Die Erniedrigung des neuen Menschen

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nach dem gleichnamigen Buch von Andrew Jukes

"Der neue Mensch und das ewige Leben"

Gedanken über das zwölffache "Wahrlich, wahrlich!" des Sohnes Gottes im Evangelium Johannes


Inhaltsverzeichnis des Buches

  1. Der "Amen" und "der Jünger der da zeugt" - Einleitung
  2. Die Heimat des neuen Menschen - Das erste "Wahrlich, wahrlich"
  3. Die Geburt des neuen Menschen - Das zweite "Wahrlich, wahrlich"
  4. Das Gesetz des neuen Menschen - Das dritte "Wahrlich, wahrlich"
  5. Die Speise des neuen Menschen - Das vierte "Wahrlich, wahrlich"
  6. Die Freiheit des neuen Menschen - Das fünfte "Wahrlich, wahrlich"
  7. Die göttliche Natur des neuen Menschen - Das sechste "Wahrlich, wahrlich"
  8. Der Dienst des neuen Menschen - Das siebte "Wahrlich, wahrlich"
  9. Das Opfer des neuen Menschen - Das achte "Wahrlich, wahrlich"
  10. Die Erniedrigung des neuen Menschen - Das neunte "Wahrlich, wahrlich"
  11. Die Herrlichkeit und Macht des neuen Menschen - Das zehnte "Wahrlich, wahrlich"
  12. Der Schmerz und die Freude des neuen Menschen - Das elfte "Wahrlich, wahrlich"
  13. Die Vollendung des neuen Menschen - Das zwölfte "Wahrlich, wahrlich"
  14. Schlussgedanken zum Buch - Der neue Mensch und das ewige Leben


Das neunte "Wahrlich, wahrlich"

10. Die Erniedrigung des neuen Menschen

Joh 13:1 Vor dem Passafest aber, als Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen war, aus dieser Welt zu dem Vater hinzugehen - da er die Seinen, die in der Welt waren, geliebt hatte, liebte er sie bis ans Ende.
Joh 13:2 Und bei einem Abendessen, als der Teufel schon dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot, es ins Herz gegeben hatte, daß er ihn überliefere,
Joh 13:3 steht Jesus - im Bewußtsein, daß der Vater ihm alles in die Hände gegeben und daß er von Gott ausgegangen war und zu Gott hingehe -
Joh 13:4 von dem Abendessen auf und legt die Oberkleider ab; und er nahm ein leinenes Tuch und umgürtete sich.
Joh 13:5 Dann gießt er Wasser in das Waschbecken und fing an, die Füße der Jünger zu waschen und mit dem leinenen Tuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war.
Joh 13:6 Er kommt nun zu Simon Petrus; der spricht zu ihm: Herr, du wäschst meine Füße ?
Joh 13:7 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, weißt du jetzt nicht, du wirst es aber nachher verstehen.
Joh 13:8 Petrus spricht zu ihm: Du sollst nie und nimmer meine Füße waschen! Jesus antwortete ihm: Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil mit mir.
Joh 13:9 Simon Petrus spricht zu ihm: Herr, nicht meine Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt!
Joh 13:10 Jesus spricht zu ihm: Wer gebadet ist, hat nicht nötig, sich zu waschen, ausgenommen die Füße, sondern ist ganz rein; und ihr seid rein, aber nicht alle.
Joh 13:11 Denn er kannte den, der ihn überlieferte; darum sagte er: Ihr seid nicht alle rein.
Joh 13:12 Als er nun ihre Füße gewaschen und seine Oberkleider genommen hatte, legte er sich wieder zu Tisch und sprach zu ihnen: Wißt ihr, was ich euch getan habe?
Joh 13:13 Ihr nennt mich Lehrer und Herr, und ihr sagt recht, denn ich bin es.
Joh 13:14 Wenn nun ich, der Herr und der Lehrer, eure Füße gewaschen habe, so seid auch ihr schuldig, einander die Füße zu waschen.
Joh 13:15 Denn ich habe euch ein Beispiel gegeben, daß auch ihr tut, wie ich euch getan habe.
Joh 13:16 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ein Sklave ist nicht größer als sein Herr, auch ein Gesandter nicht größer als der, der ihn gesandt hat.
Joh 13:17 Wenn ihr dies wißt, glückselig seid ihr, wenn ihr es tut!
Joh 13:18 Ich rede nicht von euch allen, ich weiß, welche ich erwählt habe; aber damit die Schrift erfüllt würde: «Der mit mir das Brot ißt, hat seine Ferse gegen mich aufgehoben».
Joh 13:19 Von jetzt an sage ich es euch, ehe es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, glaubt, daß ich es bin.
Joh 13:20 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer aufnimmt, wen ich senden werde, nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat.
Joh 13:21 Als Jesus dies gesagt hatte, wurde er im Geist erschüttert und bezeugte und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Einer von euch wird mich überliefern.
Joh 13:22 Die Jünger blickten einander an, in Verlegenheit darüber, von wem er rede.
Joh 13:23 Einer von seinen Jüngern, den Jesus liebte, lag zu Tisch an der Brust Jesu.
Joh 13:24 Diesem nun winkt Simon Petrus zu erfragen, wer es wohl sei, von dem er rede.
Joh 13:25 Jener lehnt sich an die Brust Jesu und spricht zu ihm: Herr, wer ist es ?
Joh 13:26 Jesus antwortete: Der ist es, für den ich den Bissen eintauchen und ihm geben werde. Und als er den Bissen eingetaucht hatte, nimmt er ihn und gib ihn dem Judas, Simons Sohn, dem Iskariot.
Joh 13:27 Und nach dem Bissen fuhr dann der Satan in ihn. Jesus spricht nun zu ihm: Was du tust, tu schnell!
Joh 13:28 Keiner aber von den zu Tisch Liegenden verstand, wozu er ihm dies sagte:
Joh 13:29 Denn einige meinten, weil Judas die Kasse hatte, daß Jesus zu ihm sage: Kaufe, was wir für das Fest benötigen, oder daß er den Armen etwas geben solle.
Joh 13:30 Als nun jener den Bissen genommen hatte, ging er sogleich hinaus. Es war aber Nacht.
Joh 13:31 Als er nun hinausgegangen war, spricht Jesus: Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in ihm.
Joh 13:32 Wenn Gott verherrlicht ist in ihm, so wird auch Gott ihn verherrlichen in sich selbst, und er wird ihn sogleich verherrlichen.
Joh 13:33 Kinder, noch eine kleine Weiel bin ich bei euch; ihr werdet mich suchen, und wie ich den Juden sagte: Wohin ich gehe, könnt ihr nicht hinkommen, so sage ich jetzt auch euch.
Joh 13:34 Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr einander liebt, damit, wie ich euch geliebt habe, auch ihr einander liebt.
Joh 13:35 Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.
Joh 13:36 Simon Petrus spricht zu ihm: Herr, wohin gehst du ? Jesus antwortete ihm: Wohin ich gehe, dorthin kannst du mir jetzt nicht folgen; du wirst mir aber später folgen.
Joh 13:37 Petrus spricht zu ihm: Herr, warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Mein Leben will ich für dich lassen.
Joh 13:38 Jesus antwortet: Dein Leben willst du für mich lassen? Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal verleugnet hast.

