1. Mose - Kapitel 50

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Abschrift: 1. Buch Mose (Band I -X) (2017/21)
aus der Reihe "Christi unausspürbarer Reichtum"
von Gerhard Groß (+ 2022)

Mit freundlicher Erlaubnis von Gerhard Groß, Balingen
Die Bände I-VIII sind als Schrift noch erhältlich

siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

1. Buch Mose - Kapitel 50

Josephs Trauer, Jakobs Begräbnis
Joseph kehrt zurück u. beruhigt seine Brüder
Anweisungen bzgl. der Gebeine Josephs

Josephs Trauer, Jakobs Begräbnis

1Mo 50:1-2

„Und es fällt Joseph auf seines Vaters Angesicht und weint über ihm und küsst ihn. Und es gebietet Joseph seinen Knechten, den Ärzten, seinen Vater zu balsamieren. Und die Ärzte balsamieren Israel.“

Lange Jahre musste Joseph im Gegensatz zu seinen Brüdern auf die Gegenwart seines Vaters verzichten, erst im hohen Alter führte Gott Vater und Sohn wieder zusammen, und es war Joseph gegeben, diesen bis in den Tod zu begleiten, und wir vermögen wohl alle seinen Schmerz und seine Tränen nachempfinden.

Schmerz und Tränen, dessen Ursache hier in unserem Fall der Tod ist, hat Gott in das Leben all Seiner lebenden Geschöpfe gelegt, sie gehen vom Sitz unserer Empfindungen aus, der Seele. Und jetzt wird es spannend: Da wir ja im Bilde Gottes erschaffen wurden, hat auch Er, unser Schöpfer, und in Christus Jesus sogar unser Vater, eine Seele, die empfindet, was uns die Aussage in Mt 12:18 bestätigt. All unsere Empfindungen wie Trauer und Schmerz, aber auch Freude und Glück, haben ihren Ursprung in Gott. Freude und Glück, aber auch Trauer und Schmerz, alles ist unserem Gott und Vater zueigen, und Er hat es in uns Menschen hineingelegt.

Eine tiefgründige Aussage finden wir in Hiob in Hi 26:13, die, etwas anders als in den herkömmlichen Bibeln, dem Urtext gemäß lautet: Seine (Gottes) Hand litt Geburtswehen um die flüchtige Schlange.“ Gott, der die Schlange (das Böse) erschuf, litt also dabei, als Er dies erschuf, was aber gemäß Seinem Heilsplan notwendig war, nämlich der dunkle Hintergrund, vor dem Er das Licht Seiner Liebe erstrahlen lassen will!

1Mo 50:3

„Und sie erfüllen ihm vierzig Tage, dann also werden die Tage der Balsamierer erfüllt. Und die Ägypter beweinen ihn siebzig Tage."

Über das Einbalsamieren von Jakob muss nichts gesagt werden, es war wohl notwendig, damit der Körper bei den hohen Temperaturen in Ägypten nicht vorzeitig verwesen kann; und die Ägypter verstanden sich ja auf diese Kunst. Wir gehen aber noch einmal auf unser gestriges Thema zurück, wohin uns Josephs Tränen führten, die ja trotz des Wissens um eine Auferstehung flossen:

Wir schlossen unsere gestrige Ausführung damit, dass Gottes Hand Geburtswehen litt, als Er die Schlange erschuf, womit wir an dem Punkt sind, um den Paulus in Eph 1:16 ff bittet, nämlich um „Erkenntnis Seiner Selbst“, was ja beinhaltet, dass wir unseren Gott und Vater immer mehr und tiefer erkennen dürfen. Dazu gehört, dass wir in Ihm nicht ausschließlich den Erfüller unserer Wünsche sehen, sondern unseren Vater, der Seine Kinder bzw. Söhne an Seinem Dasein teilhaben lassen möchte, der uns wie in Hiob gelesen sogar einen Blick in Seine Seele gestattet. Man möge mir diese Worte verzeihen: Gott ist kein seelenloser Geist, sondern der Schöpfer des Alls, voll Liebe und Erbarmen, aber auch voll Mitleid und Trauer. Gezeigt und ausgelebt hat dies vor den Augen der Menschen der Sohn Seiner Liebe, der Sein Abbild ist. „Wer Mich sieht, sieht den Vater“ – das sind Jesu Worte auf Erden. Und auch Er musste nicht nur einmal weinen, weil das Böse um Ihn herum so mächtig wirkte, mehr noch, wirken musste!

Tränen der Trauer dürfen sein, aber es gibt auch einmal Tränen der Freude, wenn wir Ihn sehen dürfen und mit Ihm vereint werden!

