Der große Krieg, Dan 10-12

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Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort"
Begründet von Professor E. F. Ströter

Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.
XIX. Jahrgang 1925

siehe weitere Abschriften

Die Visionen im Buche Daniel:

Von Heinrich Schaedel

1. Das Monarchienbild, Dan 2
2. Die vier großen Tiere, Dan 7
3. Der Widder und der Ziegenbock, Dan 8
4. Die siebzig Jahrwochen, Dan 9
5. Der große Krieg, Dan 10-12


5. Der große Krieg, Dan 10-12

Die letzte Vision im Buche Daniel umfasst die letzten drei Kapitel. Es ist ein großes Gemälde, das uns hier gezeigt wird. Mit dieser letzten Vision wird das gewaltige prophetische Bild, das Gott uns durch den Propheten Daniel gibt, vollendet, so dass die Darstellung nun vollkommen ist. Die israelitische Volksgeschichte wird uns hier gezeigt, das Ringen und Kämpfen geschildert, bis endlich die herrliche messianische Zeit anbricht, die Auferstehung der Heiligen stattfindet, und die Königsherrschaft des Messias zur praktischen Durchführung kommt.

Fünf Jahre sind seit dem Fall Babylons und der Aufrichtung des medisch-persischen Reiches vergangen. Daniel ist ein alter Mann von etwa 90 Jahren geworden. Viele Juden waren in Babylon geblieben und zeigten kein großes Interesse an dem Wohl und Wehe Jerusalems. Im Verhältnis zur Menge des jüdischen Volkes waren nicht viele zurückgekehrt nach Jerusalem. In Jerusalem selbst gab es allerlei Schwierigkeiten und Hindernisse, besonders mit den Samaritern. Das alles machte dem Propheten Daniel Sorge. Er selbst schreibt darüber:

Die letzte Vision Daniels

  • Dan 10:1-3: „Im dritten Jahr des Königs Kores aus Persien ward dem Daniel, der Belsazar heißt, etwas offenbart, das gewiss ist und von großen Sachen; und er merkte darauf und verstand das Gesicht wohl. Zur selben Zeit war ich Daniel traurig drei Wochen lang. Ich aß keine leckere Speise, Fleisch und Wein kam nicht in meinen Mund, und salbte mich auch nie, bis die drei Wochen um waren."

Der Herr hat dem Daniel eine Antwort auf seine ernsten Fragen gegeben. Das geschieht in einem Gesicht. Dieses Gesicht ist die größte und eingehendste Weissagung des ganzen Buches. Daniel befand sich am Fluss Tigris, vielleicht um amtliche Geschäfte des Königs zu erledigen. Da erscheint ihm ein Engel in weißer Kleidung und goldenem Gürtel und wunderbar leuchtender Gestalt. Die Schilderung dieser Lichtgestalt (Dan 10:5.6) stimmt fast wörtlich mit der Beschreibung des verklärten Menschensohnes Offb 1:13-15 überein. Es wird darum von manchen Auslegern angenommen, dass wir es hier nicht mit einem Engelfürsten zu tun haben, sondern mit dem Sohn Gottes selbst, der in erhabener königlicher Ruhe Gericht durch sein Wort hält. Die Begleiter des Daniel sehen diese Erscheinung nicht, verstanden auch nicht die Rede, aber ein großer Schrecken fiel auf sie, dass sie flohen und sich verkrochen.

  • Dan 10:7-21 „Und ich blieb allein und sah dies große Gesicht. Es blieb aber keine Kraft in mir, und ich ward sehr entstellt und hatte keine Kraft mehr. Und ich hörte seine Rede; und indem ich sie hörte, sank ich ohnmächtig auf mein Angesicht zur Erde. Und siehe, eine Hand rührte mich an und half mir auf die Knie und auf die Hände; und er sprach zu mir: Du lieber Daniel, merke auf die Worte, die ich mit dir rede, und richte dich auf, denn ich bin jetzt zu dir gesandt. Und da er solches mit mir redete, richtete ich mich auf und zitterte. Und er sprach zu mir: Fürchte dich nicht, Daniel, denn von dem ersten Tage an, da du von Herzen begehrtest zu verstehen und dich kasteitest vor deinem Gott, sind deine Worte erhört; und ich bin gekommen um deinetwillen. Aber der Fürst des Königreichs im Perserland hat mir einundzwanzig Tage widerstanden; und siehe Michael, der vornehmsten Fürsten einer, kam mir zu Hilfe; da behielt ich den Sieg bei den Königen in Persien. Nun aber komme ich, dass ich dich unterrichte, wie es deinem Volk ferner gehen wird; denn das Gericht wird erst nach etlicher Zeit geschehen. Und als er solches mit mir redete, schlug ich mein Angesicht nieder zur Erde und schwieg still. Und siehe, einer gleich einem Menschen rührte meine Lippen an. Da tat ich meinen Mund auf und redete und sprach zu dem, der vor mir stand: Mein Herr, meine Gelenke beben mir über dem Gesicht, und ich habe keine Kraft mehr; und wie kann der Knecht meines Herrn mit meinem Herrn reden, weil nun keine Kraft mehr in mir ist, und habe auch keinen Odem mehr? Da rührte einer, gleich wie ein Mensch gestaltet, mich abermals an und stärkte mich, und sprach: Fürchte dich nicht, lieber Mann! Friede sei mit dir, und sei getrost, sei getrost! Und als er mit mir redete, ermannte ich mich, und sprach: Mein Herr, rede; denn du hast mich gestärkt. Und er sprach: Weißt du auch, warum ich zu dir gekommen bin? Jetzt will ich wieder hin, und mit dem Fürsten in Perserland streiten; aber wenn ich wegziehe, siehe, so wird der Fürst von Griechenland kommen. Doch will ich dir anzeigen, was geschrieben ist, das gewisslich geschehen wird. Und es ist keiner, der mir hilft wider jene, denn euer Fürst Michael. Denn ich stand auch bei ihm im ersten Jahre Darius, des Meders, dass ich ihm hülfe, und ihn stärkte."

