen Wesens. Gelernt hat Satan ja, aber im Grunde genommen ist sein Verfahren kein anderes geworden.

Damit ist uns eine mächtige Schutzwehr gegeben gegen unberechtigte Vorstellungen von der Macht Satans. Es ist kein unergründliches Geschöpf, und es sind keineswegs Tiefen und Höhen in seinem Wesen verborgen, die auch nur von ferne mit denen Gottes verglichen werden können. Wenn er uns auch an Einsicht und Begabung überlegen ist, so ist er doch ein begrenztes Geschöpf.

Durch Philosophie und Theologie und die ganze Beschäftigung des menschlichen Geistes mit diesem Gegenstande sind leider unbemerkt Vorstellungen eingeflossen von der großartigen Bedeutung des Gottes dieser Welt, die nach der Schrift nicht berechtigt sind. Tatsächlich hat man sich in den meisten Kreisen dem Gedanken hingegeben, dass Satan in allen Stücken ein vollständiger Nebenbuhler Gottes ist, der so viel kann, dass er höchstens ein nur ganz kleines Stück hinter Gott drein ist.

Noch andere hegen sogar von den Künsten Satans die Meinung, dass sie sich vor ihm mehr fürchten müssen als von Gott. Wenn wir anders sagen, soll das nicht heißen, dass er in irgendeiner Weise verkleinert werden soll; wir wollen nur warnen vor biblisch nicht berechtigten Vorstellungen von seiner Macht und seiner Tiefe. Diese sind großartig, aber sie haben ihre Grenzen und Schranken. Gott hat uns das Vorrecht gewährt, uns darüber genau zu unterrichten, so dass wir nicht im Unklaren bleiben sollen.

Sie macht uns auch bekannt mit dem Wesen dieser Welt (1Kor 7:31), das nicht vom Vater ist (1Jo 2:15.16). Unter Welt versteht die Schrift hier und da den Schöpfungsbau und alles, was darauf ist (Ps 46:3; 1Jo 2:2), zuweilen auch die Menschheit (Joh 3:16); im Wesentlichen aber die ungöttlichen Triebe und Begehrungen, die der Gott und Fürst dieser Welt in die Menschenherzen hineingepflanzt hat, so dass das Leben und Treiben der Menschen die Grundzüge des weltlichen, fleischlichen Wesens, der Sünde, an sich trägt.

Erkennen der Blöße

Und nun die Frucht der entsetzlichen Tat des Essens von der verbotenen Frucht 1Mo 3:7: „Da wurden ihrer beiden Augen aufgetan, und wurden gewahr, dass sie nackt waren; und flochten Feigenblätter zusammen, und machten Schurze“. Sofort trat der Tod ein. Das war ja gut, denn das Sterben schloss die Möglichkeit der Erlösung ein. Ganz unverkennbar befanden sich die Menschen in einem unbeschreiblich kostbar hohen, seligen Zustande, in dem Zustande völliger Unschuld und Harmlosigkeit, da sie sich niemals zu schämen brauchten. Das war nun für immer vorbei.

„Ihrer beider Augen wurden aufgetan“. Man hat vermutet, und vielleicht mit einer gewissen Berechtigung, dass sich mit dem Fall nicht nur ein innerlicher Vorgang vollzogen hat, sondern dass auch eine äußerliche Veränderung an ihnen eingetreten sei.

Die ersten Menschen seien als Ebenbild Gottes erschaffen worden, und da Gott ein Lichtkleid trüge (Ps 104:2), müssten auch sie ein Lichtkleid getragen haben, das durch den Fall gewichen sei. An dem Worte wollen wir nichts abstreichen, aber eine Andeutung betreffs eines Lichtkleides der beiden Menschen findet ich hier nicht. Wir wollen uns daher beschränken auf das, was hier steht: „sie wurden gewahr, dass sie nackt waren“.

Sollte mit diesem Worte ein ganz neuer Zustand betreffs der äußeren Erscheinung angedeutet sein, dann wäre es kaum denkbar, dass schon vor der Versuchungsgeschichte (1Mo 2:25) dieselben Worte gebraucht worden wären; und eine andere Bedeutung der Worte hier und dort ist doch nicht anzunehmen.

Der nächste Schritt ist von großer Bedeutung. Was die beiden jetzt tun, bildet das Gegenstück zu dem, was von Gott Jehova 1Mo 3:21 gesagt wird. Der Vermerk: „sie flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze“, tut dar, dass den Menschen dieses Verfahren, ihre Blöße zu verdecken, ihre Nacktheit voreinander zu verbergen, als das Höchste erschienen sein muss, dessen sie fähig waren.

Ist diese Annahme richtig, wies die ganze Einsicht und Erkenntnis der beiden ihnen keinen anderen Weg als den eingeschlagenen, dann ist das ein klarer Beweis, dass die Möglichkeit eines wohlgefälligen Opfers, der Art und Weise, Gott nahen zu dürfen, niemals aus des gefallenen Menschen Geist und Gedanken hervorgegangen ist.

Man hat den Satz aufgestellt: der Gedanke, durch blutige Opfer sich eine Annäherung an Gott zu schaffen, finde sich überall. Dieser Satz mag stehenbleiben; die Folgerung aber ist abzulehnen, dass dem Menschen das Vermögen innewohne, von selbst auf den Gedanken gekommen zu sein, durch Dahingabe von Blut und Leben eines unschuldigen Opfers einen Weg der Annäherung an Gott zu finden.

Es lässt sich wohl erkennen, dass bei allen Völkern ein Opferglaube zu finden ist, er geht aber nicht weiter zurück als bis nach der Vertreibung aus dem Paradiese; denn da hat der Mensch gleich nach dem Fall von Gott einen greifbaren, deutlichen Anschauungsunterricht erhalten, wie er seinem Gott in Ihm wohlgefälliger Weise nahen und seine Blöße decken könne.