Des Menschen Selbsterhebung

Die neunte Aussage unseres Herrn, ist durch das wiederholte Amen gekennzeichnet, da Er mit Wort und Tat die Niedrigkeit und noch mehr die Erniedrigung des neuen Menschen hervorhebt. Hier wiederholt Er das "Amen, Amen" viermal. Wir finden diese merkwürdige Wiederholung nur noch bei einem anderen Thema, nämlich bei dem Unterhalt oder der Speise des neuen Menschen. In beiden Fällen ist die Ursache die gleiche. Über diese beiden Punkt gibt es viel zu lernen, und wir verstehen dieses Zeugnis nur sehr langsam. Der bloße Gedanke an Niedrigkeit war besonders in der alten Welt verachtet. Und auch heute, da wir vom Kreuz Christi wissen und uns der Geist Christi gezeigt hat, dass "wenn wir würdig wandeln sollen nach unserer Berufung, mit der wir berufen sind", es vor allen Dingen "in aller Demut und Sanftmut, mit Geduld einer den anderen ertragend" (Eph 4:2) zeigen muss, so fällt doch die Erniedrigung immer noch vielen bedeutend schwerer als der Tod, und etlichen, die willig für andere ihr Leben geben würden, fällt es schwer, einen untergeordneten Platz einzunehmen. Denn der Stolz kann selbst dann noch in uns haften, wenn uns das Geheimnis des Kreuzes bereits erschlossen worden ist und wir, wenigstens der Erkenntnis nach, gelernt haben, dass "das Weizenkorn in die Erde fallen und sterben muss, wenn es viel Frucht bringen soll". - Dieser Stolz ist die eigentliche Macht der Finsternis, welche uns, wenn er bleibt, trotz aller Gaben ins Urteil des Teufels selbst zu stürzen vermag (1Tim 3:6). Daher sagt unser Herr hier nicht umsonst so häufig "Amen, Amen" und gürtet sich, um den Jüngern die Füße zu waschen, damit wir von Ihm lernen mögen, uns samt Ihm zu bücken.

Denn im Hochmut gipfeln die Sünden des alten Menschen. Von Gott abgefallen, macht das Ich sich selbst zum Gott und sucht auf Kosten von allem, sei es, dass Gott oder Menschen dadurch Unrecht geschieht, öffentlich oder verborgen die Erhebung seiner selbst. Nur langsam lernen wir - selbst wenn wir aus Gnaden viel um Christi willen verlassen haben und Ihm, wie die Jünger jahrelang nachgefolgt sind, und das nicht ohne Schmach und Verlust um den Herrn willen - wie sogar bei Seiner Nachfolge dies Verlangen der Größte zu sein uns noch anhängt und wie es selbst bei dem Liebesfest, welches von Seiner Erniedrigung zeugt, hevorkommen kann, wie bei der vor uns liegenden Begebenheit. Dieser Stolz und diese Selbsterhebung an Seinem eigenen Tisch waren es, welche zuerst die Tat und die Worte hervorriefen, auf welche dieses neunte "Amen, Amen" folgte. Gerade bei diesem Fest erhob sich ein Zank unter ihnen, "welcher unter ihnen sollte für den Größten gehalten werden" (Lk 22:10.24). Da geschah es, dass der Sohn des Vaters, der von Gott kam und zu Gott ging und von welchem der größte der Propheten gesagt hatte: "Ich bin nicht wert, dass ich die Riemen Seiner Sandalen löse" (Joh 1:27), sich selbst noch tiefer als das erniedrigte, so tief nämlich, dass Er die Füße derer wusch, welche, wie Er wohl wusste, Ihn binnen wenigen Stunden verlassen, verleugnen und verraten sollten, indem Er zu ihnen sagte: "So nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt ihr euch auch untereinander die Füße waschen; ein Beispiel habe ich euch gegeben, auf dass ihr tut, wie ich euch getan habe. Wahrlich, Wahrlich, ich sage euch, der Knecht ist nicht größer als sein Herr, noch der Apostel größer, als der, welcher ihn gesandt hat" (Joh 13:14-17).