1Mo 50:4-5

„Und es vergehen die Tage seines Beweinen, und es spricht Joseph zu dem Hause Pharaos und sagt: <Wenn ich doch sollte Gnade finden in euren Augen, so sprecht doch für mich vor den Ohren des Pharaos und sagt, mein Vater beschwor mich vor seinem Tode also: ‚Siehe ich sterbe. In meinem Grabe, das ich grub für mich im Lande Kanaan, dort sollst du mich begraben.’ Und nun, lass mich dort hinaufziehen und meinen Vater begraben, wie ich geschworen; und ich werde zurückkehren.'“

Zwei Aussagen fallen in unserem neuen Leitvers auf: Zum einen traut sich Joseph offensichtlich nicht, sein Anliegen, nämlich seinen Vater persönlich in Kanaan zu begraben, direkt bei dem Pharao vorzutragen – und dies, obwohl er ja der zweite Mann im Staat war – und zum zweiten fällt auf, dass Joseph betont: „Ich werde zurückkehren“! Damit dürfen wir Anteil haben an den Gedanken im Herzen Josephs, die uns zeigen, wie sensibel und mitfühlend Joseph trotz seiner Trauer war – es ging ihm nämlich um den Pharao selbst!

In all den Jahren an der Seite Pharaos, wo sich zwischen den beiden doch sehr unterschiedlichen Männern eine enge Vertrauensbasis, ja vielleicht sogar etwas wie Freundschaft aufgebaut haben wird, versetzt sich Joseph in Pharao, der ja zu Recht denken könnte: „Jetzt geht mein engster Vertrauter mit seiner ganzen Familie in seine Heimat Kanaan zurück ... und wird dann nicht mehr zurück zu mir (dem Pharao) kommen wollen!“ Und diese Gedanken sind ja in der Tat nicht abwegig, im Gegenteil, sie sind nahe liegend!! Aus diesen Erwägungen heraus gibt Joseph seinem Herrn das Versprechen: „Ich werde zurückkehren“ – weil dies der Wille Gottes ist!

1Mo 50:6

„Und es sagt Pharao zu Joseph: 'Zieh hinauf und begrab deinen Vater, wie er dich beschworen.'“

Wir gehen heute etwas auf den Charakter Josephs ein, der sich uns gerade bei dem momentanen Geschehen im Verhältnis zu dem Pharao zeigt: Wie schon gestern angedeutet war es für Joseph das Naheliegendste, mit seiner ganzen Familie heim nach Kanaan zu ziehen, und dort, wo er hingehörte, sein weiteres Leben zu führen. Doch was tat er?

Gerade das Gegenteil! Joseph hatte nicht vergessen, wie viel er dem Pharao zu verdanken hatte. Er zeigte sich uns folglich nicht als Egoist, der nur das Seine sucht, der nun, nachdem die Aussöhnung sich mit seiner Familie vollzogen hat, dem Pharao den Rücken kehrte ... nein, der handelte sehr edel und selbstlos, und achtete auf den, dem er so viel Gutes zu verdanken hatte.

Auch uns sollte diese Haltung Josephs nicht unberührt lassen, hören wir doch in Phil 2:1-4 sehr ähnliche Worte, die Paulus an alle Heiligen in Christus Jesus richtet. In Vers 4 endet dieser Zuspruch mit den Worten: „... und jeder nicht auf das Seine, sondern jeder auch auf das Wohl der anderen achte.“ Wenn wir in diesem Sinn die Worte Josephs an Pharao bedenken, „... ich werde zurückkehren“, darf uns auch hier Joseph zum Vorbild werden (und dies gerade in der heutigen Zeit, wo die Liebe in so vielen erkaltet, und die „Ich-Sucht“ zunimmt).

Aber wir wollen auch die andere Seite sehen, „das Wirken Gottes“! Dem Volk war eine lange Zeit von rund 400 Jahren der Knechtschaft unter einem anderen Pharao bestimmt, wo Gott begann, Sich Sein irdisches Werkzeug Israel zuzubereiten!