Hier liegt die Tatsache vor uns, dass der gefallene Mensch bei seinen großartigen Gaben und Erkenntnissen, die er gehabt haben muss, und die er sicherlich nicht sämtlich auf einmal verloren haben wird, den Weg zu Gott nicht gefunden hat.

Die Geschichte lässt uns ein Niedergehen der Erkenntnis deutlich wahrnehmen. Früher gab man es als ausgemachte Wissenschaft aus, dass der Mensch aus einem rohen Urzustande herausgestrebt habe, die Höhe zu erklimmen, die wir heute innehaben. Die neuesten Forschungen haben d e m Glauben den Boden ausgeschlagen. Die meisten Forscher sind überzeugt, durch die Überbleibsel früherer Geschlechter dazu genötigt, dass, je weiter sie durch die Ausgrabungen zurückgeführt werden in der Menschheitsgeschichte, sie desto einleuchtendere Beweise höherer Kultur finden.

Es ist unleugbar, dass ein Niedergang im Geistesleben, wie auch im Fleischesleben stattgefunden hat. Das bestätigt unwiderleglich, dass es mit jener Anschauung nichts ist.

Die frühesten Geschlechter haben auf einer höheren Geistesstufe gestanden als die unsere. Unsere Forscher nehmen den Hut ab vor der Geschichte untergegangener Völker, vor Bauwerken, die sie nicht nachmachen können. Das sind ehrliche Zeugnisse, die aber verschwiegen werden.

Die Folgen des Falles

Die Folgen des Falles haben wir uns nicht so zu denken, als sei mit einem Schlage alles verloren gegangen, sondern nach und nach wird ein schwächer werden eingetreten sein. Das ist festzustellen bei der Kunst der Schrift wie bei der Kulturgeschichte. Erst durch das Evangelium ist eine Aufwärtsbewegung eingetreten, weil die Verhältnisse gesündere geworden sind.

Vor uns steht in einfacher Linienführung gezeichnet, was der Mensch aus eigenem Vermögen zu leisten versteht, um sich vor sich selbst, vor andern und vor Gott sehen zu lassen. Es handelt sich hier um die Grundfrage: wie steht der Mensch zu den Mitmenschen und zu Gott? Der Mensch offenbart es hier als sein erstes und tiefstes Bedürfnis, sich seinem Mitmenschen anständig zu verbergen, zu verhüllen, sein eigenes Wesen zu verstecken.

Zur Lösung der nächsten Frage: „Wie kann ein sündiger Mensch vor Gott erscheinen?" fand er keinen anderen Weg als nur den, sich Schürzen zu machen. Das entspricht der höchsten menschlichen Stufe; zur höheren und allein angemessenen göttlichen Stufe bedurfte es einer göttlichen Offenbarung und eines besonderen Eingreifens.

1Mo 3:8.9 zeigen uns, dass, und wie Gott Adam sucht. Nicht der gefallene Mensch geht aus, Gott zu suchen, nachdem er Ihn verloren, sondern der heilige Gott geht auf die Suche. Da liegen die Linien so einfach; und wieder sehen wir den tiefgehenden, klaffenden Unterschied zwischen Offenbarung und Religion.

Religion bedeutet menschliches Suchen, menschliche Bestrebungen, Veranstaltungen, mit Gott wieder zurechtzukommen. Hier aber tritt uns als erste und einzige Möglichkeit entgegen, dass Gott anfängt. Das ist nicht Religion, sondern Gottes Tat. Religion ist menschliche Mache; sie bringt zur Darstellung, wie sich der Mensch die Wiedervereinigung mit Gott denkt, zurechtstellt.

Die Offenbarung dagegen sagt uns, der Anfang sei, dass Gott sucht, spricht. Das ist kostbar, wunderbar, dass Er den tief gesunkenen, erstorbenen Menschen nicht aufgibt, sondern ihm nachgeht. „Wo bist du?“ – das ist die einfache, durchdringende Frage, die ihm seine furchtbare Lage vorhält, offenbart. Was hast du davongetragen? Wie weit bist du gekommen?

Adam antwortet: „Ich hörte Deine Stimme im Garten und fürchtete mich.“ Wie köstlich ist es dem gegenüber zu wissen: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern ....der Liebe“ (2Tim 1:7; vgl. Röm 8:15; Gal 4:5.6). Gott lehrt uns durch Wort und Geist, dass Gott die Liebe ist. Sich darauf besinnen, diese Liebe annehmen: das ist Genesung, Gesundung. Der religiöse Mensch kennt keine andere Empfindung als die der Furcht. Im tiefsten Grunde ist das berechtigt; er kann nicht vor Gott bestehen, so wie er ist.

Adam verschweigt seine Sünde. Er redet nur von der Wirkung; die Sünde selbst deckt er nicht auf. Das aber tut Gott (1Mo 3:11) mit der Frage: „Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du nicht gegessen von dem (verbotenen) Baum?“ Kein Mensch tut von sich selbst aus Buße; sich vor Gott zu entblößen und offenbaren, fällt ihm nicht ein. Gott aber sendet Sein Wort und leuchtet damit hinein in unser Inneres, und dann kommt heraus, was drinnen ist.

„Das Weib, das Du mir zugesellet hast, gab mir von dem Baum und ich aß“, lautet die Entschuldigung Adams (1Mo 3:12). Das ist also echt menschlich: wir sind nach Adams Bild geboren. Das Erste ist bei uns, die Schuld auf andere zu schieben. Adam hätte doch seine Stellung behaupten müssen; er war ja Haupt seines Weibes. Er erlaubte ihr den ersten Schritt und sprach nichts dagegen. Gewiss, das Weib hat die Sünde eingeführt (1Tim 2:14); sie hat die Prüfung nicht bestanden; sie hätte das Wort Gottes keusch bewahren sollen.