Einblicke in die Geisterwelt

Das ist eine wunderbare Darstellung eines großen Gesichtes, das Daniel schauen durfte, und es werden und da, wie sonst nirgends, Einblicke in die Geisterwelt gewährt, deren Einfluss in der Politik der Völker als bestimmende Macht gezeigt wird. Die Bibel ist ja sehr zurückhaltend mit Offenbarungen über die Geisterwelt, sie lässt den Vorhang, den Gott vor die unsichtbare Welt gezogen hat, hängen. Eine solche Stelle haben wir hier. Es wird wohl der Engel Gabriel gewesen sein, der ihm wiederholt erschienen war, der jetzt wieder vor Daniel hintritt, ihn anrührt und freundlich mit ihm redet. Hier war ja auch der rechte Ort, wo Einblicke in die Zusammenhänge der unsichtbaren und sichtbaren Welt gegeben werden konnten, denn hier wird der Grundriss der Völkergeschichte gegeben. Böse und gute Engelfürsten beeinflussen die Regierungen der Völker. Vor allem müssen wir hier lernen, dass während der Zeiten der Heiden oder Nationen, die Weltreiche unter dem beherrschenden Einfluss der satanischen Macht stehen. Da sind auch die sogenannten christlichen Völker nicht ausgeschlossen; denn auch bei denen sehen wir nur zu oft diese Aussage bestätigt. Wir haben es ja längst gelernt in den Betrachtungen der Visionen im Buche Daniel, dass die Völker ihren antigöttlichen Charakter behalten werden, bis der Herr kommt und sein herrliches Friedensreich aufrichten wird. Wenn wir an den nun hinter uns liegenden scheußlichen Krieg denken, den die sogenannten Völker miteinander geführt haben, dann sollte es einem nicht schwer fallen zu erkennen, dass Satan noch immer der Gott dieser Welt ist, und wohin die Völker trotz ihrer gepriesenen christlichen Kultur kommen unter dem Szepter Satans. Wir haben aber auch im Buche Daniel gelernt, dass einmal die Zeit kommen wird, da die Herrschaft Satans zerstört werden soll durch den Sohn Gottes, der dann seine herrliche Friedensherrschaft aufrichten wird zum Heil und Segen aller Völker.

Es werden uns in der Schrift noch einige andere Beispiele gegeben vom Eingreifen der bösen und guten Engel in die Geschichte der Menschen. So lesen wir in

  • 1Sam 16:14: „Der Geist aber des Herrn wich von Saul, und ein böser Geist vom Herrn machte ihn sehr unruhig."

Gott steht gewiss über allen Geistern, ob sie gut oder böse sind. Wenn darum der Herr, unser Gott, böse Geister ihr satanisches Werk ausüben lässt, oder sie sogar zu diesem Zweck sendet, dann bedeutet das praktisch doch einfach ein Strafgericht Gottes. Die satanischen Machenschaften offenbaren sich ja stets in antigöttlicher Art, wie wir das im Verhalten des Königs Saul unter dem Einfluss des bösen Geistes David gegenüber deutlich sehen, der ja eines der Vorbilder auf Christus ist. Noch eine solche Stelle haben wir im Alten Testament, 1Kö 22:19-23. Hier ist ganz klar gesagt, dass ein böser Lügengeist auf Geheiß Gottes ausging, um Ahab zu überreden mit Josaphat gegen Ramoth Gilead in den Krieg zu ziehen. Auch hier ist der Zweck deutlich das Strafgericht, das an dem König Ahab vollzogen werden sollte. Daraus geht klar hervor, dass hinter den Kulissen der Weltgeschichte unsichtbare Mächte stehen, deren Einflüsse sich auf der Bühne des Weltgeschehens geltend machen. Aber auch das Neue Testament deutet an, dass der Einfluss der Geisterwelt auf die Menschen sehr groß ist.

Die Bedeutung der Fürbitte

Der Apostel Paulus redet davon, dass der Fürst, der in der Luft herrscht, sein Werk hat in den Kindern des Ungehorsams (Eph 2:2) und wir Gläubigen haben auch zu kämpfen mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel (Eph 6:12). Gegen diese Mächte gibt es für den Gläubigen die Waffe des Gebets und das Schwert des Geistes, das Wort Gottes. Aus unserm Abschnitt hier (Dan 10:12) geht es auch deutlich hervor, dass auf Daniels gläubiges und ernstes Gebet hin der Engel Gabriel ausging, um mit den bösen Engelfürsten des Königreichs im Perserland zu streiten. Einundzwanzig Tage lang hat dieser Kampf gedauert. Dadurch, dass Michael, der Engelfürst des Volkes Israel (Dan 10:21), dem Gabriel halft, behielt er den Sieg bei den Königen in Persien. Jedenfalls ging der Einfluss des bösen Engelfürsten darauf hinaus, die persischen Regenten zu solchen Handlungen zu veranlassen, wodurch Gottes Verheißungen für das Volk Israel zunichte gemacht, oder wenigstens in Frage gestellt würden. Nach dem Buche Ester soll ja einmal das ganze Volk Israel vernichtet werden. Aus dem allen erkennen wir die Bedeutung der Fürbitte der Kinder Gottes. Vielleicht werden wir einmal in der Vollendung darüber Aufschluss bekommen, was die gläubige Fürbitte der Frommen je und je in der Geschichte zu bedeuten hatte.