1Mo 50:7-9

„Und es zieht Joseph hinauf, seinen Vater zu begraben. Und es ziehen hinauf mit ihm alle Knechte Pharaos und die Ältesten seines Hauses und alle Ältesten des Landes Ägyptens und das ganze Haus Josephs und seine Brüder und seines Vaters ganzes Haus. Jedoch ihre Kleinen und ihr Kleinvieh und ihre Rinder lassen sie zurück im Lande Gosen. Und mit ihm ziehen hinauf sowohl Wagen, als auch Reiter, und es ward ein überaus großes Lager.“

Man kann bei unserem neuen Leitvers nur sagen: Was für ein stattlicher Trauerzug! Und alles zu Ehren Jakobs! Dazu kommt noch eine von mir geschätzte Entfernung von Gosen bis Hebron (wo sich das Grab gemäß 1Mo 23:19 befand) von ca. 300 km Luftlinie – es ist Gott, der Seinem Jakob hier die vorläufig letzte Ehre gibt, ehe dieser am Tag des Herrn jenen sehen wird, der durch den Propheten Jesaia (Jes 41:13-14) sagte:

„Denn Ich, Ieue, dein Alueim, halte fest deine Rechte und sage zu dir: Fürchte dich nur nicht! Ich, Ich helfe dir! Fürchte dich nur nicht, du Würmlein Jakob! Du todgeweihtes Israel! Ich, Ich helfe dir, so erklärt Ieue, dein Erlöser, der Heilige Israels.“

Hell strahlt aus diesen Prophetenworten die Hand Gottes über dem zukünftigen Volk, das Er Sich als Werkzeug erwählt hat, um das All in Christus aufzuhaupten. Die (Früh-) Sonne war Jakob in Pniel aufgegangen, als er in schwerem Kampf von allen eigenen Wegen gelöst, hinkend seinen neuen Weg ging – durch Kampf zur Wandlung in einem neuen Namen! Es ist der Weg des zukünftigen Israels, den Gott an all Seinen Auserwählten vollzieht – auch an uns!

1Mo 50:10-11

„Und sie kommen bis zur Tenne von Atad, die da ist jenseits des Jordans; und sie klagen dort mit überaus großer und schwerer Klage. Und er macht eine Trauer um seinen Vater sieben Tage. Und es sehen die Bewohner des Landes, die Kanaaniter, die Trauer bei der Tenne von Atad, und sagen: 'Eine schwere Trauer ist dies für die Ägypter' Deshalb nennt man ihren Namen: Abel-Mizraim>, die da ist jenseits des Jordan.“

Wir wollen heute zuerst etwas (langweilige?) Geographie betreiben, wozu unser Leitvers einlädt, denn: Der große Trauerzug zieht ja ganz offensichtlich nicht auf direktem Weg an die Grabstätte nahe bei Hebron, wo Abraham einst das Grab gemäß 1Mo 23:19-20 gekauft hatte, sondern bewegt sich bis zur „Tenne von Atad“, vermutlich einem Ort oberhalb des Toten Meeres und rund 50 km nördlich von Hebron. Und gerade hier machte Joseph eine Trauer von sieben Tagen, was die dortigen Bewohner, Kanaaniter, sehr beeindruckt zu haben schien, so dass sie diesen Ort „Abel-Mizraim“ (= die Klage der Ägypter) nannten.

Ein Zug, mit Joseph an der Spitze, stellt den Bewohnern etwas zur Schau, hier die Trauer um einen wichtigem Mann Gottes; da dürfen auch wir daran denken, dass wir uns auch einmal vor fremden Zuschauern zur Schau stellen dürfen, allerdings keine Klage, sondern das kostbare Gut unserer Errettung, „die Gnade“! Eph 2:7 beschreibt unsere Aufgabe in den herankommenden Äonen, nämlich den alles übersteigenden Reichtum Seiner Gnade in Güte gegen uns in Christus Jesus zur Schau zu stellen ... wir sind dann „Schaugefäße Seiner Gnade!“

1Mo 50:12-13

„Und es tun seine Söhne für ihn so, wie er ihnen gebietet. Und es bringen ihn seine Söhne zum Lande Kanaan; und sie begraben ihn in der Doppelhöhle des Feldes, der Höhle, welche Abraham erwarb mit dem Felde als Besitz für ein Grab – von Ephron, dem Hethiter – gegenüber Mamre.“

Noch einmal wird über das Begräbnis Jakobs berichtet, einer Doppelhöhle, in welcher zuvor Abraham, Sara, Isaak, Rebekka, Lea und nun auch Jakob ruhen und auf jenen Tag warten, den sie im Glauben festgehalten haben, und von dem uns Hebr 11:8 ff berichtet. Da ist bei Abraham die Rede, dass er sich als Fremdling und Auswanderer auf der Erde ein Vaterland suchte, und zwar ein „Überhimmlisches“ (Vers 16). Und zurück in Vers 10 wartet er auf die Stadt, die Grundfeste hat, deren Künstler und Baumeister Gott ist. Zu all diesen Ausblicken kommt noch die Aussage Jesu in Joh 8:56, dass Abraham Seinen (Christi Jesu) Tag gewahren sollte, ja sich schon darauf freute – und dieser Tag beginnt ja nach unserer Entrückung und dem Wiederkommen Jesu auf dem Ölberg.

