Führe uns nicht in Versuchung, sondern errette uns von dem Bösen!

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Von Daniel Muhl

Hilf mir.png

Der letzte Satz im Vaterunser lautet:
Und führe uns nicht in Versuchung17, sondern errette uns von dem Bösen18!"
(HSN - Mt 6:13)

17* vgl. aber 1Mo 22:1 - 1Kor 10:13 - Jak 1:12 - Offb 3:10; gemeint ist hier wohl eine Versuchung, in der man versagt und fällt
18* nämlich vom Teufel und all seiner Macht; vgl. Mt 13:19 - Joh 17:15 - Eph 6:16 - 2Thes 3:3 - 1Jo 2:13 - 1Jo 5:18 - Offb 12:9 - Offb 20:1-3 - Offb 20:10

Führe uns nicht in Versuchung

Die Bitte 'führe uns nicht in Versuchung' verunsichert uns vielleicht, weil wir uns nicht vorstellen können, dass ein Gott der Liebe uns in etwas führt oder leitet, das uns dann zu Fall bringen könnte! Es kann doch nicht sein, dass Er uns in eine Versuchung führt, die dann im Bösen endet oder uns sogar 'böse' werden lässt. Was wollte uns Jesus damit sagen und wie sollen wir das verstehen?

+3986 · Versuchung · 📖 Vorkommen · 🖌
πειρασμός‭ peirasmós = Versuchung, Prüfung, Erprobung, Test, Experiment
→ von‭ ‭πειράζω‭ peirázo ‭ +3985 = versuchen
aus:
→ →‭ ‭πειράω‭ peiráo +3987 = versuchen
→ →‭ ‭πεῖρα‭ peîra +3984 = Versuch
Verschiedene Arten der Versuchung:
1. Erprobung (z. B. durch eine Anfechtung) im guten oder neutralen Sinn, um zu prüfen, ob etwas echt ist und einen bewährten, beständigen Glauben zu vertiefen und zu offenbaren (Mt 6:13 -1Kor 10:13 - Gal 4:14 - 1Tim 6:9 - Jak 1:12 - 1Petr 4:12 - Offb 3:10)‭ u. a.‭
2. Versuchung als eine Verlockung zur Sünde, sei es durch eine Versuchung Satans (Lk 4:13) oder durch die eigene Lust oder Begierde (Jak 1:14). Das Ziel Satans ist der Abfall vom Glauben.
3. Versuchung oder Prüfung Gottes durch die Menschen. Rebellion gegen Gott (Hebr 3:8). Gott darf nicht auf die Probe gestellt werden (Mt 4:7).

Dieser Satzteil könnte man wörtlich auch mit 'und bringe uns nicht hinein in Versuchung' übersetzen. Diese Übersetzung ist sinngemäß ähnlich, aber sie schwächt den Aspekt des 'Führens' und 'Leitens' etwas ab. Trotzdem enthält er die Bitte, von Gott nicht in eine Versuchung gebracht zu werden, d. h. auch: Gott könnte uns in Versuchung bringen. Diese Möglichkeit erzeugt in uns womöglich ein mulmiges Gefühl.

Was sagt die Bibel über Versuchungen, Prüfungen und Erprobungen?

Drei Verse aus dem Jakobusbrief geben uns einen vertieften Einblick in diese Zusammenhänge. Allerdings werfen sie auch weitere Fragen auf. Jakobus schreibt:

  • ELB Jak 1:2-3 - Haltet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Versuchungen geratet, 3 indem ihr erkennt, daß die Bewährung eures Glaubens Ausharren bewirkt.
  • ELB Jak 1:13 - Niemand sage, wenn er versucht wird: Ich werde von Gott versucht. Denn Gott kann nicht versucht werden vom Bösen, er selbst aber versucht niemand.

Diese Verse scheinen irgendwie nicht mit Mt 6:13 übereinzustimmen. Auf den ersten Blick empfinden wir sie als einen Widerspruch zu der Aussage im 'Vaterunser'! Scheinbare Widersprüche in der Bibel sind jedoch keine wirklichen Widersprüche, sondern vielmehr ergänzende Aussagen, die eine Sache von einer anderen Seite her beleuchten, um so eine bessere Gesamtschau zu erhalten! Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter: Scheinbare Widersprüche in der Bibel.