Daniel sollte nicht in seinem gläubigen Gebet, aber auch nicht in seinem Vertrauen auf Gottes Verheißungen schwach werden. Darum erschien ihm der erhabene Sohn Gottes und redete der Engelfürst Gabriel mit ihm. Der Engel sagt:

  • Dan 10:14: „Nun aber komme ich, dass ich dich unterrichte, wie es deinem Volk hernach gehen wird; denn das Gericht wird erst nach etlicher Zeit geschehen."

Am Schluss der Vision von den vier Tieren hießt es: „Das war der Rede Ende. Aber ich Daniel ward sehr betrübt in meinen Gedanken, und meine Gestalt verfiel; doch behielt ich die Rede in meinem Herzen.“ In dem Gesicht vom Widder und Ziegenbock wurde dem Daniel gesagt, er solle das Gesicht heimlich halten, denn es sei noch eine lange Zeit bis dahin. Darauf sagt Daniel: „Und ich Daniel ward schwach und lag etliche Tage krank. Danach stand ich auf und richtet aus des Königs Geschäft und verwunderte mich des Gesichts; und niemand war, der mir's auslegte.“ Nach seinem ernsten Gebet in Dan 9 kam der Engelfüst Gabriel und zeigte ihm den Plan Gottes von siebzig Jahrwochen, die über das Volk Israel bestimmt seinen. „So merke nun darauf, dass du das Gesicht verstehst“, sagt ihm dabei Gabriel. Ob aber Daniel damit befriedigt war und alles verstanden hatte, wird nicht gesagt. Aber die letzte Vision soll ihm nun das ganze Bild klar und deutlich zeigen. Darum wird die Beschreibung der letzten Vision auch mit den Worten eingeleitet: „Und er merkte darauf und verstand das Gesicht wohl.“ Somit ist die letzte Vision von dem großen Krieg, der eine große Trübsal sein wird (Dan 10:1 Miniaturbibel), der letzte Pinselstrich dieses wunderbaren Gemäldes von der Zukunft Israels und der Völkerwelt. Jetzt steht das ganze Panorama vor dem Auge des Propheten. Der Engel muss nach seiner Mitteilung Daniel wieder verlassen, um mit dem Engelfürsten am persischen Hofe zu streiten. Dieser Kampf wird solange dauern, bis das Perserreich zusammenbricht. So sagt der Engel: „Gleich muss ich zwar zurückkehren, um mit dem Perserfürsten zu streiten, und wenn ich von ihm los bin, so ist schon der Fürst von Griechenland zum Kampf herbeigekommen.“ Das will doch jedenfalls sagen, der Kampf wird ununterbrochen geführt werden müssen. Sobald das Perserreich zu Ende geht, steht der böse Engel des griechischen Weltreiches, das dann folgen wird, zum Kampf bereit.

Geschichtliche Entwicklung

  • Dan 11:2: „Und nun will ich dir anzeigen, was gewiss geschehen soll. Siehe, es werden noch drei Könige in Persien aufstehen; der vierte aber wird größern Reichtum haben denn alle andern; und wenn er in seinem Reichtum am mächtigsten ist, wird er alles wider das Königreich in Griechenland erregen."

Das elfte Kapitel berichtet uns die Einzelheiten der geschichtlichen Vorgänge so genau, dass manche moderne Ausleger meinten, das sei nicht mehr Prophetie, sondern klar geschriebene Geschichte, die nur von einem Zeitgenossen dieser Ereignisse hätte geschrieben werden können. Diese kritischen Fragen interessieren uns hier weiter nicht. Wir können es unserm Gott zutrauen, dass er Weltgeschichte im Voraus schreiben lassen kann. Zunächst sollen drei Könige im Perserland auftreten. Ihre Namen sind uns im Buche Esra genannt: Ahasvertus, Artasast und Darius, oder wie sie in der Weltgeschichte genannt werden: Kambyses, Pseudo-Smerdes und Darius Hystaspis. Der vierte ist Xerxes, der von 485-465 v. Chr. regierte. Sein ungeheurer Reichtum und Glanz ist in der Geschichte hinreichend bekannt geworden, ebenso berichtet uns die Geschichte, wie Xerxes seine ganze gewaltige Reichsmacht aufbot, um das kleine Griechenland zu unterwerfen. Trotz verschiedener Kriege gelang es aber Xerxes nicht, das Königreich in Griechenland zu zerstören.

  • Dan 11:3.4 „Danach wird ein mächtiger König aufstehen und mit großer Macht herrschen, und was er will, wird er ausrichten. Und wenn er aufs Höchste gekommen ist, wird sein Reich zerbrechen und sich in die vier Winde des Himmels zerteilen, nicht auf seine Nachkommen, auch nicht mit solcher Macht, wie seine gewesen ist; denn sein Reich wird ausgerottet und Fremden zuteil werden.“

Offenbar haben wir hier Alexander, den ersten König von Griechenland, dem wir schon früher begegnet sind im Buche Daniel. Er ist der mächtige König, der mit großer Macht herrschte. Bei seinem frühen Tode teilten sich seine vier bedeutendsten Feldherren in das Reich. Zwei von diesen vier Reichen bekamen besondere Bedeutung für das Volk Israel, nämlich das der Seleukiden in Syrien, und das der Ptolomäer in Ägypten. Da wir nun aber in den jetzt folgenden Schilderungen ohne Zweifel Andeutungen finden, die hinweisen auf die Endzeit unter der Herrschaft des letzten und eigentlichen Antichristen, so haben einzelne gläubige Schriftausleger die Meinung vertreten, dass diese Weissagung hier einen Sprung mache von Alexander bis zu den letzten Ereignissen vor der Wiederkunft des Herrn. Man meint, dass auf dem von Alexander beherrschten Gebiet in der Endzeit vier Reiche entstehen werden. Dann würden alle diese Schilderungen, die nun folgen, in allen Einzelheiten ihre Erfüllung finden.