Archäologisch ist der genaue Ort dieser Doppelhöhle unsicher, doch geistlich ist dies unbedeutend, denn zu Seiner Zeit werden die Patriarchen, wenn sie auferweckt werden, „Ihn“ sehen, und in dem irdischen Königreich, welches ja „Seinen Tag“ beinhaltet, in ihre wahre Heimat eingesetzt werden, und auch wir dürfen uns heute schon mit allen Grabinsassen freuen, wenn sie gemeinsam ihre Auferweckung erleben werden.

Wir dürfen uns insofern mitfreuen, weil wir zu jenem Zeitpunkt ja entrückt sein werden und ab da gemäß 1Thes 4:17b „allezeit mit dem Herrn zusammen sein werden.“

Joseph kehrt zurück u. beruhigt seine Brüder

1Mo 50:14

„Und Joseph kehrt zurück gen Ägypten, er und seine Brüder, und alle, die hinaufgezogen waren mit ihm, seinen Vater zu begraben, nach seines Vaters Begräbnis.“

Es ist uns Menschen zueigen, bei bestimmten Ereignissen immer erst eine menschliche Erklärung zu suchen, die passen kann, oder auch nicht. Auch im Blick auf unseren Leitvers haben wir eine menschliche Erklärung gesucht und abgegeben, warum Joseph zurück nach Ägypten gehen wollte, dabei haben wir aber darauf hingewiesen, dass „nur Einer“ alles führt und lenkt, und haben dabei auf eine der gewaltigsten Aussagen im Wort Gottes hingewiesen, auf Eph 1:11b, „Gott, der alles nach dem Ratschluss Seines Willens bewirkt“! Doch es folgt diesem Wort noch eine Erklärung: „...damit wir zum Lobpreis Seiner Herrlichkeit seien ...“. Vielleicht bewegen wir einmal erneut in uns, dass wir gerade dadurch zu dem Lobpreis Seiner Herrlichkeit beitragen, wenn wir „Ihn“ in allen Wegen suchen, wobei wir auch an Spr 3:6 denken dürfen. Aber kommen wir zu Joseph, auf den sich ja heute wieder unser Blick richtet:

Er kehrt zurück gen Ägypten, weil er dorthin gehen muss! Während der bekannten Hungersnot zog eine Familie von rund 70 Personen, mit Jakob an der Spitze, hinab nach Ägypten, es war der Beginn, wo Gott Sein zukünftiges Volk in die Schule der Zubereitung nahm. Und über allem stand das Wort, das Er in 1Mo 12:3 Abram gab: „... Und gesegnet seien in dir und in deinem Samen alle Sippen des Erdbodens“! Was Gott schon früh Seinem Auserwählten Abraham prophezeite, nimmt jetzt seinen Anfang: Zwölf Brüder ziehen in die Schule nach Ägypten – ein unsagbar schwerer, aber ein gesegneter Weg!

1Mo 50:15

„Und es sehen die Brüder Josephs, dass ihr Vater tot ist, und sie sagen: 'Wie, wenn Joseph uns grollt und uns vergilt, ja vergilt all das Böse, das wir ihm angetan haben.'“

In 1Mo 45 haben wir erlebt, wie sich Joseph mit vielen Emotionen tränenreich mit seinen Brüdern versöhnt hat; nun, wo das Oberhaupt der Familie, gestorben ist, steigen aus der Tiefe der Seelen (die ja der Sitz unserer Empfindungen ist) der Brüder alte Befürchtungen und Ängste empor: Hat Joseph uns wirklich vergeben? Kann er wirklich all das Böse, das wir ihm angetan haben, vergessen und verzeihen? Noch ist er ja der zweitmächtigste Mann in Ägypten, und besitzt alle Macht, Rache zu nehmen!

Die Ängste der Brüder sind gut nachzuvollziehen und wohl auch menschlich gesehen berechtigt, doch in dem oben erwähnten Kapitel 45 sahen wir, dass Joseph längst viel tiefer blicken durfte – ihm war offenbar, dass er Werkzeug für seinen Gott sein durfte, und dass Gott ihn dazu setzte, seine Familie vor dem Hungerstod zu retten; nicht seine Brüder, sondern Alueim sandte ihn vor seinen Brüdern nach Ägypten, um den Weg der Rettung vorzubereiten.