Folgendes dürfen wir an dieser Stelle festhalten:

  1. Das Vaterunser beinhaltet die Bitte an Gott, nicht in Versuchung geführt zu werden. Der Textzusammenhang legt nahe, dass damit eine Versuchung gemeint ist, die zu einem Fall oder sogar zu einem Abfall vom Glauben führen könnte, denn gleich im Anschluss heißt es, dass Gott uns vor dem Bösen erretten soll. Es geht hier eher um die Bitte, vor einer 'Trennung von Gott' bewahrt zu bleiben und nicht um die Aussage, dass Gott der Initiator für eine Versuchung (zum Bösen) sein könnte, die dann zu einem Abfall vom Glauben führen würde. Diese Bitte vermittelt uns auch das Bewusstsein, dass wir aus eigener Kraft einer Versuchung zum Bösen nicht widerstehen können. Jesus Christus, als der von Gott gezeugte Sohn, war der Einzige, der allen Versuchungen zum Bösen widerstehen konnte! Wir wären aus eigener Kraft nie in der Lage, allen Versuchungen Satans zu widerstehen, und das sollte uns durch dieses Gebet bewusst werden!
  2. Wenn wir verschiedenen Prüfungen (z. B. durch Anfechtungen) ausgesetzt sind, dürfen wir uns darüber 'freuen', weil ...
    1. ... Gott sie zu unserem Besten zugelassen hat (Röm 8:28), um uns von unserem 'Vertrauen auf uns selbst' zu befreien (z. B. Petrus in seiner Verleumdungsgeschichte; Lk 22:31-32).
    2. ... Gott dadurch unseren Glauben (das Vertrauen auf Ihn) vertiefen möchte (nach der bestandenen Erprobung Abrahams wurde sein Vertrauen auf Gott noch stärker; 1Mo 22).
    3. ... Gott dadurch unser Vertrauen auf Ihn sichtbar machen will. Einerseits vor den Engeln (Hi 1+2) und andererseits vor Menschen, weil dies ein großes Zeugnis ist und auch andere zum Glauben motiviert (denken wir an die vielen Märtyrer, die trotz Schmerzen an Gott festhielten und dadurch andere Menschen zum Glauben führten. Nicht selten wächst eine 'Märtyrerkirche' am schnellsten; vor allem erzeugt sie durch das Wirken des Heiligen Geistes am meisten echte Nachfolger Christi).
    4. ... es dadurch zu einer Bewährung des Glaubens durch das Ausharren kommt (Jak 1:2). In der Erprobung durch Anfechtungen lernen wir noch mehr, an Gott festzuhalten und die von Gott verordneten Umstände geduldig zu ertragen! Das nennt man Ausharren (w. Untenbleiben, d. h. unter den von Gott verordneten Umständen zu bleiben; 2Kor 12:9).
  3. Wenn jemand von Satan oder von seiner eigenen Begierde (Lust) versucht wird, soll er nie sagen, dass Gott ihn dazu versucht hat! Dadurch würde man Gott böse Motive unterstellen! Gott genehmigt zwar Versuchungen Satans, aber nicht, um uns zu Fall zu bringen (damit wir vom Glauben abfallen), sondern um uns von unserem 'Selbstvertrauen' zu befreien und unseren Glauben zu stärken!
  4. Gott kann niemals zum Bösen versucht werden! Kein Geschöpf kann Gott dazu bringen, Böses zu tun oder von einem bösen Motiv erfasst zu werden! Bei allem, was Gott tut oder auch genehmigt, hat Er immer das Motiv der Liebe! Das gilt auch dann, wenn Er Zorngerichte als Erziehungsmaßnahme anordnet (Zeph 3:8-9).
  5. Gott hat es nicht nötig, jemanden zu prüfen — auch nicht für sich selbst — um zu erfahren, ob ein Mensch durchhält oder nicht (das weiß Er schon längst). Prüfungen lässt er nur wegen uns und anderen zu (Engel oder Menschen). Unser Glaube wird vertieft, und andere erhalten ein Zeugnis von der Kraft Gottes in Schwachen!

