Der Mann mit der Messschnur

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Die Nachtgesichte des Propheten Sacharja
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Erklärt auf einem Bibelkursus in Langensteinbach vom 21.-31. Januar 1924
Nachgeschrieben, geprüft und ergänzt von Pfarrer Friedrich Take

weitere Abschriften hier:

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor:
3. Die vier Hörner und die vier Schmiede (Sach 2:1-4)

4. Der Mann mit der Messschnur

  • Sach 2:5-9 (ELB) (5) Und ich hob meine Augen auf und sah: Und siehe, ein Mann, der hatte in seiner Hand eine Messschnur. (6) Und ich sagte: Wohin gehst du? Und er sprach zu mir: Jerusalem zu messen, um zu sehen, wie groß seine Breite und wie groß seine Länge ist. (7) Und siehe, als der Engel, der mit mir redete, herausging, da ging ein anderer Engel heraus, ihm entgegen. (8) Und er sprach zu ihm: Lauf, rede zu diesem jungen Mann: Eine offene Stadt wird Jerusalem bleiben wegen der Menge an Menschen und Vieh in seiner Mitte. (9) Und ich selbst werde ihm ringsherum eine feurige Mauer sein, spricht der HERR, und ich werde zur Herrlichkeit in seiner Mitte sein.

Das 3. Nachtgesicht

Ströter erklärt: In durchaus logischer Folge schließt sich an das zweite Nachtgesicht das dritte an, Sach 2:5-9. Was Gott im Anschluss an das erste Nachtgesicht verheißen hatte, Sach 1:16-17, wird im zweiten und dritten Nachtgesicht in seiner Erfüllung entfaltet. Während das zweite Gesicht der Völkerwelt gilt, gilt das dritte Jerusalem. Erst muss das Gelände, auf dem sich ein Bau erheben soll, von allen Hindernissen und Unrat gesäubert sein. Dann kann auf ihm gebaut werden. So müssen erst die vier großen Weltreiche, die vier Hörner, die Juda zerstreuten, beseitigt werden, ehe der Herr auf dieser Erde den wunderbaren Prachtbau seines Königreiches aufrichten kann. Aber die Zeit wird kommen, wo das geschieht. Und in diese zukünftige Herrlichkeitszeit darf der Prophet im Gesicht einen Blick tun.

Er sieht einen jungen Mann mit einer langen Messschnur. Er fragt ihn: „Wo gehst du hin?“ Der Mann mit der Messschnur antwortet dem Propheten: „Jerusalem zu messen, wie breit und wie lang es sei.“ Er ist also im Begriff die ersten Vorbrereitungen für den Bau einer Stadtmauer zu treffen. Als aber sozusagen zufällig ein Engel auf den Propheten und seinen himmlischen Dolmetscher zukommt, da gibt letzterer jenem Engel den Befehl, dem jungen Mann nachzulaufen.

Jerusalem wird vermessen

Also um Jerusalem handelt es sich in dieser Vision, während es sich im vorhergehenden Nachtgesicht um die Geschicke der Völkerwelt drehte. Aber was für ein Jerusalem ist gemeint, für das der Mann mit der Messschnur einen Platz abzuschreiten und abzumessen sich anschickt, für das er seinen Umfang, und die Linien seiner Stadtmauern anscheinend festlegen will? Denn die Bibel unterscheidet ein irdisches und ein himmlisches Jerusalem. Nach dem Zusammenhang ist hier die Rede von dem irdischen Jerusalem, aber nicht von der heiligen Stadt zur Zeit Sacharjas, sondern von einem irdischen Jerusalem in ferner Zukunft, in der Zeit des messianischen Königreiches.

Denn nur von Jerusalem des tausendjährigen Reiches wird auch von anderen Propheten geweissagt, dass es noch einmal mit einer außerordentlichen großen Menge von Menschen und Vieh gesegnet sein wird, so dass seine Ausdehnung eine gewaltig große sein wird, und eine beengende und beschränkende Stadtmauer nicht am Platze sein kann. (Jes 49:14-23; Jer 31:15-17.38-40; Röm 11:26.27). Jerusalems Einwohnerschaft und Viehbestand wird in Zukunft so groß sein, dass man um die Stadt eine Festung bilden könnte. Des weiteren wird Jerusalem darum einer Festungsmauer entbehren können, weil der Herr nach Sach 9:10 abtun will die Wagen von Ephraim und die Rosse von Jerusalem, und die Streitbogen zerbrochen werden sollen (Mi 5:9). Es wird Friede herrschen allenthalben auf der Erde. Die Menschen werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen (Mi 4:3). Da braucht keine Stadt mehr Befestigungen gegen einen äußeren Feind, auch nicht die Hauptstadt des Königreichs Christi und der ganzen Welt: Jerusalem. Sie bleibt eine offene Stadt.