Dabei durfte Joseph wie kein anderer vor- und nachher den Weg Christi vorschatten, einen Weg, der durch schwerste Trübsal und Leiden letztendlich zur Rettung aller führte und führt. Man kann die Brüder verstehen, zumal auch heute noch ähnliche Ängste in vielen Gläubigen aufsteigen, die nicht so richtig erfassen können, dass unser Herr tatsächlich alles am Kreuz verbüßt hat und wir wirklich frei von jeglicher Schuld sind.

1Mo 50:16-17a

„Und sie entbieten Joseph und sagen: 'Dein Vater gebot vor seinem Tode und sagte: ‚Also saget zu Joseph: O, vergib doch das Verbrechen deiner Brüder und ihre Sünde, dass sie dir Böses angetan.’ Und nun, vergib doch das Verbrechen der Knechte des Alueim deines Vaters!'“

Merkwürdigerweise lesen wir in dem vorherigen Kapitel nichts von dem, was die Brüder jetzt vorgeben, was Jakob gesagt haben soll! Lügen sie Joseph jetzt an, um einer vermeintlichen Racheaktion zu entgehen? Wenn es so wäre, dann könnte man auch hier aus menschlicher Sicht die Brüder verstehen, denn: Wie oft zwingt auch uns Gläubige die Angst zu einer (Not-) Lüge?

Dazu kommt, dass sie Gott noch nicht als „ihren“ Alueim erkannt haben – noch ist Er nur „der Alueim ihres Vaters“! Hier ist noch viel Wachstum nötig!

Wir dürfen bei diesen Blicken in die Herzen der Brüder erkennen, welch herrlichen Stand wir heute vor dem Alueim Jakobs, der ja in Christus unser Vater geworden ist, haben: „Gerechtfertigt nun aus Glauben, dürfen wir mit Gott Frieden haben durch unseren Herrn Jesus Christus ...“ (Röm 5:1), und warum? Weil – „... sondern wir rühmen uns auch in Gott durch unseren Herrn Jesus Christus, durch den wir nun die Versöhnung erhielten“ (Röm 5:11)! Das, liebe Geschwister, ist eine Tatsache, um die wir im Gebet nicht mehr bitten brauchen! „Gott war in Christus, die Welt mit Sich Selbst versöhnend“, so lesen wir in 2Kor 5:19 – wir sind also völlig frei!

1Mo 50:17b

„Und es weinte Joseph, als sie zu ihm sprechen.“

Die Worte der Brüder, ihre Angst (und eventuell auch ihre Lüge) bewegen Joseph tief, sehr tief, denn er muss weinen! Schon einmal flossen seine Tränen, als er seine Brüder vor sich stehen sah, wie sie sich für Benjamin einsetzten (1Mo 44), vor allem Juda. Joseph erkannte den Sinneswandel, den die Brüder inzwischen durchlaufen hatten. Ihn hätten sie bedenkenlos ohne Rubens Einspruch dem Tod überlassen, bei Benjamin verbürgte sich Juda hochherzig – welch ein positives Wachstum! Da musste Joseph einfach weinen!

Weinen musste Joseph auch, als er seinen Bruder Benjamin in die Arme schließen konnte (1Mo 45:14), nach dem er so viel Sehnsucht hatte; war doch gerade Benjamin sein einzig echter Bruder, da er auch von Rahel geboren wurde.

Und nun weint Joseph wieder, weil er immer noch den Unglauben erfahren muss, den seine Brüder in seine Worte haben. Und hier wird es tragisch: Denn auch unser Herr, der zur Rechten des Vaters sitzt, hat viel Grund, über uns zu weinen, weil wir Ihm so wenig glauben! Es sei uns hier erlaubt, darauf hinzuweisen, wie oft von so vielen Gläubigen täglich das so genannte „Vater unser“ gebetet wird, worin Gott um das gebeten wird, was Er uns längst in Christus Jesus gegeben hat! Wie muss es das Herz von Vater und Sohn berühren, wenn Gläubige ständig um Vergebung bitten, und die Liebe Gottes, die gerade im Kreuz auf Golgatha sichtbar wurde, einfach missachten? Erkennen wir doch endlich und endgültig, was uns Röm 6:6 zuruft:

„...dies erkennend, dass unsere alte Menschheit zusammen mit Ihm gekreuzigt wurde ...“.

