Die Vollendung des neuen Menschen: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche
(I. Schafe hüten)
("Hast du mich lieb?")
Zeile 73: Zeile 73:
 
==== "Hast du mich lieb?"====
 
==== "Hast du mich lieb?"====
  
Es ist dies die Frucht der Liebe, die praktische Antwort auf die Frage: "Hast du mich lieb?" - und Liebe und Eigenliebe stehen in direkten Gegensatz zueinander. "Die Liebe sucht nicht das Ihre" ([[1Kor 13:13]]), sie beachtet die Selbstverleugnung nicht, die um des Geliebten willen geschieht. Wer liebt, der gibt sich selbst auf. Deswegen sucht der Herr hier nach Liebe, damit wir durch die Ausübung derselben von dem uns von Natur anklebenden Eigenwillen befreit werden. Wie die Selbstsucht durch Nachgeben wächst, so wächst auch die Liebe in dem Maß, als wir uns derselben hingeben. Der Mensch, der sich selbst verhätschelt, wird alle Tage selbstsüchtiger; so wird auch die liebende, selbstverleugnende Seele durch ihren Dienst an anderen immer vollkommener in der der Liebe.  Und diese Liebe beweist sich in Taten. Der Liebende beweist  mit der Tat, dass er liebt. Er mag von den Geliebten entfernt sein, aber er gibt seine Kraft doch für sie hin. Anders als die, welche "sich selbst weiden", von denen der Apostel redet, und die, eben weil sie sich selbst lieben, "geizig, selbstsüchtig, hoffärtig und Lästerer" sind ([[2Kor 3:1]]-4) werden die, welche den Herrn lieb haben, langmütig sein und alles erdulden, um Seiner Herde zu dienen; sie können nicht anders als dienen, eben weil sie lieben; und indem sie in dieser Liebe Christi Schafe nicht als ihr Eigentum, sondern als das Seine weiden, Seine Ehre und nicht die ihre suchen, an den denken, dessen sie wahrhaftig sind, werden auch sie verwandelt, obwohl sie es selbst  vielleicht nicht merken, und beweisen, wenigstens vor anderer Augen, dass sie den alten Menschen ablegen und den neuen Menschen anziehen.
+
Es ist dies die Frucht der Liebe, die praktische Antwort auf die Frage: "Hast du mich lieb?" - und Liebe und Eigenliebe stehen in direkten Gegensatz zueinander. "Die Liebe sucht nicht das Ihre" ([[1Kor 13:13]]), sie beachtet die Selbstverleugnung nicht, die um des Geliebten willen geschieht. Wer liebt, der gibt sich selbst auf. Deswegen sucht der Herr hier nach Liebe, damit wir durch die Ausübung derselben von dem uns von Natur anklebenden Eigenwillen befreit werden. Wie die Selbstsucht durch Nachgeben wächst, so wächst auch die Liebe in dem Maß, als wir uns derselben hingeben. Der Mensch, der sich selbst verhätschelt, wird alle Tage selbstsüchtiger; so wird auch die liebende, selbstverleugnende Seele durch ihren Dienst an anderen immer vollkommener in der der Liebe.  Und diese Liebe beweist sich in Taten. Der Liebende beweist  mit der Tat, dass er liebt. Er mag von den Geliebten entfernt sein, aber er gibt seine Kraft doch für sie hin. Anders als die, welche "sich selbst weiden", von denen der Apostel redet, und die, eben weil sie sich selbst lieben, "geizig, selbstsüchtig, hoffärtig und Lästerer" sind ([[2Kor 3:1]]-4) werden die, welche den Herrn lieb haben, langmütig sein und alles erdulden, um Seiner Herde zu dienen; sie können nicht anders als dienen, eben weil sie lieben; und indem sie in dieser Liebe Christi Schafe nicht als ihr Eigentum, sondern als das Seine weiden, Seine Ehre und nicht die ihre suchen, an den denken, dessen sie wahrhaftig sind, werden auch sie verwandelt, obwohl sie es selbst  vielleicht nicht merken, und beweisen, wenigstens vor anderer Augen, dass sie den alten Menschen ablegen und den neuen Menschen anziehen. Dies ist die Arbeit und deren Resultat.
 +
 
 +
Doch vollendet wird der Diener durch den Tod gemäß dem Vorbild Seines Meisters. Daher folgt nunmehr das letzte wiederholte "Amen": "Wahrlich, Wahrlich, ich sage dir, da du jünger warst, gürtetest du dich selber und wandeltest wohin du wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein Anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst" ([[Joh 21:18]].19).  Hier werden uns die späteren Stufen dieses Pfades vor Augen gestellt: zuerst in der Verheißung bezüglich des Endes, welches dem Arbeiter bestimmt ist, danach in dem  Befehl, den er empfängt, welcher alle Ratschläge betreffs der Vollkommenheit einschließt. Wie immer, so findet sich auch hier eine Verheißung in Verbindung mit einem Befehl (Vergl. [[2Mo 12:1]].2 - [[Mt 4:19]] - [[Mt 11:28]] - [[2Kor 6:17]].18). Die Verheißung ist die, dass der Arbeiter freigemacht werden soll indem er "getragen werden wird, wohin er nicht will", der Befehl, auf dessen Befolgung hin die Verheißung sich erfüllt, lautet: "Folge mir nach!"
 +
 
