Die Erschaffung des Alls im Sohne

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Aus der Reihe: Christi unausspürbarer Reichtum
Die ersten Gottes- und Christusoffenbarungen in der Vorschöpfungsperiode des Alls
von M. Jaegle und Mitarbeitern (1983)


Abschrift mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Groß, Balingen
Dort als Schrift noch erhältlich.

Siehe weitere Abschriften:
Inhaltsverzeichnis

Die ersten Gottes- und Christusoffenbarungen in der Vorschöpfungsperiode des Alls

4. Die Erschaffung des Alls im Sohne

“Denn in I h m ist erschaffen das A l l , das in den Himmeln und das auf der Erde, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstlichkeiten oder Obrigkeiten, das All ist durch Ihn und zu Ihm hin erschaffen“ (Kol 1:16)

Wie ist diese Gottestat nach der Schrift zu verstehen?

Nach der vorhergehenden Betrachtung der in Kol 1:16 liegenden Grundwahrheit sind wir nun genügend vorbereitet, um an den vollständigen Wortlaut dieser, einer der größten Christusoffenbarungen, heranzutreten. Was wir hier im Worte Gottes ausgesprochen finden, ist einfach überwältigend. Dass alles d u r c h den Sohn erschaffen wurde, vermögen wir zu verstehen. Dass aber die gesamte Schöpfung vor ihrem eigentlichen Eintritt ins Dasein i n Ihm erschaffen wurde - was nur durch Gott geschehen konnte - übersteigt unser Fassungsvermögen vollständig. Da sehen wir im Geist sämtliche Geschöpfe im Sohne erstehen, das heißt: alle Menschen von Adam bis in die Gegenwart, sowie alle Generationen der Zukunft und des Äons der Äonen (Eph 3:21), dazu die Myriaden der himmlischen Heerscharen, von denen die politischen Obrigkeiten noch besonders erwähnt werden. Wir suchen zur Erklärung dieser Gottestat vergeblich nach einem Zug im menschlichen Leben, der auch nur schwach dieselbe widerspiegeln könnte. Hier handelt es sich eben um eine rein göttliche, nicht nachzuahmende Kunst. Doch wie immer, so schenkt auch hier das Wort Gottes dem forschenden Geist genügend Licht darüber, sodass ihm dieselbe zur Freude und Stärkung wird; denn an ein verstandesgemäßes Erfassen ist dabei nicht zu denken.

Nun ist vor allem diese Wahrheit nicht so zu verstehen, als ob das All, so wie es später in die Sichtbarkeit trat, im Sohne fertiggestellt wäre, und in dieser Gestalt aus Ihm hervorgegangen sei. Dem widerspricht der tatsächliche Vorgang der Erschaffung des ersten Menschen, in den uns Gottes Wort Einblick gewährt. Das erhärtet auch der vorliegende Vers aus dem Kolosserbrief, der uns von der Erschaffung des Alls im Sohne Kunde gibt, indem er ein wenig weiter sagt, dass das All d u r c h Ihn erschaffen wurde. So heißt es ebenfalls in 1Kor 8:6, das All sei durch Jesus Christus. Dieselbe Entstehung der Schöpfung lehrt auch Johannes in seinem Bericht, indem er bildlich von Ihm als dem Wort Gottes sagt, dass alles durch dasselbe geworden sei (Joh 1:3).

