Die Bedeutung der Erwählung

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Abschrift der Sammlung: Prophetische Traktate - Band 2
von Friedrich Malessa 1895-1981

Mit freundl. Genehmigung von Joh. Ullmann
Als Abschrift dort noch erhältlich.

Siehe weitere Abschriften

Inhaltsverzeichnis Band 1
Inhaltsverzeichnis Band 2

120. Die Bedeutung der Erwählung

Die Erwählung ist unsagbar beglückend. Sie ist ein wunderbares Handeln Gottes. Die tiefsten Gründe der Erwählung sind nur Gott bewusst. Der Erwählte dagegen steht unter dem planvollen und sinnvollen Tun Gottes. Der Erwählte hat keinerlei Verdienste an seiner Erwählung, sie liegt vor seiner Lebensleistung (Jer 1:5). Der Ursprung der Erwählung ist in Gottes souveräner Liebe begründet. Eben darum ist die Erwählung so beglückend, wie sie absolut göttlich ist.

Würde sich die von Menschen verfasste Lehre über die Erwählung nur auf diese Tatsachen beziehen, dann könnte sie ganz eindeutig sein. Die Erwählungslehre wäre immer nur das Zeugnis von der beglückenden Erwählung. Leider ist es nicht so. Wir stellen vielmehr fest, dass die Lehre von der Erwählung unendlich vieldeutig, vielfach mehr gegensätzlich geworden ist, und demzufolge nicht beglückend, sondern bedrückend wirkt. Die Erwählungslehre ist mancherorts zum Gegenstand heftiger Diskussion geworden.

Die Erwählung Israels

Wie verschieden wird zum Beispiel die Erwählung Israels beurteilt. Da sieht man einerseits die große Summe biblischer Aussagen über die tatsächliche und bleibende Erwählung Israels. Andererseits sieht man ein große Reihe Bibelstellen, die die klare Verwerfung Israels bekunden. Mt 3:9.10; Ps 78:59; Jer 6:30; Jer 7:2; Jer 14:19; Kla 5:22; Hos 9:17 u. a.. Um diesen offensichtlichen Widerspruch zu verdecken, lehren viele Bibellehrer wie folgt:

„Für Paulus, wie auch für das ganze Neue Testament ist die durch Christus gerechtfertigte gläubige Christenheit von Gott in Christus erwählt als rechter Erbe Israel“ (Röm 8:33; Tit 1:1; Kol 3:12; 1Petr 2:9; 1Petr 1:1; Jak 1:1).

Diese Erwählungslehrer haben die Widersprüche beseitigen wollen, indem sie die neutestamentliche Gemeinde als die Erbin der Erwählung sehen, und somit Israel ausschalten. Damit meinen sie, das Erwählungsproblem gelöst zu haben. Die gleichen Erwählungslehrer geben aber im selben Atemzug zu:

„Allein auch Israel behält die in seiner Erwählung liegende Verheißung“ (Röm 11:11.12.25.26)

Mit diesem Zugeständnis, dass Israel doch nicht ausgeschaltet ist, ist das Problem noch größer geworden. Solche Erwählungslehre kann wahrhaftig nicht befriedigen.

Wie sollte es auch anders sein. Wenn man das so fragwürdige Israel nicht unter dem epochalen biblischen Aspekt der Erwählung sieht, sondern es unter die „ewige Seligkeitserwählung“ stellt, dann kann man nur zu den wirren Ergebnissen kommen, wie sie den wirren Verhältnissen des Volkes Israel entsprechen.