 +
==== "Folge mir nach!"====
 +
 
 +
Die Verheißung ist also das Kreuz. Dies soll den Petrus Christus ähnlich machen. Die tätige Seele, welche einst fragte: "Herr, warum kann ich Dir dieses Mal nicht folgen? Ich will mein Leben für Dich lassen", und welche danach den Herrn unter Beteuerungen verleugnete, soll nun das Ziel, das sie einst durch ihren eigenen Willen zu erreichen suchte, durch die Wirkung der Gnade erlangen. Es soll dieses Ziel erreicht werden,  nicht im Eigenwillen, sondern indem man "getragen wird, wo man nicht hinwill". Die Verheißung ist der Tod des eigenen Ich, und dieser wird nicht durch irgendeine eigenmächtige Bußübung erlangt oder durch ein selbsterwähltes Kreuz, welches nur zu oft des Menschen hohe Gedanken von sich selbst vermehrt, sondern vielmehr dadurch, dass wir die wahrhaftigen Demütigungen geduldig hinnehmen, welche wir nicht selbst suchen, aber früher oder später auf dem Weg des Gehorsams stets kommen werden. Unser Herr erklärt dies mit den Worten, in welchen Er den Kontrast zwischen der Vergangenheit und der Zukunft dieses aktiven Dienstes beschreibt: - "Da du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wo du hinwolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein Anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst".
 +
 
 +
Wir handeln nämlich zuerst in der Weise, als ob unser Wunsch für Gott zu arbeiten, bereits ein hinreichender Führer sei; wir reden und beten, als ob wir Gott leiten könnten, anstatt uns Ihm in allen Dingen hinzugeben und von Ihm geleitet zu werden. Ja, es kann sich dieser Eigenwille sogar in unseren Wunsch für Ihn zu leben und zu sterben einmischen, selbst wenn wir sagen: "Ich will mein Leben für Dich lassen". Nur langsam lernen wird, dass unsere Eigenliebe durch unseren tätigen Dienst bestärkt werden kann, und dass wir noch der Leidensschule bedürfen, um von uns selbst erlöst zu werden. Daher muss uns die Erkenntnis unserer Selbst zur Demütigung bringen, bis wir endlich infolge unserer Niederlagen kein Vertrauen mehr in uns selbst haben können.
 +
 
 +
So lang wir noch im Fleisch sind ([[Röm 7:5]]) geschieht alles aus und für uns selbst; das Ich ist die Triebfeder und das Ziel all unserer Werke. Selbst wenn die Gnade herein geschienen hat, wird unser Tun zunächst noch aus dem eigen Leben hervorgehen, obwohl wir für Christus arbeiten; denn wir sind Kinder in Christo und daher noch fleischlich ([[1Kor 3:1]]). Endlich erreichen wir jene Stufe, da alles, was geschieht, aus Christus und für Christus getan wird. Niemand erreicht diese Stufe, solange er noch, sei es auch bezüglich des Guten, wandelt, "wo er hinwill". Keiner erreicht sie, der nicht oftmals durchkreuzt  und dahin "geführt worden wäre, wo er nicht hinwill". Der äußeren Form nach mag das für uns bestimmte Kreuz sehr verschieden sein. Es mag in der Gestalt eines äußeren Verlustes kommen, sei es in der Gesundheit oder der irdischen Mittel, wodurch wir außerstande gesetzt werden das Gute zu tun, das wir gern tun möchten, oder es kann das innere Gefühl der Dunkelheit und Traurigkeit sein, welches unseren Geist eine Zeitlang gebunden hält, während wir von Dämonen verspottet werden, gleichwie der Herr von Seinen Anklägern. Stets aber ist es etwas, was das Ich wirklich durchkreuzt, so dass wir auf diese Weise von unserem Eigenwillen erlöst werden.
 +
 
 +
Und auf diesem Weg, da wir uns selbst Gott hingeben und es Ihm überlassen, in und mit uns zu tun, was Ihm gefällt, indem wir uns in das, was uns zuwider ist, umso mehr fügen, als wir darin das uns verordnete Kreuz erblicken in gänzlicher Unterwerfung und Abhängigkeit von Ihm, welches auch unsere Prüfung sein möge, kann Gott Seinen weit besseren Willen in uns hinausführen und uns gerade durch unsere Hilflosigkeit und unser Sterben sicher und wohlbehalten zu einer besseren Auferstehung bringen. Es gibt keinen anderen Weg zur Vollendung. In der einen oder der anderen Weise müssen alle, die in das Bild Christi verwandelt werden, durchkreuzt werden.
 +
 
 +
==== In der Ruhe liegt die Kraft ====
 +
 
 +
Wie sonderbar es auch für Fleisch und Blut erscheinen mag, so liegt doch in solchem Kreuzweg eine Ruhe, wie sie die Seele vormals nicht kannte. In unserem Eigenwillen haben wir niemals Ruhe. Sogar bei einem guten Zweck erhält uns der Eifer, mit welchem wir ihn zu erreichen bemüht sind, in bestständiger Unruhe. Ist unser Wille einem anderen unterstellt, so haben wir Ruhe. Daher kommt die Zeit, in der unsere Werke durch irgendein Kreuz ein Ende haben, so gehen wir dann aus den Tagen der Arbeit in den Ruhetag ein. Indem wir geführt werden, wohin wir nicht wollen, erlangen wir eine Ruhe, welche all unser bisheriges Verständnis übersteigt. Unseres Herrn Worte scheinen solches hier anzudeuten; denn solange der Arbeiter seinem eigenen Willen folgt, "wandelt" er, und der welcher "wandelt", kann niemals völlig ruhen. Wenn er dann von einem Anderen "gegürtet" wird, so wird er "getragen", freilich zu einem äußeren Kreuz, aber doch durch demselben im Geist wie Johannes zum Anblick jener himmlischen Stadt, deren Name "Vision" oder "Besitz des Friedens" ist, wo unaufhörliche Ruhe und Freude wohnen. Gewiss liegt eine Ruhe des Herzens in der gänzlichen Unfähigkeit zu tun, was wir selbst wollen, die auf keinem anderen Weg erlangt werden kann. Etliche Dulder wissen dies; sie kennen den Frieden, der alles Denken übersteigt, die Ruhe, hinfort von jeder Sorge befreit zu sein. Und das Leiden, durch welches dieses erkauft wurde, wird nicht wertgeachtet der gegenwärtigen unaussprechlichen Freude, voller Herrlichkeit. 
 +
 
