Das Zukunftsbild des Propheten Obadja

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Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort"
Begründet von Professor E. F. Ströter

Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.
XIX. Jahrgang 1928

Siehe weitere Abschriften
Weitere Referate: Die 12 kleinen Propheten

Das Zukunftsbild des Propheten Obadja

Von Heinrich Schaedel

Einleitung

Das Büchlein des Propheten Obadja ist das kleinste im Alten Testament und hat in unseren Bibelausgaben nur 21 Verse. Deshalb wird es auch wenig beachtet; und sein Inhalt ist wenigen Bibellesern bekannt und geläufig. Über die Zeit Obadjas ist uns weiter nichts gesagt. Manche meinen, dass Obaja einer der ältesten Propheten sei, während nach anderen das Buch erst nach der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar verfasst sein soll. Auffällig ist, dass das Buch Obadja eine deutliche Parallele hat in Jer 49. Es ist aber von wenig Belang, beweisen zu wollen, ob Jeremia den Obadja zitiert habe, oder Obadja den Jeremia. Da wir an die Eingebung des Heiligen Geistes glauben, so wird es uns auch nicht schwer sein, anzunehmen, dass jeder Prophet unabhängig von dem anderen geschrieben hat.

Gericht über die Edomiter

Der erste Teil dieses Buches handelt von dem Gericht Gottes, das beschlossen worden ist über die Edomiter. Nach 5Mo 23:7 sollte Israeal den Edomiter nicht verabscheuen als seinen Bruder. Die Edomiter aber lebten im bitteren Hass gegen die Israeliten von der Zeit an, wo sie diesem den Durchzug nach Kanaan verweigerten bis zur Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezar. Auf dieses Ereignis scheint Ob 1:10-14 hinzudeuten:

  • Ob 1:10-14: „Wegen des Mordes, wegen des an deinem Bruder verübten Frevels lastet Schande auf dir und wirst du auf ewig ausgerottet. An dem Tage, als Ausländer sein Hab und Gut wegschleppten, und Fremde in seine Tore einzogen und das Los über Israel warfen, da bist auch du dabei gewesen, als ob du zu ihnen gehörtest. Und doch hättest du deine Lust nicht sehen sollen am Tage deines Bruders, am Tage seines Unglücks, und seine Schadenfreude über die Kinder Juda am Tage ihres Untergangs empfinden, und deinen Mund nicht weit aufreißen dürfen am Tage der Bedrängnis; du hättest nicht in das Tor meines Volkes einziehen sollen am Tage seiner Not und auch nicht deine Lust sehen am Tage seiner Not, noch deine Hand nach seinem Hab und Gut ausstrecken dürfen am Tage seiner Not; und du hättest dich auch nicht an den Tagspalten aufstellen sollen, um seine Flüchtlinge (Spr 8.) niederzumachen, und hättest seine Entronnenen nicht ausliefern dürfen am Tage der Bedrängnis."

Nach diesen Aussagen ist die Zerstörung Jerusalems vorausgesetzt, jedoch kann auch ein früheres Ereignis hier gemeint sein, somit hätten wir die Entstehung des Buches Obadja etwa um die Zeit 489-472 vor Christo anzusetzen. Obadja wäre dann ein Zeitgenosse des Hesekiel und Daniel gewesen, vielleicht auch noch des Jeremia und des Joel, oder er hat unmittelbar nach dem Heimgang dieser letzten beiden Propheten gelebt.

Es ist ein furchtbares Gericht, das Obadja über Edom weissagt. Obadja nimmt das Thema des Joel auf, der ja auch in Edom den großen Feind Israels sieht und das, was Joel im großen und schrecklichen Tag des Herrn als Gerichtstag sieht, das zeigt auch Obadja und schildert die Gerichte Gottes über Israels Feinde. An Edom hat sich diese Weissagung bereits in schrecklicher Weise erfüllt. Fünf Jahre nach der Zerstörung Jerusalems vernichtete Nebukadnezar die Edomiter, so dass ihr Staatswesen verschwand, obwohl sie in der Makkabäerzeit sich noch bemerkbar machten. Von Johannes Hyrkanus wurden sie unterjocht und gezwungen, jüdische Gebräuche anzunehmen. Mit der zweiten Zerstörung Jerusalems durch die Römer verschwanden die Edomiter in der Geschichte. Ob ihre Überreste in den heutigen Beduinenstämmen zu suchen sind, lässt sich nicht feststellen. Die Wiederherstellung Edoms in der Endzeit ist aber wohl mit Sicherheit nach Jes 63:1-6 und Jer 49:7-22 anzunehmen.