Jedoch hätte der Mensch sich davor hüten sollen, alle Schuld auf sein Weib zu legen; er hätte warnen, abhalten müssen. Oder war er nicht dabei? Wenn die Schlange einen günstigen Augenblick abgewartet hätte, um allein mit dem Weibe zu reden, so wäre die Sachlage ja eine etwas andere gewesen, jedoch frei von Schuld wäre er auch dann nicht gewesen, denn gegessen hatte auch er.

Gott geht in einem gewissen Sinne auf den Gedankengang Adams ein, indem Er Sich (1Mo 3:13) an das Weib wendet mit der Frage: „Warum hast du das getan?“ Aber auch sie wendet das gleiche Verfahren an: „Die Schlange betrog mich also, dass ich aß“. In Anerkennung der Sachlage verfährt der Herr dem gemäß.

Der Fluch der Sünde

Nun trifft der erste, schwerste, gewaltige Fluch die Schlange (1Mo 3:14). Höchst bemerkenswert ist, dass nur von der Schlange gesprochen wird, vom Teufel ist keine Rede; und aus dem Wortlaut erhellt gar nicht, dass hinter der Schlange ein anderes Wesen steckt. Schlange und Verführer stellen eine Wesenseinheit dar; zwischen beiden wird kein Unterschied gemacht. Auch beim Fluche nicht. „Verflucht seiest du vor allem Vieh“, heißt es, nicht: vor allen gefallenen Engeln und Geschöpfen. -- Das verstehe ich nicht, aber ich beuge mich unter die Tatsache, dass Gott bei diesen Grunddingen keine Zweiheit herausstellt, sondern dass er einheitlich den Versucher als Schlange herausnimmt und verflucht. In kann es durchaus nicht erklären.

Man sagt: der eine Teil des Fluches geht auf das Tier, der andere auf den Teufel, indem man auf 1Mo 3:15 hinweist und auf andere Stellen der Schrift. So: „Der Same des Unkrauts sind die Kinder der Bosheit; der Feind, der sie säet ist der Teufel“ (Mt 13:38.39). Jesus nennt die Gottfeindschaft der Pharisäer Drachensamen, giftiges Gewürm, Otterngezücht (Mt 23:33). Er sagt ihnen: „Ihr seid von dem Vater, dem Teufel“ (Joh 8:44). Ihm ist der Feind einzig und allein der Teufel.

So wird auch hier gesagt: „Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, und zwischen deinem Samen und ihrem Samen“. Dass hierbei nicht bloß an die kriechende Schlange zu denken ist, ist einleuchtend, obwohl bei allen Völkern sich eine Furcht, ein Grauen vor der Schlange kundgibt, sogar bei denen, die zur Anbetung der Schlange geschritten sind, weil man sie für ein göttliches Wesen ansieht, dem Anbetung gebühre.

Und noch etwas merkwürdigeres kommt hinzu: Moses muss eine Schlange erhöhen, deren Anblick den von den Schlangen gebissenen Israeliten Heilung bringen soll; und der Menschensohn nimmt Bezug darauf (4Mo 21:8.9; Joh 3:14), wie denn Gott auch den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht hat (2Kor 5:21).

Das sind wunderbare Zusammenhänge, aber ich kann sie nicht erklären. Groß und gewaltig ist der Fluch; aber in der ganzen Erzählung finden wir keine Zweiteilung, keinen Dualismus, sondern Schlange und Satan sind zusammengefasst, wie sonst kaum noch in der Schrift.

Ein einheitliches Geschöpf tritt uns entgegen, wenn auch bei dem Fluche gewiss ein doppeltes gemeint ist. Wir dürfen unter „deinem Samen“ nicht nur an Tierwesen denken, die dem Weibessamen feindselig nachstellen. Wir haben das Recht zu sagen, dass mit der Schlange Satan gemeint ist, wie auch mit ihrem Samen Menschen gemeint sind und nicht Schlangen.

Die ganze Ausdrucksweise verrät nur, dass in der Schöpfung Gottes zwischen dem Teil, der der Tierwelt angehört, und dem Teil, dem die gefallenen Engel und Dämonen angehören, ganz eigenartige Beziehungen bestanden haben müssen. Über das „wie" aber erheben sich Fragen, für die es eine restlose Antwort nicht gibt. Es wird eines der Stücke bleiben, bei denen wir zu lernen haben werden in zukünftigen Zeitaltern.

1Mo 3:15 hat man von jeher als das erste Evangelium erkannt, das aus dem Mund Gottes gekommen ist, wie uns denn auch in 1Mo 3:9 die köstliche Tatsache berichtet wird, dass es Gottes Plan nie war und ist, den gefallenen und verlorenen Menschen sich selbst zu überlassen, sondern Gott geht ihm nach und sucht ihn.

Jedoch findet dieser erste kostbare Schritt Gottes erst hier seine glänzende Darstellung und Erklärung dessen, was Gott beabsichtigt zu tun. „Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, und zwischen deinem Samen und ihrem Samen“; eine merkwürdige Form, in der uns diese Heilsgedanken Gottes begegnen, die aber geboten ist durch die Verhältnisse. Auf andere Weise kann der Mensch aus den Banden des Bösen nie gelöst werden, als dass gesetzt ist von Gott diese Feindschaft zwischen Weibssamen und Schlangensamen.

