Simeon und Hanna - das Warten hat sich gelohnt

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Von Daniel Muhl

Die Kindheit Jesu

Bevor ich die spezielle und schöne Begegnung zwischen zwei alten Menschen und einem vierzig Tage alten Säugling näher beschreibe, will ich noch ein paar Gedanken über die Kindheit Jesu weitergeben. Die Bibel berichtet uns nicht so viel von den ersten 30 Jahren Jesu. Folgende Ereignisse werden uns beschrieben:
1. Das ganze Geschehen um die Geburt Jesu:

2. Vermutlich ein halbes Jahr später (evtl. auch 1 1/2 Jahre später) am Passahfest:

3. Circa 1-2 Jahre später:

  • Die Rückkehr aus Ägypten nach Nazareth (Mt 2:19-23).

4. Der 12-jährige Jesus in Jerusalem:

  • Jesus "geht verloren" und diskutiert mit den Gelehrten (Lk 2:41-51).
  • Anschließend kehren sie nach Nazareth zurück (Mt 2:51).

Zwischen dem Geschehen, wo Jesus mit den Gelehrten diskutiert und seinem öffentlichen Auftreten als 30-Jähriger, berichtet uns die Bibel kein Ereignis. Das einzig Naheliegende ist, dass Jesus vermutlich bei seinem Vater eine Ausbildung als Bauhandwerker genoss und mit ihm einige Zeit zusammenarbeitete. Da von Joseph nichts mehr berichtet wird, kann man davon ausgehen, dass Joseph starb, bevor Jesus 30 Jahre alt wurde. Mit Ausnahme seiner Ausbildung zum Bauhandwerker liegen 18 Jahre seines Lebens für uns im Dunkeln, währendem wir innerhalb der Zeit zwischen 30 und 33 ½ Jahren, eine Fülle von Berichten finden.

Vermutlich ist es auch so, dass Jesus während seiner Zeit in Nazareth ein relativ unauffälliges Leben führte und dass er nicht so sehr aufgefallen ist, weil die Bewohner von Nazareth, Jesus als keine außergewöhnliche Person erkannten, sondern in ihm nur den "Sohn des Bauhandwerkers" sahen (wörtl. Sohn des Ausführenden; gebräuchlich: Sohn des Zimmermanns; Mt 13:55 / Lk 4:22). Wir Christen hätten wahrscheinlich noch gerne mehr aus dieser Zeit erfahren. Wir hätten gerne gewusst, wie er sich in der Familie verhielt, wie er mit seinen Eltern umging und ob er auch hier ein paar Wunder vollbrachte usw.? Nur schon die Situation, dass sündige und fehlerhafte Eltern einen sündlosen und vollkommenen Sohn aufzuziehen hatten, war wahrscheinlich nicht immer einfach. Ich kann mir kaum vorstellen, wie ich damit umgegangen wäre, wenn ich so einen Sohn gehabt hätte. Wie dem auch sei, der Heilige Geist hat es für gut befunden, diese 18 Jahre für die Nachwelt auszublenden, weil sie für uns heute nicht mehr entscheidend sind. Wir wissen nur die folgenden Dinge:

  1. Er genoss eine Ausbildung zum Handwerker.
  2. Lk 2:51a - Und er ging mit ihnen hinab und kam nach Nazareth, und er war ihnen (den Eltern) untertan.
  3. Lk 2:52 - Und Jesus nahm zu an Weisheit und Alter und Gunst bei Gott und Menschen.

Das Geschehen in Jerusalem

Nun möchte ich das Geschehen in Jerusalem etwas näher beleuchten.

ELB Lk 2:21 Und als acht Tage vollendet waren, dass man ihn beschneiden sollte, da wurde sein Name Jesus genannt, der von dem Engel genannt worden war, ehe er im Mutterleib empfangen wurde.
ELB Lk 2:22 Und als die Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetz Moses vollendet waren, brachten sie ihn nach Jerusalem hinauf, um ihn dem Herrn darzustellen
ELB Lk 2:23 - wie im Gesetz des Herrn geschrieben steht: «Alle männliche Erstgeburt soll dem Herrn heilig heißen» -
ELB Lk 2:24 und ein Schlachtopfer zu geben nach dem, was im Gesetz des Herrn gesagt ist; ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben.