Nun bestanden aber die göttlichen Vorbereitungen für die Erschaffung des Alls in weit mehr als nur dem Entwerfen eines Planes, wie das ja auch Menschen tun können. Gott kann das, was Er ins Dasein zu rufen Sich vorgenommen hat, zuvor in geistlicher Lebendigkeit erstehen lassen. Die Schrift führt uns zahlreiche Beweise dieser göttlichen Kunst vor Augen. So wurde der Prophet Hesekiel im Geist auf den Berg Jehovas mit dem Tempelplatz des kommenden Königreiches versetzt, welches Gott in einem Bild vor ihm erstehen ließ. Der Mann, dessen Aussehen wie Kupfer war, führte ihn durch alle Räume und Höfe des Tempels und nahm dessen Maße (Hes 40). Ja, in die, unter dem Eingang zum Heiligen hervorfließenden und zu einem Strom anschwellenden Wasser, musste der Prophet sogar hinein steigen (Hes 47). Noch viel mehr Erfahrungen gleicher Art durfte der Apostel Johannes machen. So sah er die willige Unterordnung eines jeden Geschöpfes unter Christus nicht nur in einem prophetischen Gemälde, sondern h ö r t e, wie alle den Lobpreis auf Christus, das Lämmlein, aussprachen (Offb 5:13). Auf diese Weise wurde Johannes in die ganzen Enthüllungen Jesu Christi eingeführt. Ferner wurde Paulus in einem Gesicht sogar in den dritten Himmel entrückt und h ö r t e dort Herrlichkeiten, die er damals noch nicht aussprechen durfte (2Kor 12:1-4). Und das war der Himmel, der auf den jetzigen folgt und noch gar nicht erschaffen ist (2Petr 3:7.12-13). Das erhabenste Beispiel dieser Art ist wohl der Opfertod Christi. Nachdem er auf Golgatha vollbracht und zeitlich als historische Tatsache festgelegt war, wird Johannes inspiriert niederzuschreiben, dass das Lämmlein geschlachtet ist vom Niederwurf der Welt an (Offb 13:8). Denn von da an rechnete Gott mit Christus als dem wahren Opferlamm in ganz realer Weise. Dies kommt so recht zum Ausdruck in der göttlichen Bewertung des vergossenen Blutes der vielen Opfertiere, das ohne Beziehung zum Tod des großen Opferlammes wertlos gewesen wäre, nun aber die Sünden zuzudecken vermochte, bis Sich Gott gründlich und endgültig mit ihnen befasste (Röm 3:25-26).

Diese angeführten Beispiele zeigen, wie wir uns die Erschaffung des Alls im Sohne vorzustellen haben. Es war gewissermaßen eine Vorbildung und Festlegung des Zieles, das Gott für das All ersehen. Wie groß wird uns doch unser Herr, weil Gott das in Ihm vollbrachte! Und welch gründlicher Kommentar ist es zu der Wahrheit, dass Christus Jesus damals in der Gestalt Gottes das Dasein hatte (Phil 2:6).

Gegenüberstellung der Anfänge und Abschlüsse

Um nun die grundlegende Stellung der Erschaffung des Alls im Sohne, sowie überhaupt diese Anfänge im göttlichen Heilsplan in ihrer vollen Bedeutung zu erkennen, müssen sie in das Licht der Endziele gestellt werden. Diese Ausführung gibt einen wertvollen Einblick in die in Gottes Plan waltende Weisheit und Ordnung, indem sie gut erkennbar zeigt, dass die Anfänge genau den Abschlüssen entsprechen. Ja, noch mehr. Die gewaltigen Ziele Seines Liebesvorsatzes mit Seiner Schöpfung sind schon keimartig in die ersten Phasen der Vorschöpfungsperiode eingeschlossen, und damit ist der Abschluss des göttlichen Schaffens bereits als Tat unabänderlich festgelegt. Schon das verpflichtet einen jeden Schriftforscher dazu, ja nichts anderes zu lehren, als was dem festgelegten Anfang und Ziel in Gottes Wort entspricht. Diese, die ganze Entwicklung der Schöpfung durchziehende Ausgeglichenheit, lässt das gesamte All auf einem unzerstörbaren und wohltuenden Fundament ruhen. Folgendes Schema, das zwar nur als unvollkommenes Hilfsmittel zu bewerten ist, wird uns dennoch etwas von der Harmonie und dem Gleichgewicht des göttlichen Planes übermitteln.