Wir können diese Möglichkeit durchaus gelten lassen, denn die Weltgeschichte ist vielfach eine Wiederholung früherer Geschehnisse. Es kann jedoch diese Ansicht nicht genügend begründet werden, und darum lassen wir sie auf sich beruhen. Die nachfolgende Beschreibung zeigt uns sehr deutlich Israel zwischen den beiden kämpfenden Reichen Syrien und Ägypten. Die südliche Macht Ägypten nahm eine freundliche Stellung vielfach Israel gegenüber ein. Unter einem der dortigen Herrscher wurde eine Übersetzung des Alten Testaments in die griechische Sprache hergestellt, die wir heute unter dem Namen Septuaginta kennen.

Seleukiden und Ptolomäer

  • Dan 11:5-9: „Und der König gegen Mittag, welcher ist seiner Fürsten einer, wird mächtig werden; aber gegen ihn wird einer auch mächtig sein und herrschen, dessen Herrschaft wird groß sein. Nach etlichen Jahren aber werden sie sich miteinander befreunden; und die Tochter des Königs gegen Mittag wird kommen zum König gegen Mitternacht, Einigkeit zu machen. Aber ihr wird die Macht des Arms nicht bleiben, dazu wird er und sein Arm auch nicht bestehen bleiben, sondern sie wird übergeben werden samt denen, die sie gebracht haben, und mit dem, der sie erzeugt hat, und dem, der sie eine Weile mächtig gemacht hat. Es wird aber der Zweige einer von ihrem Stamm aufkommen, der wird kommen mit Heereskraft, und dem König gegen Mitternacht in seine Feste fallen, und wird’s ausrichten und siegen. Auch wird er ihre Götter und Bilder samt den köstlichen Kleinodien, silbernen und goldenen, wegführen nach Ägypten und etliche Jahre vor dem König gegen Mitternacht stehenbleiben. Und dieser wird ziehen in das Reich des Königs gegen Mittag, aber wieder in sein Land umkehren."

Zwischen den Seleukiden im Norden und den Ptolomäern im Süden entbrannten also heftige Kämpfe, die teilweise auf diplomatischem Wege, durch Verbindung der Herrscherhäuser in Heiraten und auch im bitteren Krieg zum Austrag kamen. Es ist ein politisches Ränkespiel, das der modernen Staatskunst nichts nachgibt. Acht Jahre lang hatte das Nordreich mit dem Südreich Krieg geführt. Israel war der Tummelplatz der feindlichen Heere. Der Friede kam dadurch zustande, indem der ägyptische König dem syrischen seine Tochter zur Frau gab, die ihm große Reichtümer mitbrachte. Der syrische König war mit seiner Stiefschwester verheiratet, die aber von ihm verstoßen wurde mit ihren Kindern, damit er die ägyptische Königstochter Berenice heiraten konnte. Schon nach zwei Jahren starb der mächtige ägyptische Könige Ptolomäus II. worauf sein Schwiegersohn Antiochus II, von Syrien seine neue Gemahlin mit ihrem Söhnlein verstieß, und seine frühere Gattin Laodice wieder zu sich nahm. Diese aber vergiftete aus Rache den König und ließ die ägyptische Königstochter samt ihrem Sohn umbringen. Deren Bruder Ptolomäus III. rächte den Tod seiner Schwester durch einen Kriegszug nach Syrien, der so erfolgreich verlief, dass er das Land eroberte und die Hauptstadt Antiochien einnahm. Die blutdürstige Laodice ließ er hinrichten und brachte große Beute mit nach Ägypten. Der neue König von Syrien machte zwar einen Kriegszug gegen Ägypten, musste aber ohne Erfolg wieder zurückkehren mit wenigen Leuten.

  • Dan 11:10-20: „ Aber seine Söhne werden zornig werden und große Heere zusammenbringen; und der eine wird kommen und wie eine Flut daher fahren, und wiederum Krieg führen bis vor seine Feste. Da wird der König gegen Mittag ergrimmen und ausziehen und mit dem König gegen Mitternacht streiten, und wird solchen großen Haufen zusammenbringen, dass ihm jener Haufe wird in seine Hand gegeben; und wird den Haufen wegführen. Des wird sich sein Herz überheben, dass er so viele Tausende danieder gelegt hat; aber damit wird er sein nicht mächtig werden. Denn der König gegen Mitternacht wird wiederum einen größeren Haufen zusammenbringen als der vorige war; und nach etlichen Jahren wird er daher ziehen mit großer Heereskraft und mit großem Gut. Und zur selben Zeit werden sich viele wider den König gegen Mittag setzen; auch werden sich Abtrünnige aus deinem Volk erheben und die Weissagung erfüllen und werden fallen. Also wird der König gegen Mitternacht daherziehen und einen Wall aufschütten und eine feste Stadt gewinnen; und die Mittagsheere werden’s nicht können wehren, und sein bestes Volk wird nicht können widerstehen; sondern der an ihn kommt, wird seinen Willen schaffen, und niemand wird ihm widerstehen können. Er wird auch in das werte Land kommen und wird’s vollenden (verheeren) durch seine Hand und wird sein Angesicht richten, dass er wird sich mit ihm vertragen und wird ihm seine Tochter zum Weibe geben, dass er ihn verderbe; aber es wird ihm nicht geraten und wird nichts daraus werden. Danach wird er sich kehren wider die Inseln und deren viele gewinnen. Aber ein Fürst wird ihn lehren aufhören mit Schmähen, dass er ihn nicht mehr schmäht. Also wird er sich wiederum kehren zu den Festen seines Landes und wird sich stoßen und fallen, dass man ihn nirgends finden wird. Und an seiner Statt wird einer aufkommen, der wird einen Schergen sein herrliches Reich durchziehen lassen; aber nach wenigen Tagen wird er zerbrochen werden, doch weder durch Zorn noch durch Streit“.