Es mag uns auffallen, dass Johannes, welcher uns den ganzen Hergang, wie er sich beim letzten Passahmahl zutrug, berichtet, nichts von der Einsetzung des Abendmahls sagt, sondern uns stattdessen die Fußwaschung der Jünger, sowie alle die Worte und Taten, die sich daraus entwickelten, vorführt. Beides aber ist ein und dasselbe, und das, was uns hier berichtet wird, ist dem Wesen nach das Abendmahl des Herrn. Denn worin besteht jenes Mahl, wenn nicht in einem Opfer und in der Gemeinschaft mit Gott, indem es uns Christi Gemeinschaft mit uns zeigt, wie Er unser Fleisch und Blut und unsere Lasten auf sich nimmt, auf dass wir Gemeinschaft mit Ihm haben, indem wir Sein Fleisch und Blut essen und mittels diesem Seine niedrigen Werke der Liebe mit Ihm an anderen vollziehen. Und was ist dieses Fußwaschen, wenn nicht ebenfalls ein Opfer und seine Gemeinschaft? Erst entäußert sich der Vollkommene und bückt sich nieder, um unsere Befleckungen weg zu nehmen, und darin besteht Seine Gemeinschaft mit uns, welche für Ihn nur Demütigung und Entäußerung ist; sodann lädt Er uns als Teilhaber Seines Lebens zur Gemeinschaft mit Sich selbst ein, damit wir anderen im dem gleichen Geist der Selbstaufopferung dienen. Er nimmt unsere Gebrechen auf sich und trägt sie fort, indem Er sich bückt, um unsere Füße zu waschen, damit wir als Seine Glieder und in Seinem uns geschenkten Leben für andere das gleiche tun. Das Eine, worauf es ankommt, ist, zu sein "wie der Meister", Ihn und Seine Werke auf Erden zu repräsentieren, gleichwie Er in Seiner Erniedrigung den Vater, der Ihn gesandt hat, darstellte und Seine Werke tat.

I. Die Erniedrigung des Sohnes Gottes

Betrachten wir diese Erniedrigung näher. Zuerst bückt Er sich an Knechtes statt nieder, indem Er selbst Seiner Jünger Füße wäscht. Jeder Schritt ist bei diesem Hergang von Bedeutung. "Er legt Seine Kleider ab", danach "gürtet Er sich" um zu dienen, sodann "gießt Er Wasser in ein Becken", um die Jünger zu waschen (Joh 13:7.8). die äußere Handlung ist demütigend genug; doch ist die äußere Tat nur Zeichen jener weit tieferen und demütigenderen Erniedrigung, welche der Sohn Gottes sich für uns gefallen ließ, als Er in das Fleisch kam und sich zu allen jenen schattenhaften Formen herabließ, durch welche Er die Befleckungen berühren und abwaschen konnte, die wir bei unserem Umgang mit der Welt bekommen. Dieses zwingt Ihn zu einer Herablassung, welche uns, wie anfänglich auch dem Petrus für den Sohn Gottes zu groß erscheint, wenn wir sie nur zu erkennen vermögen. Denn um dies zu tun, muss er Seine Kleider ablegen, das heißt, Er muss sich entäußern und Seine Herrlichkeit wegtun, sich ausleeren und Sich anschließend mit einem Schurz umgürten, das heißt, Er muss unser Fleisch annehmen, welches gleich dem Schurz ein Knechtszeichen ist. Nur auf diese Weise gießt er das Wasser aus, mit welchem Er unsere Befleckungen wegnimmt und uns "ganz rein" macht, so wie Er es Selbst ist. Er konnte dies nur tun, indem Er Seine Herrlichkeit beiseite legte und unser Ebenbild annahm. Er nimmt aber diese Erniedrigung auf sich, damit Er uns zu Teilhabern an Sich selbst und zu solchen machen konnte, welche - wie Er - Andere reinigen.

Doch wird das Wasser weder von Christus noch von Seinen Gliedern ausgegossen, bis sie sich nicht entkleidet haben, auf dass andere durch ihre Erniedrigung heil werden. Wir können niemanden in Wahrheit reinigen, bis wir für ihn gelitten und uns für ihn erniedrigt haben. Was ist nun dieses Wasser, und was ist diese Reinigung? Die Reinigung ist die Waschung der Füße, jener Glieder, welche durch den Verkehr mit der Welt befleckt werden, obschon der Leib durch das Bad der Wiedergeburt gereinigt worden ist. Das Wasser ist der Geist, wie Er sagt: "Wer an mich glaubt, von des Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen" (Joh 7:38). Gereinigte Seelen beflecken sich immer noch nach der Wiedergeburt, obschon der, "welcher gewaschen ist, nur noch die Füße zu waschen braucht" (Joh 13:10) und diese zweite Waschung findet statt durch die Erniedrigung der Glieder Christi, welche ungebeten, und ohne Dank dafür zu empfangen, sich stets bücken, um ihre Brüder zu waschen. Ist es eine Erniedrigung mit der Befleckung, welche andere an sich haben, beschäftigt zu sein? Mögen diejenigen hierauf antworten, welche versucht haben, andere zu waschen. Solche wissen, was ein solcher Dienst kostet und wie wenige es dem danken, der sie auf ihre Flecken aufmerksam macht, aber welche geneigt sind, die Waschung "mit Wasser durchs Wort" anzunehmen (Eph 5:26). Nicht desto weniger erniedrigen sich Christus und Seine Jünger auf diese Weise und teilen so den Geist mit, wie die Traube den Saft und die Olive das Öl, und zwar gerade mit dem Druck, welchen die Sünde und Not anderer ihnen verursachen, wodurch die Gnade, die in den Heiligen ist, herausgepresst wird sowie das Böse der Welt jenen Stolz und Zorn aus dem Menschen presst, der verborgen blieb, bis die Prüfung kam. Und durch diesen Geist Christi werden andere gereinigt, obschon sie die Reinigung nicht suchen, ja diese sogar eine Zeitlang verwerfen als dessen unwürdig, der sie ihnen mit so großen Kosten zuteil werden lässt.

