Die Steinigung des Stephanus

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Abschrift der Schrift: Wohin gehört Pfingsten?
aus der Reihe: Christi unausspürbarer Reichtum Eph 3:8
von M. Jaegle (1984)

Mit freundlicher Genehmigung von Gehard Groß, Balingen
Dort als Schrift noch erhältlich.

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Inhaltsverzeichnis

Wohin gehört Pfingsten?

6. Die Steinigung des Stephanus

In Apg 7 lesen wir die Verteidigungsrede des Stephanus. Sie enthält in gedrängter Form die Geschichte seines Volkes. Die Aburteilung und Hinrichtung dieses geisterfüllten Gottesmannes zeigt, wie stark der Ungehorsam und Widerstand im Volk schon innerhalb kurzer Zeit angewachsen war.

Leider wurde dieser hoffnungsvolle Anfang zu Pfingsten bald gedämpft und aufgehalten durch den Widerstand der Obersten und die Ablehnung des Volkes. Ohne diese Herzensverstockung leichtfertig zu beurteilen, gilt es sich immerhin vor Augen zu halten, dass Pfingsten nur die Verwirklichung des Festes der Erstlinge war und nicht die der ganzen Ernte: „So viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird“ (Demnach noch nicht alle) erklärt Petrus in Apg 2:39, womit er den Auserwählungscharakter dieser israelitschen Heilszeit hervorhebt.

Bei dem erschütternden Anlass - der Steinigung des Stephanus - hören wir das erste Mal von Saulus, unserem späteren Apostel Paulus.

Die Verfolgung der Gläubigen in Jerusalem

Apg 8 berichtet von einer großen Verfolgung, welche zu jener Zeit über die Gläubigen in Jerusalem hereinbrach. Jedoch wurde die Botschaft durch ihre Zerstreuung weitergetragen bis nach Samaria. Nach Apg 8:5 kam Philippus herab in die Hauptstadt Samarias und heroldete ihnen den Christus. Nach guten Berichten ist diese Stadt Sichem, am Fuße des Garizim, auf dem die Samariter (die sich als Israeliten betrachteten) Gott anbeteten. Es waren also keine, die unter die Nationen zu rechnen sind. (Siehe dazu auch die Erklärung in der Stichwortkonkordanz zum NT der Konkordanten Wiedergabe, Seite 559, Stichwort „Samariter“.)

Ein Vergleich von Apg 8:12 mit Apg 8:16 zeigt, dass es in der Pfingstzeit welche gab, die wohl mit Wasser getauft wurden, ohne jedoch den Geist zu erhalten.

Der äthiopische Verschnittene

Noch eine andere Begebenheit in diesem Kapitel (Apg 8:26ff.) verdient unsere Aufmerksamkeit: Der Dienst des Philippus am äthiopischen Verschnittenen, sein Kommen aus fernen Landen nach Jerusalem, um dort anzubeten, offenbart ihn als Proselyten, der mit dem Gesetz und den Propheten vertraut war. Durch Philippus, den der Bote des Herrn zu ihm gesandt hatte, kam er unter den Segen der Pfingstbotschaft.

Auch dieser Fall ist nichts absolut Neues. Dieser Äthiopier, von Ham abstammend (1Mo 10:6), weist als Erstling im Vorbild auf den Segen hin, welchen auch diese so tiefstehenden und oft versklavten Völker noch einmal im Königreich Christi auf dieser Erde, unter Israels Vorherrschaft, erhalten und genießen werden.

Die Berufung des Saulus

Apg 9 beinhaltet die Berufung des Saulus. Der Herr Selbst sagt über diese Seine Tat (Apg 9:12): „Dieser ist Mir ein Gerät Meiner Auserwählung, Meinen Namen vor die Augen der Nationen, wie auch der Könige zu tragen.“ Obwohl hier Gott zuerst vom Dienst des Saulus an den Nationen spricht, wird im Anfang seiner Wirksamkeit gar nichts davon sichtbar. Im Gegenteil, er knüpfte vielmehr an das Bestehende an, und wie die Zwölfe bezeugte er zuerst in Damaskus bei den Auslandjuden (Apg 9:22), dass Jesus der Christus sei. Darauf diente er seinem Volk mit der Botschaft vom Königreich, heroldend und überführend (Apg 9:26-29).