Eine unklare Erwählungslehre

Diese unklare Erwählungslehre wird noch verworrener, wenn man einerseits eine Reihe Bibelstellen für die universale Erwählung anführt (1Mo 12:3; Joh 3:16; 1Tim 2:4; Röm 11:32), andererseits aber Schriftaussagen gegenüberstellt, die diese allumfassende Erwählung infrage stellen: „Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt“ (Mt 20:16). „Welchem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und welches ich mich erbarme, des erbarme ich mich.“ So liegt es nun nicht an jemandes Wollen, sondern an Gottes Erbarmen. Denn die Schrift sagt zum Pharao: „Eben darum habe ich dich erweckt, dass ich an dir meine Macht erzeige, auf dass mein Name verkündigt werde in allen Landen“. So erbarmet er sich nun, welchen er will, und verstocket welchen er will (Röm 9:15-18; Mk 16:15; Phil 3:19; Mt 25:35.46; 2Thes 1:6.9; Mk 9:44-48. Diese Gegensätze versucht man durch allerlei mögliche und unmögliche Erklärungen zu beheben.

Manche Bibelausleger kommen zu dem Ergebnis, dass nur eine „kleine Herde“ zu den Erwählten zählen wird. Diese kleine Herde ist eine präexistente Erwählung. Niemand dieser Dazugehörigen kann verloren gehen, Ihre Erwählung ist zwangsläufig. Alle anderen haben eben nicht die „Verheißung“, und gehören trotz bester Einsicht nicht zu den Erwählten.

Nicht weniger Verwirrung brachte die Erwählungslehre über den Begriff: Aus-Erwählung. Wer ist gewürdigt, nicht nur erwählt, sondern auch auserwählt zu sein? Wenn schon die Zahl der Erwählten so klein ist, wieviel kleiner muss die Zahl der Auserwählten sein?

Nicht zu zählen sind die Erwählungslehren. Und weil sie so viel sind, darum befriedigen sie nicht. Und weil sie nicht befriedigen, darum werden sie immer wieder neu erbracht. Und je mehr sie erdacht und erbracht werden, umso rätselhafter wird dieses ganze Anliegen.

Sollte Gott wirklich seine herrliche Erwählung so geheimnisvoll, so rätselhaft, so widerspruchsvoll gestaltet haben? Dürfen wir unserem Gott eine so unklare Erwählung zumuten? Ist die von Menschen erbrachte Erwählungslehre unseres Gottes würdig? Ist es nicht an der Zeit, uns wenigstens zu einer Überprüfung dieser komplizierten Erwählungslehre Gedanken zu machen?

Eines können wir vorweg sagen: Inkonsequent ist unser Gott nicht. Wenn viele Bibelausleger die Erkenntnis gewinnen, dass wir Menschen die Erwählungsvorgänge unseres Gottes nicht ergründen können, eben weil das Vorgänge unseres Gottes sind, dann sollten sie doch nicht die Tatsache vergessen, dass alle Heilsvorgänge in der Welt des Unheils durchgeführt werden. Das sind Geschehnisse nicht „dort“, sondern „hier“! Die Hier-Geschehnisse sind für uns klar erlebbar, darum auch klar erkennbar. Wenn Paulus von dem Stückwerk der Erkenntnis spricht, dann meint er die Erkenntnis auf dem Gebiet des Transzendenten, des Jenseitigen. Solches ist der Vollendung vorbehalten. Die Erwählung ist aber nicht in der Vollendung, sondern vielfach wenn nicht sogar überhaupt, im „Anfang“. Hier und jetzt sind die Erwählungsgeschehnisse. Sie klar zu erkennen, ist gottgewollt. Wenn wir sie nicht erkennen, dann sind uns die Augen irgendwie gehalten. Die Binde vor den Augen ist nicht nur der Unglaube, sondern sehr oft auch die unsachliche Lehre.

Das Erwählungsverhältnis

Wir tun gut, wenn wir alle menschlichen Erwählungslehren beseite legen, und uns unvoreingenommen das biblische Erwählungsverhältnis ansehen. Die Erwählten geben uns mit ihrem Erwählungsstand die beste Erklärung. Lassen wir die Erwählten sprechen, so bleiben wir bewahrt vor einer neuen Erwählungslehre. Wir sehen uns dann veranlasst zu einer klaren Erwählungsschau!