Trotzdem entbehrt sie nicht jedweden Schutzes. Denn Jahwe selber wird sie machtvoll schirmen, indem Seine Gegenwart in Jerusalem für die Stadt eine flammende Schutzmauer bildet, so dass sie kein Feind anzutasten wagen wird. Es wird so ähnlich sein, wie es der Prophet Elisa und sein Diener Gehasi 2Kö 6 schauen durften, als sie in Gefahr standen, in der Stadt Dotan von einem Heer der Syrer gefangen genommen und getötet zu werden. Da sahen sie, wie rings um sie her ein Heer von feurigen Rossen und Wagen sie schützte. Ähnlich umgab Jahwe sein aus Ägypten ausgezogenes Volk mit einer Wolken- und Feuersäule bei Tag und bei Nacht. So etwas hat aber das irdische Jerusalem noch nicht erfahren. Die einzigartige Stadt mit ihren Einwohnern wird es aber zu verzeichnen haben, wenn sie ohne Mauern im tausendjährigen Reich entstanden sein wird. Dann wird dem mauerlosen Jerusalem des messianischen Reiches, das eine solch große Menge Menschen und Vieh in sich birgt, der Herr eine feurige Mauer ringsumher sein.

Der Herr in ihrer Mitte

Und noch ein charakteristisches Merkmal trägt diese Stadt an sich, deren Bodenfläche der junge Mann im Bild auszumessen im Begriff stand, ein Merkmal, an dem wir auch klar ersehen, dass es sich in jenem Nachtgesicht nicht um das Jerusalem der Vergangenheit oder Gegenwart handelt. Denn es wird von ihm gesagt (Sach 2:9): „Ich werde zur Herrlichkeit in ihrer Mitte sein.“ Das weist deutlich auf die Zeit hin, wenn dem Herrn Jesus Christus in Erfüllung uralter Verheißungen als dem Spross aus Davids Stamm der Thron seines Vaters David gegeben wird, und er in dieser Stadt, in der Stadt des großen Königs, residieren wird und über Israel und alle Nationen die Regierung ausüben wird. Dann wird Jerusalem ein Abglanz der Majestät und Herrlichkeit des wiedergekehrten Jesus Christus sein. Einst zog er arm auf einem Esel als ihr König durch ihre Tore ein. Aber es vermied, wie uns Lk 21:27 mitteilt, abends in der Stadt zu bleiben. Er war tagsüber im Tempel und lehrte, und des Nachts ging er hinaus und verbrachte die Nacht am Ölberg. Das geschah nicht ohne Zweck, und der Zweck war wohl kein anderer, als zu verhindern, dass das prophetische Wort aus Sacharja: „Ich werde zur Herrlichkeit in ihrer Mitte sein“, aus seinem damaligen Aufenthalt „in der Stadt des großen Königs“ bezöge. Damals weilte er in Schmach und Erniedrigung, in Verspottung und Verlästerung, in Leiden und Schmerzen in Jerusalem. Aber nach seiner nahe bevorstehenden Wiederkunft wird der Heiland in ihrer Mitte in unbeschreiblicher Pracht und Macht, Würde und Herrlichkeit residieren. Dann wird erfüllt werden das Schlusswort, das allerletzte Wort, im Propheten Hes 48:35: „Und alsdann soll die Stadt genannt werden: Hier ist der Herr.“

Inzwischen erfahren diejenigen, die sich lauter und entschieden auf seine Seite stellen, die Wahrheit der Verheißung: „Ich selbst“ spricht der Herr, „will um sie her eine feurige Mauer sein.“