 +
==== Mehr als eine Verheißung ====

Version vom 10. Mai 2016, 17:47 Uhr

nach dem gleichnamigen Buch von Andrew Jukes

"Der neue Mensch und das ewige Leben"

in Bearbeitung

Gedanken über das zwölffache "Wahrlich, wahrlich!" des Sohnes Gottes im Evangelium des Johannes


Inhaltsverzeichnis des Buches

  1. Der "Amen" und "der Jünger der da zeugt" - Einleitung
  2. Die Heimat des neuen Menschen - Das erste "Wahrlich, wahrlich"
  3. Die Geburt des neuen Menschen - Das zweite "Wahrlich, wahrlich"
  4. Das Gesetz des neuen Menschen - Das dritte "Wahrlich, wahrlich"
  5. Die Speise des neuen Menschen - Das vierte "Wahrlich, wahrlich"
  6. Die Freiheit des neuen Menschen - Das fünfte "Wahrlich, wahrlich"
  7. Die göttliche Natur des neuen Menschen - Das sechste "Wahrlich, wahrlich"
  8. Der Dienst des neuen Menschen - Das siebte "Wahrlich, wahrlich"
  9. Das Opfer des neuen Menschen - Das achte "Wahrlich, wahrlich"
  10. Die Erniedrigung des neuen Menschen - Das neunte "Wahrlich, wahrlich"
  11. Die Herrlichkeit und Macht des neuen Menschen - Das zehnte "Wahrlich, wahrlich"
  12. Der Schmerz und die Freude des neuen Menschen - Das elfte "Wahrlich, wahrlich"
  13. Die Vollendung des neuen Menschen - Das zwölfte "Wahrlich, wahrlich"
  14. Schlussgedanken zum Buch - Der neue Mensch und das ewige Leben


Das zwölfte "Wahrlich, wahrlich"

13. Die Vollendung des neuen Menschen

Joh 21:15 Als sie nun gefrühstückt hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe. Spricht er zu ihm: Weide meine Lämmer!
Joh 21:16 Wieder spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe. Spricht er zu ihm: Hüte meine Schafe!
Joh 21:17 Er spricht zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, daß er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb? und sprach zu ihm: Herr, du weißt alles; du erkennst, daß ich dich lieb habe. Jesus spricht zu ihm: Weide meine Schafe!
Joh 21:18 Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wohin du wolltest; wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und hinbringen, wohin du nicht willst.
Joh 21:19 Dies aber sagte er, um anzudeuten, mit welchem Tod er Gott verherrlichen sollte. Und als er dies gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach!
Joh 21:20 Petrus wandte sich um und sieht den Jünger nachfolgen, den Jesus liebte, der sich auch bei dem Abendessen an seine Brust gelehnt und gesagt hatte: Herr, wer ist es, der dich überliefert ?
Joh 21:21 Als nun Petrus diesen sah, spricht er zu Jesus: Herr, was soll aber dieser?
Joh 21:22 Jesus spricht zu ihm: Wenn ich will, daß er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach!
Joh 21:23 Es ging nun dieses Wort hinaus unter die Brüder: Jener Jünger stirbt nicht. Aber Jesus sprach nicht zu ihm, daß er nicht sterbe, sondern: Wenn ich will, daß er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an?

Warten auf die Verheißung des Vaters

Das letzte wiederholte Amen kommt von den Lippen des auferstandenen Christus und gehört in die vierzig Tage, während unser Herr mit Seinen Jüngern nach Seiner Auferstehung weilte, ehe der Geist auf sie herabgekommen war und sie gemäß Seiner Verheißung mit Kraft aus der Höhe erfüllt hatte. Diese vierzig Tage sind das von Gott vorgesehene Vorbild jener Periode unseres christlichen Lebens, da wir, nachdem wir Christus bis zu Seinem Kreuz gefolgt sind, nicht allein den Glauben an Seine Auferstehung, sondern auch die persönliche Erfahrung davon haben - in welcher der Herr uns erscheint und mit Seinem Geist anhaucht, indem Er uns befiehlt, noch immer "auf die Verheißung des Vaters zu warten" (Apg 1:4). Auf dieser Stufe vernehmen wir unseres Heilandes letztes wiederholtes Amen mit dem Zeugnis, dass, solange wir im Fleisch sind, wir immer wieder durchkreuzt werden müssen, und gleich Ihm nur durch Leiden vollkommen gemacht werden können. Es ist eine segensreiche Stufe, obwohl sie noch nicht die des Kommens des Heiligen Geistes ist, welches fleischliche Jünger in das Bild ihres Herrn verwandelt.

Die wird nicht von Allen verstanden. Im Gegenteil, es behaupten manche, dass alle Gläubigen die Taufe mit dem Heiligen Geist und Feuer erlangt hätten, weil diejenigen, welche vor achtzehnhundert Jahren mit Christo wandelten, dieselbe zu Pfingsten erhielten. Mit eben demselben Recht hätten die Apostel behaupten können, dass, da die Taube auf Christus nach Seiner Taufe herabkam, auch sie selbst den gleichen Segen empfangen hätten. Der Grund, weswegen so viel Gläubige so "blind und jämmerlich" bleiben, wie sie es sind (Offb 3:17), ist die Behauptung, geistlich zu sein, während sie noch fleischlich sind - reich und satt, während sie doch arm und bloß sind; gerade wie die nicht wiedergeborenen Weltkinder, die durch slche Behauptungen abgehalten werden, nach der Vergebungsgnade zu trachten, welche der Herr so freiwillig allen darreicht, die Ihn darum bitten. Gewiss ist der Geist gegeben und das Werk in Christi für alle vollbracht; allein, um in den Besitz des Segens zu kommen - ob als Jünger, die mit Christus wandeln, oder weiterhin als "erleuchtet und teilhaft des Heiligen Geistes" (Hebr 6:4) zu sein - muss ein persönliches Kommen zum Herrn stattfinden, um die Gnade empfangen zu können, welche Er auch heute noch " hier ein wenig, da ein wenig" austeilt, so wie wir es tragen können (Jes 28:10 - Joh 16:12).