Wollen wir die Erwählten recht schauen, so müssen wir für ihr Verhältnis den Totalblick gewinnen. Je klarer die Gesamtschau, umso klarer ist auch die Gesamterkenntnis.

Ohne viele Umschweife stellen wir bei den Erwählten von vornherein fest, dass sie in erster Linie zum „Dienst“ erwählt sind, und erst in zweiter Linie zur ewigen Seligkeit. Die Seligkeitserwählung ist nur die Folge der Diensterwählung. Die Folge darf darum nie an den Anfang gestellt werden. Die Folge hat auch nie eine Bestimmung, sondern sie ist die Folge einer Bestimmung. Bestimmt wird nur das, was die Folge veranlasst.

Wäre die Seligkeitserwählung bestimmend, dann hätte sie niemals auf Jesus angewandt werden dürfen. Jesus kann doch nicht zur ewigen Seligkeit oder zum ewigen Leben erwählt worden sein, weil er nicht nur das ewige Leben hat, sondern auch das ewige Leben ist! Und doch gehört er zu den Erwählten, allerdings zum Zweck des Dienstes. Man lese aufmerksam folgende Schriftaussagen: „Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, der Aus-Erwählte, an welchem ich Wohlgefallen habe“ (Lk 9:35). „Siehe, das ist mein Knecht, den ich erwählt habe, und mein Liebster, an dem meine Seele Wohlgefallen hat: Ich will meinen Geist auf ihn legen, und er soll den Heiden das Gericht verkündigen“ (Mt 12:18). „Und das Volk stand und sah zu. Und die Obersten samt ihnen spotteten sein und sprachen: Er hat andern geholfen, er helfe sich selber, ist er Christus, der Auserwählte Gottes“ (Lk 23:35).

Wie heißt nach diesen Worten der Erwählungzweck bei Jesus? - Dienst!

Zum Dienst erwählt

Weiter ist zu beachten, dass die Erwählung Christi nicht unbegrenzt, sondern sogar genau begrenzt ist. Paulus schreibt darüber: „Er muss aber herrschen, bis dass er alle seine Feinde unter seine Füße lege. Der letzte Feind, der aufgehoben wird, ist der Tod .... Wenn aber alles ihm untertan sein wird, alsdann wird auch der Sohn selbst untertan sein dem, der ihm alles untergetan hat, auf dass Gott sei alles in allen“ (1Kor 15:26-28). Zum Zeitpunkt der Heilsvollendung ist Jesu Diensterwählung beendet. Hernach benötigt er keine Erwählung. Denn zur ewigen Sohnschaft ist er nicht erwählt, sondern geboren! Das ist wahrhaftig etwas anderes. Darum ist er zum Dienst erwählt zeitlich, und zum Leben geboren.

An Jesu Erwählung sehen wir die gesamte Erwählung. Sie hat prinzipiell nicht Seligkeitszweck, sondern Dienstzweck! Selbstverständlich liegt im vollkommenen Dienst auch viel Seligkeit. Die Erwählung hat darum grundsätzlich Dienstzweck, und zusätzlich Seligkeitszweck.

Wenn wir uns nun die Erwählten oder deren Erwählungslinien ansehen, dann in dem Blickwinkel des Dienstes. Wir erhalten dann eine überraschende Klarheit.

Als ersten Erwählten nennen wir Noah. Obgeich für ihn der Ausdruck Erwählung oder Berufung nicht verwandt wird, ist er doch ein Erwählter. Noah war auch nicht der erste Erwählte. Er steht als zehnter im Zusammenang mit seinen markanten Vorfahren, Adam als erster (1Mo 5:1-32)- Aber gerade dieser Zusammenhang (= Stammbaum der Heilsträger) offenbart den eigentlichen Sinn: Heilsträgerlinie! Das beweisen auch ihre Namen. Noah (= Trostbringer) war der letzte dieser Heilsepoche, und auch der erste der neuen Epoche. Der Grund seiner Erwählung war nicht nur seine persönliche Errettung in der Sintflut, sondern seine Stammvaterschaft für die neue Menschheit. Er ist der Heilsträger in einer hochbedeutsamen Geschichtswende geworden. Noah ist ein hervorragender Heilsträger für alle Geschlechter der nachfolgenden Welt. Seine Erwählung lag also in der Heilsträgerschaft. Diensterwählung.