1Mo 50:18

„Und es gehen seine Brüder überdies und fallen nieder vor ihm. Und sie sagen: 'Siehe uns als deine Knechte!'“

Unser momentanes Geschehen setzt viele menschliche Emotionen frei! Da war die bewegende Zusammenführung aller 12 Brüder, vor allem die von Joseph und Benjamin; da war der Tod des Vaters Jakob, das Überführen des Leichnams nach Kanaan, dem verheißenen Land, und jetzt stehen die Brüder vor Joseph und machen sich Sorgen, Joseph könnte sich vielleicht doch an ihnen rächen, nachdem ihr Vater verstorben war ... Joseph kommen die Tränen, und dies vor seinen Brüdern! Diese wiederum erkennen den inneren Schmerz ihres Bruders, den ihr Unglaube an ihn hervorgerufen hat – sie fallen betroffen vor ihm nieder!

Schon zuvor geschah dieses Niederfallen vor Joseph, als es um irdische Naturalien wie das Korn ging, und sie in Joseph noch den fremden Herrscher sahen, doch nun ist es ihr Bruder, es geht auch nicht mehr um Naturalien, sondern Joseph fordert ihr Vertrauen in ihn ein, und die Brüder spüren, dass ihre Furcht das Herz Josephs kränkten musste – sie symbolisieren damit jenes Israel, das als Erste ihre Knie vor dem beugen, der sie rettet und liebt, und durch Paulus (Phil 2:10-11) wissen wir, dass einmal die ganze Schöpfung, die Überhimmlischen, Irdischen und Unterirdischen, ihre Knie vor dem beugen werden, den Gott, der Vater, mit dem herrlichen Namen „Jesus“ begnadet hat! Und einmal, in der Vollendung, erklingt der herrliche Chor einer geretteten Schöpfung:

„Herr ist Jesus Christus, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters.“

1Mo 50:19-21

„Und es sagt Joseph zu ihnen: 'Fürchtet euch nur nicht, denn unter Alueim bin ich! Und ihr, ihr ersannet Böses gegen mich. Aber Alueim ersann es für mich zum Guten, dass es bewirke wie an diesem Tag, lebendig zu erhalten viel Volk. Und nun, fürchtet euch nur nicht! Ich will euch versorgen und eure Kleinen.' Und er tröstet sie und spricht zu ihren Herzen.“

Noch einmal sehen wir, wie sich Josephs Traum von einst erfüllte – alle beugen sich tief vor ihm: doch jetzt hört er keinen Spott mehr von seinen Brüdern, sondern sieht ihre Furcht, und spricht ihren Herzen zu. Doch noch etwas ganz Großes darf Joseph am Ende seines Lebens proklamieren: Es ist die Allmacht Gottes!

Auf eindringliche Art hören auch wir die Worte Josephs, die klarlegen, dass das Gute und Böse aus Gottes Hand kommen, dass beides zusammen wirkt, und zwar zum Wohl hier des Volkes, im Großen gesehen zum Wohl der ganzen Schöpfung. Wenn wir die Sprüche Salomos durchlesen, stoßen wir auf eine Vielzahl von Aussagen, die gerade dies bestätigen. So sagt zum Beispiel Spr 3:6, dass wir Ihn in all unseren Wegen erkennen sollen, ob sie gut oder böse sind – und wenn wir dies erkennen, werden auch unsere krummen Wege gerade, weil denen, die Gott lieben, alles zum Guten zusammenwirkt (siehe Röm 8:28), auch das Böse!

Der Mensch, auch der Gläubige, kann es drehen und wenden, wie er will, es gibt im ganzen All nichts, was nicht aus Ihm kommt, und alles mündet am Ende in Ihn ein – dies sind im Kleinen auch die Worte Josephs an seine Brüder.

Anweisungen bzgl. der Gebeine Josephs

1Mo 50:22-23

„Und es wohnt Joseph in Ägypten, er und seine Brüder und seines Vaters ganzes Haus. Und es lebt Joseph hundert und zehn Jahre. Und es sieht Joseph Ephraims Söhne bis ins dritte Glied. Überdies werden die Söhne Machiers, des Sohnes Manasses, auf Josephs Knien geboren.“

Wir gehen heute zurück in 1Mo 12, wo Gott Abram beruft, aus Ur auszuziehen in ein Land, das Gott ihm noch zeigen wird; und dabei lesen wir die gewichtigen Worte: „Und machen will Ich dich zu einer großen Nation, und segnen will Ich dich und deinen Namen groß machen, und werde du ein Segen! Und segnen will Ich, die dich segnen, und die dich höhnen will Ich verfluchen. Und gesegnet seien in dir und in deinem Samen alle Sippen des Erdbodens.“

Achten wir besonders auf den letzten Satz: Hier legt Gott fest, wenn Er als Werkzeug für alle Sippen des Erdbodens erwählt hat, Abrams Samen ... das zukünftige Volk Israel!