Der Hauptmann Kornelius

In Apg 10 finden wir die ausführlich beschriebene Gottestat an Kornelius. Ein Mann - ein Hauptmann - fromm und Gott fürchtend, ein Beter und Wohltäter des Gottesvolkes, einer, dem von der ganzen Nation der Juden Gutes bezeugt wurde. (Apg 10:22).

Immerhin lässt Apg 11:3 den Schluss zu, dass er nicht beschnitten war. Ein Bote Gottes erschien ihm (Apg 10:3), ein sichtbares Zeichen, dass Gottes Wohlgefallen auf ihm ruhte. Trotzdem, und das ist äußerst wichtig, wird er, um die göttlichen Aussprüche und die ihm zugedachte Gottesgabe zu empfangen, an Petrus gewiesen. Die Anordnung Gottes, wonach die Nationen nur durch Sein Vermittlervolk Israel gesegnet werden konnten, bestand hier noch in vollem Umfang.

Im Hause des Kornelius hatte der Herr für Petrus einen besonderen Auftrag. Die Tatsache, dass er nur aufgrund einer vorangegangenen Verzückung (bei der er ein Tuch mit unreinen Tieren vom Himmel herab kommen sah, die ihm zum Essen vorgesetzt wurden) dann bereit war, zu Kornelius zu gehen, bietet eine wertvolle Gelegenheit zu einer nochmaligen gründlichen Orientierung in der Apostelgeschichte.

Wir stellen fest, wie die Zwölfe strikt den Abstand zwischen ihrem Volk und anderen Volksgenossen eingehalten hatten; denn Petrus weigerte sich anfänglich, in das Haus den Hauptmanns zu gehen. Mit Nachdruck sagte er dies dem Kornelius (Apg 10:28): „Ihr wisst Bescheid, wie unerlaubt es für einen jüdischen Mann ist, sich Andersstämmigen anzuschließen oder zu ihnen zu gehen.“ Und wenn er sich noch deutlicher hätte ausdrücken wollen, so hätte er wohl gesagt: Erst wenn unser ganzes Volk Jesus als seinen Retter angenommen hat, ist die Zeit da, um euch mit der frohen Botschaft vom Königreich zu dienen.

Diese Einstellung der Apostel war ganz dem göttlichen Willen gemäß (Mt 10:5-7); aber nun erfuhr der bis dahin gültige Grundsatz durch dieses Sendung des Petrus eine Lockerung. (Diesem Auftrag entsprechend waren im Anfang selbst die Samariter von der Heilsbotschaft ausgeschlossen.)

Der Missionsbefehl in Matthäus 28

Dass dies für Petrus etwas ganz Außergewöhnliches bedeutete, wird erhärtet durch die besondere Offenbarung, um ihn dafür vorzubereiten. Hätte es sich hier um den sog. Missionsbefehl von Mt 28:19.20 gehandelt, so wäre keine Verzückung nötig gewesen, sondern nur eine Ermahnung, dem schon erteilten Dienstauftrag nachzukommen.

Der Auftrag: „Alle Nationen zu Jüngern (= Lernenden) zu machen, war weder für die Pfingstgemeinde noch für unsere Zeit gegeben. Er kommt erst zur Ausführung, wenn Israel als ganze Nation wiedergeboren ist. Sie allein ist das von Gott bestimmte Organ, diesen Heilsauftrag an den Völkern der Erde zu erfüllen. Das wussten die Apostel, daher finden wir auch keinen einzigen Fall, da sie auf dieses Ziel hin gearbeitet hätten. Noch viel weniger passt der Missionsbefehl in unsere Zeit. Die jetzige Verwaltung hat nicht den Auftrag, alle Nationen zu Jüngern zu machen, sondern aus allen Nationen, einschließlich Israel, die Erwählten herauszurufen, welche die Körperschaft Christi bilden. Diese Schar ist eine wesentlich andere Körperschaft als jene zukünftige „Nationen-Jüngerschar“.

Wenn Gott früher mit Seinen Aposteln und heiligen Menschen durch besondere Offenbarungen und Gesichte geredet hat, war das gewöhnlich ein Zeichen dafür, dass für die betreffende Sache noch keine konkrete schriftliche Mitteilung seines Willens vorlag. Diese Art göttlicher Kundgebung war auch nicht das Normale und Bleibende, sondern ein Zeichen der Unmündigkeit und Unvollkommenheit. Sie wurde dann abgetan, als Gott durch Paulus Seinen gesamten Heilsratschluss offenbarte und niederschreiben ließ (Kol 1:25; Röm 16:25.26). Jetzt ist Gottes Wort vervollständigt und bedarf keiner zusätzlichen Offenbarung mehr!