Die Beschneidung

Da Jesus auch ein Sohn Abrahams war und dem Fleische nach, zum Volk Gottes gehörte, wurde auch an ihm das "Bundeszeichen" zwischen Gott und Abraham vollzogen. Seine Beschneidung nach dem Fleisch war auch eine Darstellung auf die wesenhafte Beschneidung. Die wesenhafte Beschneidung von Jesus Christus, an der auch wir aus den Nationen teil haben, schildert der Apostel Paulus im Kolosserbrief:

  • Kol 2:11-13 - In ihm seid ihr auch beschnitten worden mit einer Beschneidung, die nicht mit Händen geschehen ist, sondern im Ausziehen des fleischlichen Leibes, in der Beschneidung des Christus, 12 mit ihm begraben in der Taufe, in ihm auch mit auferweckt durch den Glauben an die wirksame Kraft Gottes, der ihn aus den Toten auferweckt hat. 13 Und euch, die ihr tot wart in den Vergehungen und in der Unbeschnittenheit eures Fleisches, hat er mit lebendig gemacht mit ihm, indem er uns alle Vergehungen vergeben hat.

Wer seinen fleischlichen Leib ausgezogen hat, lässt sich nicht mehr von den Trieben des Fleisches bestimmen, sondern er ist auf das Wirken des Geistes ausgerichtet. Wer von den Gelüsten des Fleisches wegschaut auf das Wort und den Geist achtet, der ist dabei, seine Seele von dem fleischlichen Leib zu lösen und er kommt immer mehr in das Bewusstsein, dass er für die Sünde tot ist (Röm 6:11) und nicht mehr er lebt, sondern Christus in ihm (Gal 2:20).

Vor 2'000 Jahren gab man den Söhnen ihre Namen erst am achten Tag; also bei der Beschneidungszeremonie. Bei Jesus war vor der Geburt schon klar, wie er heißen sollte, aber bei den meisten anderen Juden war es so, dass man den Säugling zuerst acht Tage kennenlernte und aufgrund des Kennenlernens und den ersten Eindrücken, hat man sich für einen Namen entschieden.

Die Verunreinigung

Joseph und Maria erfüllten das Gesetz der Reinigung, wie es in 3 Mo beschrieben wird:

  • ELB 3Mo 12:2 - Rede zu den Söhnen Israel: Wenn eine Frau empfängt und ein männliches Kind gebiert, so wird sie sieben Tage lang unrein sein; wie in den Tagen der Unreinheit ihres Unwohlseins wird sie unrein sein. 3 Und am achten Tag soll das Fleisch seiner Vorhaut beschnitten werden. 4 Und sie soll 33 Tage im Blut der Reinigung daheim bleiben. Nichts Heiliges soll sie anrühren, und zum Heiligtum soll sie nicht kommen, bis die Tage ihrer Reinigung erfüllt sind. 5 Und wenn sie ein weibliches Kind gebiert, so wird sie zwei Wochen unrein sein wie bei ihrer Unreinheit. Und 66 Tage soll sie wegen des Blutes der Reinigung daheimbleiben.

Gemäß einem Kommentar von Matthew Henry, ist die Reinigung erst nach 40 Tagen abgeschlossen. Die Unreinheit dauert 7 Tage, weshalb man den Jungen auch erst am achten Tag beschnitt. Die 33 Tage der Reinigung fingen erst nach den 7 Tagen der Unreinheit statt. Somit ist die Reinigung erst 40 Tage nach der Geburt abgeschlossen.

Die Frau ist nach einer Geburt vmtl. deshalb unrein, weil bei der Niederkunft viel Blut fließt und im Blut ist gemäß 3Mo 17:11 die Seele. Ich behaupte, dass wir in der modern aufgeklärten Welt, die Zusammenhänge zwischen Leib, Blut und Seele zu wenig erfasst haben. Austretendes Blut ist aus der Sicht Gottes vmtl. weit mehr, als nur das Herausfließen einer roten Körperflüssigkeit. Austretendes Blut führt zu einer Verunreinigung, weil es (vielleicht auch ein Teil der Seele) den Körper verlässt und mit anderen Dingen in Berührung kommt, die von Natur aus, diesem Blut nicht zugeordnet sind.