So können Gotteskinder und auch Nichtgotteskinder in vielen äußeren Gefahren erleben, wie Gott um sie eine feurige Mauer bildet. Diejenigen aber, die sich ihm als bewusstes, durch Jesu Blut erkauftes Eigentum ergeben haben, erfahren auch, dass sie aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werden zur Seligkeit, vor dem, der umhergeht wie ein brüllender Löwe und suchet, wen er verschlingt. Die wahrhaft Gläubigen erleben, dass sie sind „die Geborgenen des Herrn“ (Ps 83:4), „die in Gott, dem Vater geliebten, und für Jesus Christus bewahrten Berufenen“ (Jud 1:1). Sie leben und weben und sind in Christo, von ihm gegen alle Feinde gedeckt, wie die Küchlein unter den Flügeln der Henne; er ist ein Hort, eine Burg, ein festes Schloss für alle, die sich ihm anvertrauen. Die in Seiner Gemeinschaft, in Ihm leben, sind vor allem Schaden bewahrt wie derjenige vor Hagel und Sturm, Regen und Sonnenbrand, welcher in einem sicheren Hause sitzt. Darum liefere dich Jesus völlig aus und du wirst auch die Tatsache erleben: „Ich selbst, spricht der Herr, will ihm sein eine Feuermauer rings herum, und als Lichtglanz will ich weilen in seiner Mitte."

Das Licht der Welt

Auch den zweiten Teil jener kostbaren Verheißung erleben die Kinder Gottes im Geiste schon vorher. Denn das Licht der Welt, Jesus, wohnt in ihren erneuerten Herzen durch den Heiligen Geist. Das ist aber ein Geist der Herrlichkeit, das heißt des göttlichen, überirdischen Lichtglanzes, der nach außen hin bemerkbar wird als Liebe, Freudigkeit, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit. Durch die Innewohnung des heiligen Christusgeistes sind die Söhne Gottes schon jetzt schön und licht: „Es glänzet der Christen inwendiges Leben“. Sie sind in Christo jetzt schon herrlich gemacht und an ihnen ist bereits erfüllt: „Ich will zur Herrlichkeit in ihrer Mitte sein, als Lichtglanz will ich weilen in ihrer Mitte.“ Obwohl die Alltagswelt um uns einen Schimmer der verborgenen Herrlichkeit in uns bemerkt: die mürrischen, aufgeregten Vorgesetzten, die oberflächlichen Kollegen und Kolleginnen mit ihrem Gespött und ungerechtem Gerede, unsere Verwandten, Bekannten und Hausgenossen?

Wir aber denken mit Freuden daran, dass nach Gottes Plan zu seiner Zeit auf Erden ein Zwischen-Jerusalem gebaut wird, eine Stadt, die offen daliegt. So voller Menschen und Vieh soll sie sein. Und Gott selbst will eine feurige Mauer um sie sein und als Lichtglanz in ihrer Mitte weilen. Um dieses göttlichen Feuers willen werden alle Heiden auf sie schauen und von ihrer großen Herrlichkeit angezogen werden. Sie werden es für höchste Ehre halten, dem Volke Gottes einverleibt zu werden. Nun ist ja auch die lang entbehrte wahre Gottesstadt, die zugleich die Zentralhauptstadt der Erde ist, da. Die mit dem Bau dieses Jerusalem anbrechende neue Zeit bewirkt, dass es auch in der Engelwelt lebhaft zugeht. Man sieht die beiden Vertreter derselben fast pusten vor Aufregung und Eifer (Sach 2:7-8). Aber ehe Jerusalem eine feurige Mauer bekommt, sind die wiedergeborenen Christen schon daheim. Das Gericht, das der Antichrist und seinen Anhänger erfährt, erlebt niemand von den Gläubigen. Sie werden als Leibesgemeine zum Heiland geholt. Nach dem Sturz des Antichristen, der sich in den Tempel gesetzt hat - welcher auch noch gebaut werden muss -, kommen die Gläubigen mit dem Heiland nach Zion und bilden die feurige Mauer.