Die Anfänge Die Abschlüsse
Alles allein Gott Alles in allen
Alles in Ihm Der Sohn Söhnt aus das All
Durch Erschaffung Hauptschaft Neuerschaffung
Christi Opfertod Rettung Christi Wiederkunft


Diese Darstellung zeigt, unter Auslassung anderer für diese Abhandlung nicht notwendigen Züge, den göttlichen Heilsplan in seiner Entwicklung vom Anfang bis zum Abschluss. In großen Etappen wird hier der Weg der Schöpfung skizziert. Von Gott ging sie aus und wurde darauf in den Sohn verlegt, um durch Ihn ins Dasein zu treten. Durch Satan, den Widerwirker Gottes, wurde sie in die Gottesferne hinabgezogen. Dieser zweite Abschnitt, mit der in ihm stattfindenden Krise, ist ganz Christus unterstellt. Das Kreuz wird zum großen Wendepunkt. Auf einem weiten äonenlangen Weg wird nun die Schöpfung wieder hinauf gehauptet in Christus und als neue Schöpfung von Ihm zum Vater zurückgebracht. Wir sehen daran, dass Gott nicht aufs Geratewohl oder versuchsweise zu wirken begann, sondern auf unabänderliche Ziele hinarbeitet.

In der Offenbarung „Das All in Gott“ ist das gesamte All Gott untergeordnet. Das ist die eine Seite der Hauptschaft Gottes. Sie wird vervollständigt am Abschluss der Äonen, wenn Gott sein wird alles in allen. Dies ist die kürzeste und bündigste Erklärung der Hauptschaft Gottes nach der Schrift. Sie besteht in einer, in tiefster Liebe wurzelnden, lebensvollen Beziehung Gottes zum All, von Ihm selbst geschaffen, in die am Abschluss jedes Geschöpf willig und freudig eingegangen sein wird. Dann wird jedes Wesen Gott in sein von Seiner Liebe überwundenes Herz aufnehmen, auf dass Er sein kann Alles in allen! Das wird für Ihn die süße Frucht sein, die aus Seiner eigenen, der Schöpfung geschenkten Liebe empor gesprossen und herangereift ist.

Durch Seinen Einschluss in Gott nahm auch der Sohn ursprünglich an dieser universalen Unterordnung der Schöpfung teil. Aber auch diese Phase findet in der Zukunft ihr Gegenstück. Sie ist die Vorausdarstellung der Etappe, die Gottes Plan zum Abschluss und Endsieg führt, wenn Christus nach erfolgreicher Regierung alles in die willige Unterordnung unter Gott gebracht hat, und Sich dann selbst mit dem gesamten All als der Sohn Gott unterordnet (1Kor 15:28). Nachdem diese Grundlage gebildet, und damit die Voraussetzung zum glücklichen Abschluss geschaffen und festgelegt war, führt Gott nun das All durch die Versetzung in Christus in eine andere Verfassung ein. In diesem vorgenommenen Wechsel sehen wir das vom Vater begonnene Werk in die Hände Seines Sohnes gelegt mit dem Auftrag, es weiterzuführen und zu einem sieghaften Abschluss zu bringen. Diese offizielle Übergabe liegt begründet in der Erschaffung des Alls im Sohne. Auch diese Gottestat birgt eine gewaltige Prophetie in sich, die in der fernen Zukunft ihre Erfüllung finden wird. Sie wird darin bestehen, dass das All, nachdem es in die Gottesferne gesunken war, wieder in Christus heraufgehauptet wird, wenn alle Geschöpfe Ihn als Herrn anerkennen und Ihm willige und freudige Huldigung darbringen werden. Für die Vorausdarstellung des göttlichen Endzieles ist die Erschaffung des Alls i n Christus bedeutungsvoller als die spätere Erschaffung d u r c h Ihn; denn sie weist hin auf Seine zukünftige Hauptschaft.