II. Die Erniedrigung des neuen Menschen

Die Erniedrigung des neuen Menschen geht sogar so weit, dass er nicht nur die Stelle eines Knechtes einnimmt, sondern dass auch sein Dienst von etlichen verworfen wird, für welche er sich erniedrigt. Daher sagt Petrus, als Er zu diesem Jünger kam: "Nimmermehr sollst Du mir meine Füße waschen" (Joh 13:8). Rigenwillige Demut weist zuerst die Liebestat zurück. Wie viel schwerer fällt es, alles zu empfangen als alles zu geben. Daher lässt man sich eher gefallen, dass man ins Angesicht geschlagen wird, dass einem das Seine genommen wird, dass man gebunden wird (2Kor 11:20). Dies Alles lässt man geschehen, weil es unseren Hochmut nicht zuschanden macht. Wirklich liebenden Dienst aber, der sich zum Nichts erniedrigt, um dem Geliebten zu dienen, lehnen die Menschen ab, weil sie merken, dass dieser Dienst eine Erniedrigung mit sich bringt, der sie nicht nachkommen können. Daher werden fleischliche und selbstsüchtige Diener allerorts willkommen geheißen; während der, welcher sich selbst erniedrigt, verworfen wird, und dies sogar von solchen, zu denen er sich herablässt; denn seine Entäußerung ist ein stillschweigender Vorwurf für alle Selbstsucht und Selbsterhöhung. Die Menschen begehren eines solchen Dienstes nicht, weil sie spüren, dass derselbe eine gleiche Erniedrigung erfordert.

Im gleichen Sinn schrecken noch immer manche vor jenen Handlungen zurück, deren sich unser Herr bedient, um an die Fleischlichen und Befleckten zu gelangen; und zwar tun sie dies aus der aufrichtigen, aber unrichtigen Anschauung, dass solche Formen des Herrn unwürdig seien und entehrend für Ihn, wenn nicht gar für die, denen Er sie anbietet. Noch heute gehen hier selbst aufrichtige Seelen fehl. Etliches scheint ihnen zu gering für Christus - zu fleischlich für einen geistlichen Herrn und für Jünger, welche von Ihm dazu berufen sind, auch geistlich zu sein. Auf diese Weise stoßen sich sogar etliche der lautersten Jünger an der Erniedrigung des Wortes, wenn es noch immer in unscheinbarer Gestalt (welches vielleicht Seine tiefste Erniedrigung ist) zu uns herabkommt. Doch wird die Gnade des Herrn nicht durch den Irrtum Seiner Jünger geändert. Noch immer lässt Er sich zu der verachteten Form herab, indem Er sagt: "Was Ich tue, das verstehst du jetzt nicht, du wirst es aber später verstehen" (Joh 13:14). Wenn Sein Geist uns so erfüllt, dass wir seine Werke wirken, - denn nur Gleich und Gleich versteht sich - so werden auch wir erkennen, dass solches Herablassen zu fleischlichen Menschen nicht fleischlich, sondern höchst gottähnlich und daher geistlich ist.

Können wir andere reinigen?

Können wir auf diese Weise Andere reinigen? Ich weiß wohl, dass etliche sich hieran stoßen, indem sie sagen: "Natürlich konnte Christus Seine Jünger reinigen; wir aber, die wir Sünder sind, können niemals das gleiche tun". Doch sind Christi Worte sehr klar: "Ihr sollt euch auch untereinander die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, dass ihr tut, wie ich euch getan habe" (Joh 13:14.15) Lebt Christus in einem Menschen, so muss Er noch immer Seine Werke durch Ihn tun. Sind wir Seine Glieder, so können wir nicht umhin, Seinen Willen zu tun. Und wir wissen, dass sie uns wahrhaftig durch ihren selbstverleugnenden Dienst reinigen. Sie dienen uns in der Kraft dessen, der in ihnen wohnt, welcher durch sie Seine Tugenden und Sein Leben mitteilt, so dass sie nicht nur lebendig machen und richten (Joh 5:21.22), sondern auch andere reinigen können. Gott sei Dank, es gibt noch etliche, deren Leben eine "Mitteilung des Geistes" (Gal 3:8) ist, welche uns den Engeln gleich auf diese Weise dienen, obschon wir ihnen nicht zu danken wissen.

Auf diese Weise erniedrigt sich der neue Mensch; und hierauf folgt wiederum das "Amen, Amen", welches uns so unzweideutig zu der nämlichen Entäußerung beruft: "Wahrlich, Wahrlich, ich sage euch, der Knecht ist nicht größer als sein Herr, noch der Apostel größer, als der, welcher ihn gesandt hat" (Joh 13:16). Können wir solche Worte missverstehen? Meinen nicht noch viele, es sei ein Schande, zu tun, was Er tat, und zu dulden, was Er duldete? Suchen wir nicht vielmehr durch fleischliche Stellung und Macht das zu tun, was unser Herr durch Seine Erniedrigung tat? Wenn wir versuchen anderen zu helfen, geschieht es dann nicht oft durch eine fleischliche Überlegenheit, sei es durch unsere Gaben oder unsere Stellung in der Welt, anstatt durch die Sanftmut und Selbstentäußerung Christi? Wer denkt wohl, dass Selbsterniedrigung der Weg ist, um andere zu reinigen? Und doch ist dies der königliche Weg, dem jede Tat und jedes Wort dessen, von dem, dem zu folgen wir vorgeben, Zeugnis gibt, "der, obwohl Er in göttlicher Gestalt war, es nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu sein, sondern Er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an und wurde gleich wie ein Mensch erfunden, gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz". (Phil 2:6-8) und welcher, wenn wir noch nicht verstehen, was dies alles bedeutet, sich bei dem Mahl, welches von Seinem vergossenen Blut redet, niederbückte, um Seinen Jüngern die Füße zu waschen, indem Er sagte: "So nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch genseitig die Füße waschen. Wahrlich, Wahrlich, der Knecht ist nicht größer als sein Herr, noch der Apostel größer, als der welcher ihn gesandt hat. So ihr solches wisst, selig seid ihr, wenn ihr es tut!"