Es ist nicht nötig, diesen klaren Ausführungen noch weitere Anmerkungen hinzuzufügen. Es sind die gleichen Kämpfe und diplomatischen Verhandlungen, wie sie bereits vorher geschildert wurden. Einmal siegte Ägypten und ein anderes mal Syrien. In den Ruhejahren wurde wieder gerüstet für den nächsten Krieg. Der Engel deutet aber an und spricht es als Tadel aus, dass Israel, das ja gewiss viel zu leiden hatte als Korn zwischen diesen beiden Mühlsteinen, sich treulos Ägypten gegenüber verhalten werde. Bei der Teilung des griechischen Weltreiches war Palästina Ägypten zugeteilt worden. Wie oben schon bemerkt, hatte einer der ägyptischen Könige auch eine griechische Übersetzung des Alten Testamentes herstellen lassen. Nach allem, was wir wissen, hatte Israel nur Ursache, Ägypten gegenüber dankbar zu sein. Nun aber erheben sich Abtrünnige aus Israel und fallen Syrien zu. Doch der Untergang wird ihnen vorausgesagt. Unter der festen Stadt, die der ägyptische Feldherr einnehmen wird, ist wohl Sidon zu verstehen, wo sich das ägyptische Heer dem Syrerkönig Antiochus dem Großen später übergeben musste. Dadurch ging auch Palästina in den Besitz Syriens über. Als Antiochus sich gegen Ägypten selbst wenden wolle, traten die Römer dazwischen, die das verhinderten. Die Diplomatie trat wieder in Aktion, und der Syrerkönig gab dem König von Ägypten seine Tochter Kleopatra zum Weibe. Der Syrer wandte sich dann gegen die griechischen Inseln und gegen das alte Griechenland selbst. Später wurde er aber von der neuaufsteigenden römischen Weltmacht besiegt und damit verging ihm sein Spotten und Höhnen. Der Nachfolger sandte einen Schergen oder Geldeintreiber, der die durch die Kriege entleerte und verarmte Staatskasse wieder füllen sollte. Auch dieser König nahm ein ruhmloses Ende.

Antiochus Epiphanes

  • Dan 11:21-27: „An seiner Statt wird aufkommen ein Ungeachteter, welchem die Ehre des Königreichs nicht zugedacht war; der wird mitten im Frieden kommen und das Königreich mit süßen Worten einnehmen. Und die Heere, die wie eine Flut daher fahren, werden von ihm wie mit einer Flut überfallen und zerbrochen werden; dazu auch der Fürst, mit dem der Bund gemacht war. Denn nachdem er mit ihm befreundet ist, wird er listig gegen ihn handeln, und wird heraufziehen und mit geringem Volk ihn überwältigen, und es wird ihm gelingen, dass er in die besten Städte des Landes kommen wird; und wird’s also ausrichten, wie es weder seine Väter noch seine Voreltern tun konnten, mit Rauben, Plündern und Ausbeuten; und wird nach den allen festen Städten trachten, und das eine Zeitlang. Und er wird seine Macht und sein Herz wider den König gegen Mittag erregen mit großer Heereskraft. Da wird der König gegen Mittag gereizt werden zum Streit mit einer großen, mächtigen Heereskraft; aber er wird nicht bestehen, denn es werden Verrätereien wider ihn gemacht. Und eben die sein Brot essen, die werden ihn helfen zu verderben und sein Heer unterdrücken, dass gar viele erschlagen werden. Und beider Könige Herz wird sinnen, wie sie einander Schaden tun, und werden an einem Tische fälschlich miteinander reden. Es wird ihnen aber nicht gelingen; denn das Ende ist noch auf eine andere Zeit bestimmt."

Hier haben wir nun wieder die geheimnisvolle Persönlichkeit, die uns bereits in Dan 8 begegnet ist, es ist der syrische Antichrist Antiochus Epiphanes, die uns bereits in Dan 8 begegnet ist, es ist der syrische Antichrist Antiochus Epiphanes, der jüngere Sohn des Antiochus des Großen. „Der junge Antiochus war von seinem Vater nach dem schmählichen Friedensschluss, zu welchem ihn die Römer gezwungen hatten, nebst andern Jünglingen vornehmen Geschlechts, als Geisel nach Rom gesandt worden, im Jahre 190 v. Chr. Nach kaum drei Jahren starb Antiochus der Große, und sein Nachfolger wurde sein ältester Sohn Seleukus IV. im Jahre 187. Dieser entschloss sich nach etlichen Jahren, seinen Bruder Antiochus in Rom gegen seinen eigenen Sohn Demetrius als Geisel auszuwechseln, da ereilte ihn der Tod durch Vergiftung. Sein Mörder Helidoro maßte sich den Thron an. Zu gleicher Zeit machte auch der junge ägyptische König Ptolemäus VI. auf das Betreiben seiner Mutter Kleopatra, die eine Schwester des jungen Antiochus war, Ansprüche auf den syrischen Thron. Die Kunde von der Ermordung seines Bruder Seleukus erreichte den Antiochus auf der Heimreise von Rom in Athen. Schnell war sein Plan gefasst, seinem einzig berechtigten Neffen Demetrius die Herrschaft zu entreißen. Es gelang ihm die doppelten (syrischen und ägyptischen) Streitkräfte, die gegen ihn standen, mit Hilfe pergamenischer Könige niederzuwerfen.