Der nächste Heilsträger ist Abraham. Mit ihm wird die angeführte Erwählungsweise besonders deutlich. Abraham wurde erwählt nicht zum ewigen Leben, sondern zum „Segen für alle Geschlechter auf Erden“ (1Mo 12:3). Heilsdienst an der ganzen Welt war der Zweck seiner Erwählung.

Mit Abraham stehen in engster Verbindung seine nächsten Nachkommen: Isaak und Jakob. Der letztere wurde ein Heilsträger in neuer Weise. Jakob wurde zum „Israel“! Mit Israel wird die Erwählung zum Problem, weil sie von da ab nicht auf persönlicher, sondern auf völkischer Grundlage ruht. Nunmehr ist Israel zum Heilsträger erwählt (5Mo 7:6-8). Durch Israel soll durchgeführt werden, was Gott in seinen Vätern sich vorgesetzt hatte: Heil der ganzen Welt!

Der Erwählungsauftrag Israels

Nun hat aber Israel als Volk nur zu oft die Würde eines Erwählten verloren∞ und hat sich damit in den krassesten Gegensatz dazu gestellt. Israel ist oft genug der Verdammung nahe gewesen. Das mach† seine Erwählung äußerst problematisch. Wenn aber der Zweck der Erwählung Israels gesehen wird, dann schwindet alle Problematik. Beachten wir: Israels Erwählung bestand zunächst nicht im Bringen des Heils, sondern im Bringen des Heilandes. Der Heiland der Welt musste ins Fleisch kommen, musste Mensch werden, musste von einen Weibe geboren werden, musste mit seiner Mutter einem Volk angehören. Sein Volk war Israel! Israel war erwählt, auf dass aus ihm komme der Christus nach dem Fleisch (Röm 9:5).

Beachten wir, dass die Reichweite der Erwählung Israels zunächst nur bis auf die „Fleischwerdung Jesu“ ging. Würde dagegen, wie die meisten annehmen, die Erwählung Israels von vornherein zum Zwecke des ewigen Lebens sein, dann hätte ja für dieses Volk schon die Erwählung Erlösung bedeuten müssen. Der Erlöser wäre für dieses Volk überflüssig. Das Gegenteil ist aber der Fall. Denn gerade dieses Volk war das niedrigste aller Völker und benötigte den Heiland. Dieser Heiland soll selbstverständlich nicht nur ein jüdischer Heiland sein, sondern der der ganzen Welt. Aber der Heiland fängt mit seinem Heilswirken bei der tiefsten Fallstufe an. Da stand Israel. So kam Jesus in sein „Eigentum“. Das war wahrhaftig nicht das Heilseigentum (= Erlösungs-Eigentum). Sein Erlösungseigentum war nicht geistlich, sondern durch und durch fleischlich gerichtet. Die Bestätigung dafür liegt in der Tatsache: „Die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ Wenn wir das beachten, dann erkennen wir, dass gerade dieses verwerfliche Israel ganz erwählungsgemäß gelebt hat. Es hat, damit der Christus im Fleisch seinen Erlösungsdienst vollführe, ihn ans Kreuz gebracht. Wehe uns, wenn dieses boshafte Volk solches nicht getan hätte! Das ist eine der größten Tatsachen, dass Israel gerade mit der verwerflichen Golgathatat der Welt den größten Dienst erwiesen hat. Mag uns dieser Dienst noch so geheimnisvoll erscheinen, er ist unentbehrlich. Damit war der Erwählungsauftrag Israels erfüllt. Gott ist mit der Erwählung dieses Volkes nicht enttäuscht worden; im Gegenteil, gerade durch dieses Volk, mit seiner mehr als merkwürdigen Haltung, erreicht er sein Ziel. Was nunmehr heilsmäßig geschehen sollte und geschieht, ist ja nicht durch dieses Volk sondern durch Christus!