Und nun machen wir einen Sprung in 1Mo 22:15-18, wo Gott nunmehr Abraham verheißt, ihn wiederum zu segnen und seinen Samen zu vermehren, wobei eine neue (zweite) Ebene ins Spiel kommt: „... wie die Sterne der Himmel“ – ein früher Hinweis auf das, was Paulus später in Eph 1:10 offenbaren durfte: Die beiden Ebenen, auf denen Gott das All in Christus aufhauptet, „beides, das in den Himmeln und das auf der Erde.“

An dies alles dürfen wir denken, liebe Geschwister, wenn wir unseren heutigen Leitvers in uns aufnehmen; Gott beginnt, Sein Segenswerkzeug in die Hand zu nehmen!

1Mo 50:24

„Und es sagt Joseph zu seinen Brüdern: 'Ich sterbe. Und merken, ja merken wird Alueim auf euch und wird euch hinaufbringen aus diesem Land in das Land, das Alueim geschworen hat unseren Vätern, dem Abraham, dem Isaak und dem Jakob.'"

Obwohl Joseph der Zweitjüngste der zwölf Brüder ist, wird er als Erster von Gott im Alter von 110 Jahren abgerufen, und es ist hier müßig, darüber nachzudenken, ob Gott diesen wertvollen Menschen nicht doch noch hätte länger am Leben erhalten sollen – wie wir Menschen dies ja öfters tun, wenn ein wertvoller Mensch in unserer Mitte sterben muss. Aber Gott hat in Seiner Weisheit jedes Menschen Ende festgelegt, und dies nach dem Ratschluss Seines Willens.

Bis zuletzt durfte Joseph auf Christus, den Sohn Gottes, in wunderbarster Art hinweisen. Nun ist sein Auftrag erfüllt und Gott beginnt, Sein Werkzeug Israel zuzubereiten. Noch sitzt das Volk, die Großfamilie Jakobs, sicher und geborgen im Lande Gosen, einem Landstrich in Ägypten, das der Familie Jakobs wie das Paradies vorgekommen sein musste. Doch nun deutet Joseph an, dass das Volk Israel (so wollen wir es schon nennen) dieses kleine Paradies wird verlassen müssen, um in jenes Land hinaufzuziehen, das Gott den Erzvätern versprochen hatte. Doch vorher wird sich Gewaltiges ereignen: Ein anderer Pharao wird den Thron Ägyptens besteigen, der Joseph nicht mehr kannte, der in den Hebräern nur billige Arbeitskräfte sah und diese für 400 Jahre brutal versklavte, bis dann endlich dieses „hinaufbringen in das Land Kanaan“ geschehen konnte.

Und immer und allezeit merkte Alueim auf dieses Volk ... und ganz besonders auf seinen schweren Wegen.

1Mo 50:25-26

„Und es beschwört Joseph die Söhne Israels und sagt: 'Merken, ja merken wird Alueim auf euch, und ihr sollt meine Gebeine von dannen hinaufbringen mit euch.' Und es stirbt Joseph, hundert und zehn Jahre alt. Und sie balsamieren ihn und legen ihn in eine Lade in Ägypten.“

Wir dürfen davon ausgehen, dass die Verheißungen, die Gott den Vätern gab, sehr wortgetreu von Generation zu Generation überliefert wurden, die Guten als auch die Schlechten. Und zu den schlechten Überlieferungen gehörten die Worte Gottes an Abram in 1Mo 15:13: „Wisse, ja wisse, dass dein Samen ein Fremdling werden wird in einem Lande, das nicht das ihre ist, und sie sollen ihnen dienen. Und sie sollen ihnen Übles antun und sie verelenden vier hundert Jahre.“ Auch Joseph wusste mit Sicherheit um diese Worte, und er machte sich bestimmt viel Gedanken darüber – ahnte er, dass diese Verheißung ganz nahe war?

Zum zweiten Mal (nach Vers 24) wiederholt Joseph die Worte, dass Alueim auf das Volk merken wird – wie wichtig muss ihm gerade dies gewesen sein, dass Israel auch in der Verelendung und über vier Jahrhunderte hinweg nicht vergisst, was Alueim verheißen hat! Und dies darf auch uns zusprechen:

Gottes Zubereitungswege sind keine Höhenwege, sowenig die irdische Schule keine Herrentage sind. Es kommt also darauf an, ob wir uns bewusst sind, dass auch wir von Gott auf unsere zukünftigen Aufgaben zubereitet werden, gleich wie Er Sein Volk im Glutofen Ägypten auf die große Aufgabe, ein Segen für alle Sippen des Erdbodens zu sein, zu formen begann!