Der Abschluss der Reinigung durch das Opfer

Jesus wurde also am achten Tag beschnitten und 33 Tage später brachten Joseph und Maria das Sündopfer dar. Somit kann man davon ausgehen, dass Joseph und Maria 40 Tage nach der Geburt die beiden Tauben als Sündopfer im Tempel darbrachten. Weil die Eltern Jesu zu wenig Geld hatten, konnten sie sich kein Lamm für das Sündopfer leisten.
Der Abschluss der Reinigung wurde also durch ein Sündopfer vollzogen. So lesen wir auch in 3Mo 12:6:

  • Und wenn die Tage ihrer Reinigung für einen Sohn oder eine Tochter erfüllt sind, soll sie ein einjähriges Lamm zum Brandopfer bringen und eine junge Taube oder eine Turteltaube zum Sündopfer, zum Priester an den Eingang des Zeltes der Begegnung.

Der Abschluss der Reinigung fand auch im Opfer Jesu statt. Das vergossene Blut Jesu verband sich auch mit Unreinen, aber sein Blut hatte die Kraft, die Unreinen rein zu machen und durch sein vergossenes Blut haben Menschen, die ihm vertrauen, Anteil am göttlichen Leben.

In der Heilsgeschichte gibt es auch eine Analogie: Nachdem Eva ihren ersten Sohn geboren hatte, vergingen 4'000 Jahre bis zum endgültigen Opfer, welches den Abschluss der Reinigung darstellte. Das Opfer Jesu trug die Sünde des gesamten Kosmos hinweg (Joh 1:29).

Die Weihung

Bei der Darbringung des Opfers wurde auch die männliche Erstgeburt dem Herrn geweiht. Das Leben Jesu wurde hier Gott geweiht. Jesus war "der Geweihte Gottes"! Er war die einzige Person, die sich vom Anfang bis zum Ende vollständig und in allen Bereichen seinem Gott geweiht hat. Er hat sich in seinem Bewusstsein, in seinem Denken, Reden und Handeln 100-prozentig Gott geweiht und war nur auf ihn ausgerichtet. Weil er sich in jedem Augenblick seines Lebens, vollständig in seinem Vater barg, war er auch imstande, alles zu ertragen, was ihm auferlegt wurde.

Der Mensch Simeon

Während oder nach der Weihung im Tempel, kam es zu einer bedeutsamen Begegnung zwischen dem 40 Tage alten Säugling und zwei alten Menschen. Zuerst sah Simeon den Herrn Jesus:

  • ELB Lk 2:25 Und siehe, es war in Jerusalem ein Mensch, mit Namen Simeon; und dieser Mensch war gerecht und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels; und der Heilige Geist war auf ihm.
  • ELB Lk 2:26 Und ihm war von dem Heiligen Geist eine göttliche Zusage zuteil geworden, dass er den Tod nicht sehen solle, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe.

Simeon war gerecht und gottesfürchtig

Der alte Simeon war gerecht und gottesfürchtig und er wartete auf den Trost Israels. Wenn wir von Menschen lesen, dass sie gerecht waren, dann erinnern wir uns vielleicht auch an die Aussage des Apostels Paulus:

  • Röm 3:10-11 - wie geschrieben steht: «Da ist kein Gerechter, auch nicht einer; 11 da ist keiner, der verständig ist; da ist keiner, der Gott sucht.

Vor Gott wird kein Geschöpf, je eine eigene Gerechtigkeit vorweisen können, die seinen Anforderungen genügen könnten. Wenn es nun von Simeon heißt, dass er gerecht war, dann kann man das auf zwei Arten interpretieren:

  1. Gott attestiert dem Simeon eine menschliche Gerechtigkeit, dass heißt, eine Gerechtigkeit, wie sie für einen Menschen aus Fleisch und Blut möglich war, indem er mitfühlend und barmherzig war. Er hat sich in Liebe um seine Mitmenschen gekümmert und er übervorteilte niemanden. Diese Gerechtigkeit bedeutete natürlich nicht, dass er sündlos gewesen wäre oder dass er den Anforderungen der absoluten Gerechtigkeit Gottes genügt hätte.
  2. Weil Simeon Gott fürchtete und weil der Heilige Geist auf ihm war, kam es dazu, dass das Wort Gottes ihn als "gerecht" bezeichnet. Seine Ausrichtung auf Gott, seine Gottergebenheit deutet eine tiefe Verbundenheit mit Gott an; sie zeigt uns ein großes Gottvertrauen und einen Glauben, der dazu führte, dass Gott ihm seinen Glauben als Gerechtigkeit anrechnete (Röm 4:5). Ob ein solcher Glaube ohne die Gegenwart des Heiligen Geistes möglich ist, wage ich zu bezweifeln.

Ich tendiere auf die zweite Variante, weil schon im AT bezeugt wird, dass der Gerechte aus Glauben leben wird (Hab 2:4). Die Gottesfurcht bewirkt Glauben und die Gottesfurcht ist auch eine Quelle des Lebens (Spr 14:27). Vermutlich hat auch die treue Gottesfurcht dazu geführt, dass der Heilige Geist auf ihm war. Vielleicht war es auch umgekehrt. Letztlich ist es ein Geheimnis.

Wir sehen also einen alten Mann, der sich in der Gottesfurcht übte und dem die Gerechtigkeit ein großes Anliegen ist. Gleichzeitig sieht er in der Welt fast nur Ungerechtigkeit und viel Gottlosigkeit. Er sah, wie sein Volk von Herodes und den Römern ausgebeutet wurde. Er sah bestimmt auch die Schriftgelehrten, die ohne Erbarmen die Häuser der Witwen verschlangen (Lk 20:46-47). Er sah in seinem Umfeld kaum Gerechtigkeit und auch kaum Gottesfurcht.

Simeon wartete auf den Trost Israels

Simeon verzweifelte in dieser Lage nicht. Wahrscheinlich wusste er durch die Propheten, dass irgendwann der Messias Israels kommen wird und dass dieser, Israel von seinen Sünden erlösen würde. Wir wissen nicht wie lange Simeon wartete. Vielleicht praktizierte er die Gottesfurcht bereits schon als junger Mann. Vielleicht wartete er schon Jahrzehnte auf den Messias und nie geschah etwas. Vielleicht hatte er manche Krise durchlebt, aber er harrte aus und wartete auf das Eingreifen Gottes.

Auch wenn Simeon äußerlich kaum eine Veränderung erleben durfte; er gab die Hoffnung nicht auf und Gott hat ihn nicht vergessen. Gott wollte sein Warten und Ausharren belohnen. Gott tat dies, indem er ihm durch den Heiligen Geist eine Zusage machte:

  • Lk 2:26b - ... dass er den Tod nicht sehen solle, ehe er den Christus des Herrn gesehen habe.

Was für ein großes Vorrecht! Bevor er den Tod sieht, sieht er den Retter des Universums, den Messias und Christus. Bevor er dem Tode ins Auge schauen musste, durfte er das Leben in Person sehen und dadurch auch den "Trost Israels".
Wenn wir in die Welt schauen, wenn wir die Entwicklung unserer Gesellschaft beobachten, wenn wir immer mehr erleben werden, wie "die Liebe von vielen Menschen erkaltet", dann kann eine solche Situation, eine große Niedergeschlagenheit und Frustration bewirken. Wenn es soweit kommt, tun wir gut daran, wenn wir an den Zusagen Gottes festhalten und auf den wiederkommenden Herrn warten! Immer wieder sollten wir uns die Zusage des Herrn in Erinnerung rufen:

  • Lk 21:28 - Wenn aber diese Dinge anfangen zu geschehen, so blickt auf und hebt eure Häupter empor, weil eure Erlösung naht.

Warten und Ausharren ist nicht immer einfach, aber es lohnt sich in jedem Fall!

Simeon hält den "Trost Israels" in seinen Händen

  • ELB Lk 2:27 Und er kam durch den Geist in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus hereinbrachten, um mit ihm nach der Gewohnheit des Gesetzes zu tun,
  • ELB Lk 2:28 da nahm auch er es in seine Arme und lobte Gott und sprach: ...