Die Erwählung Israels ist darum durchaus kein Problem, sondern hat volle Richtigkeit; es muss nur der Zweck der Erwählung begriffen werden. Wer die Erwählung Israels „nach dem Fleisch“ in der Sicht des ewigen Lebens versteht, kann nur enttäuscht werden.

Völkische Erwählung

Wir werden Israel noch in weiteren Erwählungsphasen sehen und werden feststellen dürfen, dass dieses Volk sogar zum ewigen Leben gewürdigt sein wird. Zunächst müssen wir aber bei der ersten Erwählungsstufe bleiben. Das ist die völkische Stufe. Die darf niemals mit dem Reich Gottes in Einklang gebracht werden. Denn ins Reich Gottes gehören nicht Fleisch und Blut. Fleisch und Blut sind nur Mittel zum Zweck. Das völkische Israel ist mit seiner Erwählung als „Heilandsbringer“ seinem Auftrag durchaus gerecht geworden. Der Heiland kam aus den Juden. Das ist eine Tatsache, die zunächst genügt. Es kommt auch noch die Zeit, in der auch das Heil von den Juden kommen wird. Das ist ein weiterer Erwählungsdienst, auf den wir noch zu sprechen kommen.

Ehe aber Israel nach der Wahl Gottes der „Heilandsbringer“ werden konnte, haben von Jakob an noch mancherlei Heilsträger in Erscheinung treten müssen, die für die große Heilsaufgabe ebenfalls von Gott erwählt und berufen waren. Man denke an Mose, Josua, an die Richter, Könige, Priester, Propheten. Das waren alles Erwählte Gottes, mit mehr oder weniger menschlichen Schwächen und Gebrechen (siehe Bileam), die aber alle diesem Erwählungsauftrag irgendwie dienlich werden mussten. Alle hatten sie mit Israel zu tun, dem zum Heilandsbringer erwählten Volk, das gerade bei dieser fluchwürdigen Haltung zum Wahldienstträger wurde. Gerade im Verhalten dieses Volkes war die von Gott vorgesehene „Zeit erfüllet, dass er seinen Sohn sandte". In dieser finstersten Zeit Israels nahm der Tempeldiener Simeon das Gotteskindlein in die Arme und rief beglückt: „Nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen.“ Zu der Zeit hat auch der letzte Prophet der völkischen Ära hinweisend sagen dürfen: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt.“ Alle diese Erwählten waren in erster Linie Diener des „Heilandes“, und erst in zweiter Linie Diener des „Heils“. Diese erwählten Männer Gottes haben grundsätzlich das Kommen Christi bezeugt. Das war der nächstliegende Zweck ihrer Erwählung.

Erwählung nach dem Geist

In der „völkischen“ Erwählung liegt samenartig eine weitere Erwählung begründet: „Das ist’s, das durch den Propheten Joel zuvor geweissagt ist: Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, ich will ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Ältesten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und Mägde will ich in denselben Tagen von meinem Geist ausgießen und sie sollen weissagen“ (Apg 2:16-18). Gott gibt diesem Volk nicht nur eine Erwählungsaufgabe nach dem Fleisch, sondern auch nach dem Geist. Kommt aus diesem Volk der Heiland, dann empfängt es auch als erstes „Volk“ den Heiland. Es besteht hierin eine wunderbare göttliche Logik. Aber wohlgemerkt: Auch dieses Volk der Wahl (nach dem Fleisch) muss zu diesem Christus durch Buße und Wiedergeburt, wie jedes andere Volk. Israels Erwählung nach dem „Fleisch“ hebt die Erwählung nach dem „Geist“ nicht auf, sondern macht sie erst recht notwendig. Die Wahl nach dem Fleisch gibt Israel nicht ein Heilsrecht, sondern bestenfalls eine Heilsbevorzugung. Bevorzugt insofern, weil es dem Heiland am nächsten steht.

