Das weltliche Gerichtswesen

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Aus der Reihe: Christi unausspürbarer Reichtum:
"Die Gerichte Gottes" (1980)
von Mathias Jaegle (siehe Lebensbild)

Abschrift mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Groß, Balingen
Dort als Schrift noch erhältlich.

Siehe weitere Abschriften:
Inhaltsverzeichnis

In Bearbeitung

Die Gerichte Gottes

4. Das Endgericht über die Ungläubigen

Das weltliche Gerichtswesen

Dieses wird hier nicht zur Erklärung des Endgerichts in die Betrachtung aufgenommen, sondern vielmehr um zu zeigen, dass manche Auslegung das Walten Gottes beim Abschlussgericht weit niedriger einschätzt als den üblichen Maßstab menschlicher Gerichtsbarkeit. Zunächst ist es ja wirklich erstaunlich, mit welchen an sich gerechten Prinzipien die Menschen zu richten versuchen. Wohlverstanden, wir betrachten nur einige Grundsätze des menschlichen Gesetzes, aber nicht deren mehr oder minder erfolgreiche Auswirkungen. Gerichtsurteile werden ja nicht aufs Geratewohl gefällt, sondern beruhen auf Untersuchung und Prüfung des Vergehens und der Verantwortung des Angeklagten. Das alles ist in der Anklageakte niedergelegt. Der Verurteilte muss wissen, dass er unrecht handelte, gegen das Gesetz verstieß und darum dessen Härte durch schmerzhafte Bestrafung zu spüren bekommt. Doch bei aller Strenge, die ihm nichts durchgehen lässt, ist durch viele Paragraphen Vorsorge getroffen, dass auch für womöglich jeden Fall ein der Schwere des Vergehens entsprechendes Urteil gefällt werden könne. Ferner wird dem Angeklagten Gelegenheit zu seiner Verteidigung gegeben.

Unmündigkeit und erbliche Belastung setzt seine Verantwortung herab oder hebt sie gar auf; und für Jugendliche ist eine ganz andere Strafart als für Erwachsene vorgesehen. Ferner wird bei geistiger Unzurechnungsfähigkeit überhaupt von einer förmlichen Gerichtsverhandlung abgesehen, und der Betreffende wird einer Anstalt überwiesen.

Noch ist damit der der menschlichen Gerichtsbarkeit zugrunde liegende Gerechtigkeitssinn nicht erschöpft. Man ist überdies darauf bedacht, dass sich die Strafe des Verurteilten zu dessen Gutem auswirken möge. Der jugendliche Sträfling kommt in eine Besserungsanstalt; die strenge Disziplin soll ihn zu einer Lebensweise zurückführen, welche ihn zu einem gebesserten, in die menschliche Gesellschaft aufnahmefähigen Glied macht. Schwere Verbrecher kommen in ein Zuchthaus; die harte Strafe soll zugleich eine Zucht sein, wodurch der so tief Gefallene wieder zu einem besseren Menschen erzogen wird.

Wenn wir aber schon im menschlichen Gerichtswesen hohe Ideale entdecken, so sollten Gläubige, die vorgeben, Gott zu kennen, nie meinen, dass Seine Gerichte ausschließlich in Zornesoffenbarungen und Strafen bestünden, und das Urteil des Endgerichts sich gar ziellos und zwecklos bis in die Endlosigkeit hinein auswirken werde. Offenbarten schon Seine früheren Gerichte das Walten hoher und edler Prinzipien, so erweist das Endgericht vollends, dass Gott darin auf völlige Rettung der Gerichteten hinarbeite. Er steht damit nicht nur mit Seinen Grundsätzen, sondern vor allem mit Seinem Erfolg himmelhoch über allem menschlichen Gerichtswesen, das seine Vorsätze und Absichten nicht erreicht.