IIi. Die Ursache solcher Erniedrigung

Welches ist aber der Grund oder die Ursache für eine solche Erniedrigung? Erstens Liebe, sodann Erkenntnis der Wahrheit. Das erste Motiv ist Liebe. Demnach lesen wir: "Wie Er die Seinen liebte, die in der Welt waren, so liebte Er sie bis ans Ende" (Joh 13:16) und aus diesem Grund bückte Er sich nieder, um ihnen zu dienen. Doch bewegt Ihn die Erkenntnis, dass Er der Sohn Gottes ist nicht weniger zu dieser Herablassung; daher wird hinzugefügt: "Als Er nun wusste, dass der Vater Ihm alles in die Hände gegeben hatte, und dass Er von Gott kam und zu Gott ging, stand Er auf vom Mahl, legte Seine Kleider ab und nahm einen Schurz und umgürtete sich" (Joh 13:3.4) Es können keine Beweggründe diesem gleichkommen, um uns willig zu machen hinabzusteigen. Liebe ist stark wie der Tod (Hl 8:6). Was ist es als Liebe, dass eine Mutter treibt, sich herabzulassen um ihr Kindlein zu waschen und sich jeglicher niedrigen Arbeit zu freuen, wenn sie nur ihren hilflosen Lieblingen dienen kann? Und was anderes als die Kenntnis ihrer hohen Geburt, welche sie jederzeit gelten machen und beweisen können, macht die Edlen dieser Welt bereit, sich in einer Weise zu den Leuten und ihren Angelegenheiten herabzulassen, vor welcher die aus niederem Stand oft zurückschrecken? Sie können herabsteigen, weil sie hoch sind. Sie sind sich ihrer wahren Stellung so bewusst, dass sie diese nicht immer und überall behaupten müssen. Dies ist das Geheimnis der Selbsterniedrigung: Christus kann Sich herablassen, weil Er liebt und weil Er weiß, dass Er der Sohn Gottes ist.

Wie bei dem Herrn, so liegt auch für uns die Triebfeder zur Herablassung zu den Befleckungen der Schwachen im Besitz des Lebens aus Gott mit dem vollen Bewusstsein, dass alles unser ist, weil wir von Gott sind und zu Gott zurückkehren, so dass, wer uns aufnimmt, Ihn aufnimmt. Diese Worte sagen, das wir sogar in unserer Erniedrigung die Behausung Gottes sind: "Wahrlich, Wahrlich, ich sage euch, wer den aufnimmt, den Ich senden werde, der nimmt den auf, der Mich gesandt hat." (Joh 13:20) Diese Gewissheit wird uns befähigen, Seinen Fußstapfen zu folgen, gemäß den Worten: "Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe" (Joh 13:15). Die Kraft hierzu fließt aus der Tatsache, dass Er eins mit uns ist, während Er zu gleicher Zeit auch unser Herr ist. Eben weil Er unser Herr ist, müssen wir demütig sein, wie Er demütig ist. Weil Er in uns ist, und weil "wer uns aufnimmt, Ihn aufnimmt", können wir Seine Werke wirken und einander die Füße waschen.

Wird nicht die Gewissheit, dass wir Erben Gottes sind, uns zu hohen Gedanken über uns selbst führen. Wird nicht dieser Glaube an das Einssein mit dem Herrn eher dem Hochmut als der Sanftmut und Demut Vorschub leisten? Sind nicht die entsetzlichen Dinge, welche von Etlichen begangen wurden, die Stellvertreter und Gesandte Christi zu sein vorgaben, ein Beweis von der Gefahr und dem Bösen, welches daher entsteht, dass Menschen geglaubt haben, sie seien von Gott gesandt? Dass es eine furchtbare Verkehrung dieser Wahrheit gegeben hat, ist leider nur zu wahr. Doch der Stolz derer, welche "sagen, sie seien Apostel" (Offb 2:2), und welche doch nicht handeln, wie es den von Gott Gesandten zukommt, oder welche gar sagen "sie seien Christus" (Mt 21:5) und welche dann vor unseren Augen nicht Christi Werke, sondern vielmehr die Werke des Teufels und des Antichristen wirken, kann, obgleich er uns zwingt, alle solche Repräsentanten auf die Probe zu stellen, die Wahrheit nicht zunichte machen, dass der Mensch im vollen Bewusstsein seiner göttlichen Kindschaft und Sendung am aller demütigsten ist. Nicht der Glaube, dass Christus in uns ist, verursacht den Hochmut, sondern vielmehr der Gedanke, dass man Seine Stelle einnehmen und für Ihn handeln solle, als ob Er nicht gegenwärtig sei.