Leider hat dieses Volk, wohl weil es auf der tiefsten Stufe steht, die Erwählung für die geistlichen Dienste nicht gleich begriffen. Es hat, äußerlich gesehen, wiederum versagt. Dieses Versagen hat Gott nach seinem ewigen Vorsatz neu verwendet. Es traf das ein, was Paulus in Röm 11:25.26 zu sagen hat: „Ich will euch nicht verhalten, liebe Brüder, dieses Geheimnis, auf dass ihr nicht stolz seid. Blindheit ist Israel zum Teil widerfahren solange, bis die Fülle der Heiden eingegangen sei, und also das ganze Israel selig werden, wie geschrieben steht: „Es wird kommen aus Zion, der da erlöse und abwende das gottlose Wesen von Jakob."

Erwählung neuer Heilsträger

Gott benötigt neue Heilsträger. Zur Erwählung dieser neuen Heilsträger ist auch die Wahl neuartig. Es tritt nunmehr voll in die Erscheinung die „Aus-Erwählung“, d. h. aus den Erwählten werden neuartige Erwählte auserwählt. Da die „Fleisches-Dienste“ erfüllt sind, und die Geistes-Dienste beginnen müssen, auserwählt Gott die vor Grundlegung der Welt ersehene EKKLESIA! Sie ist nicht nur auserwählt, sondern ist die Auswahl in höchster Potenz! Mit der Ekklesia ersteht die Herauswahl im endgültigen Sinne. Das ist die erste Auswahl, die absolut geistlich ist und ewige Bestimmung hat. - Hier wird die präexistente Erwählung sichtbar.

Der Ausdruck „Aus-Erwählung“ wird auch im Alten Testament des öfteren gebraucht. Doch immer in dem im Worte liegende Sinne. Auserwählt aus den Erwählten. Mit anderen Worten: bevorzugt aus den Bevorzugten. Somit ist dieser Ausdruck für die neutestamentliche Ekklesia voll zutreffend.

Die himmlische Dienstlinie

Aber auch diese neuartige Aus-Erwählung hat in erster Linie nicht „ewiges Leben“ zur Bestimmung, sondern Dienst! Wäre die Aus-Erwählung nur auf das ewige Leben ausgerichtet, dann müsste alles Nichterwählte dem Verderben verfallen. Das Gegenteil ist aber der Fall. Die Aus-Erwählten haben gerade an den Nichterwählten folgende Aufgabe: „Ihr habt mich nicht erwählt, sondern ich habe euch erwählt und gesetzt, dass ihr hingeht und Frucht bringt.“ (Joh 15:16). „Ich bitte nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden“ (Joh 17:20). „Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, und das heilige Volk das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Tugenden des, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“ (1Petr 2:9). „Ihr seid bekehrt von den Abgöttern, zu dienen dem lebendigen Gott“ (1Thes 1:9). ... Wisst ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? ... Wisst ihr nicht, dass wir über die Engel richten werden“ (1Kor 6:23). „Sie werden mit ihm regieren von Äon zu Äon“ (Offb 22:5). Selbst die Engel werden in das Erwählungsgeschehen hineinbezogen „zum Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit (Hebr 1:13.14).

Hier wird eindeutig bezeugt, dass die Aus-Erwählten gerade um der äonischen Dienste an den Nichterwählten willen berufen sind. Ihre Erwählung ist eine ausgesprochene Diensterwählung!