Das neue Jerusalem

Der Heilige Geist sieht das neue Jerusalem, den neuen Tempel und die feurige Mauer kommen und bricht in ein Jauchzen aus, Sach 2:10ff. Zur Zeit des Propheten ist Israel nicht in alle Winde zerstreut. Aber in der gegenwärtigen Zeit ist das der Fall. Wenn aber Jerusalem des tausendjährigen Reiches gebaut wird, heißt es: „Auf, auf! Fliehet aus dem Mitternachtslande! Auf! Nach Zion rettet euch, die ihr noch bei der Tochter Babel wohnt!“ Babel liegt, vom Heiligen Land aus gesehen, östlich. Das Mitternachtsland, das ist das russische Gebiet. Dort sitzen heute die meisten Juden. Das ist kein Zufall. Von dort werden sie herausgeholt. Wenn man diese wunderbaren Wege Gottes sieht, bekommt man einen heiligen Respekt vor dem Worte Gottes. „Von einer Beschränkung der Rückkehr der Juden aus Babel kann gar nicht die Rede sein, denn dieselbe kann nicht als „Flucht“ bezeichnet werden. Denn, wie uns Esra berichtet, vollzog die unter Cyrus erfolgte Rückwanderung sich aus Babylon „in diplomatisch vorbereiteter, wohl geordneter und durchaus friedlicher Weise.“

Die hier mit starkem Nachdruck: „Auf, auf! Fliehet aus dem Nordland!“ geforderte Flucht hat einen ganz anderen Charakter. Zudem macht es der zweite Teil von Sach 2:10 ganz deutlich, dass die Sammlung, welche hier in Aussicht genommen ist, aus „allen vier Himmelsrichtungen“ geschehen soll. Das konnte damals (unter Esra und Serubabel) nicht sein, weil die Zerstreuung auf ein einziges Reich beschränkt war. Darum kann nur an eine zukünftige Sammlung der Juden aus allen vier Windrichtungen gedacht sein, von der der Herr Jesus Mt 24:31 sagt, dass er seine Engel mit hellen Posaunen senden werde, um Israel zu sammeln von den vier Winden, von einem Ende des Himmels bis zum anderen.

Zion, das zum ersten Mal in der Schrift in 2Sam 5:7 erscheint, ist bezeichnend und typisch für die königliche Herrschaft des Hauses David, während Babel und die „Tochter Babel“ ebenso typisch ist für die Gott und Israel feindseligen Weltmächte der Heiden, die das „Horn“ gegen Juda Jerusalem erhoben haben. So wenig daher hier bei Zion an den eigentlichen Berg oder die Burg Zion gedacht werden kann, so wenig sind wir genötigt, bei der „Tochter Babel Sach 2:11 an das eigentliche geographische Babylon zu denken, obwohl diese Stadt und Landschaft mit im vorderen Gesichtsfeld des Sehers liegt. Vielmehr repräsentiert die „Tochter Babel“ die politischen Erben und Nachfolger jener ersten Weltmacht, in deren Hände Gott sein Volk übergab, damit es gezüchtigt werde.

Eine sichere Hütte

Wie aber Israel selbst das Wohnen des Messias in seiner Mitte auffassen wird, kündet uns Gottes Heiliger Geist bei Jes 33:17.20-22: „Deine Augen werden den König sehen in seiner Schönheit. Du wirst das Land erweitert sehen. Schaue ZIon, die Stadt unserer Feste! Deine Augen werden Jerusalem sehen, eine sichere Wohnung, eine Hütte, die nicht weggeführt wird; ihre Nägel solle nimmermehr ausgezogen und ihrer Seile keines zerrissen werden. Denn der Herr wird mächtig bei uns sein, gleich als wären da weite Wassergräben, darüber kein Schiff mit Rudern fahren noch Galeeren schiffen können. Denn der Herr ist unser Richter, der Herr ist unser Meister, der Herr ist unser König, der hilft uns!“ So sieht Israel selbst das Wohnen des Christus, des Gesalbten in seiner Mitte an, wenn er sein Reich in Israel aufgerichtet hat. Seine wunderbare Schönheit, seine unbestechliche Gerechtigkeit, seine tiefe Weisheit, sein allumfassendes Regiment, seine große Allmacht wird es dann anbetend bewundern. Darum: „Juble und freue dich, du Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und will in deiner Mitte wohnen, spricht der Herr!“ (Sach 2:14).