Während Seiner Erdentage sprach es Jesus wiederholt aus, dass Ihm vom Vater alles übergeben ward, und fügte auch gleich siegesbewusst und sicher hinzu, dass Er nichts von allem verlieren werde (Joh 3:35; Joh 6:39; Joh 13:3). Wir sehen, wie so mancher Ausspruch Jesu aus den Tagen Seiner Erniedrigung, wenn mit der Urschöpfungsperiode in Verbindung gebracht, an Tiefe und Bedeutung gewinnt.

Gott beginnt Seine Werke im Sohne

Die ersten göttlichen Betätigungen, um das All ins Dasein zu bringen, liegen im Sohne. Ja, wir können sagen, dass sogar die erste Entfaltung des Alls in Ihm ihren Anfang nahm. Der Sohn ist also in doppeltem Sinne der Ursprung der Schöpfung Gottes (Offb 3:14). Nicht nur ist Er selbst Gottes erste Schöpfung, auch die Schöpfung ward in Ihm vorgebildet und schließlich durch In erschaffen.

Gleichfalls tritt eine der wichtigsten Offenbarungen über die Entfaltung des göttlichen Heilsplanes das erste Mal in Ihm in Erscheinung. Während nämlich das All in Gott als ein Ganzes ruhte, erfährt es im Sohne eine Aufteilung in zwei große Gebiete: Das in den Himmeln und das auf der Erde. Damit sind auch die zwei Wege bloßgelegt, auf denen sich das Heil Gottes in die Schöpfung ergießt: Auf dem einen Weg der durch Israel vermittelte Segen für die Erde, und auf dem andern der, welcher durch die Gemeinde in die Himmelswelt getragen wird.

Der Vorsatz und die Erschaffung der Äonen

Nun hat Gott nicht nur das große Werk in Christus erstehen lassen. Er hat Ihm auch seine Weiterführung aufgetragen und die dazu notwendigen, gewaltigen Zeitläufe in Ihm ins Dasein gerufen. Im Epheserbrief lesen wir von einem göttlichen Vorsatz der Äonen, den Er macht in Christus Jesus (Eph 3:11). Wir sehen hieraus, dass Gott im voraus wusste, wieviel Zeit das Werk der Schöpfung und ihre Erlösung und Aussöhnung erfordern werde. Hatte Er doch schon damals einen Plan der Äonen gefasst und festgelegt. Im Hebräerbrief vernehmen wir dann weiter, dass Gott durch den Sohn die Äonen machte (Hebr 1:2). Dieser Vorsatz bildet eine überraschende Parallele zu demjenigen der materiellen Schöpfung. Wie das All in Christus (vor)erschaffen und darauf durch Ihn in äußerliches, sichtbares Dasein gerufen wurde, so fasst auch Gott den Vorsatz der Äonen zuerst in Christus, und darauf wurden diese geplanten Zeitläufe durch Ihn gemacht. In diesen Schriftaussagen liegt der klare Beweis, dass die Äonen einen Anfang haben. Aber nicht nur einen Anfang, jedem ist auch ein Ende gesetzt; denn zweimal redet die Schrift vom Abschluss der Äonen. (Siehe die wörtlichen Wiedergaben in der konkordanten Übersetzung: 1Kor 10:11; Hebr 9:26).

Mit der Erschaffung von Himmel und erde begannen die Äonen ihren Lauf. Die Urschöpfungsperiode reicht demnach bis zu ihrem Anfang, und in Anlehnung an diese Wahrheit kann man ihr den Untertitel geben: „Vor den Äonen“.