Kehren wir nun zur Fortsetzung in der Apostelgeschichte zurück.

Mit dem Gesicht in Apg 10:10-16 wollte Gott Petrus nicht des Ungehorsams oder einer falschen Einstellung bezichtigen, sondern ihn vielmehr zu einem Schritt bewegen, der nach dem enthüllten Zeitplan von Gottes Willen wohl nichts Neues bedeutete, jedoch etwas verfrüht war.

Petrus war sich ganz gewiss des Auftrages von Mt 28:19.20 bewusst. Gleichermaßen wusste er um die Verheißung der Geistausgießung auf alles Fleisch. Doch wird diese, wie übrigens schon mehrfach betont, erst nach Israels Bekehrung kommen. Anstatt auf dieses Ziel hinzustreben, ging Israel aber den entgegengesetzten Weg: den des Ungehorsams und der Widerspenstigkeit.

Gottes Wirksamkeit zugunsten der Nationen

Der Niedergang im Gottesvolk hatte schon ganz bedenkliche Formen angenommen. Und dies war wohl der Grund, weshalb Gott nun im Hause des Kornelius etwas wirkte zugunsten der Nationen, was eigentlich noch der Zukunft angehört hätte. Petrus müsste nämlich mit der ihm übergebenen Schlüsselgewalt des Königreiches (Mt 16:19) den Nationen eine Tür auftun, die bis dahin noch verschlossen war. Es gilt ja im Auge zu behalten, dass Petrus als Diener der Beschneidung der Verwalter dieses Königreichs ist, das ausschließlich seinem Volk gehört. So groß auch das Geschehnis im Haus des Kornelius war, dennoch konnte Petrus den Nationen nicht mehr geben, als sie zu gesegneten Untertanen in diesem irdischen Königreich zu machen.

In seiner Rede an die Versammelten hebt Petrus die Vorrangstellung Israels hervor. Apg 10:36: „Ihr kennt das Wort, das Er den Söhnen Israels gesandt hat.“ Und Apg 10:42: „Er hat uns angewiesen, dem Volk (Israel) zu herolden und zu bezeugen ...“ Das war göttlich, wohl zu beachtende Ordnung bis zu diesem Zeitpunkt. Darauf aber bekennt Petrus (Apg 10:34.35): „Wie er es jetzt erfasse ...“ Dieses seine neue Erkenntnis finden ihren Ausdruck darin, dass er diesen Nicht-Israeliten Jesus Christus als den Herrn aller verkündigt (Apg 10:36).

Ganz unvermittelt wirkte nun Gott das, was Er Sich vorgenommen hatte und das für die Pfingstzeit etwas Außergewöhnliches, Neues war (Apg 10:44): „Noch während Petrus diese Worte sprach, fiel der Geist, der heilige, auf alle, die das Wort hörten“, worauf sie in Zungen sprachen und Gott lobten (Apg 10:46). Das war eine erstmalige Geistausgießung auf solche aus den Nationen, wie sie seit dem Pfingsttag in Jerusalem noch nicht geschehen war. Darob „entsetzten“ sich die Gläubigen aus der Beschneidung und gerieten außer sich vor Verwunderung. Sie konnten es noch nicht fassen, dass auch auf die aus den Nationen das Geschenk des heiligen Geistes ausgegossen wurde.

In seiner Verantwortung vor den Aposteln und Brüdern in Jerusalem sagte Petrus davon (Apg 11:15): „... der Geist, der heilige, fiel auf sie ebenso wie auch auf uns im Anfang.“ Während vor jeder Geistestaufe diejenige mit Wasser voranging, ja sogar Wassertaufen ohne Geistesempfang vorkamen, so geschah es hier umgekehrt: Sie empfingen den Geist, bevor sie mit Wasser getauft waren (Apg 10:47).