Zuerst können wir nur das Fleisch gewordene Wort tragen. Aufrichtigen Seelen ist es wohl bewusst, dass das Herabkommen des Geistes auf andere etwas ganz anderes ist, als wenn derselbe Geist auf sie selbst herabkommt - dass andere bereits geistlich gesinnt sein mögen, während wir selbst noch fleischlich sind - weil die verheißenen Ströme lebendigen Wassers noch nicht von uns wegfließen (Joh 7:38), obwohl wir dazu berufen sind. solches zu erwarten und darauf zu harren. Mögen solche nur noch weiter auf Gott harren! Wenn sie auf die Verheißung des Vaters warten, so wird die Taufe mit dem Heiligen Geist und mit Feuer zur rechten Stunde kommen. Aber von den Vielen gilt es noch immer, dass "der Heilige Geist noch nicht auf sie gekommen ist, denn Jesus ist noch nicht in ihnen verklärt"! (Joh 7:39)

Das letzte "Wahrlich, Wahrlich"

Das letzte "Wahrlich, Wahrlich" wurde Seelen gegenüber ausgesprochen, die sich auf dieser Stufe befanden, und es trifft noch immer zur rechten Stunde solche, die sich in ähnlichem Zustand befinden, als das auf auf sie gesprochene Wort. Hier enthüllt der auferstandene Herr Jesus den Vollendungsprozess Seiner Auserwählten, dass auch Seine liebsten Jünger nur durch Durchkreuzung ihres eigenen Willens, welches auf ganz verschiedene Weise vor sich gehen mag, jene völlige Vereinigung mit Seinem Willen erreichen können, zu welchem sie berufen sind. Selig sind die, zu denen der Herr also redet! Wenn diese Wahrheit wirklich gelernt ist, dann ist das herrliche Ziel nicht fern.

Dies ist also der Grund dieses letzten wiederholen Amen. Es stellt uns den Weg unserer Vollendung vor Augen. Denn auch der neue Mensch ist nicht gleich vollkommen, wenn er zuvor in unserer Natur gebildet wird. Die erste Erscheinung Christi hier im Fleisch war nicht Seine Vollendung. Zuerst wird Er uns ähnlich gemacht, damit Er uns so durch den Tod zum Ebenbild Gottes zurückführe, indem Er unser Ebenbild trägt und demselben abstirbt. Auf diese Weise wurde er "durch Leiden vollkommen gemacht" (Hebr 2:10 - Hebr 5:8.9). Er für Sich Selbst war freilich ganz vollkommen. Als des Vaters Sohn, der im Himmel ist (Joh 3:13 und Joh 6:53.58), war die Spaltung, die in uns ist, nicht in Ihm; und Er kommt, um diese ungeteilte Natur denen mitzuteilen, welche Sein Fleisch essen und Sein Blut trinken.

Er kam in unsere geteilte Natur, um als Mensch "vom Weibe geboren und unter das Gesetz getan" (Gal 4:4). zu sein, und Er musste sowohl in dieser Natur sterben als auch derselben absterben, um uns in Seiner eigenen Person durch den Tod aus unserem gegenwärtigen geteilten Zustand heraus in den Stand zu versetzen, wo die "Zwei eins sind", wo "der Mann nicht ohne das Weib ist, noch das Weib ohne den Mann im Herrn" (1Kor 6:17 und 1Kor 11:11), "wo nicht ist Mann noch Weib ist, sondern Christus alles in allen. (Gal 3:28) so muss auch in uns der neue Mensch, wenn Christus in uns Gestalt gewonnen hat, zu Seinem Ebenbild heranwachsen und dann, um zur Vollendung zu gelangen, wie Christus leiden und sterben. "Ein Jeder wird, wenn er vollendet ist, sein wie Sein Meister" (Lk 6:40). Und um Ihm ähnlich zu sein, müssen wir unseren eigenen Willen, ja sogar unser Leben in Gottes Hände legen im Glauben, dass, wenn Er uns "sterben lässt", es nur deshalb geschieht, damit Er danach sprechen kann: "kommt wieder als Menschensöhne!" (SchUBhU BeNI-ADaM = Ps 90:3). Das letzte "Wahrlich, Wahrlich" gibt Zeugnis von dem Prozess, durch welchen dieses Ziel erreicht wird.

"Ich will fischen gehen!"

Ich habe bereits den Zeitpunkt bemerkt, wann der Herr dieses Wahrlich sprach. Jedoch sind auch die Einzelheiten, welche dabei geschildert werden, nicht weniger lehrreich, weil sie den damaligen Zustand der Jünger schildern. Unser Herr hatte sich ihnen soeben zum dritten Mal nach der Auferstehung (Joh 21:13) gezeigt. Sieben unter ihnen waren beieinander: Simon Petrus und Thomas, genannt Dydimus, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und noch zwei andere Seiner Jünger. Die Zahl und die Namen dieser Jünger sind bedeutungsvoll, weil sie die Vollkommenheit der Kirche sowie die mannigfachen Lebensformen darstellen, welche alle in ihr wirksam sind. Simon Petrus sagt: "Ich will hin fischen gehen". Sie sprachen zu ihm: "So wollen wir mit Dir gehen". Nun ist dies ja grundsätzlich Jünger-Arbeit; allein es klingen diese Worte in den Ohren, als seien sie mit einigem Eigenwillen gesprochen worden. Es ist hier mehr die Rede von solchen, die zu tun beabsichtigen, was ihnen gefällt, als von Menschen, die nach der Leitung von Oben ausschauen und darauf harren.