Wir sind erschaffen in Christus (Eph 2:10)

Nachdem wir uns schon bei der Betrachtung „Das All in Christus“ in Ihm fanden, stoßen wir hier erneut auf unsere vorweltliche Erwählung. Jetzt sehen wir uns im Geist im Sohne erstehen. Diese göttliche Tatsache hebt Paulus für die Glieder Seines Körpers noch einmal besonders hervor. „Denn Sein Machwerk sind wir, erschaffen in Christo Jesu ...“, so lautet diese frühe Offenbarung von unserer Erschaffung in Christus (Eph 2:10). Hier schon treten die Umrisse der Gemeinde in Sicht. Das ganze folgende Thema „Unsere Auserwählung in Christus“ ist ein einziger Beweis dafür, dass alle Gläubigen in Christus waren. Dort schon war Christus unser Haupt und Herr, dem alles vom Vater übergeben wurde. Die Herrlichkeit unseres heutigen Gnadenstandes besteht darin, dass wir im Geist in Christus sind. Und nun erfahren wir, dass wir uns schon einmal an diesem seligen Ort befanden, von wo wir auch ausgegangen sind (1Kor 1:30). Dort schon waren wir von unserm Heiland, obwohl wir noch nichts davon wussten, innig geliebt, und in Güte und Erbarmen hat Gottes Vaterauge auf uns geblickt, und, wie wir noch sehen werden, bereits eine Tat Seiner Liebe an uns gewirkt. Wie wird doch das Herz warm und freudig bewegt und mit Kraft für Alltag erfüllt, beim Bewegen dieses Gedankens, dass unsere Erwählung in Christus zurückreicht in die voräonische Zeit!

Nie dürfen wir jedoch aufgrund dieser herrlichen Offenbarungen den Gedanken aufkommen lassen, dass wir schon eine Vor-Existenz gehabt hätten. Nur Christus allein besaß eine solche und sonst kein anderes Geschöpf außer Ihm. Wir waren nur in dem Sinne in Gott und in Christus, wie alle Menschen in Adam waren. In Christus sah uns dann Gott, wie wir einmal werden sollten.

Die Einsetzung Christi als Haupt über das All

Eine der größten Gott-Gleichheiten (Phil 2:6), in die Christus durch die Aufnahme des Alls in Sich erhoben wurden, besteht darin, dass Gott die Einheit, die Er zuvor mit dem All darstellte, nun auch in ähnlicher Weise zwischen Christus und dem All bildete. Nach der Schrift ist das die Einsetzung Christi zum Haupt des Alls. Für die Erforschung des Anfangs der Entfaltung und der Vollendung des Liebesplanes Gottes ist das eine der gewaltigsten und wichtigsten Enthüllungen. Sie gehört zu der Gruppe göttlicher Wahrheiten, die nur durch den Apostel Paulus bekannt gemacht wurden. In seinen Briefen nimmt die Hauptschaft Christi einen großen Raum ein. Der Apostel lehrt, das Christus das Haupt ist: eines jeden Mannes (1Kor 11:3), der Gemeinde (Eph 4:15; Eph 5:23; Kol 1:18), jedes Fürstentums (Kol 2:10), des Alls (Eph 1:22). Da nun diese Benennung der hohen Stellung Christi eine Redefigur ist, so ist es notwendig wie auch gewinnreich, die sich aus ihr abzuleitenden Züge herauszustellen.

Schon die hebräischen Schriften lehren in weitestem Maße eine biblische Hauptschaft. 2Mo 28:13: Häupter über das Volk, 5Mo 28:13: Israel, das Haupt der Nationen. Jos 22:14: Haupt des Vaterhauses; 1Sam 15:17: Haupt der Stämme Israels, u. a.. In allen diesen Fällen bedeutet Hauptschaft den Besitz von Vollmacht und Führerstellung über eine kleinere oder größere Anzahl von Menschen, die in diesem Zusammenhang eine Körperschaft bilden. Niemals ist jedoch an einen kopflosen Körper zu denken, dem nun ein Haupt aufgesetzt wird. Der bildliche Ausdruck „das Haupt“ findet in unserem Volksleben ja ebenfalls reichlich Anwendung. Wir reden von Staats-, Gemeinde- und Familienhäuptern, und weiter werden Gruppen gemeinsamer Berufe als „Körper“ bezeichnet, so z.B. der Lehrkörper, welcher das Lehrpersonal einer Schule darstellt. Auch diese Hauptschaften bestehen einfach darin, dass eine Person über viele Individuen, die die eine Körperschaft bilden, bevollmächtigt ist. Das ist nur e i n e Beziehung von Haupt und Körper zueinander, und zwar die lockerste und damit auch die oberflächlichste.