Als die übrigen Mitapostel und Brüder von Petrus hörten, was sich alles zugetragen hatte, sagten sie in Bezug auf die neue Sachlage: „Demnach hat Gott auch den Nationen die Umsinnung zum Leben gegeben“ (Apg 11:18). Bis zu diesem Zeitpunkt galt vorrangig, was Petrus vor dem Synedrium bezeugte (Apg 5:31): „... Israel Umsinnung zu geben ...“, aber jetzt wurde auch den Nationen diese Tür aufgetan: Umsinnung zum Leben. (Damit war der Weg geebnet für den späteren Dienst des Apostels Paulus unter den Nationen, als er wie Petrus unter diesen priesterlich amtete [[[Röm 15:16]]ff.] und das Königreich heroldete).

Ohne sorgsame Prüung erweckt es den Anschein, als ob hier die Herausgerufene, die Christi Körperschaft ist, das erste Mal in Erscheinung getreten wäre. Jedoch wird es beim rechten Schneiden des Wortes der Wahrheit ohne weiteres klar, dass Petrus diesen Anfang gar nicht machen konnte oder durfte, ohne seiner Berufung untreu zu werden. Da gehörte ein ganz besonderer Auftrag dazu, dessen Träger Paulus war. Er ging mit demselben, als die Zeit dafür reif war, direkt zu den Nationen. Jene, die zu Petrus kamen oder ihn gerufen (wie Kornelius und seine Freunde), hatten schon früher einen kleineren oder größeren Schritt ins Judentum getan. Sie waren keine reinen Heiden mehr, denn sie besaßen bereits ein beachtliches Maß an Gotteserkenntnis, obgleich die Schrift sie einfach mit „Nationen“ anredet. Diesen Unterschied gilt es unbedingt festzuhalten, um den Beginn der herausgerufenen Körperschaft Christi nicht zu früh anzusetzen, sonst wird der Blick für unsere hohe Gnadenstellung verdunkelt. Wäre damals das Königreich in Erscheinung getreten, dann hätten die Nationen am Israel verheißenen Leben auf dieser Erde (im Millennium) teilgenommen. Dabei wären den Nationen alle Segnungen nicht direkt von Gott, sondern durch die Vermittlung Seines Priestervolkes zugeflossen.

Prophetische Vorbilder

Kornelius stammte von Japhet ab und war in diesem Zusammenhang ein Erstling - wie der verschnittene Äthiopier für die Hamiten - für den Segen, den seine Nachkommen im Königreich Christi unter der Regentschaft Israels empfangen und genießen werden.

Pfingsten wird ja auch „Fest der Ernte“ genannt (2Mo 23:16a). Diese Erstlinge aus den Nationen sind als Herzukommende ein prophetischer Anbruch für die reiche Ernte. Deshalb ist auch diese Begebenheit im Bereich von Pfingsten zu belassen.

Das Wort Gottes allein zu Juden gesprochen

Im Verlauf der weiteren Geschichte werden noch einmal jene erwähnt, die infolge der Drangsal, die wegen Stephanus geschehen war, zerstreut wurden (Apg 11:19). Sie zogen hindurch bis nach Pönizien, Cypern und Antiochien (Apostel waren keine dabei) - Apg 8:2). Diese sprachen das Wort aber zu niemandem außer allein zu Juden. Hierin offenbart sich, wie auch weit über die Grenzen des Landes hinaus der Ausschluss derer aus den Nationen von der Pfingstbotschaft aufrecht erhalten wurde. Allerdings heißt es dann in Apg 11:20, dass etliche cyprische und kyrenäische Männer auch zu den Hellenisten (das waren Juden, die griechische Sitten angenommen hatten) sprachen und den Herrn Jesus als Evangelium verkündigten.

Aufgrund der beharrlich eingehaltenen Devise, „das Wort allein zu Juden zu reden“, haben diese vertriebenen Gläubigen wohl kaum das Wort an Angehörige aus den Nationen gerichtet. Für diesen spezifischen Dienst des Apostels Paulus war selbst bei diesen eine nochmalige Berufung notwendig, wie wir noch sehen werden.

Die Ablehnung im Volk Israel

In Apg 12 schreitet die Ablehnung im Volk unaufhaltsam vorwärts und nimmt immer brutalere Formen an. Herodes lässt Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert umbringen, und die Juden selbst ermuntern ihn durch ihr Wohlgefallen dazu. Darauf lässt er Petrus festnehmen und in den Kerker legen. Damit hat der Niedergang einen sehr bedeutungsvollen Tiefpunkt erreicht. Doch jetzt stehen wir nahe an einem entscheidenden Wendepunkt.

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