Verurteilung aufgrund von Werken

Ein genaues Achten auf alles, was Gottes Wort sagt, zeigt Sein Richten unendlich viel höherstehend als das menschliche. Auch vor dem weißen Thron erfolgt die Verurteilung aufgrund feststehender, und zwar göttlicher Richtlinien. Die dort Stehenden werden gerichtet nach dem, was in den Rollen über ihre Werke eingetragen ist. Das erinnert an die Anklageakten bei den menschlichen Gerichten. Doch dürfen wir bei den göttlichen nicht an ähnliche Unvollkommenheiten denken. Diese Rollen lassen die ernste Wahrheit erkennen, wie Gott alle Werke eines jeden Menschen lückenlos kennt. Er kann deshalb in jedem einzelnen Fall ein nach jeder Seite hin gerechtes Urteil fällen. Da die Menschen in sittlicher Hinsicht so überaus verschieden sind, wäre es von Gott nicht gerecht, über jeden das gleiche Urteil zu verhängen. Ausdrücklich wird betont, dass sie gerichtet werden nach ihren Werken (Offb 20:12), und dass sie verurteilt werden, ein jeglicher nach seinen Werken (Offb 20:13), d. h. also: jeweils den Werken gemäß.

Im allgemeinen meint man, alle Ungläubigen würden nach der Stellung gerichtet werden, welche sie im Leben zu Christus einnahmen, und weil sie Ihn verwarfen, nun ewig verdammt wären; höchstens dass man für die Heiden, die nie etwas von Ihm hörten, noch eine Gelegenheit offen lässt. Gottes Wort lehrt jedoch anders. Richtiger wäre es schon zu sagen, dass es die Gläubigen sind, die vor der Preisrichterbühne nach ihrer Stellungnahme zu Christus während ihres Lebens gerichtet werden, ob sie Ihn, oder ihr Ich mehr liebten und dementsprechend einen geheiligten oder fleischlichen Wandel führten.

Wie könnte auch Gott nur die Menschen vor dem großen weißen Thron danach richten und verurteilen, weil sie Christus nicht annahmen, da Paulus die Auserwählung derer lehrt, die zur Gemeinde Christi gehören? Und diese Verwaltung, in der nur solche von Gott gerufen werden, und sonst keine, dauert ja schon fast zweitausend Jahre. Für diese gesamte Zeitdauer ist Pauli Wort gültig, welches er den Thessalonichern schreibt: „... denn nicht aller Teil ist der Glaube“ (2Thes 3:2). Hier bezeugt es Gottes Wort doch deutlich genug, dass die große Masse der Menschheit die Gabe des Glaubens zum Erfassen und Aufnehmen des Heils in Christus nicht empfängt. Sie können also nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass sie Christus nicht als ihren Retter annahmen, und deshalb auch nicht mit ewiger Verdammnis bestraft werden. Diese verurteilten Menschen könnten sich ja Christus gegenüber mit dem trefflichen Argument verteidigen, sie seien gar nicht auserwählt worden und hätten Ihn deshalb auch gar nicht annehmen können. Wie um die Gläubigen vor einer solchen Ihn verunehrenden Ansicht zu bewahren, sagt Gott in seinem Wort zweimal: „... nach ihren Werken“ und nicht etwa: „... nach ihrem Glauben“!

Ein Prinzip, nach welchem der Herr die Ungläubigen richten wird, ist Röm 1:18-21 angegeben. Obschon sich dies gerade auf Gottes Zornesoffenbarung zur Zeit der großen Drangsal bezieht, so bildet dieser Abschnitt dennoch einen trefflichen Kommentar zu Christi Handlung im Endgericht. Zu der Erkenntnis des Heils in Christus können die Ungläubigen nicht gelangen, aber aus der Schöpfung der Welt und Seinen Werken können sie Gott als Schöpfer erkennen, so bezeugen es die Verse des Römerbriefes. In Bezug auf diese Wahrheit sind die Menschen unentschuldbar (Röm 1:20). Von keinem Gegenstand glaubt jemand, dass er ohne Hersteller wäre. Um wieviel mehr muss dem Ungläubigen bei etwas Nachdenken eindrücklich bewusst werden, dass die Erde und das ganze stoffliche Universum doch von einem Schöpfer erschaffen sein muss. Da sie aber Gott nicht als Schöpfer verherrlichten und neben Ihm der Schöpfung, dem Geschöpf, Gottesdienst darbringen (Röm 1:25), wurde ihr unverständiges Herz verfinstert (Röm 1:21), und dreimal wird gesagt, dass Gott sie dahingebe (Röm 1:24.26.28). Das ist ein Zustand, in dem sie in die schrecklichsten Sünden der Unreinheit fallen.