Alte Menschen haben schon sehr viele Säuglinge gesehen. Die Säuglinge empfinden wir Menschen in der Regel als "sehr süß", als rein und als unschuldig. Jeder normale Mensch spürt in der Regel eine große Zuneigung, wenn er einen Säugling sieht und man verspürt den Wunsch, diesem kleinen und hilflosen Geschöpf Liebe zu geben.
Doch hier ging es um etwas anderes! Simeon hält hier nicht nur einen kleinen süßen Säugling in Händen; er hält den "Trost Israels" in Händen. Was für ein unbeschreibliches Gefühl muss es doch für diesen alten Mann gewesen sein, den Retter der Welt in Händen zu tragen, das Leben in Person, den Messias, d. h. den Christus!
Wenn ich mir vorstelle, ich wäre ein Greis, der eigentlich nur noch den Tod vor sich sieht und dann darf ich kurz vor meinem Abscheiden, einen Säugling in Händen halten, der gleichzeitig derjenige ist, der die Zeitalter (gr. die Äonen) gemacht hat, dann ist das einfach unfassbar! Simeon durfte vor seinem Tod, den Herrn des Lebens in Händen halten!
Alle Gläubigen, die nicht entrückt werden, müssen auch sterben, aber sie dürfen vor ihrem Abscheiden nicht nur den Herrn der Herrlichkeit in Händen tragen, sondern ihn, im Herzen haben!

Das Lob und die Prophezeiung des Simeon

Simeon darf nun mit ganz wenigen Sätzen die künftige Heilsgeschichte prophezeien:

Zuerst hält Simeon fest, dass er nun in Frieden entlassen werden kann. In einer Welt, wo die Gesetzlosigkeit und die Bosheit überhand nimmt, kann man nur dann wahren Frieden finden, wenn man das Heil und die Rettung Gottes gesehen hat. Dies gilt vor allem auch dann, wenn man diese Rettung nicht nur mit dem Verstand, sondern auch im Herzen angenommen und erfasst hat. Wer im Herzen glauben kann, dass Gott bleibend und umfassend rettet, der kommt zur Ruhe und derjenige findet auch den wahren Herzensfrieden.
Die Reihenfolge die Simeon in seiner Prophezeiung nennt, war für einen Juden in der damaligen Zeit mehr als nur erstaunlich. Zuerst sagt hier Simeon, dass das Heil oder die Rettung "im Angesicht aller Nationen" bereitet wurde. Die Nationen werden also die Rettung Gottes vor Augen haben. Den Nationen wird ein Licht zur Offenbarung geschenkt. Dies ging in den letzten 2'000 Jahren wortwörtlich in Erfüllung. Praktisch alle Nationen wurden mehr oder weniger mit dem rettenden Wirken Gottes konfrontiert! Das Evangelium hat jeden Erdteil erreicht! Gott hat sich den Nationen geoffenbart. Der Gott Israels hat sich durch das Leben seines Sohnes weltweit geoffenbart. Vor Jesus Christus gab es nur vereinzelte rettende Eingriffe Gottes unter den Nationen (Rahab und ihre Familie; Jos 2 + Jos 6 / Die Gibeoniter; Jos 9 / Die Bewohner Ninives; Jona und andere). Durch das Sterben des Sohnes Gottes und die anschließende Evangelisierung der Apostel und ersten Christen verbreitete sich das Bewusstsein der Rettung Gottes unter allen Nationen. Den Nationen ging ein Licht zur Offenbarung Gottes und seiner Rettung auf.
Die Aussage "zur Herrlichkeit deines Volkes Israel" kommt hier erst am Schluss. Das Volk Gottes erkennt die Rettung Gottes noch nicht. Erst wenn die Vollzahl aus den Nationen eingegangen ist, hört die Verstockung Israels auf (Röm 11:25) und dann wird Israel seinen Messias erkennen, so dass ihnen das zur Herrlichkeit sein wird. Herrlichkeit ist auch hochrangiges "Erleuchtet sein" und erst wenn man den Christus erkannt hat, ist man auch erleuchtet (Eph 5:14).