Denn zu jener Zeit, da wir von der fleischlichen zur geistlichen Erkenntnis des Herrn übergehen, bricht die Neigung unserer alten Natur noch oft hervor, bereit, selbst die uns zugeordnete Arbeit mehr nach dem Willen des Fleisches als des Geistes zu vollbringen. Dann folgt eine Nacht fruchtloser Bemühungen, während welcher des Herrn Gegenwart weder gesehen noch verspürt wird. Wenn aber der Morgen kommt, so steht Jesus am Ufer und hebt an, der Jünger Werk zu leiten. Zuerst kennen sie Ihn nicht; nachdem aber ihr Gehorsam Sein Wort einen Fischzug zur Folge hatte, der zu groß für ihr Schiff war, lernten sie verstehen, wer es sei, der mit ihnen geredet hatte. Johannes erkennt den Herrn zuerst, Petrus eilt zuerst auf Ihn zu; danach folgen die anderen Jünger langsam und zeigen alle wie trüb unser erstes Erkennen des auferstandenen Christus ist und durch welche unvollkommenen Einblicke ins Auferstehungsleben wir stufenweise zur tieferen Erkenntnis des Herrn geführt werden. Sodann folgt das Mahl mit Christus - Gemeinschaft mit Ihm in dem, was Er bereitet hat: die Fische und das Brot, beides wohlbekannte Bilder von Ihm. Danach spricht Er dieses letzte wiederholte "Amen" aus, wodurch Er er bezeugt, dass Seine Jünger bis aufs Letzte durchkreuzt werden müssen; denn nur durch die Durchkreuzung ihres Willens können sie vollendet werden.

Verschiedene Vollendungswege

Dieser Vollendungsprozess tritt in den Worten, die unser Herr an Petrus und Johannes richtet, hervor. Hier haben wir zwei sehr verschiedene Menschen vor uns, und doch stehen beide Christus sehr nahe und sind ihm sehr kostbar. Ein jeder derselben stellt eine bestimmte Form christlichen Lebens dar, deren Vollendung daher dem fleischlichen Auge sehr unterschiedlich erscheinen mag, obwohl sie auf den gleichen Gesetzen beruht. Christus selbst ist die wahre Norm für das gesamte Leben Gottes im Menschen. In Ihm ist dieses Leben in seiner ganzen Fülle, Einheit und Gleichmäßigkeit enthalten, gleichwie alle farbigen Strahlen verein weißes Licht sind. In der Apostel Leben findet sich Seine Fülle geteilt wieder. Bei jedem der beiden entdecken wir eine besondere Gnade. Die drei vorrangigen Apostel Petrus, Jakobus und Johannes repräsentieren Glaube, Hoffnung, Liebe. Petrus ist das Bild des aktiven Lebens, welches danach verlangt, in allen Stücken Christus nachzufolgen und welches deshalb in ganz besondere Prüfungen und Leiden gerät, demnach sehen in wir dieses aktive Leben auf das unruhige Wasser treten, wo es Christus wandeln sieht. Wir sehen es schwanken und dann, von Seiner Hand gehalten, in das Schiff zurückkehren, um die Fahrt mit Brüdern fortzusetzen, welche vorsichtiger wenn auch nicht weniger vertrauensvoll sind (Mt 14:28-32), wir sehen es dem Herrn an Orte folgen, wo andere nicht hinkommen, und doch verleugnet es Ihn zur Zeit der Versuchung mehr als alle anderen (Mt 26:58.72).

Bei Johannes sehen wir ein anderes Leben nämlich dasjenige der passiven Liebe und Hingabe, welches sich mehr darüber freut, dass es geliebt wird, als dass es liebt, und welches eben in diesem passiven Zustand weit mehr von des Herrn Sinn aufnehmen kann und von Anfang an etwas in Ihm zu entdecken vermag, was andere nur wenig verstehen. Der eine sagt: "Herr, Du weißt, dass ich Dich lieb habe" (Joh 21:15.) der Andere freut sich, dass er genannt wird "der Jünger, den Jesus lieb hatte" (Joh 19:26) "Diese zwei verschiedenen Richtungen finden sich noch immer in der Kirche: die eine ist das Leben des Glaubens, die andere das Leben des Schauens oder der Offenbarung, die eine besteht in aktivem Wirken, die andere in dem Segen der Beschauung, die eine kämpft, die andere zählt fleischliche Lüste, die andere ist gänzlich geistlichen Freuden hingegeben, die eine wird mit Übeln gegeißelt, auf dass sie sich nicht überhebe, um ihrer Schätze willen, die andere besitzt ein solche Fülle von Gnade, dass sie ohne Selbstruhm an dem wesentlichen Schatz hängt. Deshalb ist die eine gut und doch bekümmert, die andere ist besser und gesegnet. Die Erste wird durch den Apostel Petrus dargestellt, die letztere durch Johannes. Die erste hat auf Erden ein Ende, die letztere harrt aus und hat kein Ende in der zukünftigen Welt. Daher wird zu den Einen gesagt: "Folge mir nach!" von dem Anderen aber heißt es: "So ich will, dass er bleibe, bis dass ich komme, was geht es dich an?" Worte, welche zeigen, wie jeder eine zeitlang leiden muss, auf dass sie beide gleich wie ihr Meister vollendet werden mögen.