Neben diesen gibt es freilich auch Menschen, die wirklich noch Ehrfurcht vor dem Schöpfer haben, wenngleich ihre Zahl heute stets kleiner wird. Diese Menschen besitzen nicht den Geist, den heiligen, und haben keine Heilsgewissheit. Aber sie glauben an Gottes Dasein, führen einen sittlichen Lebenswandel und tun gute Werke, sind auch vielfach kirchlich und fromm. Wenn sie auch unerneuert sind und nicht wissen, was es heißt, der Sünde abzusterben, so bewahrt sie eine gewisse Frucht vor dem Schöpfer vor groben Sünden und bösen Werken. Wie sind nun solche Menschen im Blick auf die göttliche Heilsordnung einzuschätzen? Nun, was die Zugehörigkeit zur Gemeinde betrifft, sind ihre Werke wertlos, samt dem Glauben an Gott, den Schöpfer. Denn dies reicht nicht aus, um einst in die Himmel aufgenommen zu werden. Sie werden daher erst auferweckt vor dem weißen Thron. Dort aber haben ihr Leben und ihre guten Werke großen Wert; denn sie gereichen ihnen zum Guten, d. h. zu einem erträglicheren Gericht, und zwar weil dort nach Werken gerichtet wird. Diese edlen Menschen haben schon manchem an die ewige Verdammnis glaubenden Glied der Gemeinde Christi sehr zu denken gegeben. Man beginnt einzusehen, dass die Anwendung von „Wer glaubt, wird selig, und wer nicht glaubt, verdammt“ auf das Endgericht doch nicht stimmen könne, sonst würde ja den ehrbaren Menschen dasselbe Urteil treffen wir den gemeinsten Verbrecher, und das würde nie mit Gottes Gerechtigkeit übereinstimmen. Gewiss wird das Gericht in schweren Strafen für böse Werke bestehen. Jedoch es wird mehr als das sein, nämlich eine Vorbereitung für Gottes großes Vollendungsziel. Verfolgen schon Menschen mit ihren Gerichten höhere Ziele als nur Strafe, so wird Gott mit den Seinigen nicht tiefer stehen.

Über das Endgericht gibt Gott in Seinem Wort noch weiteres Licht, und zwar über die Art, wie Er den Übeltätern vergilt. Handelt Er doch mit diesen durchgehend nach einem so feststehenden Prinzip, dass dieses gewiss auch im Endgericht waltet. Hören wir zunächst, wie Salomo diese Heimzahlungart zum Ausdruck bringt: „Er wird dem Menschen vergelten nach seinem Tun“ (Spr 24:12). Das Gericht über Babel lautet: „Tut ihm, wie es getan“ (Jer 50:15). Auch wenn Christus zum Gericht kommt, wird Er nach diesem Grundsatz richten (Mt 16:27). Nach Offb 16:6 gibt Gott denen, die das Blut Seiner Heiligen und Propheten vergossen, als Strafe Blut zu trinken. Zahlreich sind die Aussagen, wie nach göttlichem Gesetz jeder erntet, was er gesät hat: Hi 4:8; Spr 1:31; Spr 22:8; Hos 8:7; Hos 10:13. Ein typischer und lehrreicher Fall dieser Art ist der Kanaaniterkönig Adoni-Besek (Ri 1:6.7). Durch die Israeliten, die ihn gefangen nahmen, strafte ihn Gott mit denselben Grausamkeiten, die er früher verübte. Sogar über die Glieder der Gemeinde Christi wird nach diesem Gesetz vor der Preisrichterbühne entschieden werden (2Kor 5:10; Gal 6:7; Kol 3:25).

Die durchgehende Anwendung dieses Gerichtsgrundatzes gestattet deshalb wohl die Annahme, dass Gott auch vor dem weißen Thron nach demselben richten wird. Könnte es dort nicht so zugehen, dass z.B. der, welcher im Leben eine hohe Stellung innehatte, wobei der seine Untergebenen ungerecht und brutal behandelte, dann von Gott in dieselben Leiden und Nöte geführt wird, welche er anderen zufügte? Allein Gottes Gerichte erschöpfen sich nicht in Vergeltung und Rache. Er wird dabei noch von anderen Gesichtspunkten geleitet: Ein solcher ist:

Das Problem der Verantwortung

Wenn schon die menschliche Gerichtsbarkeit diese in Betracht zieht, wieviel mehr Gott in Seiner absoluten Gerechtigkeit! Er wird die Menschen nicht für ihre üblen Taten zur Rechenschaft ziehen und sie dafür strafen, sondern auch die Frage, wodurch sie der Sünde versklavt waren, nicht nur mitreden, sondern sogar ausschlaggebend sein lassen. Als Schöpfer aller Dinge braucht Er aber nicht erst im Endgericht Nachforschungen darüber anzustellen; denn schon längst hat Er Sein Wissen um diese Sache in Seinem Wort bekannt gegeben, und zwar in Röm 5:19 bezeugt Er die ergreifende Tatsache, wie durch des einen Menschen (Adams) Ungehorsam die vielen, das sind alle Menschen, als Sünder eingesetzt wurden. Röm 5:12 erklärt diesen Vorgang noch genauer, nämlich, dass durch eines Menschen (Adams) Sünde die Sünde in die Welt eindrang und durch die Sünde der Tod, und also dieser zu allen Menschen durchdrang, worauf alle sündigten. Im allgemeinen spricht man ja von der Erbsünde. Aber damit ist die Sache nicht korrekt ausgedrückt. Die ganze Menschheit war damals noch in Adam, ihrem Stammvater, eingeschlossen und befand sich damit nach göttlichem Willen im Bereich der Wirksamkeit seiner Ungehorsamstat, deren Folgen dadurch über alle kamen. Sie erbten nicht Adams Sünde, sondern den Tod, der als Strafe über ihn kam. Und eben durch den in ihnen wirkenden Tod ermangeln sie nun der Kraft Gottes und wurden der Sünde versklavt, so dass sie nun sündigen müssen. Das heißt, sie wurden als Sterbliche geboren und nach Röm 5:19 als Sünder eingesetzt.

Zu dieser Wahrheit soll vorerst nur gesagt sein, dass die Menschen für ihre sündige Veranlagung nicht verantwortlich sind. Dies gereicht ihnen im Endgericht zur großen Entlastung. (Das Wort „Verantwortung“ erscheint ja auch nirgends in der Schrift). In welch krasser Ungerechtigkeit stünde Gott da, würde Er die Menschen für etwas, was sie nicht verschuldeten, zu endloser Qual verurteilen. Wäre jeder Mensch unschuldig geboren, und wie Adam auf die Probe gestellt worden, so wäre es noch etwas anderes. Aber alle kamen um seiner Sünde willen, an der sie nicht beteiligt waren, sterblich zur Welt und damit nach göttlichem Willen von vornherein als hilflose Sünder. Für das alles ist Gott der allein Verantwortliche; denn Er hat es herbeigeführt, dass es so kommen musste.

Leider übersieht man diesen so wichtigen Punkt allgemein bei der Erforschung des Endgerichts und gelangt deshalb zu falschen Schlüssen. Dass durch Adams Ungehorsam alle zu Sündern eingesetzt wurden, ist erst die eine Hälfte des sich darin auswirkenden Planes Gottes. In der Vollendung wird dann offenbar, warum Er dies so tat, darum nämlich, damit auch alle des vollen Segens der Gehorsamstat Christi, als des letzten Adam, teilhaftig werden können. In Stufen arbeitet Er auf dieses hohe Ziel hin, und eine solche ist:

Gericht als Zurechtbringung

Der Sinn des an sich schon verständlichen Wortes Zurechtbringung wird durch die wörtliche Übersetzung noch deutlicher hervorgehoben. Dort heißt es Durch-richtig-machen. Dies besagt, dass etwas, das verkehrt war, von Grund auf durch und durch, recht gemacht wird. Gerade das ist es, was Gott mit seinen Gerichten erreicht. Wir schließen hieraus nicht, dass Gerichte retten könnten, wohl aber erfüllen sie die Vorbedingungen dazu.

Bereits in den hebräischen Schriften sind zahlreiche Berichte verzeichnet, die praktisch zeigen, wie Gott mit Gerichten die durch Sünde entstandenen und Ihm missfälligen Zustände wieder in Ordnung, d.h. zurechtbringt, oder besser gesagt: durch-richtig-macht. Und das ist auch der Hauptzweck des letzten Gerichtes. Unendlich vieles gibt es da wieder richtig zu machen. In diesem Sinne ist Richten auch Rechten.