Die Überraschung

Die meisten Israeliten warteten auf den Messias und darauf, dass er das Volk von seiner Knechtschaft erlösen wird. Darunter verstanden sie zuerst einmal ihre Knechtschaft unter der Besatzungsmacht. Die Tatsache, dass Gott zuerst seinen Messias sendet, um sein Volk von der Knechtschaft der Sünde zu erlösen, war den wenigsten bewusst. Vielen war es auch nicht so wichtig. Die Aussage Simeons, dass das "Heil Israels" zuerst den Nationen ein Licht zur Offenbarung wird, war damals beinahe undenkbar. Darum erstaunt es auch nicht, wenn wir den nächsten Vers lesen:

  • ELB Lk 2:33 - Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich über das, was über ihn geredet wurde.

Jesus ist gesetzt zum ...

Simeon überrascht mit seiner Prophezeiung durch den Heiligen Geist die Zuhörer wahrscheinlich ein weiteres Mal.

  • ELB Lk 2:34 - Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seiner Mutter: Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und Aufstehen vieler in Israel und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird
  • ELB Lk 2:35 - aber auch deine eigene Seele wird ein Schwert durchdringen - damit Überlegungen aus vielen Herzen offenbar werden.

Der Trost Israels ist zuerst einmal nicht automatisch für alle eine Befreiung! Er ist gesetzt zum Fall und zum Aufstehen vieler in Israel. Die Stehenden, die Selbstgerechten, die Starken und die Überlegenen kommen durch das Erscheinen des Messias zu Fall. Sie wenden sich gegen ihn und werden deshalb im Gericht fallen. Durch die Erscheinung des Christus wird das hochmütige und verachtende Herz offenbar!
Die Gedemütigten, die Darniederliegenden, die Gefallenen, die Schwachen und Elenden können durch den Glauben an den Erlöser aufstehen. Durch das heilbringende Wirken Gottes erhalten die Demütigen, die Niedrigen, die "Armen im Geiste" eine unbeschreibliche Gnade! Der Herr richtet sie auf und schenkt ihnen seine Kraft und Gerechtigkeit.
Maria wird durch die Prophezeiung Simeons aber auch auf ihren schweren Weg vorbereitet. 33 Jahre später, als sie unter dem Kreuz zuschauen musste, wie ihr geliebter Sohn auf eine grausame und erniedrigende Art und Weise sterben musste, da wurde ihre Seele sehr wahrscheinlich von einem Schwert durchdrungen. Die seelischen Schmerzen, die sie damals erlitt, können wahrscheinlich nur Mütter richtig nachvollziehen, die zuschauen mussten, wie ihr geliebtes Kind vor ihren Augen auf fürchterliche Art und Weise sterben musste.

Die Prophetin Hanna

Bei Simeon ist von einem "Menschen" die Rede (Lk 2:25) und von Hanna lesen wir, dass sie eine Prophetin war. Simeon hat einige Dinge prophezeit, die wir jetzt in der Bibel lesen können und die dann auch in Erfüllung gingen. Hanna hat als Prophetin bestimmt auch einige Dinge prophezeit. Doch keine ihrer Prophezeiungen werden in der Bibel erwähnt. Von ihr lesen wir lediglich was folgt:

  • ELB Lk 2:36 - Und es war eine Prophetin Hanna, eine Tochter Phanuëls, aus dem Stamm Asser. Diese war in ihren Tagen weit vorgerückt; sie hatte sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt von ihrer Jungfrauschaft an;
  • ELB Lk 2:37 - und sie war eine Witwe von vierundachtzig Jahren, die wich nicht vom Tempel und diente [Gott] Nacht und Tag mit Fasten und Flehen.
  • ELB Lk 2:38 - Und sie trat zur selben Stunde herbei, lobte Gott und redete von ihm zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten.