Nicht wahr, ein beneidenswertes Volk! Und doch haben alle die, welche durch Glauben mit Christo in wirklicher Lebensverbindung stehen, mehr. Denn im Blick auf sie sagt der Heiland, dass die Wiedergeborenen in Ihm sind gleich wie die Rebe im Weinstock, und Er in ihnen sei, und im hohenpriesterlichen Gebet spricht Er (Joh 17:20-22) die herrlichen Worte: „Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an Mich glauben werden, auf dass sie alle eins seien, gleich wie Du Vater, in mir und Ich in dir; dass auch sie in Uns eins seien, auf dass die Welt glaube, du habest mich gesandt. Und ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, dass sie eins seien, gleichwie wir eins sind, ich in ihnen du du in mir.“ Wenn aber Jesus nicht nur in der Mitte eines Volkes Israel tausend Jahre wohnen will, sondern im Innersten eines jeden Menschen, der wahrhaft gläubig an Ihn geworden ist, dann bedeutet das die vollkommene, bleibende Freude die Jesus (Joh 15:11) den Seinen verheißen hat.

Die übrigen Nationen

Aber nicht nur an das Volk der Juden denkt unser vorliegendes Gotteswort, sondern auch an alle übrigen Nationen. Wenn die Israel bedrängende Weltmacht gerichtet sein wird, wenn der Herr Christus mitten in der wiederhergestellten, bekehrten Nation der Israeliten zu Jerusalem wohnen wird, wenn die Tochter Zion, das heißt Jerusalem und seine Einwohner, hoch aufjauchzen werden ob solchen Glücks, dann wird „die ganze Welt in Bewegung geraten“, und die Nationen, alle Nationen werden sich dem Herrn anschließen. Das wird an jenem Tage geschehen. Paulus, der Apostel der Gemeine, bemüht sich, nur etliche zu gewinnen. Denn ihm ist offenbart worden, durch den Heiligen Geit, dass jetzt der Herr sich wenige Auserkorene aus allen Nationen sammelt und zubereitet zu seiner Gemeine. Wenn man aber daraus schließen müsste, alle anderen Menschen gingen verloren und sind für ewige Höllenqualen bestimmt, vielleicht die eigenen Kinder und Kindeskinder, und man wollte doch so gerne unter Gebet und Flehen, dass sie selig würden, so könnte man darunter seelisch zusammenbrechen. Ob das Gott will? Aber nach der Heiligen Schrift gibt es verschiedene Haushaltungen Gottes. Wer die Gnadenhaushaltungen nicht will, für den gibt’s Gerichtshaushaltungen. Ist es darum nicht besser, jetzt die angebotene Gnade Gottes in Christus Jesus anzunehmen, als in äonenlange Gericht wandern zu müssen, und sich da sagen zu müssen: das Allerschönste hast du verbummelt! In ewigen Gerichten werden solche Seelen geläutert.

Seht mal in die Bibel hinein: Alle dort erzählten Gerichte Gottes, z.B über Israel sind nicht Endziel, sondern Mittel zum Zweck. Ähnlich ist’s im allgemeinen menschlichen Leben: denn welcher Vater oder Lehrer haut den Buben durch, nur um ihn zu verprügeln? Siehe 1Mo 2:17 an! Dort heißt es: „Welches Tages du davon isst, wirst du des Todes sterben.“ Der Tod war für den Menschen ein anderer Weg, nicht ein anderes Ziel. Für ein Gotteskind ist das Sterben der Weg zum Leben. Es geht durchs Sterben nur. So wie auch für den Heiland sein Tod der Weg war, auf dem er selbst zur Verherrlichung kam und der Welt Erlöser wurde. Die aber mit ihm und in ihm der Sünde Gestorbene sind, und durch seine Auferstehungskraft Gott leben, werden bei seiner Wiederkunft offenbar werden und in Gottes Händen Gefäße des Segens für das bekehrte Israel sein, ihm zur inneren Stärkung und Belebung.

Die künftige Aufgabe Israels

Israel selbst aber, gesegnet vom Herrn, wird den Nationen, die sich Jahwe Zebaoth anschließen wollen, priesterlichen Dienst leisten. Darauf scheint das hebräische Wort lawa, das den Anschluss der Heiden an Gott bezeichnet, hinzuweisen. Denn es wird anderswo von der Bibel mit dem Namen Levi verknüpft (1Mo 29:34). So denkt wohl auch Sacharja daran, dass die Heiden des tausendjährigen Reiches den Leviten im Tempeldienst gleichen sollen, während die Israeliten das priesterliche Volk sind. (vergl. 2Mo 19:6). Alle aber, Israel wie die übrigen Nationen, sollen Gottes Volk sein, ein Ausblick in die Ferne der Zukunft, den einst Jesaja (Jes 2:2-4 und Jes 45:18ff.) eröffnet hat.