Als Gott das All aus Sich in Christus verlegte und in Ihm erstehen ließ, fand die Einsetzung Christi als das Haupt über das ganze All statt. Diese Hauptschaft beruht in einer tiefinnerlichen Verbundenheit mit jedem Geschöpf und ist unendlich viel mehr als nur äußere Vollmacht über dasselbe. Gott brachte damals die Schöpfung in eine lebensvolle Beziehung zu Christus. Die Sünde hat wohl unterbrechend und zerstörend in dieses Verhältnis eingegriffen, konnte aber die Grundlage des Lebenszentrums dieser Zusammengehörigkeit weder erreichen noch vernichten.

Hier sehen wir nun das Ursprungsverhältnis der Schöpfung zu Christus vorgebildet. Kein Widerstand, keine Störung oder Trübung war dort zu finden; alles war Ihm, dem Sohne, untergeordnet, und ergeben ruhte jedes Geschöpf an Seinem Herzen. Durch die Verbindung mit Seinem eigenen Leben vermochte Er bewusst und nach Seinem Willen jedes Geschöpfes Veranlagung und Entfaltung zu bilden. Das was in den Himmeln und auf Erden ist, war in Christus wundervoll in Eins zusammengefasst, als Modell und Vorbild dessen, was einmal wieder für alle sein wird.

Schon diese erste Einsetzung Christi zum Haupt des Alls bedeutet für die Schöpfung eine A u f hauptung; denn in Wirklichkeit stand sie in ihrer sittlichen Verfassung, nachdem sie aus Gott herausgenommen war, weit unter Christus. Aber durch ihre Verpflanzung in Ihn und Erschaffung durch Ihn wurde sie zu Ihm hinauferhoben, durch diese Erhöhung eine große, ehrenvolle Adelung empfangend.

Des Sohnes Verantwortung und des Vaters Vertrauen zu Ihm

Dieser Akt der Übergabe des Alls durch den Vater an den Sohn machte Christus zum Verantwortlichen für die ganze Schöpfung. Selbst unter Menschen ist es üblich, dass bei der Übernahme irgend eines fremden Eigentums zur Verwaltung auch die sich daraus ergebende Verantwortung mit übernommen wird. Hier handelt es sich jedoch um weit mehr. Gott hat das All nicht zuerst erschaffen und dann Seinem Sohn übergeben, sondern dasselbe in Ihn verlegt. Er hat Ihn mit allen Rechten und Vollmachten zum selbstständigen Handeln ausgestattet. Sollte daher irgend etwas misslingen, Ihm von dem Ihm Anvertrauten verlorengehen oder geraubt werden, so hätte Er sowohl das Recht als auch die Pflicht, Sich für dessen Zurückgewinnung einzusetzen. Christus war Sich alles dessen wohl bewusst, und hatte auch genaue Kenntnis von Seiner großen Aufgabe. Schon vor dem Niederwurf der Welt, bevor die Sünde eindrang, war Er von Gott als das makel- und fleckenlose Lamm erkannt, das heißt, für Seinen Opfertod vorher bestimmt worden (1Petr 1:20). Durch David tut Christus kund, dass der Vater auf diesen schweren Auftrag hin von Ihm ein williges und freudiges „Ja“ erhielt (Ps 40:7-8). Wir dürfen wohl sagen, dass hier die Grundsteinlegung für das Kreuz stattgefunden hat, und sich kein eigentlicher Standort in jener Epoche befindet, nachdem es schon vorher in Gottes Vorsatz bestand.