Im Grunde betrachtet vollzieht sich die Vollendung beider nach ein - und demselben Gesetz. Ein Jeder muss mit Christus sagen lernen: "Nicht mein, sondern Dein Wille geschehe!" (Lk 22:42). Bei einem jeden muss der Eigenwille gekreuzigt werden. Aber die Worte, welche hier in Bezug auf die beiden gesprochen wurden, zeigen an, in welch verschiedenartigen Gestalten dieses Kreuz erscheinen mag; denn auch die Formen des Eigenwillens sind sehr verschieden, und die Zucht, welche den Willen einer aktiven Seele kreuzigt, wird eine andere sein, als es diejenige ist, welche für den Menschen bestimmt ist, der sich in passiver Beschaulichkeit ergötzt. Doch seien unsere natürlichen Veranlagungen wie sie wollen, es muss der Eigenwille bei uns allen gekreuzigt sein, wenn wir, wie der Herr, vollkommen gemacht werden sollen. Für die aktive Seele gilt deshalb noch immer das Wort: "Hast du mich lieb?" - dann "weide meine Lämmer!" (Joh 21:15) "Hast du mich lieb, so hüte (Joh 21:16) und weide meine Schafe. Wahrlich, Wahrlich, ich sage dir, da du jung warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst" Da er dies gesagt hatte spricht Er zu ihm: "Folge mir nach!"

Von dem anderen Jünger wird gesagt: "So ich will, dass er bleibe, bis dass ich komme, was geht es dich an?" - Worte, welche zuerst so verstanden wurden, als werde "dieser Jünger nicht sterben", welche aber ihre Erfüllung darin fanden, dass er auf Erden blieb, bis er die Zeit dahinschwinden sah, nachdem alle Seine Mitapostel zu ihrer Ruhe eingegangen waren. So wird der Eine, der im aktiven Leben steht, aus gesegneter Arbeit durch einen plötzlichen Tod abberufen, und der, welcher im passiven Leben steht, muss, trotz seinem Verlangen Christus gleich zu folgen, lange ausharren und das Martyrium des Lebens erdulden. Dem einen wir das äußere Kreuz, den anderen das innere Leiden Christi zugeteilt. Der eine, der sich selbst gürtete, da er jung war und ging, wohin er wollte, wird dadurch gekreuzigt, dass er von anderen gegürtet und dorthin getragen wird wo er nicht hinwill; er wird durch eine frühe Gemeinschaft mit dem Tode Christi zu der Verleugnung seiner eigenen Kraft berufen und muss seine Arbeit an den Schafen Christi anderen Unterhirten überlassen, während der andere, der ohne ein besonderes Wort dem Herrn nachfolgt (Joh 21:20) und an Seiner Brust liegt und lieber abscheiden und bei Christus sein wollte, - denn es ist von jeher das Verlangen der Liebenden gewesen bei dem Geliebten zu sein - dem der Kampf des Lebens ein tägliches Kreuz ist, der weit lieber mit dem Herrn in den ihm so oft eröffneten Himmel eingehen möchte, noch lange auf Erden in Sorgen und Mühen weilen muss, nachdem andere ihren Lauf bereits mit Freuden vollendet haben.

Demnach muss Johannes, der dem Herrn instinktiv "nachfolgt", "bleiben", während dem, der sich selbst "gürtet", um auf Erden zu arbeiten, noch immer das Wort gilt: "Man wird dich dahin tragen, wo du nicht hin willst.". Ein jeder wird in seinem Eigenwillen durchkreuzt, sei es, dass dieser Wille sich auf die Arbeit für den Herrn oder auf das bei Christosein bezieht, der eine, indem er von seiner Arbeit weggenommen, der andere, indem er von seiner Ruhe durch ein langes mühevolles Leben ferngehalten wird; und dies geschieht nicht etwa, um Gottes Werk in einem jeden zu hindern, sondern vielmehr um es zu vollenden, so dass beider Wille nur noch der Wille Gottes sei.

Diese Worte aber verdienen noch einer näheren Betrachtung. Sowohl aktive als auch kontemplative Seelen können hier viel bezüglich der Art zu lernen, in welcher eine jede von ihnen Gott verherrlichen soll.

I. Hüte meine Schafe

Betrachten wir zunächst das Wort, das dem Petrus gesagt wurde. Es beginnt mit Anweisungen betreffs seiner eigentlichen Arbeit, die darin besteht, Christi "Schafe zu hüten" und seine "Lämmer zu weiden". Dreimal werden diese mit der Frage eingeleitet "Hast du mich lieb"? worin die wesentliche Voraussetzung jener genannt wird, welche "über Seelen wachen" (Hebr 13:17) und dann fährt das Wort fort, wie wir bereits sahen, das Kreuz zu verkündigen, durch welches - "dahin getragen, wohin er nicht will" - der aktive Arbeiter zu dem ihm bestimmten Ziel geführt wird. Demnach weist dieses Wort den Petrus zuerst auf das Wirken und dann auf das Sterben hin; denn beides fördert uns, obwohl das aktive Leben nur durch Letzteres vollendet wird. Sicherlich muss eine gewisse Selbsthingabe mit dem Tun des Willens Christi verknüpft sein. Wer könnte wohl Christi Schafe hüten und Seine Lämmer weiden, ohne sich Selbst zu verleugnen? Trotzdem kann eine aktive Seele bei allem Wirken immer noch Raum für ihren eigenen Willen behalten. Deshalb ist der Tod für solche der notwendige Weg, um das Ziel der Vollkommenheit zu erreichen. Und doch ist auch das Tun höchst segensreich, nicht nur wegen aller Früchte, die es Gott und Menschen einbringt, sondern auch indem es die nötige Zucht mit sich bringt, welcher solche Seelen in jungen Tagen bedürfen, um ihren natürlichen Hang zum Eigenwillen und Eigendünkel zu unterdrücken. Jede Stufe ist gut, das Wirken, wie das Sterben. Beides gehört zu uns, in beidem können wir uns dem Herrn als süßen Duft hingeben.