Ist es ja vor allem Gottes Recht, welches jahrtausendelang von Seinen Geschöpfen missachtet und mit Füßen getreten wurde. Dort wird dann Gott alle Werke an diesem Seinem Recht messen und sie demgemäß richten.

Weiter wird eine schier unfassbare Menge von den Menschen begangenen und nie geregelten Unrechtes durch das Gericht in Ordnung gebracht werden. Auf diese Weise wird dann Gott das Röm 2:16 erwähnte gegenseitige Verklagen und Verteidigen mit dem untrüglichen Maßstab Seines Rechtes durch und durch richtigstellen. Und die Sünder werden ihre Schuld einsehen und die Gerechtigkeit der Gerichte Gottes anerkennen.

Der Verurteilte selbst wird durch Gottes Gericht aus seinem Gott kränkenden Zustand wieder zurechtgebracht. Es ist nun auffällig, dass der Gerichtsbericht (Offb 20:12-15) darüber keine Einzelheiten bringt. Dies wohl aus dem Grunde, weil sich in der übrigen Schrift zahlreiche Gerichtsfälle finden, die als kleine Abbilder zeigen, was Gott mit Seinen Gerichten in Bezug auf Zurechtbringung zu erreichen vermag.

Denken wir nur einmal an die hartherzigen Brüder Josephs, welche fähig waren, ihren Bruder zu verkaufen, kaltherzig ihren Vater belogen und gewissenlos ihre Missetat für immer verheimlichen wollten. Joseph aber, als Vorbild Christi, brachte sie durch die Ausführung eines wohl durchdachten Gerichts an ihnen, sowohl zur Einsicht ihrer Schuld (1Mo 43:21.22) als auch zum Niederfallen vor ihm (1Mo 43:26).

Der schon erwähnte König der Kanaaniter, Adoni-Besek (Ri 1:6.7), ist so von seiner Missetat überführt, dass er in den ihn richtenden Israeliten sogar Gott Selbst sieht, seine Schuld bekennt und Gott in Seinem Richten Recht gibt. Mit einem Gericht von sieben Zeiten (Dan 4:32) brachte Gott den großen, stolzen und eingebildeten Nebukadnezar von seiner Höhe herunter und führte ihn zu einem Gott verehrenden Bekenntnis (Dan 4:34-37). Den tief verdorbenen König von Juda, Manasse, brachte Gott durch das Gericht der Gefangenschaft, in der Doppelfessel liegend, zu heilsamer Besinnung, so dass er zu Ihm flehte, sich demütigte und betete (2Chr 33:10-13).

Das sind auszugsweise Beispiele, an denen Gott zeigt, wie Er mit Seinen Gerichten die größten Sünder in dieser Welt wieder richtigzustellen, d.h. zurechtzubringen vermag. Und wenn wir Ihn recht verstehen, und von der Erreichung Seiner im Wort niedergelegten Ziele gläubig überzeugt sind, so sagen wir: Das bringt Er auch im Endgericht fertig.

Die angeführten Beispiele lehren ferner auch eine Verschiedenheit der einzelnen Strafen, sowohl in Bezug auf ihre Dauer als auch ihre Schärfe. Im Endgericht richten sich diese nicht nur nach dem Maß der Schuld, sondern auch nach dem Grad der Widerspenstigkeit; und hierin bestehen unter den Ungläubigen gewaltige Unterschiede. Zunächst wird jeder in der, bei seinem Tode innegehabten Gesinnung auferstehen. Für manche wird es dann schon allein genügen, dass sie auf einmal wieder am Leben sind und dazu noch angesichts eines Gerichtstrones, auf dem Christus sitzt, um sofort zur Erkenntnis und zum Bekenntnis ihrer Sünde zu gelangen und sich willig unter Gottes Gerichtsurteil zu stellen. Jedoch nicht bei allen wird diese Richtigstellung ihrer Gesinnung so schnell vor sich gehen; denn es gibt auch solche, bei denen die Widerspenstigkeit unerhört fest und tief sitzt. Denken wir nur an die Menschen, welche zur Zeit der großen Drangsal unter den schwersten göttlichen Gerichten leiden und Gott dennoch lästern können (Offb 16:9.10.21). Diejenigen, welche bewusst gegen Gott und Christus kämpfen (Offb 16:14; Offb 20:9), werden sich vor dem weißen Thron auch nicht ohne weiteres ergeben.