Welch ein unbegrenztes Vertrauen zu Seinem Sohne bringt doch Gott mit dieser Tat zum Ausdruck! Er muss in dessen Erkenntnis und Willen eine völlige Übereinstimmung mit Seinem Vorsatz und eine vollkommene Fähigkeit für die Hinausführung Seines großen Schöpfungs- und Rettungsplanes gefunden haben, so dass Er Ihm das All so gänzlich übergeben konnte. Auch war Ihm des Sohnes williger Gehorsam bis zum Tode des Kreuzes eine Gewissheit. Für den Vater war es gänzlich ausgeschlossen, dass Er an Seinem Sohne auch nur die geringste Enttäuschung erleben würde; denn Er wusste, dass dieser in dem schweren Kampf mit dem Widerwirker als triumphierender Sieger hervorgehen werde.

Die große Krisis in Gottes Schöpfung

Nun geht es nicht an, sich in großen Zügen mit Gottes Plan zu befassen, ohne notgedrungen auch die von Satan hervorgerufene Krise mit einzubeziehen. Angesichts eines solch gut durchdachten Planes, und solch gründlicher Vorbereitungen, ja sogar der Festlegung des Zieles von Seiten Gottes, erhebt sich die Frage, wie es denn möglich war, dass ein einziges Geschöpf eine so erschütternde Krise in Gottes Schöpfung verursachen konnte, die sich durch die Äonen hindurch ziehen würde! Nachdem Gott das All Seinem Sohne, dem Christus, übergeben hatte, und Er der Verantwortliche geworden war, handelt es sich bei dieser schwerwiegenden Erwägung weniger darum, ob alle Ihm als Gottes Eigentum anvertrauten Geschöpfe einmal selig werden, als vielmehr um die Frage, ob Er am Abschluss mit dem beschämenden Bekenntnis vor den Vater treten müsse, dass Er den größten Teil durch des Widerwirkers Machenschaften verloren habe. Dies wäre auch tatsächlich der Fall, wenn die Lehre von der ewigen Verdammnis mit der Schrift übereinstimmte! Wir stehen hier vor einem der ernstesten Probleme, dem wir jedoch nicht ausweichen dürfen, denn des Vaters und des Sohnes Ehre stehen auf dem Spiel!

Satan erschaffen im Sohne

Die Frage, ob Gott den Eintritt der Sünde im Paradies nicht hätte verhindern können, ist, was jenen Zeitpunkt anbelangt, schon viel zu spät gestellt. Sie muss schon bei den Anfängen Satans, die in Gott und Seinem Sohne liegen, erhoben werden. Auch er war bei der großen Versetzung des Alls aus Gott in Christus mit eingeschlossen, und damals schon wird dieser Gewaltige wahrnehmbar in den Vordergrund gestellt. In der Aufzählung alles dessen was im Sohne erschaffen wurde, werden auch Fürstlichkeiten und Obrigkeiten genannt, und darin finden wir deutliche Hinweise auf Satan: Fürstlichkeiten = Fürst des Vollmachtsgebietes der Luft (Eph 2:2), Obrigkeiten = Obrigkeit der Finsternis (Kol 1:13). (Natürlich befinden sich darunter auch die Himmelswesen, die nicht in den Abfall verstrickt wurden.) Mit allen andern Geschöpfen ist auch Satan im Sohne in der Wesensart erstanden, in der er später ins Dasein einging. Es war Gott, der ihn genauso vorgebildet hatte, wie er sein, und in seinem Leben werden sollte.