Aufhebung des Fluchs

Welches Ende diese Feindschaft nehmen soll, ist ganz deutlich ausgesprochen. Sie soll unaufhörlich, fortdauernd sein: „Derselbe soll dir den Kopf zertreten, und du wirst Ihn in die Ferse stechen“. Darin ist gesagt, dass der verheißene Weibessame diese Feindschaft siegreich und triumphierend zu Ende bringen wird, und dass Er der sein wird, an dem alle Machenschaften Satans vollständig zuschanden werden, wie das auch sonst die Schrift deutlich erklärt.

Nicht nur Johannes sagt, dass der Sohn Gottes erschienen sei, die Werke des Teufels zu zerstören (1Jo 3:8), dass also alles Unheil, alles Verderben, das durch den Feind in die Welt gekommen ist, durch den Sohn beseitigt werden wird, sondern auch die andere Seite wird hervorgehoben, dass Christus durch das Kreuz die Fürstentümer und Gewaltigen öffentlich zu einem Schauspiel gemacht, und an den Pranger gestellt habe (Kol 2:15). Nach dem Urteile aller Schriften des N.T. soll Christus einen vollständigen, endgültigen Triumph haben über alle Finsternismächte.

Erst nachdem dies Wort über die Schlange ausgesprochen ist, wendet sich der Herr mit Seinen schweren Strafen des Gerichts und Fluches zu den sündigen Menschen, und hebt bei dem Weibe an, da dort die Sünde angefangen hat (1Mo 3:16): „Ich will dir viel Schmerzen schaffen, wenn du schwanger wirst; du sollst mit Schmerzen Kinder gebären; und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein; und er soll dein Herr sein“.

Aus einem solchen Wort ergeben sich eine ganze Menge von Gedanken. Das, was nach Gottes ursprünglicher Absicht für den Menschen und auch für das Weib das kostbare und großartigste an ihrer ganzen Veranlagung sein sollte, die Hervorbringung eines neuen Geschöpfes, das auf derselben Linie der Schöpfung stehen sollte wie die ursprüngliche Tat Gottes bei Schaffung der Menschen, also die Hervorbringung eines neuen Geschöpfes nach dem Ebenbilde Gottes, das wird hier zum Anlass tiefsten Schmerzes und tiefer Beschämung.

Denn das leuchtet aus dem ganzen göttlichen Gesetz heraus, dass alles, was aus dem Leibe des Weibes kommt, und mit der Hervorbringung des neuen Geschöpfes zu tun hat, als etwas Unreines gilt. Da man ja sonst so leicht um das Sündenbekenntnis herumgeht, hat Gott ein beständiges Gedächtnis der Übertretung gesetzt, an dem man nicht vorübergehen soll und kann. Verhängung der tiefsten Schmach über das, was höchste Freude sein soll, liegt in unserem Vers vor uns.

An eine andere Seite desselben Vorgangs erinnert der Apostel Paulus, wenn er 1Tim 2:15 vom Weibe schreibt: „Sie wird selig werden durch Kinderzeugen“. Denn dass über das weibliche Leben kein unbedingter Fluch und kein unbedingtes Verworfensein ausgesprochen ist, das ist eine Wahrheit, die im Leben des Volkes, das wohl am tiefsten eingegangen ist auf die Gedanken Gottes, und das im ganzen Leben und Denken diese Grundlinien am meisten entwickelt hat, das jüdische Volk, am klarsten zum Ausdruck gekommen ist. Denn dort hat auch die andere Seite des Kindergebärens, die hoffnungsreiche, eine Höhe erreicht, wie bei keinem anderen Volke.

Dazu war es auch berechtigt; denn die Verheißung vom Weibessamen, der dem Schlangensamen den Garaus machen werde, bildet ja die Grundlage aller Verheißungen, wie sie später Abraham und David gegeben worden sind, nämlich, dass aus ihren Lenden der Verheißene hervorgehen solle.

Damit war die Verheißung eingeschränkt. Die Linie läuft nicht mehr auf dem Boden der allgemeinen Menschheit; sie läuft fortan auf dem Boden eines besonderen dazu ausersehenen Volkes und eines besonderen Geschlechtes. Wir nehmen bei keinem Volk auf der Erde wahr, auch im weiblichen Geschlechte nicht, dass man das Kindergebären größer angesehen habe als in Israel, trotz aller Hinweise im Gesetz auf die Beschämung. Das ist eine bezeichnende Tatsache, daraus wir erkennen, dass in diesem Volke, trotz unvollkommener Erkenntnis, in sein alltägliches Leben diese Wahrheiten tief aufgenommen worden sind.

Hier wird ganz deutlich erklärt: „Dein Verlangen soll nach deinem Manne sein; und er soll dein Herr sein“. Damit ist eine Seite des Verhältnisses zwischen Mann und Weib aufgezeigt, die nach diesem Worte zurückzuführen ist auf den verhängten Fluch, in der also unverkennbar eine bestimmte Fluchwirkung liegt.

Da ist es nun bemerkenswert, dass im Evangelium, auf dem Boden des höchsten Evangeliums, dieses grundlegende Verhältnis eine Anwendung findet, die überwältigend ist. Während Paulus an anderen Orten es ausspricht, dass der Mann des Weibes Haupt sei (1Kor 11:3), und dass es dem Weibe nicht gebühre, die Stellung des Mannes einzunehmen, sondern vielmehr, untertan zu sein (1Kor 14:34; 1Tim 2:12; Eph 5:22; Tit 2:5) so ist es derselbe Apostel, der in unbeschreiblich köstlicher und gewiss göttlicher Weise gerade dieses Verhältnis auszubeuten versteht zu einem Verhältnis zwischen Christus und Seiner Gemeine.