Wer ist so demütig wie der Herr? Und wer ist so von sich selbst entleert wie diejenigen, welche spüren, dass auch die Worte, die sie reden, nicht ihre eigenen sind und das sie zu den ihnen angewiesenen Werken keine Güte, keine Kraft, noch Licht besitzen außer dem, welches sie von dem empfingen, welcher sich herabließ, um die Gnade Gottes in Fleisch und Blut zu offenbaren? Daher fügt unser Herr hier nicht umsonst sogleich nach den Worten: "Wahrlich, Wahrlich ich sage euch, der Jünger ist nicht über Seinem Meister" hinzu. Wahrlich, Wahrlich, wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat", Denn solange der Jünger, sich noch als von Seinem Meister getrennt ansieht, könnte er versucht sein, sich über Seinen Herrn erheben; spürt er aber, dass Christus in ihm lebt, so muss Christus ihm Alles in Allem sein. Das Gefühl und die Gewissheit Seiner Innewohnung macht uns willig, hier Nichts zu sein, so dass Er und nicht wir in all unserem Tun gesehen werde.

Erniedrigung des Menschensohnes

Was wird aber dem Sohn Gottes auf Erden für Seine Erniedrigung? von einem Seiner Jünger wir Er verraten und von einem anderen verleugnet. Wir lesen hier: "da Jesus solches gesagte hatte, wurde Er betrübt im Geist und zeugte und sprach: "Wahrlich, Wahrlich, ich sage euch. Einer von euch wird mich verraten" (Joh 13:21). Dann spricht Er zu Seinem hervortretenden Jünger: "Solltest du dein Leben für mich lassen? Wahrlich, Wahrlich, ich sage dir, der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal verleugnet hast" (Joh 13:38).

Verraten

Erstens wird Er verraten; von einem Jünger verraten zu werden, ist schmerzlich genug - in die Hände jener überliefert zu werden, die uns hassen und zu zerstören trachten. Von einem Jünger aber verraten zu werden und sein Vertrauen missbraucht zu sehen - das verdoppelt die Erniedrigung. Daher sagt Er hier: "Wahrlich, Wahrlich, einer von euch", die Ich zur Teilnahme an Meinen Anfechtungen und an Meinem Königreich berufen habe - einer von euch, denen Ich das Geheimnis des Reiches Gottes erschlossen habe - einer von euch, denen Ich die Füße gewaschen habe und mit denen Ich hier in Vertrauen und Liebe hier sitze, um euch, so ihr mich in Wahrheit aufnehmen wollt, Meines eigensten Leben teilhaftig zu machen - : "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, einer von euch wird mich verraten". "Wenn mich doch mein Feind verhöhnt wollte ich es erdulden, und wenn mein Hasser sich großtut, würde ich mich verbergen, du aber bist mein Gefährte, mein Vertrauter und mein Verwandter" (Ps 55:13.14). Es ist gerade der Jünger, den Er zu besonderen Ehren auswählt, indem Er ihm das Teil eines ausgezeichneten Gastes1. zukommen lässt, der Seine Güte mit Verrat beantwortet. Doch muss der Auserwählte auch dieses erleben - in seinem Kummer verlassen zu sein - verraten und dann auch verleugnet zu werden, und zwar von denen, welchen er vertraute.

1 Es ist noch heute im Orient Sitte, dass der Gastgeber demjenigen unter seinen Gästen, den er besonders ehren möchte, einen Teil eines Gerichts reicht oder darreichen lässt. Vergl. 1Mo 43:34 - Rt 2:14 - 1Sam 9:21
Verleugnet und verlassen

Denn Er wird nicht nur verraten, sondern auch verleugnet und zwar von einem, der im Bekennen der Erste war - von einem, welcher soeben gesagt hatte: "Warum kann ich dir nicht folgen? Ich will mein Leben für Dich geben". Eben dieser Jünger verleugnet Ihn. "Wahrlich, Wahrlich, Ich sage dir, der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal verleugnet hast.". - So bist es Du, Petrus, der du Mich als Sohn Gottes bekannt hast, und der jetzt sagt:"Ich will mein Leben für dich lassen" - Du, mein auserwählter Jünger, wirst Mich nicht nur verleugnen, sondern auch verlassen. "Denn, siehe, es kommt die Stunde, und sie ist schon gekommen, da ihr zerstreut werdet, ein jeglicher in das Seine, und mich allein lasset; aber ich bin nicht allein denn der Vater ist bei mir". (Joh 16:32) Sicher bedarf es keiner Worte, um die Schmach einer solchen Verleugnung zu beweisen. Es kostet uns mehr Mühe zu begreifen, dass uns als Miterben das gleiche Los treffen kann, wenn wir "das ergreifen, wozu wir ergriffen worden sind" (Phil 3:12). Paulus wenigstens war hierzu gekommen. Kurz vor seinem Tode sagt er: "Das weißt du, dass sich gewandt haben von mir alle, die in Asien sind" (2Tim 4:16). Wo waren denn jene Ältesten, welche ihm einst "um den Hals gefallen sind und ihn geküsst hatten, am allermeisten betrübt über das Wort, als er sagte, sie würden sein Angesicht nicht mehr sehen"(Apg 20:37.38), weil seine Selbstaufopferung zu hoch für sie war, und weil auch er gleichwie sein Meister, bereit war, "geopfert zu werden" (2Tim 4:6). Daher überlassen ihn die Brüder, die ihn wirklich geliebt haben Seinem Schicksal. Sie sind noch nicht bereit, an Seinem Kreuz teilzunehmen. Er muss seine Erniedrigung alleine durchleben.