Die gleichnamige Frau im AT, die Mutter Samuels, prophezeite jedoch sehr viel! Sie durfte durch den Heiligen Geist die ganz tiefgreifenden Worte sagen:

  • 1Sam 2:2-8 - Keiner ist so heilig wie der HERR, denn außer dir ist keiner. Und kein Fels ist wie unser Gott. 3 Häuft nicht Worte des Stolzes, noch gehe Freches aus eurem Mund hervor! Denn der HERR ist ein Gott des Wissens, und von ihm werden die Taten gewogen. 4 Der Bogen der Helden ist zerbrochen, und die Stürzenden haben sich mit Kraft umgürtet. 5 Die satt waren, müssen um Brot dienen, und die Hunger litten, brauchen es nicht mehr. Sogar die Unfruchtbare hat sieben geboren, und die viele Kinder hatte, welkt dahin. 6 Der HERR tötet und macht lebendig; er führt in den Scheol hinab und wieder herauf. 7 Der HERR macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. 8 Er hebt den Geringen aus dem Staub empor, aus dem Schmutz erhöht er den Armen, um ihn unter die Edlen zu setzen; und den Thron der Ehre lässt er sie erben. Denn dem HERRN gehören die Säulen der Erde, und auf sie hat er den Erdkreis gestellt.

Hanna hängt mit dem Wort chên und chânan zusammen und heißt soviel wie Gnade. Phanuël könnte man mit "Angesicht Gottes" übersetzen. Hier wird ersichtlich, dass zwischen dem Angesicht Gottes und der Gnade ein Zusammenhang besteht. Wenn Gott sein Angesicht über uns erhebt, dann wird er auch gnädig sein. So lesen wir auch im vierten Buch Mose:

  • 4Mo 6:25 - Der HERR lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig!

und

  • Jes 66:2b - Aber auf den will ich blicken: auf den Elenden und den, der zerschlagenen Geistes ist und der da zittert vor meinem Wort.

Hanna war wie Simeon ein alter Mensch. Sie hatte viel Schweres durchgemacht. Normalerweise haben die Frauen damals sehr jung geheiratet. Es kam selten vor, dass eine Jungfrau mit 50 Jahren noch geheiratet hat. Es ist sehr gut möglich, dass Hanna bereits mit 25 Jahren Witwe wurde. Wenn es so gewesen ist, dann war sie beinahe 60 Jahre lang Witwe. Das war in der damaligen Zeit meist ein sehr schweres Schicksal! Doch Hanna lernte sich ganz auf Gott auszurichten, sie wollte beständig in der Gegenwart Gottes leben. Sie wollte nur noch im Hause Gottes sein. Ihr Gottesdienst bestand aus Fasten und Flehen. Jeder natürliche Mensch würde hier sagen: "Was für ein eintöniges Leben! Immer im Tempel zu sein und immer wieder zu fasten und zu Gott flehen! Wo bleibt hier die Lebensqualität?" Durch das Fasten und das Flehen wurde sie ganz frei von sich selbst. Ihre Gemeinschaft mit Gott war so erfüllend, dass aller irdische Genuss bedeutungslos wurde. Als sie den Säugling sah, da konnte sie Gott nur noch loben und allen zusprechen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten. Obwohl Jerusalem bis heute noch nicht erlöst ist, so hat doch Jesus Christus die Grundlage für die Erlösung Jerusalems geschafft, indem er ihre Sünden ans Kreuz getragen hat. Alle, die auf die Erlösung Jerusalems warteten, durften den Erlöser sehen und dadurch auch im Glauben die Erlösung Jerusalems in Zukunft erfassen.

Die Vollendung nach dem Gesetz

Alles wurde so, wie es im Gesetz geschrieben steht, vollendet.

  • ELB Lk 2:39 Und als sie alles vollendet hatten nach dem Gesetz des Herrn, kehrten sie nach Galiläa zurück in ihre Stadt Nazareth.
  • ELB Lk 2:40 Das Kind aber wuchs und erstarkte, erfüllt mit Weisheit, und Gottes Gnade war auf ihm.
  • ELB Lk 2:41 Und seine Eltern gingen alljährlich am Passafest nach Jerusalem.

Hier erfüllten Joseph und Maria alles, was im Gesetz, bei der Geburt eines Sohnes gefordert wurde. Jesus Christus aber erfüllte das ganze Gesetz (Mt 5:17). Wenn es heißt, dass Gottes Gnade auf ihm war, dann brauchte selbst der sündlose Jesus die Gnade seines Vaters. Nicht das Jesus die Vergebung nötig hatte, sondern dass der Vater ihm immer das gab, was er brauchte und ihm fortwährend zeigte, was er tun sollte (Joh 5:19).