Errette uns von dem Bösen

Der Vers 13 ist in folgende Verse 'eingeklemmt':

ELB Mt 6:12 und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir unseren Schuldnern vergeben haben;

ELB Mt 6:13 und führe uns nicht in Versuchung, sondern errette uns von dem Bösen! -

ELB Mt 6:14 Denn wenn ihr den Menschen ihre Vergehungen vergebt, so wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben;

Das ist kein Zufall! Alle Menschen müssen sich zuerst bewusst machen, dass sie vor Gott schuldig geworden sind und auf die Vergebung Gottes angewiesen sind. Auch wenn wir äußerlich betrachtet nicht 'so schlecht' wie andere erscheinen mögen – weil wir vielleicht noch keinen Menschen umgebracht oder die Ehe gebrochen haben –, sind wir dennoch alle vor Gott schuldig geworden. Ich behaupte, dass jeder Mensch in Gedanken oder im Herzen schon einmal ein Mörder und Ehebrecher war! In den Augen Gottes sind wir nicht wirklich besser als andere Menschen, und wir sind zu 100% auf die Vergebung und Gnade Gottes angewiesen! Durch den Glauben an Jesus Christus, der unsere Schuld getragen hat, dürfen wir um umfassende Vergebung von Seiten Gottes wissen! Wenn uns Gott vergeben hat, sind auch wir dazu verpflichtet, unseren Mitmenschen zu vergeben!

Mir ist durchaus bewusst, dass es unheimlich schwere Verletzungen gibt, die man kaum von einer Minute auf die andere vergeben kann (ich denke an körperlichen oder seelischen Missbrauch, Vergewaltigung oder Folter)! Diese Verletzungen sind so tief, dass wir zuerst einmal nur Wut und tiefste Bitterkeit verspüren. Trotzdem ist es so, dass wir, wenn wir nicht vergeben, unserer eigenen Seele am meisten schaden! Nicht zu vergeben blockiert den Heilungsprozess unserer Seele. Gott motiviert uns, ganz bewusst zu vergeben, auch dann, wenn wir noch Wut und Bitterkeit verspüren!

Viele können nicht vergeben, weil sie sich als Heuchler empfinden, wenn sie trotz Wut- und Hassgefühlen, sich dafür entscheiden, ihrem Mitmenschen zu vergeben. Sie denken, erst wenn meine Wut und Bitterkeit weg sind, dann kann ich auch vergeben! Aber der Weg ist meist umgekehrt: Zuerst entscheide ich mich ganz bewusst dafür, zu vergeben, weil Gott mir vergeben hat, obwohl ich noch negative Empfindungen verspüre. Danach kommt es zu einer Heilung der Seele und auch zu einer Befreiung von diesen schmerzhaften Gefühlen. Allerdings kann das manchmal lange dauern!

Weil der Vers 13 in diese 'Vergebungsverse' eingeklemmt ist, kann man auch sagen, dass eine Versuchung darin besteht, nicht vergeben zu wollen! Wer den Gefühlen seiner Wut und Bitterkeit folgt, statt dem Wort Gottes zu gehorchen und deshalb nicht vergeben will, erliegt einer Versuchung der eigenen Gefühle. Ohne unser Vergeben bleiben wir im Bösen verhaftet; in den Gefühlen der Wut und Bitterkeit, die dann im Hass enden!

'Errette uns von dem Bösen' kann auch als ein Hilferuf von tief verletzten Menschen an den himmlischen Vater verstanden werden, die sich eine Vergebungsbereitschaft wünschen, damit sie nicht in ihren Gefühlen der Wut und Bitterkeit hängen bleiben und deshalb vom Bösen gebunden sind!

Wenn wir den himmlischen Vater um die Kraft zur Vergebung von ganzem Herzen bitten, wird Er sie uns auch geben!