Es ist etwas ganz Wunderbares, was wir Eph 5:23-25 lesen. Wohl bleibt es dabei stehen, dass der Mann des Weibes Haupt sei, jedoch nur als Abbild dessen, dass Christus Haupt Seiner Gemeine ist. Dass aber Christus Seine Gemeine so geliebt, dass Er Sich für sie aufgeopfert hat, das wendet nun Paulus so an, dass er den Männern, die Haupt des Weibes sind, sagt: „Liebet eure Weiber“. Gott hat es also in Seiner eigenen, wunderbaren Weise verstanden, auch die Fluchwirkung in einen ganz großartigen Segen umzuwandeln.

Dem gegenüber erleben wir eine Empörung gegen dieses Grundgesetz Gottes, eine Aufbäumung gegen den Gedanken, dass es gottgewollt sei, wenn der Mann die Stellung des Hauptes einnehme, wie wir sie uns stärker kaum noch vorstellen können, bei der neuzeitlichen Frauenbewegung. Der natürliche Sinn will jene gottgewollte Anordnung auf alle erdenkliche Weise beseitigen; darum ist man so stark darauf bedacht, soziale Zustände zu schaffen, in der keine Spur mehr von göttlichen Gedanken vorhanden sind.

Mit den ausgesprochenen Fluchworten hat Gott einer schnöden Schändung und Knechtung des Weibes nicht das Wort geredet, obwohl sie die Folge des Falles geworden ist. Gott aber weiß es anders zu wenden. So gewiss Er schreiben lässt: „Das Weib soll selig werden durch Kinderzeugen“, so gewiss auch lässt Er schreiben: „Ihr Männer, liebet eure Weiber“. Auf d e r Linie, nicht auf der Linie der Willkür oder der völligen Umkehr der Verhältnisse, liegt die göttliche Lösung und Aufhebung des Fluchs; und dann ist, was Fluch wäre, nicht mehr Fluch.

Auch noch andere Fragen drängen sich uns auf. z .B. wie es sich damit verhält, dass in den Weissagungen von der Wiederherstellung des Volkes Israel eine großartige Mehrung zugesagt ist, z. B. in Jes 60:21.22: „ Der Kleinste wird zu Tausend, und der Geringste ein mächtig Volk“. Bei dem Licht, das mir geboten ist, kann ich nicht erkennen, dass diese Mehrung auf eine andere Weise als durch natürliche Zeugung herbeigeführt werden wird.

Es handelt sich da um keine Kinder der Auferstehung; denn von diesen wird gesagt, sie werden weder freien noch sich freien lassen (Lk 20:35), und von natürlichem Umgang ist bei ihnen nicht die Rede (vgl. Jes 62:5).

Auch an geistliche Kinder hat man bei jenen Verheißungen gedacht, ohne einen wirklichen Erweis dafür erbringen zu können. Es ist uns die Möglichkeit offen gehalten, zu denken, dass in zukünftiger Zeit, wenn wirklich der Fluch aufgehoben sein wird, eine andere, eine schandlose und schmerzensfreie Mehrung eintreten wird. Das wäre eine unabweisliche Folgerung aus Jes 65:20. Da kann nur von natürlicher Nachkommenschaft die Rede sein, von Kindern, die natürlich gezeugt und geboren werden. Nach dieser Seite hin wird es hier wohl eine wirkliche Befreiung von dem Fluche geben, die nicht in das himmlische Wesen zu verlegen ist, sondern die sich auf dem Boden der natürlichen Weise des Kinderzeugens und –gebärens zeigen wird. Es wird alsdann eine Menschheit geben, die nach dem ursprünglichen Gedanken Gottes leben, und sich mehren wird in einem Maße, von dem wir keine Vorstellung haben.

Verheißungen Abrahams

In dieser Annahme bestärkt uns die Wahrnehmung, dass die Verheißungen, die Gott dem Abraham gegeben hat, so großartig veranlagt sind, dass etwas dem Ähnliches kaum auszuschalten ist. Wir wollen einmal ganz einfach überdenken, was in den drei Verheißungen der Mehrung Abrahams gesagt ist. „Dein Same soll sein wie die Sterne am Himmel“ (1Mo 22:17). Das deuten wir auf den himmlischen Samen, auf die geistliche Nachkommenschaft; denn es ist kaum anzunehmen, dass bei den drei Samen jedes Mal dasselbe gesagt sein soll.

In diesen Worten ist etwas anderes gesagt, als in der ersten Verheißung (1Mo 13:16): „Dein Same soll sein wie der Staub auf Erden“, die uns beschränkt auf die unmittelbare Nachkommenschaft Abrahams auf israelitischen Boden.

Und nun noch drittens: „Dein Same soll sein wie der Sand am Rande des Meeres“ (1Mo 22:17). Hier wie noch oft in der Schrift ist das Meer ein Bild der Völkerwelt. Diese Worte deuten vernehmlich hin auf die Völker und Nationen, die von ihm geboren werden sollen.

Die Verheißung von den Sternen am Himmel ist also wohl auf die Rechnung der gläubigen Nachkommenschaft der Gegenwart, der Gemeine Jesu Christi zu schreiben; die beiden andern aber bleiben auf die Erde beschränkt, und da finden wir eine so großartige Sprache: Sand und Staub.

„Staub, der nicht zu zählen ist“. Bis heute aber kann man Israel zählen. Ihre Zahl war niemals großartig bis heute. Israel ist alle die Jahrhunderte bis heute eines der kleinsten Völker gewesen und geblieben. Was haben denn die (heute Israel: sechs/sieben) Millionen zu bedeuten gegenüber den christlichen Nationen? Da ist ja gar kein Vergleich zu machen!