Dass diese Diensterwählung auch für das ewige Leben Geltung hat, ist selbstverständlich. Denn der Heilsdiener ist gleichzeitig auch der Heilsempfänger. Die Diensterwählung schließt die Lebenserwählung nicht aus, sondern ein (2Thes 2:13).

Zu beachten ist aber, dass dieser auserwählte, präexistente Dienst-Heils-Körper (= Leib Christi) die himmlische Dienstlinie einhalten wird. Nach der Entrückung und Einverleibung ist die Ekklesia der „Vollmaßchristus“ = des Christus = Pläroma, durch den alles in allem erfüllt wird (Eph 1:22.23).

Die irdische Dienstlinie

Wiederum die irdische Deinstlinie wird ausgeführt von dem erwählten irdischen Heils-Dienst-Körper, den wir schon mit dem geistlichen Israel festgestellt haben. Hier tritt das geistliche Israel in die Dienstwahlerscheinung. Am Anfang des tausendjährigen Reiches wird nach dem prophetischen Wort das Weib, das sich bereitet hat, und in der „Hochzeit“ dem Bräutigam angetraut wird, die irdische Heilslaufbahn antreten. Es geht dann in Erfüllung, was in den prophetischen Büchern des Alten und Neuen Testaments geschrieben steht: „Zu der Zeit werden zehn Männer aus allerlei Sprachen der Heiden einen jüdischen Mann bei dem Rockzipfel ergreifen und sagen: Wir wollen mit euch gehen, denn wir hören, dass Gott mit euch ist“ (Sach 8:23). „Alle Heiden werden kommen und anbeten vor dir“ (Offb 15:4). Hier ist die weitere Erwählungsstufe Israels, die aber, man achte genauestens darauf, Dienstzweck hat!

Ende der Erwählungen

Diese Erwählungen und Aus-Erwählungen laufen, solange sie zu den Heilsdiensten notwendig sind. Alle Erwählten sind Heilsträger, und alle Heilsträger sind zu ihrem Dienst erwählt, solange die Heilsdienste erforderlich sind. Wenn ihre Dienste erfüllt sein werden, dann hört auch ihre Erwählung auf. Dann haben sie alle das ewige Leben, zu dem sie nicht erwählt, nicht bevorzugt, sondern geboren sind! Das ewige Leben hat nicht Erwählung zur Voraussetzung, sondern Wiedergeburt! Wenn im „Ende“ nach 1Kor 15:28 Gott, der Vater, sein wird alles in allen und allem, dann tragen sie alle in der Sohnschaft das Leben des Vaters, das allumfassend gleichwertig ist. Im Voll-Leben gibt es keine Bevorzugung. Auf der höchsten Lebensstufe wäre eine Erwählung nachteilig. Die höchste Lebensstufe hat das Merkmal: „... auf dass sie alle eins seien, gleich wie du, Vater, in mir und ich in dir“ (Joh 17:21). Nach dieser Jesusaussage sind die Erwählungen in der Vollendung abgetan.

Und wenn es im Reiche des Vaters noch Unterstufungen geben wird, dann kennt ihre Unterscheidung nur der Vater. Darüber schweigt aber die Heilige Schrift, und darum schweigen wir auch. Was über unsere Begriffe geht, dürfen wir nicht begreiflich machen. Was uns aber die Schrift über die Erwählung kundtut, sehen wir an den Erwählten. Sie sind alle, ausnahmslos alle erwählt zum Dienst. Ihre Dienste bekunden die Stufe der Erwählung. Ihre Diensterwählungen und ihre Erwählungsdienste laufen, solange die Dienste notwendig sind. Wenn nach dem Vorsatz Gottes die äonischen Heilsdienste in ihm die „Er-Füllung“ haben werden, dann werden seine Erwählungen ihm zurückgegeben, und er wird im Vollmaß der Vater sein. „Denn von ihm und durch ihn und zu ihm hin sind alle Dinge."

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