Doch meinte der Jünger, welcher Jesus auf diese Weise verleugnete, wirklich was er sagte, dass er nämlich sein Leben für Christus lassen wollte. Aber es war ihm nur bewusst, was er wollte, noch was er wirklich konnte. Und es scheint, als blicke unser Herr mit der genauen Wiederholung der Worte "solltest du dein Leben für mich lassen?" auf das Ende hinaus, da Petri Worte in Erfüllung gehen sollten und da er in Wahrheit sein Leben um Christi willen lassen sollte, fügt Er sogleich hinzu, obswohl Er sagt: "Wahrlich, Wahrlich der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal verleugnet hast" - "Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht! glaubt an Gott und glaubt auch an mich! In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen" (Joh 14:1.2). Die Antwort, welche Petrus und Thomas auf die Worte unseres Herrn betreffs Seines Hingangs gaben, zeigen die beiden Irrtümer, in welche die Jünger Christi über den von Gott vorgezeichneten Weg geraten.

Geläutert wie Silber

Der zuversichtliche Petrus meint, dass, weil er auf einer Stufe dem Herrn nachgefolgt ist, er darum auch schon auf allen anderen Stufen mit Ihm gehen kann. Als daher unser Herr antwortet: "Wo ich jetzt hingehe, da kannst du mir jetzt nicht folgen", erwidert er sofort: "Warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Ich will mein Leben für dich lassen". Er erkennt nicht, dass es viele Höfe und Wohnungen in des Vaters Haus gibt, und dass ein Jünger für eine derselben fähig und doch noch nicht bereit sein mag, sofort zu Höherem überzugehen. Der zweifelnde Thomas hingegen, welcher auf die Worte: "wo ich hingehe, das wisset ihr, und den Weg wisst ihr auch", antwortet: "Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst, und wie können wir den Weg wissen, (Joh 14:4.5) versteht nicht, dass der Anfang des Weges gewiss auch zum Ziel führen wird, obwohl er vielleicht zur Stunde noch unfähig ist, die höheren Stufen zu betreten. Ihm gilt daher dieses Wort: "Ich bin der Weg, dieWahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, außer durch mich" (Joh 14:6). Als wollte Er sagen: Ich bin der Weg, und ich bin auch das Ziel, denn ich bin sowohl Gott als auch Mensch. Daher kennt ihr, weil ihr mich kennt, den Weg und auch das Ziel, obwohl ihr jetzt noch nicht wisst, dass ihr es kennt!

So zieht der neue Mensch dahin. Diejenigen für welche er sich erniedrigt und gearbeitet hat und die, bis er zu Seiner letzten Prüfungsstunde kommt, Ihm noch immer trotz vielem Straucheln nachfolgten, stoßen sich an dem Kreuz, durch welches er in eine höhere Sphäre eingeht, in welche sie auf ihrer gegenwärtigen Stufe noch nicht nachfolgen können Seine Erniedrigung ist das Signal für alle, ihn zu verlassen. Seine Erniedrigung ist das Signal für alle, ihn zu verlassen. Wo immer ein Mann Gottes, welcher Seelen eingesammelt hat, indem er mit ihnen den Weg wandelte, auf dem vorgezeichneten Pfad zu jenen Leiden im Fleisch fortschreitend, welches das notwendige Resultat einer täglichen Selbsthingabe st, so wird er finden, dass die, welche ihn lieb haben, sich wenigstens ein Zeitlang an ihm stoßen.. Etliche werden ihn verraten und alle werden sich von ihm zurückziehen; denn bei allem Leiden findet sich immer etwas Erniedrigung. Man sagt, alle Martyrien zeigen zur Zeit ihres Geschehens einen schmachvollen Anblick. Und der Stolz des natürlichen Herzens, welcher allezeit gern seine Beziehung zu dem, was erhaben ist, geltend machen und sich der Bande mit dem, was niedrig oder gering ist, entziehen oder es verleugnen möchte, kann es nicht ertragen, auch nur den Anschein nach mit dem, was verworfen oder verachtet ist, in Beziehung zu stehen, damit er auch ja nicht an an der Schmach jener Verwerfung Anteil bekomme.

So wird also der neue Mensch verlassen. Er muss geläutert werden wie Silber, und dieses Verlassensein von den Seinigen verwundet ihm mehr als alle Geißelung und Verspottung der äußeren Welt, welche ihn niemals kannte. Aber er nimmt die Läuterung an, um durch seine Schmach den kleinlichen Hochmut der Menschen zuschanden zu machen und um ihnen durch seine Erniedrigung zu zeigen, was wahrhafter Adel ist. Denn wahrlich, es liegt eine Herrlichkeit in dieser Schmach verborgen. Der Schrei: aus der Tiefe" ist ein "Stufenpsalm" (Ps 130:1)2 , das heißt ein Psalm des Aufsteigens. Gott zieht Seine Kinder hinauf, wenn Er sie hinabführt. Ihre Erniedrigung ist der einzige Weg zur Erhöhung. Daher fügt unser Herr hier hinzu, indem Er von dieser Erniedrung redet: "Nun ist des Menschen Sohn verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in Ihm. Ist aber Gott verherrlicht in Ihm, so wird Ihn Gott auch verherrlichen in Ihm selbst und wird Ihn bald verherrlichen (Joh 13:31.32).

2 Siehe die Überschrift (Luther übersetzt: "Ein Lied im höheren Chor. Die Stufen-Psalmen, (hebr. OLaH) haben alle den gleichen Charakter. Ich kann nicht anderes als OLaH mit OL (Brandopfer) in Verbindung zu bringen.