Unter dem Bundesfürsten in Dan 11:22 ist der junge ägyptische Herrscher zu verstehen, der ja durch die Heirat der Kleopatra, unseres Antiochus Schwester, ihm sehr nahe verbunden war. Es gelang ihm, durch Ränke den jungen Monarchen ganz unter seinen Einfluss zu bekommen und ihn vollständig abhängig zu machen von seiner Politik. So durchzog er nicht nur die eigenen Lande, wo er das Volk durch Schmeicheleien zu gewinnen verstand, sondern wusste sich sogar die ägyptische Bevölkerung von Stadt zu Stadt geneigt zu machen durch die freigiebigste Verteilung von allerlei Beute und Schätzen. Was seinen Vorfahren mit Waffengewalt nicht gelang, das brachte er fertig mit List und Klugheit, nämlich die Oberhoheit über Ägypten an sich zu reißen. Doch blieben die starken Festungen des Landes noch unbezwungen, die er aber auch an sich zu bringen bestrebt war.

Inzwischen war in Ägypten ein Bruderkrieg entbrannt. Der regierende König Ptolomäus VI. fand einen Nebenbuhler in seinem jüngeren Bruder. Als das Antiochus erfuhr, eilte er herbei, angeblich um seinem verbündeten älteren Neffen zu helfen gegen den Bruder. Dieser hatte ein großes Heer für sich geworben, das aber Antiochus durch Verrat und List auf seine Seite brachte. Obschon nun der Sieger seinem Verbündeten in anscheinender Großmut die Herrschaft überließ, bestand doch zwischen beiden das größte Misstrauen. Der eine fürchtete im anderen den Nebenbuhler. So verkehrten sie heuchlerisch miteinander, ohne sich doch zu getrauen, dem schier unerträglichen Zustand ein Ziel zu setzen. Es gehörte mit zur Züchtigung des Volkes Gottes, dass seine Heimsuchung noch länger fortgesetzt werde, die Zeit für deren Abschluss war noch nicht gekommen. "Gottes Mühlen mahlen langsam aber fein“ (Ströter) 2Makk 5:5 berichtet, dass um diese Zeit das Gerücht entstand, Antiochus sei gestorben. Da machten die Juden einen Aufstand gegen die unerträgliche Herrschaft Syriens, worauf Antiochus mit einer blutigen Züchtigung antwortete auf dem Heimweg von Ägypten.

Antiochus' Rache am Volk Israel

  • Dan 11:28-35 „Danach wird er wiederum heimziehen mit großem Gut, und sein Herz richten wider den heiligen Bund; da wird er es ausrichten und also heim in sein Land ziehen. Danach wird er zu gelegener Zeit wieder gegen Mittag ziehen; aber es wird ihm zum andermal nicht geraten wie zum ersten mal. Denn es werden Schiffe aus Chittim wider ihn kommen, dass er verzagen wird und umkehren muss. Da wird er wider den heiligen Bund ergrimmen und wird’s ausrichten; und wird sich umsehen und an sich ziehen, die den heiligen Bund verlassen. Und es werden seine Heere daselbst stehen; die werden das Heiligtum in der Feste entweihen und das tägliche Opfer abtun und einen Gräuel der Verwüstung aufrichten. Und er wird heucheln und gute Worte geben den Gottlosen, so den Bund übertreten. Aber die vom Volk, so ihren Gott kennen, werden sich ermannen und es ausrichten. Und die Verständigen im Volk werden viele andere lehren; darüber werden sie fallen durch Schwert, Feuer, Gefängnis und Raub eine Zeitlang. Und wenn sie so fallen, wird ihnen eine kleine Hilfe geschehen; aber viele werden sich zu ihnen tun betrüglich. Und der Verständigen werden etliche fallen, auf dass sie bewährt, rein und lauter werden, bis dass es ein Ende habe; denn es ist noch eine andere Zeit vorhanden."

Die Bücher der Makkabäer erzählen uns vieles aus jener schrecklichen Zeit der blutigen Rache des Antiochus gegen das Volk Israel. Auf seinem Zug von Ägypten nach Syrien hält er Gericht am jüdischen Volk und raubt die kostbaren Schätze des Tempels. Auch ein zweiter Feldzug nach Ägypten misslingt ihm, weil die Schiffe aus Chittim, d. h. Schiffe der auftretenden Macht Roms ihm Einhalt gebieten. Bekannt ist ja die Geschichte von dem Römer Markus Popilius Laenas, der dem Antiochus die Forderung des römischen Senats brachte. Als sich Antiochus Bedenkzeit ausbat, da zog der Römer einen Kreis im Sand um den König und sagt: „Ehe du aus diesem Kreise trittst, muss ich deine Antwort haben!“ Wut und Ingrimm erfassten den gottlosen König, die er dann an dem Judenvolk in entsetzlicher Weise zum Ausdruck kommen ließ. Im Tempel ließ er ein Götzenbild aufstellen und Schweinefleisch opfern. Die jüdischen Gottesdienste wurden verboten und die gesetzestreuen Juden mit dem Tode bestraft. Die Makkabäerbücher berichten ja sehr eingehend über diese schreckliche Zeit. Wahrscheinlich redet der Hebräerbrief Hebr 11:36-38 von dieser furchtbaren Verfolgung: „Etliche haben Spott und Geißeln erlitten, dazu Bande und Gefängnis; sie wurden gesteinigt, zerhackt, zerstochen, durchs Schwert getötet; sie sind umhergegangen in Schafspelzen und Ziegenfellen, mit Mangel, mit Trübsal, mit Ungemach (deren die Welt nicht wert war), und sind im Elend umhergeirrt in den Wüsten, auf den Bergen und in den Klüften und Löchern der Erde.“ Die kleine Hilfe, von der Daniel hier etwas vernehmen darf, ist zweifellos der Makkabäeraufstand. Die eigentliche Hilfe, die Israel zu erwarten hat, kommt erst zur „Zeit des Endes“. Dan 11:35 deutet es klar an, dass diese ganzen Vorgänge endgeschichtliche Vorbilder sind. So hat ja auch der Herr Jesus klar gesagt, dass der Gräuel der Verwüstung, von dem Daniel redet, noch eine eigentliche Erfüllung in der Zukunft finden werde. Das setzt voraus, dass Israel dann wieder in Palästina sein wird, dass der Tempel wieder erbaut worden ist, und die alttestamentlichen Gottesdienste wieder eingerichtet sein werden. Noch deutlicher tritt das Vorbildliche der Schilderung hier zu Tage in den nächsten Versen.