Wir werden dieses besser erkennen, wenn wir das Werk betrachten, das dem Petrus hier aufgetragen wird. Es ist eines Hirten Werk: "Hüte meine Schafe" und "Weide meine Lämmer"! Wer könnte dies tun, ohne dass sein Eigenwille dabei immer aufs Neue durchkreuzt würde? Schafe sind dumme Geschöpfe, die sich leicht verirren und oftmals zurückgeführt werden müssen; es sind auch zarte Geschöpfe, welche mancherlei Arten von Krankheit unterworfen sind, so dass sie unfähig sind dem Wolf, der nach ihrem Leben trachtet, zu widerstehen; sie sind stets bereit, einander in unbekannte Gefahren zu folgen, worin sie oftmals verloren gehen würden, wenn der Hirte nicht da wäre. Mit solchen Schafen zieht der Hirte und wacht wie Jakob, während sie schlafen (1Mo 31:40) oder er bezwingt wie David den Löwen und den Bären (1Sam 17:34) für sie, damit sie sicher wohnen können. Hat es nicht jeder, der über Seelen gewacht hat, erfahren, dass, wenn er um ihres Heiles willen mit ihnen aus- und einging und nicht aufhörte, sie mit Tränen Tag und Nacht zu ermahnen, und doch zusehen musste, wie sie ihn und den Herrn verließen, er Schmerzen in seinem Herzen erlitt und sein Eigenwille gebrochen wurde, als er ausrufen musste: "Ich dachte, ich arbeitete vergeblich und verbrauchte meine Kraft umsonst und ohne Nutzen!" (Jes 49:4).

Dennoch ist die Arbeit nicht umsonst. Jedenfalls gewinnt der Arbeiter selbst dadurch. Und ungeachtet aller Niederlagen haben auch die Schafe Nutzen davon. Es gibt allerdings eine Art von Arbeit an den Schafen, bei denen es sich weder um die Schafe selbst noch um die Wolle handelt. Laban-, Nabal- und Abschalom-Gemüter sind noch heute wie früher durch das "Schafe scheren" berüchtigt (1Mo 31:19 - 1Sam 15:2.4 - 2Sam 13:23.24). Das sind Leute, die wie der König von Moab "viele Schafe haben" (2Kö 3:4) ohne eines Hirten Herz zu besitzen. Allein gute Hirten tragen Sorge für die Schafe, weil sie denjenigen lieb haben, dessen Eigentum sie sind, und der Dienst an ihnen kommt ihnen wiederum selbst zugute, denn nach und nach werden sie durch diesen Dienst vom eigenen Ich gelöst, während sie selbst nur daran denken, wie sie dem Herrn dienen und Seine Schafe weiden.

"Hast du mich lieb?"

Es ist dies die Frucht der Liebe, die praktische Antwort auf die Frage: "Hast du mich lieb?" - und Liebe und Eigenliebe stehen in direkten Gegensatz zueinander. "Die Liebe sucht nicht das Ihre" (1Kor 13:13), sie beachtet die Selbstverleugnung nicht, die um des Geliebten willen geschieht. Wer liebt, der gibt sich selbst auf. Deswegen sucht der Herr hier nach Liebe, damit wir durch die Ausübung derselben von dem uns von Natur anklebenden Eigenwillen befreit werden. Wie die Selbstsucht durch Nachgeben wächst, so wächst auch die Liebe in dem Maß, als wir uns derselben hingeben. Der Mensch, der sich selbst verhätschelt, wird alle Tage selbstsüchtiger; so wird auch die liebende, selbstverleugnende Seele durch ihren Dienst an anderen immer vollkommener in der der Liebe. Und diese Liebe beweist sich in Taten. Der Liebende beweist mit der Tat, dass er liebt. Er mag von den Geliebten entfernt sein, aber er gibt seine Kraft doch für sie hin. Anders als die, welche "sich selbst weiden", von denen der Apostel redet, und die, eben weil sie sich selbst lieben, "geizig, selbstsüchtig, hoffärtig und Lästerer" sind (2Kor 3:1-4) werden die, welche den Herrn lieb haben, langmütig sein und alles erdulden, um Seiner Herde zu dienen; sie können nicht anders als dienen, eben weil sie lieben; und indem sie in dieser Liebe Christi Schafe nicht als ihr Eigentum, sondern als das Seine weiden, Seine Ehre und nicht die ihre suchen, an den denken, dessen sie wahrhaftig sind, werden auch sie verwandelt, obwohl sie es selbst vielleicht nicht merken, und beweisen, wenigstens vor anderer Augen, dass sie den alten Menschen ablegen und den neuen Menschen anziehen. Dies ist die Arbeit und deren Resultat.

Doch vollendet wird der Diener durch den Tod gemäß dem Vorbild Seines Meisters. Daher folgt nunmehr das letzte wiederholte "Amen": "Wahrlich, Wahrlich, ich sage dir, da du jünger warst, gürtetest du dich selber und wandeltest wohin du wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein Anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst" (Joh 21:18.19). Hier werden uns die späteren Stufen dieses Pfades vor Augen gestellt: zuerst in der Verheißung bezüglich des Endes, welches dem Arbeiter bestimmt ist, danach in dem Befehl, den er empfängt, welcher alle Ratschläge betreffs der Vollkommenheit einschließt. Wie immer, so findet sich auch hier eine Verheißung in Verbindung mit einem Befehl (Vergl. 2Mo 12:1.2 - Mt 4:19 - Mt 11:28 - 2Kor 6:17.18). Die Verheißung ist die, dass der Arbeiter freigemacht werden soll indem er "getragen werden wird, wohin er nicht will", der Befehl, auf dessen Befolgung hin die Verheißung sich erfüllt, lautet: "Folge mir nach!"

"Folge mir nach!"