In dem „Anschließen“ an den Herrn ist aber deutlich erwiesen, dass das etwas ganz anderes ist als in die Sohnschaft Gottes kommen. Die Einladung dazu hat Paulus nach Gottes Willen an die Nationen erlassen. Aber die Voraussetzung für die paulinische Heilsverkündigung an die Nationen war der Fall Israels, die vorläufige Aufhebung der führenden Stellung des Volkes Gottes wegen seiner gegen das Evangelium so ablehnenden Haltung. (Röm 11:11.12.15.25.30). Also bei Paulus ist Israels Verstockung der Grund dafür, dass das Evangelium, zu den Nationen gesandt wurde, um aus ihrer Zahl, und wenigen des Volkes Israel, den Leib Christi zu bilden.

In ganz anderen Linien verläuft das alttestamentarische Programm in Bezug auf die Bekehrung und das Hinzukommen der Nationen. Wir finden es hier in Sach 2:15 mit klaren Worten gezeichnet. Die Bekehrung der Gesamtnation der Juden muss vorausgehen. Von der Begnadigung dieses auserwählten, aber Gott untreu gewordenen Volkes hängt der Anschluss aller Nationen an Gott ab. Die wunderbare Wirkung der religiösen Wiederherstellung Israels, die Aufrichtung der Theokratie, des Wohnens Gottes in seiner Mitte ist, dass sich an jenem Tag die Nationen dem Herrn anschließen werden.

Irrtümer der Christen

Wir sehen also einerseits in der Heiligen Schrift den von allen Propheten verkündeten Plan Gottes von der Bekehrung der Völker als Frucht der einstigen Bekehrung des abtrünnigen Volkes Israel. Und dieses Vorhaben Gottes wird ausgeführt. Das garantiert der Auferstandene, in dem alle Gottesverheißungen Ja und Amen sind (2Kor 1:20; Röm 11:12.15; Lk 24:44; Apg 15:16.17). Im Unterschied zu dieser Linie läuft eine andere durch die ganze Heilige Schrift, die Gemeinelinie, die Sammlung und Zurüstung einzelner aus allen Nationen, also Juden und Heiden, zur Gemeine der Erstlinge, der Söhne und Erben Gottes. Diese sehr wichtige Unterscheidung von den genannten zwei Linien, die sich schließlich bei der Aufrichtung der Königsherrschaft Jesu auf Erden treffen, hat man nicht erkannt, oder nicht immer genügend hervorgehoben. Dadurch ist viel Verwirrung und Unklarheit in der gläubigen Christenheit entstanden. Denn man hat einfach fast alle prophetischen Worte als in der neutestamentlichen Gemeine erfüllt angesehen. Man hat sie darum auch, wie ein Ausleger bemerkt, einfach mit der ganzen Garderobe von Jerusalem, Zion und Israel bekleidet. Und da man die großartigen Weissagungen der Propheten von Mose bis Malachi ohne Bedenken der Gemeinde in den Schoß geschüttet hatte, so blieb natürlich für den ursprünglichen Adressaten all jener gewissen Zusagen Gottes nichts übrig als - die Schläge und Flüche!

Indem man aber die Weissagung der alttestamentlichen Prophetie über das Heil der Völker, ohne die zentrale Bedeutung Israels bei ihrer zukünftigen Erfüllung zu beachten, schon in der aus allen Nationen gesammelten Gemeine, dem Leibe Christi vollendet glaubte, verkannte man gleichzeitig den eigentlichen Beruf und die Stellung der Gemeine in Christo im Plane Gottes.