Edom wohnte in einem schwer zugänglichen Felsenland südöstlich vom Toten Meer. Sie verließen sich auf diese natürliche Festung und konnten wohl dem stärkeren Israel trotzen. Den Propheten beschäftigte aber die Frage, wie wird es in der Zukunft gehen? Wird Edom, das sich in vielfacher Weise an seinem Brudervolk Israel versündigt hatte, bestehen und wird das so von Gerichten heimgesuchte Volk Israel vergehen? Das ist der tiefere Kern dieses Buches und seiner Weissagung. „Der Hochmut, die Überhebung ist die Grundsünde des Menschen wie der Völker.“ Das wird sich auch hier zeigen. Edom hat Jahrhunderte lang in Feindschaft mit seinem Brudervolk Israel gestanden, und als Israel heimgesucht und seine Wehrkraft in die Verbannung geschickt wurde, da stand Edom beiseite und frohlockte über das Unglück, ja es half noch den Feinden Israels mit und schlug die Flüchtlinge in den Hohlwegen. Die Rachsucht Edoms schildert auch Hes 25:12-14 und Hes 35. Edom hat sich nicht warnen lassen, und darum werden die Gerichte Gottes das Volk schwer heimsuchen.

Wen trifft der Tag des Herrn?

Auf diesem Hintergrund gibt nun der Herr dem Propheten Obadja einen Blick in die Zukunft Israels und der Völkerwelt. Der Gerichtstag Gottes gilt allen Völkern und nicht allein Edom.

  • Ob 1:15: „Denn nahe ist der Tag des Herrn über alle Heidenvölker."

Diesen Tag des Herrn haben verschiedene Propheten gesehen und in dunklen Farben geschildert. Zwanzigmal begegnet uns dieser Ausdruck: „Tag des Herrn“ im Alten Testament. Sechzehnmal heißt es einfach „Tag Jehovas" und viermal steht der hebräische Buchstabe „Lamed“ als Präfix vor diesem Wort, was soviel wie „denn“ oder „für“ bedeutet. Merkwürdig ist jedenfalls, dass wir hier offenbar den Finger Gottes sehen, denn es wird doch nicht zufällig sein, dass wir hier so klar die Vierzahl vor uns haben. Viermal vier, also sechzehnmal haben wir den einfachen Ausdruck „Tag Jehovas“ und viermal mit einem Präfix. Dazu kommt noch, dass wir den Ausdruck „Tag des Herrn“ viermal im neuen Testament haben, nämlich 1Thes 5:2; 2Thes 2:2; 2Petr 3:10; Offb 1:10. Vier ist ja des Menschen oder die irdische Zahl. Sie hat es zu tun mit der Erde, mit den Dingen unter der Sonne. Jetzt haben ja noch die Menschen ihren Tag, aber der Tag des Herrn wird kommen und die Menschen und die Erde heimsuchen. Dann wird der Mensch gerichtet werden, das heißt, er wird gedemütigt von seiner Überhebung, und Gott, über den sich die Masse der Menschen hinwegsetzte, wird erhöht werden als der eine und erhabene Gott und Vater über alles.

Wichtig ist immer die Stelle, wo uns ein biblischer Ausdruck zum ersten mal begegnet. Die erste Stelle, wo wir den Ausdruck „Tag Jehovas“ finden, ist Jes 2:12 und lautet:

  • Jes 2:12: "Denn einen Gerichtstag wird der Herr der Heerscharen halten wider alles Hohe und Stolze und wider alles Erhabene, damit es erniedrigt werde."

Ob 1:17 im gleichen Kapitel gibt den Charakter dieses „Tages“ noch deutlicher. „Da wird der Stolz der Menschen gebeugt werden und die Hoffart der Männer gedemütigt, und der Herr allein wird hoch erhaben dastehen an jenem Tage.“ Das sind so klare Aussagen, denen Menschenwort nicht hinzugefügt werden braucht. Aber freuen dürfen wir uns über diese klaren Linien, wie sie schon in der Vierzahl gezeigt sind, und wie sie gleich bei der ersten Stelle im Alten Testament so klar und deutlich hervortreten. Es lohnt sich aber der Mühe einmal, die Stellen uns kurz anzusehen, wo dieser Ausdruck vorkommt bei Propheten, die sicher vor Obadja geschrieben haben, und deren Schriften ihm wohl bekannt gewesen sind. Das sind Amos, Jesaja, Zephanja und Joel.

  • Am 5:18-20 heißt es: „Wehe denen, die den Tag des Herrn herbeiwünschen! Was soll der Tag des Herrn euch bringen? Es ist ja Finsternis, nicht Licht. - Ja, Finsternis ist der Tag des Herrn und ohne Licht, dunkel und ohne hellen Schein."