Ein Blick auf den letzten Antichristen

  • Dan 11:36-39: „Und der König wird tun, was er will, und wird sich erheben und aufwerfen wider alles, was Gott ist; und wider den Gott aller Götter wird er gräulich reden; und es wird ihm gelingen, bis der Zorn aus sei; denn es muss geschehen, was beschlossen ist. Und die Götter seiner Väter wird er nicht achten; er wird weder Frauenliebe noch irgendeines Gottes achten; denn er wird sich wider alles aufwerfen. Aber statt dessen wird er den Gott der Festungen ehren; denn er wird einen Gott, davon seine Väter nichts gewusst haben, ehren mit Gold, Silber, Edelsteinen und Kleinodien und wird denen, so ihm helfen, die Festungen stärken mit dem fremden Gott, den er erwählt hat, große Ehre tun und sie zu Herren machen über große Güter und ihnen das Land zum Lohn austeilen.“

Diese Schilderung zeigt uns deutlich, dass der prophetische Blick hier auf den letzten Antichristen gerichtet ist, von dem Antiochus Epiphanes nur ein schreckliches Vorbild war. Bei diesem letzten Antichristen wird alles das, was hier geweissagt wird, in furchtbare Erfüllung gehen. Das ist dann der eigentliche König, der seinen Eigenwillen durchsetzen wird. Dabei wird er jede Scheu vor göttlicher Autorität abwerfen und als Mensch der Sünde und Kind des Verderbens auftreten. Nichts ist ihm heilig. Nur den Gott der Festungen, der Kriegsmacht wird er anerkennen. Im Altertum war ja Jupiter Capitolinus der Gott der Festungen für die Römer. Hier opferten die römischen Feldherren, wenn sie vom Krieg zurückkamen. Diesen Kriegsgott hatte Antiochus bei seinem Aufenthalt in Rom kennengelernt, und dessen Statue hatte er ja auch im Tempel in Jerusalem zur Anbetung aufrichten lassen. Die Beschreibung, die Paulus von dem Charakter des letzten Antichristen gibt, stimmt genau überein mit dem, was wir hier im Buche Daniel lesen. Er sagt von ihm

  • 2Thes 2:4: „Der da ist ein Widersacher und sich überhebt über alles was Gott oder Gottesdienst heißt, also dass er sich setzt in den Tempel Gottes als ein Gott, und gibt sich aus, er sei Gott."
  • Dan 11:40-45: „Und am Ende wird sich der König gegen Mittag mit ihm messen; und der König gegen Mitternacht wird gegen ihn stürmen mit Wagen, Reitern und vielen Schiffen, und wird in die Länder fallen und verderben und durchziehen. Und wird in das werte Land fallen und viele werden umkommen. Diese aber werden seiner Hand entrinnen: Edom, Moab und die Vornehmsten der Kinder Ammon. Und er wird seine Hand ausstrecken nach den Ländern, und Ägypten wird ihm nicht entrinnen; sondern er wird herrschen über die goldenen und silbernen Schätze und über alle Kleinode Ägyptens; Lybier und Mohren werden in seinem Zuge sein. Es wird ihn aber ein Geschrei erschrecken von Morgen und Mitternacht; und er wird mit großem Grimm ausziehen, willens, viele zu vertilgen und zu verderben. Und er wird den Palast seines Gezeltes aufschlagen zwischen zwei Meeren um den werten heiligen Berg, bis es mit ihm ein Ende werde; und niemand wird ihm helfen."

Auch diese Schilderung, obwohl sie auch noch auf den alttestamentlichen Antichristen passen mag, weist hin auf den neutestamentlichen Antichristen, der mit einem großen Kriegsheer Jerusalem heimsuchen wird. Der hier genannte König des Nordens ist ohne Zweifel der große Assyrer, von dem wir Näheres lesen Jes 10 und Jes 11; Jes 14:25; Jes 30:31ff; Hes 32:22; Mi 5:4.5. Also redet Hes 38 und Hes 39 ausführlich von dieser Nordmacht. In diesen letzten Schilderungen hier bei Daniel werden die Linien klar verlängert und laufen deutlich vom alttestamentlichen zum neutestamentlichen Antichristen. Das zeigt über allen Zweifel dann noch das zwölfte Kapitel des Buches Daniel, als letzter großer Abschnitt der letzten großen Vision.

Die große Trübsalszeit

  • Dan 12:1-3: „Zur selben Zeit wird der große Fürst Michael, der für die Kinder deines Volkes steht, sich aufmachen. Denn es wird eine solche trübselige Zeit sein, wie sie nicht gewesen ist, seitdem Leute gewesen sind bis auf diese Zeit. Zur selben Zeit wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buche geschrieben stehen. Und viele, so unter der Erde schlafen liegen, werden aufwachen; etliche zum ewigen Leben, etliche zu ewiger Schmach und Schande. Die Lehrer aber werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die, so viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich."