Angesichts jenes Wortes müssen wir uns entweder dazu verstehen anzunehmen, Gott habe in übertriebener Weise den Mund zu voll genommen, oder wir haben auf dem Boden ganz neuer Lebensverhältnisse, die es auf der neuen Erde geben kann und wird, auf eine buchstäbliche Erfüllung zu rechnen.

Der Abschluss der Gedanken Gottes ist nicht der, Seine Auserwählten aus Israel in den Himmel zu versetzen, sondern mit ihnen wird eine ganz neue Beziehung auf dem Boden der Menschheit anheben.

In ihrer Sammlung in ihr Land haben wir nur einen Ausgangspunkt, nicht das Ziel Gottes zu erblicken. Von da an geschieht die Ausführung der Gedanken Gottes durch die Zeitalter, in denen Gott vorhat, nicht nur alles wieder gutzumachen, sondern die Gnade in überströmender Weise (Eph 2:7) kund zu tun. Dann wird sich herausstellen, dass Gott verstehen wird den Tod, und was mit ihm im Zusammenhang steht, zu überwältigen und verschließen in einer Weise, die ganz über unser Fassungsvermögen hinausliegt.

Fluch über den Acker

Und nun erst richtet sich (1Mo 3:17) merkwürdiger Weise der Fluch an den Mann, aber nicht so sehr an ihn selbst, als an das Erdreich, dem er entstammt, das unbefriedigend sein soll in seinen Ergebnissen. Wir machen darauf aufmerksam, dass von den drei Geschöpfen nur die Schlange selbst verflucht worden ist, der Mann und das Weib nicht. Nur von ihr heißt es: verflucht sollst du sein. Dem Weibe werden nur Schmerzen bereitet, und dem Manne Kummer um seines verfluchten Ackers willen. Das alles klingt so, als wolle Gott von Anfang an unterstreichen, dass Er einen ganz wunderbaren Weg zu gehen entschlossen sei, einen Weg der Erlösung, den Er im Herzen erdacht, erfunden, beschlossen habe, bei dem der unschuldige Teil die Schuld der Schuldigen trägt.

Der Mensch geht nicht leer aus. Das Fluchwort über den Acker bedeutet für den Menschen schwere Strafe, tiefe Beschämung und beständige Erinnerung daran, dass er gefallen ist. Es ist tiefste Schmach, dass der Mensch, der eben erst geboren ist, zurückkehren muss zum Staube; und das hört auch dann nicht auf, wenn unsre Leiber zu Tempel des Geistes geworden sind. Auch dann noch die tiefe, tiefe Beschämung, das Schändliche erfahren zu müssen, dass der Leib zu Staub wird – Schmachvoll! Nichts bleibt uns erspart!

Nicht der Mensch wird verflucht, sondern der Acker. Was hat der Acker gefehlt? Röm 8:20 wirft helles Licht auf diese Stelle.

Die ganze Schöpfung ist mit unterworfen unter die Vergänglichkeit, um des willen, der sie auf Hoffnung unterworfen hat. Damit stimmt es wunderbar, dass Gott bei diesen Grundlinien nicht umhin kann, die geheimnisvollen Wege Seines Liebeswillens durchleuchten zu lassen. Er versteht es, wie kein Mensch es so hätte machen können. Und wenn man ein Verständnis gewonnen hat für die Gedanken Gottes, dann begreift man nicht, wie je ein Mensch darauf verfallen konnte, zu denken, diese Geschichte sei rein menschlich ersonnen.

Von unserm inneren Rechtsgefühl aus müssten wir sagen: hätte auch ein heiliger und vollkommener Mensch den Fluch abgefasst, dann hätte er verflucht Schlange, Weib und Mann. Gott macht’s anders. Nicht Weib und Mann werden verflucht, sondern der Acker. Wer von den Menschen wäre darauf gekommen, das unschuldige unter den Fluch zu stellen?

Dem Mann wird angedroht: deine Tätigkeit ist keine natürliche; sie wird sein voll Mühsal und Beschwerden. Das hat sie bis heute behalten. Die einzige Betätigung des Menschen, die bis zu einem gewissen Grade frei ist von ihnen, ist die, wenn ein Mensch Gottes in den Dienst Gottes tritt und sich vom Geiste Gottes leiten lässt; dann sagt der Herr: „Mein Joch ist sanft und Meine Last ist leicht“. Da gibt’s nicht Mühsal und Beschwerden; das ist die einzige Betätigung, bei der der Fluch ausfällt. Und wenn man da noch sagen muss, dass Dornen und Disteln nicht ausbleiben, so ist doch auf diesem Gebiet ein ganz anderes Arbeiten, als auf irgendeinem andern Gebiet des Lebens.

„Mit Kummer sollst du dich daraus nähren. Dornen und Disteln soll er dir tragen“ (1Mo 3:17.18). Damit ist angezeigt, dass Dornen und Disteln nicht zur ursprünglichen Schöpfung gehören, sondern erst Frucht des Fluches sind. Es ist ein eigentümliches und schwieriges Gebiet, das wir da betreten. Wenn manche dabei an eine förmliche Schöpfung des Teufels denken, so haben sie wohl kaum recht.

Wie wir es uns aber vorzustellen haben, dass diese uns feindlichen, schädlichen, hindernden Dinge entstanden sind, kann niemand sagen. Vielleicht aber haben wir die Wirkungen dieses Fluches auch auf die Tierwelt zu übertragen, auf jene Wesen, die nur da sind, uns zu peinigen, das Leben lästig zu machen, zu verleiden, wie z.B. die Insektenschwärme. Man möchte gern irgendwohin ziehen, wenn nur das Geziefer nicht wäre!