Wir sprachen gestern von der Zubereitung des von Gott auserwählten Volkes was für manche von uns menschliche Fragen aufwirft. Warum musste Israel 400 Jahre lang verelenden? Fiel es da nicht eher von dem Alueim ab, der laut Joseph ja auf das Volk merken sollte? Und dann greifen wir hier schon mal etwas vor: Nachdem das Volk nach 4 Jahrhunderten aus Ägypten auszog, wissen wir, dass es 40 Jahre lang in der Wüste umher irrte! Menschlich ist dies völlig unverständlich! Ohne Probleme schafften es ja die Brüder Josephs und zuletzt die ganze Familie Jakobs, auf dem kürzesten Weg von Kanaan nach Gosen zu ziehen – diesen einfachen Weg zurück ins verheißene Land hätte das Volk doch auch finden müssen? Doch hier sehen wir überdeutlich, dass es Gott ist, der unsere Wege bestimmt, und es lediglich unsere Aufgabe ist, Ihn auch auf bzw. in all unseren Wegen zu erkennen! Auch das ist Schule!

Joseph ahnte, was seiner Familie bevorsteht, und er wusste um seinen nahen Tod. Da er aber auch in Kanaan begraben sein wollte, ließ er sich (wie schon seinen Vater Jakob) einbalsamieren, worauf sich ja gerade die Ägypter bestens verstanden. Und so wies er an, dass seine Gebeine in eine Lade gelegt wurden, worin sie die lange Zeit überstehen konnten, bis die Lade dann gemäß 2Mo 13:19 von Mose hinauf nach Kanaan gebracht wurden.

1Mo 50:26

„Und es stirbt Joseph ...“.

Wir haben hiermit praktisch das erste Buch Mose abgeschlossen, es hat uns eine ungeheure Menge an Herrlichkeiten aufgezeigt, vor allem aber die alles übersteigende Größe Seiner Kraft, mit welcher Er von Anbeginn an gewirkt hat. Über die Erschaffung der Himmel und der Erde bis hin zu Joseph haben wir miterlebt, wie die Menschheit in Sünde fiel, wie sie in jeglicher Hinsicht verkam und immer tiefer in die Gottesferne sank, wobei sich Gott aber immer einen gläubigen Samen erhielt, mit dem Er über Noah, Abraham, Isaak und Jakob bis zu jenem Volk führte, mit welchem Er gemäß 1Mo 22:18 alle Nationen der Erde segnen wird, womit wir wieder bei Joseph sind, denn:

Auch Josephs Tod schattet ja den Tod Christi Jesu ab, und nur in Seinem Tod am Kreuz ist nicht nur die Erde, sondern auch die Rettung der Himmel enthalten.

Wir wollen zum Abschluss noch einmal in einer Art von Nachruf auf das Leben bzw. die einzelnen Stationen des Lebens dieses ganz besonderen Sohnes von Jakob blicken, der wie kein anderer, den Sohn Gottes vorschattet, aber auch einen Teil der Geschichte Israels:

Josephs Leben stand von Anfang an in besonderer Weise unter der Führung Gottes; Josephs Glaube wurde gefordert und hat sich bewährt, und dies in Freude und Leid, aber besonders auch in Schuld und Vergebung. Joseph stellte sich unter seinen Alueim, wodurch sich Gottes Segen über seine ganze Familie ausbreitete – er wurde zum Retter seiner Familie.

Das Leben unter der Führung Gottes zeigt bei Joseph eine Fülle an Vergleichen mit dem Leben des Sohnes Gottes, die wir hier versuchen, bruchstückhaft vor uns lebendig werden zu lassen:

Als Erstes sehen wir, wie Joseph in besonderer Weise geliebt wurde, er war wie der Christus der Sohn des Vaters Liebe;

Joseph wurde, wie Jesus, zu den Brüdern gesandt und von diesen verworfen;

er erlitt Neid und Hass durch seine Brüder, bis diese seinen Tod beschlossen;

am tiefsten Punkt seines Lebens, im ägyptischen Gefängnis angelangt, erfolgte langsam Josephs Erhöhung, und diese bis zum zweitmächtigsten Mann in Ägypten;

danach diente er zum Wohl und zum Segen seiner Brüder; er lebte die Versöhnung mit seinen Brüdern aus;

er war am Ende mit seinem Vater vereint –

über all diese Stationen im Leben Josephs sehen wir deutlich die Parallele zu Christus! Wir nehmen damit hier Abschied von einem Mann, den Gott begnadet hat, in seltener Klarheit im AT auf Christus hinzuweisen, wobei wir wahrscheinlich nur einen Bruchteil all des Reichtums erfasst haben, den uns unser Gott und Vater in Joseph darbietet.