Damit aber blieben einem die Wahrheiten der Heiligen Schrift, namentlich des Alten Testaments, zum Teil verschlossen, so auch Sach 2:16: „Und der Herr wird Juda erben als Sein Teil in dem heiligen Land, und wird Jerusalem wieder erwählen!“ In dem Ausdruck der Herr wird Juda „erben“ liegt, dass es ganz sein Eigentum sein wird. Er wird es als sein altes Erbgut in Besitz nehmen. Procksch sagt: „Hier liegt in Juda gewissermaßen seine Hausmacht inmitten des weltweiten Reiches, das er beherrscht.“ Und Jerusalem wird er wieder erwählen. Also handelt es sich um ein neues Jerusalem, um das Jerusalem des tausendjährigen Reiches, in dem er seinen Wohnsitz nehmen wird. Was das aber für das ganze Volk und Land der Juden bedeuten wird, wenn Gott in Jesus Christus einst „Juda als sein Erbgut mitsamt dem heiligen Gebiet (des Tempelplatzes) einnehmen, und Jerusalem noch einmal erwählen wird“, das lassen uns Bibelstellen wie Jes 62:4-5 und Jes 65:19-25 ahnen. Vergleiche auch Jes 29:17; Jes 35:1.2.7.9; Jes 55:12.13; Hes 34:25-29; Hes 36:8-12; Joe 2:18-27; Am 9:13.14; Ps 65.; Ps 67.; Ps 72:16.

Alles Fleisch sei stille

Für das in ferne Zukunft schauende Auge des Sehers ist bereits das, was am Ende des gegenwärtigen, und zu Anfang des neuen Äons nach Gottes Vorhaben geschehen soll, in greifbare Nähe gerückt. Er sieht, dass sich der Heiland bereits aufgemacht hat aus seiner himmlischen Wohnung. Schon naht Er der Erde zur Erfüllung seiner Gerichts- und Gnadenverheißungen. Darum ermahnt er alles Fleisch zu ehrfürchtigem Schweigen vor dem Herrn: „Alles Fleisch sei stille vor dem Herrn!“ Wenn Sach 2:16 erfüllt ist, wenn Jesus Christus sich im Tempel Jerusalems gesetzt, und Juda als sein Erbland übernommen hat, dann wird der Völkerfriede eintreten, den man jetzt so gerne durch Pakte, Sicherheiten, Abrüstungen, Schiedsgerichte usw. herstellen möchte. Aber so gut und begrüßenswert diese Bestrebungen sein mögen, fragt man das untrügliche Wort der Wahrheit, so wird einem klar: Auf diese Weise wird das Ziel doch nicht erreicht. Friede auf Erden tritt erst ein, wenn sich alle Nationen unter das Königsszepter Jesu gebeugt haben. Dann wird alles Fleisch stille werden vor ihm. Dann tönt die arme Erde nicht wieder von Waffenlärm, sondern „alle Länder sitzen still“, nicht mehr in gleichgültiger Ruhe, wie im ersten Kapitel des Sacharja Sach 1:11.15 geschildert, sondern in heiliger Ehrfurcht vor Gott. Oh, man kann sich diese Sabbatstille kaum vorstellen.

Dass all das Hasten, Tosen, Toben, das stolze sich Brüsten der Völker, wo eins das andere überschreit im Selbstruhm vollbrachter Eigenleistungen, auf dem Gebiet des Sportes, des Handels, der Schifffahrt, des Verkehrs, der Industrie, des Gewerbes, der Kunst und Wissenschaft, sein Ende gefunden hat, und endlich, endlich nur eine Stimme, die lange übertönt wurde, gehört wird, Gottes Stimme. Dann ist Ps 65:8 auch erfüllt: „Jahwe stillet das Brausen des Meeres (der Völker), das Brausen seiner Wellen, das Toben der Völker“. In dieser Zeit, wo zwar die Menschen noch Fleisch an sich tragen, das heißt einen sündenverhafteten Leib haben, aber doch den Heiligen Geist besitzen, kann Sabbatfriede, Sabbatstille wohltuend auf der Erde ruhen. Unter der gesetzlichen Linie des Königreichs Christi ist dann alles stille vor dem Herrn.

Wir aber kennen als Söhne Gottes, als solche, die in Christo sind, noch Größeres: Stille sein in dem Herrn. „Meinen Frieden gebe Ich euch!“ (Joh 14:27). Dieser Gottesfriede ist höher denn alle Vernunft (Phil 4:7). Ihn bekommt man, wenn man mit dem Unfrieden seiner Seele, der durch Sünde und Schuld verursacht ist, zu Jesus eilt und auf ihn blickt, der am Kreuze Frieden gemacht hat durch sein blutiges Sühnopfer.

Lies weiter:
5. Der Hohepriester Josua vor dem Engel des Herrn (Sach 3:1-5)