Es ist nicht leicht, den Schlüssel zu finden, die Formel zu entdecken, wie es möglich war, dass in diese Schöpfung solche Verderbensmächte dringen konnten, um den Menschen in einer besonderen Weise seine Übertretung heimzugeben. Jedenfalls ist die Sache nicht so, wie sie sein soll. Und dass dieser Fluch sich ständig erneuert, ist ja unleugbar. Auch hier wird eine gewaltige Umwälzung erfolgen, wenn Wolf und Lamm friedlich auf der Weide zusammen gehen werden (Jes 11:6-10; Jes 65:25), wenn es keine Gefahr von Seiten der Tierwelt mehr geben wird, wenn wir keinen zerstörenden Einwirkungen mehr ausgesetzt sind.

In diesen Schriftstellen handelt es sich um natürliche Menschen, nicht um Auferstehungsmenschen; sonst wäre es ein Unding, so zu reden. Von zukünftiger Gestaltung der Dinge auf Erden ist in ihnen die Rede (wie auch in Jes 65:20ff.), an denen Menschen mit natürlicher Leiblichkeit Anteil haben werden. Eine Beseitigung des Fluches und des Todes ist uns in Aussicht gestellt. Manche Züge sind unverkennbar; Tausende von Fragen aber bleiben offen, bis der Herr kommt.

Mutter aller Lebendigen

1Mo 3:19 macht einen Strich unter die bisherige Rechnung.

Unserer Auffassung nach würden wir erwarten, dass es in 1Mo 3:20 heißen müsste: „Mutter aller Sterblichen“. Aber das Leben überwiegt hier, und da liegt für unser Denken und Glauben unverkennbar ausgesprochen, dass letztes Ergebnis des von Gott verhängten Gerichtes und Fluches über die Schöpfung nicht der Tod ist, sondern das Leben.

Oft genügt ein Wort, uns darin ganz natürlich und selbstverständlich weitgehende Aufschlüsse zu geben. So wird hier von der Eva in ihrem gefallenen Zustande mit einer göttlichen Weise und Bestimmtheit jedenfalls als Fortgang der Offenbarung des Geistes gesagt: „Sie wurde die Mutter aller Lebendigen“.

Es hat also dem Geist gefallen, uns zu offenbaren, dass der Same des Weibes, wenn seiner in so umfassender, den Tod verschlingender Weise gedacht wird, genügt, um den Namen der Menschheitsmutter als Mutter der Lebendigen zu deuten. Darin liegt allein die Rechtfertigung dafür, dass Eva diesen Namen bekommt, während wir eher erwarten würden einen Namen des Gegenteils. Das Übergewicht des Lebens bekommt in ihm einen großartigen prophetischen, mustergültigen Ausdruck.

Im Folgenden (1Mo 3:21) begegnet uns ein weiteres Wort, das hoch bedeutungsvoll ist. Es greift zurück auf den Bericht vom gefallenen Menschen und seinem Unvermögen, einen Weg der Annäherung zu Gott zu finden (1Mo 3:7), da der Mensch bei seiner hohen Erkenntnis und seiner natürlichen Einsicht nicht im Stande ist, eine Kleidung anzulegen, die Gott wohlgefällig gewesen wäre. Es wird angeknüpft an Fall, Fluch und Andeutung des Sieges über Tod und Fluch. In diesem Verse wird veranschaulicht, wie der gefallene, sündige Mensch erscheinen, in welche Kleider er sich hüllen soll.

Gott bekleidet die Menschen

Die wichtige Betätigung des sich Bekleidens hat nach der Schrift eine tiefe Bedeutung, was aus der Art heraus leuchtet, wie Gott davon redet; z.B. im A.T., Jes 61:10, im N.T. Kol 3:9.10. Dass in der Bekleidung des Menschen ein tiefer Sinn liegt, bekennen alle Kulturvölker; das Gegenteil finden wir bei den Naturvölkern.

Mangel an Bekleidung oder Rückfall in natürliche leibliche Nacktheit bedeutet immer ein Hinuntergleiten auf einen sehr bedenklichen Tiefstand. Eine recht bedenkliche Erscheinung ist die Pflege des Nackten bei den heutigen Kulturmenschen. Wir gewahren hier den furchtbaren Sturz einer überraffinierten, überkultivierten Menschheit, die in den tiefsten Sumpf der Verkommenheit hinuntersteigt.

Wir sehen in unserem Vers, welch tiefer Sinn in der einfachen Schriftaussage liegt, die nicht nur in der Kunst, sondern auch im Umgang die Nacktheit ausschließt. Wer das im Auge behält und dann sieht, was im Leben der Völker sich einbürgern will, der kann nicht oberflächlich über solche Erscheinungen hinweggehen, wie es vielfach leider auch in gläubigen Kreisen geschieht.

Wenn Gott Röcke aus Tierfellen machte, so ist das eine plastische Anschauung, Darstellung dessen, worin das Evangelium besteht, ein Evangelium von einem unschuldigen, unbefleckten Schaf oder Lamme, einem unschuldigen Geschöpfe, das um des Menschen willen sein Leben lassen muss, damit er sich in dessen Gerechtigkeit kleiden darf, um vor Gott zu bestehen.

Wenn wir uns ein Verfahren ausdenken sollten, Gottes würdig und den Umständen entsprechend, einfach, durchschlagend, durchsichtig, klar, leuchtend, wie der Mensch wieder zu Gott nahen dürfte und zur Gemeinschaft mit Ihm gelangen könnte, wahrlich, wir vermöchten uns etwas Einfacheres, Treffenderes als die Handlung Gottes in dieser sinnbildlichen Weise gar nicht vorzustellen.