Allein Gott, der alle in die Widerspenstigkeit einschloss (Röm 11:32), weiß und kennt ihre verstecktesten Wurzeln im Menschenherzen, und Er versteht es, dies im Endgericht zu erreichen und auszurotten. Er zwingt die Widerspenstigen zu Boden, selbst die mächtigsten geistlichen Mächte der Bosheit. Das aber ist noch nicht das allgemeine Kniebeugen von Phil 2:11, sondern erst ein durch Gericht erzwungenes.

Bis jetzt sprachen wir nur von Menschen, die Böses taten und widergöttliche Gesinnung hegten, deren Gericht verständlich ist. Warum kommen nun auch die sogenannten guten Menschen ins Endgericht, wie z.B. die Niniviter, die umsinnten bei Heroldsruf des Propheten Jona (Mt 12:41). Ebenfalls die Königin des Südens, die so weit herkam, um die Herrlichkeit Salomos zu sehen und ihn reich beschenkte (Mt 12:42)? Und dazu alle die edelgesinnten Menschen, die wohl nicht an Christus gläubig waren, aber dennoch ein durchaus ehrbares Leben führten, indem sie gute Werke vollbrachten?

Aus der Tatsache ihres Gerichtetwerdens geht hervor, dass bei Gott das Endgericht noch anderen Zwecken dient als nur der Strafe für die bösen Taten. Diese Menschen müssen davon überführt werden, dass auch sie mit allen anderen unter der Sünde standen (Röm 3:9) und nur allein durch Christi Tod am Kreuz gerettet werden und in das unvergängliche Leben eingehen können. Das ist die Zurechtbringung dieser Menschen im Endgericht.

Das Durch-richtig-machen, das Gott vor dem weißen Thron in allem durchführt, sei es durch leichtere oder schwere Strafen, besteht darin, dass sie sich als Sünder, die Christus mit Seiner Versöhnungstat brauchen, erkennen und sich deshalb willig unter das Gericht Gottes beugen.

Dies wird eine Vorbereitung für die Erfüllung der diesen Menschen geltenden Verheißungen sein, zur Erreichung des Endzieles Gottes.

Groß steht die Tatsache da, dass Gott das Endgericht durch Seinen Sohn ausführen lassen wird, da Er Ihm nach Joh 5:22 alles Gericht übergeben hat. Welche Größe und Weisheit des Sohnes wird damit offenbart, wenn Er über jeden einzelnen dieser unzählbaren Schar ein völlig gerechtes Urteil sprechen und ihn dadurch aussöhnen und zurechtbringen wird.

Der zweite Tod

Nach der Schrift folgt auf den heute herrschenden Tod noch ein zweiter. Beim ersten Tod wird der Verstorbene in die Erde gebettet (1Mo 3:19). Vom zweiten Tod heißt es, er sei ein See, der da brennt mit Feuer und Schwefel (Offb 20:14-15; Offb 21:8). Da keine von denen vor dem weißen Thron in der Rolle des Lebens stehen (Offb 20:5), werden sie alle ausnahmslos in den zweiten Tod geworfen. Die Schriftrolle wird zu diesem Überführungszweck dort aufgelegt. Alle Ungläubigen sterben demnach zweimal. Wenn man bedenkt, wie es im Vergleich zu allen Menschen eine verschwindend kleine Zahl ist, welche durch frühere Auferstehungen in das Leben eingehen, so ist es erschütternd, was es durch den zweiten Tod nochmals für ein großes Sterben geben wird.

Neben dieser gewaltigen Zahl werden noch andere genannt, welche in den zweiten Tod kommen. Es sind dies der Widerwirker, das wilde Tier und der falsche Prophet (Offb 20:10). Doch bei diesen wird noch hinzugefügt, dass sie im zweiten Tode leiden: „Und sie werden gequält werden tags und nachts für die Äonen der Äonen.“ Dies wird nicht von denen, die vor dem weißen Thron stehen, gesagt. Das weist darauf hin, dass für diese Menschen der zweite wie der erste Tod Bewusstlosigkeit bedeutet. Die Strafe ist für sie nicht der zweite Tod als solcher, noch wird sie in demselben vollzogen, sondern zuvor in dem Leben vor dem weißen Thron, das sie durch die Auferstehung wieder erhielten. Erst wenn jeder das längere oder kürzere Gericht daselbst durchgekostet hat, stirbt er wieder.