Dann haben wir in Jesaja außer der vorhin angeführten ersten Stelle noch folgende:

  • Jes 13:6.9: „Heulet! denn nahe ist der Tag des Herrn; wie ein Wetterschlag kommt er vom Allmächtigen. - Sehet, der Tag des Herrn kommt, ein erbarmungsloser, mit Grimm und Zornesglut, um das Land zur Wüste zu machen und die Sünder in ihm zu vertilgen.“
  • Zeph 1:7.14: „Still vor Gott, dem Herrn! denn nahe ist der Tag des Herrn. Denn zugerüstet hat der Herr ein Opferfest, hat die von ihm Geladenen neu geweiht. - Nahe ist der große Tag des Herrn, nahe ist er, eilt gar schnell heran! Bitterlich schreit da auch der Held auf“

Sodann haben wir noch vier Stellen im Propheten Joel:

  • Joe 1:15; Joe 2:1.11; Joe 4:14. „Wehe über den Tag! Denn nahe ist der Tag des Herrn, und er kommt als eine Verwüstung vom Allmächtigen her. - Stoßet in die Trompete auf Zion und blaset Lärm auf meinem heiligen Berge, dass alle Bewohner des Landes erbeben! Denn der Tag des Herrn kommt heran, ja, er steht nahe bevor. - Ja, groß ist der Tag des Herrn und gar furchtbar; wer mag ihn bestehen? - Scharen über Scharen treffen im Tal der Entscheidung ein; denn nahe ist der Tag des Herrn im Tal der Entscheidung.“

Vielleicht waren Obadja alle diese Aussagen bekannt. Bringt uns nun aber seine Botschaft etwas Neues? Wenn wir uns diese Stellen im Zusammenhang ansehen, dann erkennen wir, dass es sich beim Tag des Herrn doch immer nur um das jüdische Land handelt. An einigen Stellen wie Jes 13:9 ist wohl in unseren Übersetzungen von der Erde die Rede, aber nach dem Zusammenhang ist hier die richtige Übersetzung nicht „Erde“ sondern „Land“. Obadja bringt aber nun eine neue Tatsache:

  • Ob 1:15: „Denn nahe ist der Tag des Herrn über alle Heidenvölker.“

Wohl ist dieser Gedanke, dass auch in der Endzeit die Völker an die Reihe kommen in der Heimsuchung Gottes, von den früheren Propheten ausgesprochen worden, wie es besonders in Joe 4 steht, aber bei Obadja finden wir die klare Aussage, dass der Tag des Herrn nicht nur eine Heimsuchung Israels bedeutet, sondern auch ein Gerichtstag für die Völkerwelt sein wird.

Was dieser Tag des Herrn ist, wird uns noch deutlicher, wenn wir die letzte Stelle, wo der Ausdruck vorkommt, im Neuen Testament erwägen. Offb 1:10 sagt Johannes, dass er entrückt worden sei „in den Tag des Herrn“, nicht am Tage des Herrn, worunter dann manche den Sonntag verstehen. Die gewaltigen Dinge, die Johannes in der Offenbarung schauen durfte, sind die Ereignisse am „Tage des Herrn“, also des Tages, der nach Petrus 1000 Jahre dauern wird, Johannes sagt auch, dass er eine Stimme wie Posaunenschall gehört habe. Man beachte nur, wie auch in den alttestamentlichen Weissagungen vom Tage des Herrn die Rede ist vom Posaunenschall oder Trompetengeschmetter.

Ein Blick in die Zukunft

Israel hat den Gerichtskelch Jehova leeren müssen, so wird Edom und auch die Völkerwelt diesen Gerichtsbecher trinken. Auf dem Zionsberg wird dann endlich eine heilige Gottesgemeinde stehen:

  • Ob 1:17: „Aber auf dem Berge Zion wird eine entronnene Schar sein, und er soll als heiliges Gebiet gelten, und die vom Hause Jakob werden ihre früheren Besitzungen wieder einnehmen.“

So redet Gott durch den Propheten Obadja. Ebenfalls wird gesagt, dass Juda und Joseph, also das Südreich und das Nordreich vereinigt sein werden. Es wird also das neue Reich Israel den Umfang des Reiches Davids mindestens haben. Aber die dann angegebenen Grenzen gehen noch weit über Davids Reichsgrenzen hinaus. Das Haus Esau, also die Edomiter, werden Stoppeln gleichen, die angezündet und verzehrt werden. Furchtbar hat sich diese Weissagung an diesem Volk erfüllt, denn man kann heute keine Edomiter mehr mit Sicherheit feststellen. Israel wird als ein einiges Volk in Palästina wohnen mit erweiterten Grenzen und

  • Ob 1:21: „Die Königsherrschaft wird dem Herrn gehören“

Das ist die kurze, aber inhaltsreich Botschaft, die uns der kurze Spruch des Propheten Obadja bringt. Klar und deutlich sehen wir hier die große Linie von der Wiederherstellung und Errettung Israels unter seinem Messiaskönig nach all den schweren Gerichten und Heimsuchungen Gottes.