Das ist eine prächtige Warnung vor der neugierigen Frage: Woher hat der Herr die Felle genommen? Natürlich von daher, woher wir sie heute noch nehmen, vom Lamm oder Schafe. Und dass der Mensch, der gar nicht darauf kommen konnte, dass ein unschuldiges Tier sein Leben lassen musste, damit aus seinem Fell ein Kleid gewonnen würde, von Gott einen solchen Unterricht erhalten hat, das liegt nicht weit hergeholt, das liegt auf der Linie von dem Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, Jesum Christum: Sein Kleid ist mein Kleid; Er lebt in Gerechtigkeit und die wird mein durch Seinen Tod.

Diese Grundlinien liegen da und wir sehen keine Gefahr, hier etwas hineinzutragen, was nicht gesagt sein sollte. Wenn hier der Mensch nicht unterrichtet worden ist von der rechten Art und Bedeutung des Tieropfers, dann fehlt uns der Schlüssel für die Opfer der beiden Brüder Kain und Abel (1Mo 4:3.4).

Man hat einen Unterschied in ihrem inneren Gemütszustande, in ihrer Gesinnung finden wollen, aber es werden keine Eigenschaften genannt; es fehlt jede Andeutung, dass Kain schlechter gewesen sei als Abel. Ein Unterschied findet sich nur in der Stellung zum Opfer und in der Art des Opfers; Kain bringt ein Opfer aus der verfluchten Erde, Abel hat sich durch Blut Gott genaht; das eine Opfer entstammt dem Glauben an das Blut des Lammes und das Andere nicht.

Leider gehen viele in die Kirche und lassen es sich auch etwas kosten, aber sie verneinen die Grundtatsache, dass das Blut Jesu Christi, des unschuldigen Lammes, rein macht von aller Sünde.

Dass es einen wirksamen Weg gibt, auf dem der Mensch vor Gott bestehen kann, das musste Gott erst zeigen, offenbaren; und das hat Er getan, nicht durch viele Worte, sondern durch die Tat, durch Anschauungsunterricht. Auf d e n Gedanken wäre der Mensch von sich aus nicht gekommen. Darin liegt ausgesprochen, dass der Opfergedanke nicht im menschlichen Geiste entstanden sein kann, sondern seinen Ursprung hat in der Uroffenbarung. Wenn er nicht darin gelegen hat, wo sonst dann?

Es wäre eine klaffende Lücke im Zusammenhang, wenn nicht vor dem ersten Opfer, dem der ersten Söhne, die doch in Sünden empfangen waren, von Gott das Opfer angedeutet worden wäre. Ohne diese Schlussfolgerung ermangelte der Opfergeschichte ihre innere Begründung.

In dem Ausspruch: „Der Mensch ist geworden als unser Einer“, (1Mo 3:22) haben wir die erste Probe einer göttlichen heiligen, aber niederschlagenden Ironie. Spuren solcher sind noch mehr im Worte Gottes nachweisbar. In dieser heiligen Ironie liegt stets ein Wahrheitskern. So auch hier: Ja, der Mensch hat etwas erreicht, ist zu etwas gekommen, was wir auch haben; er hat eine Stufe des Erkennens erlangt, die wir einnehmen, was aber hat es ihn gekostet und was für eine furchtbare Lage hat es für sein ganzes Dasein geschaffen! In andrer Bedeutung kann das Wort gar nicht genommen werden; der Sinn ist klar ausgedrückt.

Die folgenden Worte: „dass er nicht ausstrecke seine Hand, und breche auch von dem Baum des Lebens, und esse, und lebe ewiglich!“ Hat man echt heidnisch gedeutet im Sinne des Neides Gottes: Satan hat recht, Gott gönnte ihnen die Gottähnlichkeit und auch die Unsterblichkeit nicht. So kann der verblendete Menschengeist urteilen, und vielleicht kann er gar nicht anders. Wir erkennen aber in den Worten einen Beweis göttlichen Erbarmens.

Wenn der Mensch in seinem gefallenen Zustande vom Baume des Lebens gegessen hätte, dann wäre ihm durch den Tod nicht zu helfen gewesen; dann könnte er die Leiblichkeit nie verlieren und das ertötete Leben nie ablegen; er wäre so in dieser furchtbaren Form und Gestalt geblieben.

Ist diese Auffassung richtig, dann ist gerade die Strafe, die den Menschen um der Sünde willen getroffen, und die Gott von vornherein angedeutet hat, die kostbare Möglichkeit unsrer völligen Erlösung. Adam war ja von seinem Falle an ein Gestorbener, und von da an sind wir des Todes.

Auch das körperliche Leben ist von der Geburt an ein beständiges Sterben. Selbst auf der höchsten Stufe des Lebens tragen wir den Todeskeim beständig in uns. Wir haben uns nie davon entfernt, in einem Augenblick ein Opfer des Todes sein zu können. Aber gerade weil der Tod zu allen Menschen hindurchgedrungen ist, weil wir aus unserm gegenwärtigen Zustande durch den Tod herauskommen können, weil unser gefallener Zustand der Erschöpfung unterliegt, darum finden wir auf dieser Linie die Erlösungsmöglichkeit.

Der Tod ist im wunderbaren Rat und Willen Gottes zur offenen Erlösungsfähigkeit und –möglichkeit ausgeschlagen.

Wenn der Mensch nach seiner Vertreibung aus dem Paradiese den Erdboden bearbeiten soll, aus dem er geschaffen worden (1Mo 3:23), so beweist das, dass der Mensch nicht aus Paradiesstaub entnommen ist, sondern von dem Felde, das draußen gelegen hat.

Die Kerubim mit dem rundgehenden Schwert (1Mo 3:24) sollen nicht nur dem Menschen den Zugang zum Baum des Lebens verwehren, verhindern, sondern auch den Zugang zum Baum offen halten, worin eine Möglichkeit der Rückkehr angedeutet ist.

Lies weiter:
3. Kain und Abel (1Mo 4-6)