Der zweite Tod, der während der Zeit der neuen Erde besteht, ähnelt in manchem der Gehenna des Tausendjahrreiches. Erst nach Vollstreckung des Gerichts in diesem Reich werden die Leichen der Verbrecher in das unausgelöschte Feuer geworfen, in dem sie, da bereits tot, nicht mehr leiden können. Genauso handelt Gott mit denen vor dem weißen Thron. Zuerst gehen sie durch das Gericht und darauf in den zweiten Tod, der sie wieder in den Zustand der Bewusstlosigkeit versetzt. Auch über die Dauer des zweiten Todes gibt Gottes Wort mit tiefen Offenbarungen genauen Aufschluss.

Nun bestehen aber allgemein verbreitete Auslegungen über den zweiten Tod, die nicht mit der Schrift übereinstimmen. So wird er in der Theologie der Christenheit gewöhnlich „der ewige Tod“ genannt. In ihm will man die Bestätigung der ewigen Verdammnis sehen. Getrennt von Gott, fern vom Leben der Seligkeit, müssten die Ungläubigen ein Leben in endloser Qual verbringen. So deutet man den zweiten Tod. Das ist aber eine Frucht hartherziger und willkürlicher Schriftauslegung, erst ca. 200 Jahre nach der Apostelzeit entstanden, die nicht mit den göttlichen Aussagen übereinstimmt.*

*Man lese hierzu die kleine Schrift: „Wie sich die Ewigkeit einschlich“ nach A. Thomson

Außer dieser Deutung des zweiten Todes besteht noch eine andere. Diese ist durch tieferes Nachdenken über das Dogma der ewigen Qual entstanden. Mit Recht sehen viel Gläubige einen solchen Ausgang von Gottes Heilsplan als verunehrend für Ihn und die ganze Schöpfung an. Dazu sähen sie sich durch das Bewusstsein, dass so viele Menschen endlos leiden, im Genuss ihrer Seligkeit stark behindert. Da ihnen aber das eigentliche Endziel noch verhüllt ist, suchen sie die Lösung in den Schriftstellen, die von Vernichtung sprechen. So z.B. 2Thes 1:9, welche gewöhnlich mit „ewiger Vernichtung“ übersetzt wird. Wörtlich heißt es „äonischer Ruin“, was durchaus nicht endlos bedeutet. Man möchte darin eine vollständige Auflösung sehen, also eine absolute Vernichtung aller Verurteilten im See, der mit Feuer und Schwefel brennt. Auf diese Weise sucht man Gottes Schöpfung von einem Ort der Qual voller endlos leidender Geschöpfe rein zu halten. Menschliches Denken ohne rechte Erkenntnis hat diese Auslegung gezeugt. Aber sie belastet Gott mit einem schwerwiegenden Makel. Denn, wenn Er den größten Teil Seiner wunderbarsten Geschöpfe vernichten müsste, mit deren jedem Er einen Plan hatte, so wäre das ein Seiner unwürdiges Misslingen Seines Unternehmens. Schon ein Mensch, der ein Werk beginnt und sich rühmt, dass er es herrlich vollenden werde, es aber schlussendlich als untauglich vernichten muss, hat sich als unfähig, und als zuschanden geworden erwiesen. Wenn dies aber bei Gott so ausliefe, wären die Folgen für die Schöpfung nicht auszudenken. Wir könnten Ihn ja nicht mehr verherrlichen als den absolut Vollkommenen, der alles bewirkt - plant - beschließt, ausführt und vollendet - nach Seinem Willen und Vorsatz. Folgen wir genau den Offenbarungen des göttlichen Wortes, so werden wir zu einem ganz anderen Abschluss der Wege Gottes mit Seiner Schöpfung geführt, und zwar in das herrliche Gebiet Seines Liebesplanes.

Lies weiter:
5. Nach dem Endgericht