Stolz und Ungehorsam entehren Gott, indem sie das eigene Ich an Gottes Stelle setzen. Der niedrige Sinn, der Ihm seinen wahren Platz einräumt, gibt ihn dem Menschen wieder und zugleich mit Ihm die verlorene Herrlichkeit. Er "wohnt bei denen, die demütigen Geistes sind" (Jes 57:16), wo Er aber wohnt, da muss Herrlichkeit einkehren. Und wahrlich, es ist Herrlichkeit, sein Los zu teilen, während er verworfen ist, - an Seiner Schmach teilzuhaben - zu sein "wie der Meister", während Er entehrt ist. Inmitten all dieser Prüfungen und Demütigungen teilte Christus nur das Los Gottes, welches der einzige Weg ist, um an Gottes Herrlichkeit teilzunehmen. Er ging mit anderen um, wie Gott mit den Menschen umging, in unwandelbarer Gnade nämlich; und Er wurde von anderen behandelt, wie Gott von den Menschen behandelt wird, das heißt mit gründlichem Undank. Mit Recht konnte er daher sagen: "Nun ist des Menschen Sohn verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in Ihm."

Der vollendete Mensch

Und jeder, der vollendet ist, wird sein wie Sein Meister (Lk 6:40). Daher müssen sich Christi Glieder darauf gefasst machen, wenn sie es tragen können, nicht nur von der Welt verworfen, sondern auch von solchen auch, um deren willen sie sich erniedrigten, verraten und verleugnet zu werden. Und so schwer auch andere Stufen der Erfahrung Christi sein mögen, so mühsam auch Sein Dienst sein mag, wie Er uns im siebten dieser wiederholten Amen oder in Seinem Opfer, wie es in dem achten vorgestellt wird, sagt - so ist doch vielleicht diese Selbsterniedrigung das Allerschwerste für uns, weil der alte Adam nichts so sehr hasst wIe Niedrigkeit. Das Ich kann bei dem Dienst Gottes und sogar auch im Leiden noch etwas für sich bekommen. Aber in dem, was wir hier vor Augen haben - in der Schmach nämlich, von geliebten Brüdern verraten und verleugnet zu werden, kann das Ich wenig Ruhm finden. Es bleibt nur noch wenig übrig, was der Auserwählte zu tun oder zu leiden hätte, wenn dieses einmal nicht nur Sache des Glaubens, sondern auch der Erfahrung geworden ist. Dann werden die Worte, die unser Herr sprach, bei seinem Diener sowohl als bei Ihm selbst wahr; als Er sagte: "Ich bin noch eine kleine Weile bei euch" (Joh 18:37).

Ist nun ein solcher Pfad für etliche zu erhaben, so mögen diese, während sie sich darüber beugen, dass sie jetzt "nicht folgen können", sich mit des Meisters Worten trösten: "Du wirst mir aber später folgen". Vielleicht haben wir wie Petrus noch viel von unserem eigenen Herzen zu lernen, ehe wir fähig sind, dahin zu gelangen, wo unser Herr vorausgegangen ist oder wohin wir nach Seinem Versprechen zu Seiner Zeit kommen werden. Auf eine oder die andere Weise müssen wir von unserem angeborenen Selbstvertrauen befreit werden. Es ist besser, dass wir uns mit der demütigenden Erfahrung, dass wir Christus verleugnen oder verlassen, selbst kennenlernen, als dass wir in Selbsttäuschung ohne Demütigung und ungebrochen bleiben, und daher auch aller Gnade fremd, welche der Herr denen geben kann, die Ihm vertrauen. Denn so schmerzlich es auch ist, so werden wir doch eben durch diese Selbsterkenntnis aus uns selbst heraus zu Christus gebracht, um zu erfahren, dass, wie groß auch unser Jammer ist, Seine Gnade uns doch genügt. Es ist Sein Wille, uns zu Seiner Zeit Ihm selbst ähnlich zu machen, uns an Seiner Erfahrung teilhaben zu lassen, ja uns aus jenen, die Ihn verleugnen, zu solchen zu machen, die wie Er von denen verleugnet werden, die wir lieben, wenn wir in Sein Leben und in Seine Fußstapfen berufen werden für die Wahrheit Zeugnis abzulegen (Joh 18:37), welche weder die Kirche noch die Welt zur Zeit aufnehmen mag. Gelobt sei Sein Name!

Und Er ist treu, der uns dies verheißen hat. Wir werden erfahren, dass wir in demselben Maß, in welchem wir Ihm vertrauen, auch darin zu wandeln vermögen, wo Er gewandelt ist. Der Weg mag den Sinnen unerreichbar erscheinen; fahren wir aber fort, Ihm nachzufolgen, so werden auch wir Seiner Erfahrung teilhaft werden. Dann werden auch wir wissen, was es heißt, schwachen Brüdern die Füße zu waschen und von ihnen verworfen zu werden und auch eine Zeitlang verlassen zu sein. Solches muss uns begegnen, sollten wir anders jemals in der Tat und Wahrheit "die Kraft Seiner Auferstehung und die Gemeinschaft Seiner Leiden" erreichen.

Indessen, "so weit wir bereits gelangt sind, lasst uns nach einer Regel wandeln", das heißt dem schon empfangenen Licht gemäß. Und sollten etliche in einem Stück anderes gesinnt sein, - meinen sie etwa, die Erniedrigung, welche Christo widerfuhr, sei für uns allzu groß - so seien sie nur in ihrem Maß treu, so wird ihnen dieses vielleicht selbst dieses, wenn sie es tragen können, auch geoffenbart werden (Phil 3:15.16).

Lies weiter hier:

11. Die Herrlichkeit und Macht des neuen Menschen - Das zehnte "Wahrlich, wahrlich"
12. Der Schmerz und die Freude des neuen Menschen - Das elfte "Wahrlich, wahrlich"
13. Die Vollendung des neuen Menschen - Das zwölfte "Wahrlich, wahrlich"
14. Schlussgedanken zum Buch - Der neue Mensch und das ewige Leben