Christus in Seiner Stellung der höchsten Gott-Gleichheit wurde dort schon Satans Haupt, und dieser war Ihm völlig untergeordnet. Als der Widerwirker noch kein Selbstbewusstsein besaß, war er schon von Christus erkannt. In den Tagen Seiner Niedrigkeit wusste Jesus von Anfang an, welcher Ihn verraten würde (Joh 6:64). Um wieviel mehr musste Er in Seiner Herrlichkeitsstellung gewusst haben, dass Er Seinen Todfeind in Sich trug, der Ihn später ans Kreuz bringen werden. Mit Leichtigkeit hätte Er diese Anlage aus Satan herausnehmen können, ehe dieser selbst etwas davon wusste. Und nun sollte es möglich sein, dass dieses himmlische Geschöpf trotz seiner Unterlegenheit, aus eigenem Nachsinnen, also aus sich selbst den Widerstand gegen Gott erzeugen, sich der Hauptschaft Gottes und Christi entledigen, den Kampf mit Christus aufnehmen, Ihm die meisten Geschöpfe abtrünnig machen, und dem göttlichen Plan eine andere Richtung geben konnte! Ja, dass er mit dem allem Gott und Seinem Sohne gegen Ihren Willen einen Konflikt aufzunötigen vermochte, den beide zusammen nie mehr beilegen könnten! Welch ungeheure Macht wird doch dem Widerwirker zugeschrieben! Wer in einer solchen Weise den Kampf mit Gott aufzunehmen vermag, wäre ja wie Gott selbst.

Wenn auch von zwei Kämpfern der eine dem andern im Anfang vollständig ausgeliefert war und sich unter dessen Oberhand befand, dann aber verstand, sich durch Ränke und Schliche freizumachen und zu Schlägen auszuholen, die seinem, ihm einst überlegenen Gegner unberechenbaren, nie wieder gutzumachenden Schaden und Verlust zufügen mussten, wenn er vermochte, den Sieg, den dieser anfangs ganz in seiner Hand hatte, auf ein Mindestmaß zu beschränken, so gebührt einem solchen wirklich Bewunderung, dem andern aber eine schwere Rüge, weil er seinen, ihm einst unterlegenen Gegner so hochkommen ließ.

Leider hat sich in der Gemeinde ein Dogma einzuschleichen und zu halten vermocht, welches tatsächlich den Ausgang von Christi Werk und Kampf in einer solchen Beleuchtung lehrt. Christus wird damit als unfähig dargestellt, weil es Ihm nicht gelungen wäre, den Plan nach des Vaters Willen hinauszuführen. Gott gliche einem Menschen, der wie es im Leben vorkommt, seinem Sohn das Geschäft zu früh übergeben hätte. Dieser hätte es dann durch Unfähigkeit so herunter gewirtschaftet, dass Vater und Sohn sich bemühen müssten, das wenig Übriggebliebene noch zu retten. So ähnlich würde es nach der üblichen Auffassung in Gottes Schöpfung aussehen. Weil Christus den Einbruch Satans nicht verhindern konnte, musste Er hinunter auf die Erde steigen zur Rettung einiger weniger aus der großen Zahl der „Verlorenen“. Da könnte man auch sagen, Gott, der Vater, hätte besser getan, das All in Seinen Händen zu behalten. Was hätten Ihm auch all die gründlichen Vorbereitungen und die Festlegung des Zieles genützt, wenn dieses dann doch nicht erreicht werden konnte? Sucht man für diesen Misserfolg eine Erklärung darin zu finden, dass Gott wohl alles vorhergesehen und gewusst habe, aber alles so geschehen lassen musste, um „die Freiheit des Geschöpfes“ nicht anzutasten, so müsste man dennoch fragen (angesichts der ewigen Qual der meisten Geschöpfe), ob Gott in Seiner Weisheit keinen anderen Weg hätte erdenken können. Da Er ja um diesen Ausgang hätte wissen müssen, käme dies einem frevlerischem Spiel mit Seiner Schöpfung gleich. Aber die Lehre der Schrift über diesen Ausgang lautet - Gott sei Dank - wesentlich anders.

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5. Der Sieg Christi nach der Schrift