Es ist doch wohl ein Fehler, wenn man diese in Dan 12 geschilderten Ereignisse auf die Völkerwelt beziehen will, sie werden durchaus begrenzt auf das Volk Israel. Michael, der große Engelfürst wird dann wieder auf den Plan treten, denn er ist ja in besonderem Sinn der Engel des jüdischen Volkes. Auch die geschilderte große Trübsal hat es mit Israel und Palästina zu tun, wie das auch klar aus der großen Ölbergrede des Herrn (Mt 24) hervorgeht. Auch die hier genannte Auferstehung braucht durchaus nicht auf die ganze Völkerwelt gedeutet zu werden. Es ist ja schon Dan 11:33.35 darauf hingewiesen, dass viele Juden ihr Leben in dieser großen Trübsal verlieren werden, wie es auch wieder Offb 6:9; Offb 11:7; Offb 13:7; Offb 14:13 bestätigt wird. Auch Daniel wird dann mit auferstehen, wie es in Dan 12:13 gesagt wird. Die Lehrer, zu denen wir jedenfalls die Propheten zählen dürfen, werden im Glanze des Himmels, der dann auf die Erde gekommen ist, dastehen. Es ist das dann die herrliche Zeit der Errettung des Volkes Israel, wovon ja manche Propheten reden. Besonders ausführlich ist diese Errettung Israels Sach 12 geschildert.

  • Dan 12:4-13: „Und du, Daniel, verbirg diese Worte und versiegele diese Schrift bis auf die letzte Zeit; so werden viele darüber kommen und großen Verstand finden. Und ich Daniel sah, und siehe, es standen zwei andere da, einer an diesem Ufer des Wassers, der andere an jenem Ufer. Und er sprach zu dem in leinenen Kleidern, der über den Wassern des Flusses stand: Wann will’s denn ein Ende sein mit solchen Wundern? Und ich hörte zu dem in leinenen Kleidern, der über den Wassern des Flusses stand; und er hob seine rechte und linke Hand auf gen Himmel und schwor bei dem, der ewiglich lebt, dass es eine Zeit und (zwei) Zeiten und eine halbe Zeit währen soll; und wenn die Zerstreuung des heiligen Volkes ein Ende hat, soll solches alles geschehen. Und ich hörte es; aber ich verstand’s nicht und sprach: Mein Herr, was wird danach werden? Er aber sprach: Gehe hin, Daniel; denn es ist verborgen und versiegelt bis auf die letzte Zeit. Viele werden gereinigt, geläutert und bewährt werden; und die Gottlosen werden gottloses Wesen führen, und die Gottlosen alle werden’s nicht achten; aber die Verständigen werden’s achten. Und von der Zeit an, wenn das tägliche Opfer abgetan und ein Gräuel der Verwüstung aufgerichtet wird, sind 1290 Tage. Wohl dem, der da wartet und erreicht 1335 Tage! Du aber, Daniel, gehe hin, bis dass das Ende komme; und ruhe, dass du aufstehest zu deinem Erbteil am Ende der Tage!“

Die Versiegelung des Buches

Die Versiegelung dieses Buches, die Daniel anbefohlen wird, will doch wohl sagen, dass die Kinder Israel erst in der Endzeit ein rechtes Verständnis für diese Weissagungen bekommen werden. Paulus sagt ja

  • 2Kor 3:14: „Bis auf den heutigen Tag bleibt diese Decke unaufgedeckt über dem Alten Testament, wenn sie es lesen."

Auch die christlichen Forscher und Schriftausleger werden nicht restlos alles, was in diesem Buche geschrieben ist, erklären können. Das ist von Gott, unserem Herrn, so gewollt. Manches Fragezeichen wird aber stehenbleiben bis zur Endzeit.

Mit heiligen Schwur wird nun aber nochmals die Zeit dieser letzten großen Trübsal, die über das Volk Israel ergehen wird, festgesetzt. Es sind die dreieinhalb Jahre, also die zweite Hälfte der 70. Jahrwoche, die uns in Dan 9 bereits begegneten. Diese große Drangsal für Israel wird von verschiedenen Propheten geschildert, wie ja auch Jesus ausführlich darüber redet und Bezug nimmt auf Daniel (Mt 24:15). Es werden aber noch zwei Zeitangaben gemacht. Zuerst dauert die opferlose Zeit 1290 Tage, also 30 Tage mehr als die 3 1/2 Jahre oder 1260 Tage (Offb 12:6.14). Diese liegen entweder vor den eigentlichen 3 1/2 Jahren, sodass anzunehmen wäre, dass der Antichrist erst die Opfer verbieten werde und dann nach 30 Tagen erst den Bund bricht, mit dem dann in Palästina wieder ansässigen Judenvolk, oder sie liegen nach den 3 1/2 Jahren, sodass diese Zeit benötigt wird, die Aufräumungsarbeiten am Tempel tun zu können, ehe die Opfer wieder eingerichtet werden. Sodann ist gesagt, dass solchen wohl sei, die 1335 warten und erreichen. Also nochmals 45 Tage werden benötigt, nachdem der Gräuel der Verwüstung weggeräumt sein wird, um die vollen Segnungen der Königsherrschaft Jesu Christi einzuführen.

Damit schließen wir unsere Betrachtungen über die Visionen im Buche Daniel. Wie eben bemerkt, können wir noch nicht jede Frage restlos erklären. Das wird auch einstweilen noch keinem Schriftausleger gegeben sein. Unsere Absicht war, auf möglichst knappen Raum Fingerzeige zum Studium dieses wunderbaren Buches zu geben, nach dem Licht der Erkenntnis, das der Herr gegeben hat. Es mag mancher ernste Forscher diesen oder jenen Punkt anders sehen. Das schadet nichts. Die Hauptsache ist die, dass sich die gläubigen Bibelleser in dieser ernsten Zeit, in der wir leben, mehr denn je mit dem Wort der Weissagung beschäftigen. Das fördert die Erkenntnis Gottes, seiner Gedanken, Pläne und Absichten mit Israel und der Völkerwelt. Dabei erfährt man einen köstlichen Niederschlag auf das eigene Innenleben, denn das geistliche Leben bewegt sich immer auf der Höhe der Gotteserkenntnis. Dazu sollen auch diese Betrachtung hier einen kleinen Beitrag liefern.