Die Verheißung ist also das Kreuz. Dies soll den Petrus Christus ähnlich machen. Die tätige Seele, welche einst fragte: "Herr, warum kann ich Dir dieses Mal nicht folgen? Ich will mein Leben für Dich lassen", und welche danach den Herrn unter Beteuerungen verleugnete, soll nun das Ziel, das sie einst durch ihren eigenen Willen zu erreichen suchte, durch die Wirkung der Gnade erlangen. Es soll dieses Ziel erreicht werden, nicht im Eigenwillen, sondern indem man "getragen wird, wo man nicht hinwill". Die Verheißung ist der Tod des eigenen Ich, und dieser wird nicht durch irgendeine eigenmächtige Bußübung erlangt oder durch ein selbsterwähltes Kreuz, welches nur zu oft des Menschen hohe Gedanken von sich selbst vermehrt, sondern vielmehr dadurch, dass wir die wahrhaftigen Demütigungen geduldig hinnehmen, welche wir nicht selbst suchen, aber früher oder später auf dem Weg des Gehorsams stets kommen werden. Unser Herr erklärt dies mit den Worten, in welchen Er den Kontrast zwischen der Vergangenheit und der Zukunft dieses aktiven Dienstes beschreibt: - "Da du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wo du hinwolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein Anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst".

Wir handeln nämlich zuerst in der Weise, als ob unser Wunsch für Gott zu arbeiten, bereits ein hinreichender Führer sei; wir reden und beten, als ob wir Gott leiten könnten, anstatt uns Ihm in allen Dingen hinzugeben und von Ihm geleitet zu werden. Ja, es kann sich dieser Eigenwille sogar in unseren Wunsch für Ihn zu leben und zu sterben einmischen, selbst wenn wir sagen: "Ich will mein Leben für Dich lassen". Nur langsam lernen wird, dass unsere Eigenliebe durch unseren tätigen Dienst bestärkt werden kann, und dass wir noch der Leidensschule bedürfen, um von uns selbst erlöst zu werden. Daher muss uns die Erkenntnis unserer Selbst zur Demütigung bringen, bis wir endlich infolge unserer Niederlagen kein Vertrauen mehr in uns selbst haben können.

So lang wir noch im Fleisch sind (Röm 7:5) geschieht alles aus und für uns selbst; das Ich ist die Triebfeder und das Ziel all unserer Werke. Selbst wenn die Gnade herein geschienen hat, wird unser Tun zunächst noch aus dem eigen Leben hervorgehen, obwohl wir für Christus arbeiten; denn wir sind Kinder in Christo und daher noch fleischlich (1Kor 3:1). Endlich erreichen wir jene Stufe, da alles, was geschieht, aus Christus und für Christus getan wird. Niemand erreicht diese Stufe, solange er noch, sei es auch bezüglich des Guten, wandelt, "wo er hinwill". Keiner erreicht sie, der nicht oftmals durchkreuzt und dahin "geführt worden wäre, wo er nicht hinwill". Der äußeren Form nach mag das für uns bestimmte Kreuz sehr verschieden sein. Es mag in der Gestalt eines äußeren Verlustes kommen, sei es in der Gesundheit oder der irdischen Mittel, wodurch wir außerstande gesetzt werden das Gute zu tun, das wir gern tun möchten, oder es kann das innere Gefühl der Dunkelheit und Traurigkeit sein, welches unseren Geist eine Zeitlang gebunden hält, während wir von Dämonen verspottet werden, gleichwie der Herr von Seinen Anklägern. Stets aber ist es etwas, was das Ich wirklich durchkreuzt, so dass wir auf diese Weise von unserem Eigenwillen erlöst werden.

Und auf diesem Weg, da wir uns selbst Gott hingeben und es Ihm überlassen, in und mit uns zu tun, was Ihm gefällt, indem wir uns in das, was uns zuwider ist, umso mehr fügen, als wir darin das uns verordnete Kreuz erblicken in gänzlicher Unterwerfung und Abhängigkeit von Ihm, welches auch unsere Prüfung sein möge, kann Gott Seinen weit besseren Willen in uns hinausführen und uns gerade durch unsere Hilflosigkeit und unser Sterben sicher und wohlbehalten zu einer besseren Auferstehung bringen. Es gibt keinen anderen Weg zur Vollendung. In der einen oder der anderen Weise müssen alle, die in das Bild Christi verwandelt werden, durchkreuzt werden.

In der Ruhe liegt die Kraft

Wie sonderbar es auch für Fleisch und Blut erscheinen mag, so liegt doch in solchem Kreuzweg eine Ruhe, wie sie die Seele vormals nicht kannte. In unserem Eigenwillen haben wir niemals Ruhe. Sogar bei einem guten Zweck erhält uns der Eifer, mit welchem wir ihn zu erreichen bemüht sind, in bestständiger Unruhe. Ist unser Wille einem anderen unterstellt, so haben wir Ruhe. Daher kommt die Zeit, in der unsere Werke durch irgendein Kreuz ein Ende haben, so gehen wir dann aus den Tagen der Arbeit in den Ruhetag ein. Indem wir geführt werden, wohin wir nicht wollen, erlangen wir eine Ruhe, welche all unser bisheriges Verständnis übersteigt. Unseres Herrn Worte scheinen solches hier anzudeuten; denn solange der Arbeiter seinem eigenen Willen folgt, "wandelt" er, und der welcher "wandelt", kann niemals völlig ruhen. Wenn er dann von einem Anderen "gegürtet" wird, so wird er "getragen", freilich zu einem äußeren Kreuz, aber doch durch demselben im Geist wie Johannes zum Anblick jener himmlischen Stadt, deren Name "Vision" oder "Besitz des Friedens" ist, wo unaufhörliche Ruhe und Freude wohnen. Gewiss liegt eine Ruhe des Herzens in der gänzlichen Unfähigkeit zu tun, was wir selbst wollen, die auf keinem anderen Weg erlangt werden kann. Etliche Dulder wissen dies; sie kennen den Frieden, der alles Denken übersteigt, die Ruhe, hinfort von jeder Sorge befreit zu sein. Und das Leiden, durch welches dieses erkauft wurde, wird nicht wertgeachtet der gegenwärtigen unaussprechlichen Freude, voller Herrlichkeit.

Mehr als eine Verheißung