Das 5. Gebot

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Abschrift des Heftes: "Die 10 Gebote in heilsgeschichtlicher Deutung"
von Friedrich Malessa, Samplatten (Ostpr.) (1895-1981)

Veröffentlicht unter Zulassung der Militärregierung Juli 1948
im Kurt Reith Verlag Wüstenrot Württ.

Siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

Das 5. Gebot


Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren, auf dass du lang lebest im Lande, das dir der Herr, dein Gott gibt.

Das fünfte Gebot führt einen Schritt weiter. Im vorhergehenden Gebot wird der Mensch auf das gottgewollte Verhältnis zu Jehova, seinem Erlöser aufmerksam gemacht. Hier wird sein Verhältnis zu seinem Nächsten geordnet. Seine Nächsten sind Vater und Mutter.

Dass in diesem Gebot die Eltern-Ehre gefordert wird, ist sehr beachtenswert. Denn die Ehrerbietigkeit ist die Kardinalstugend. In ihr ist alles zusammengefasst: Gehorsam, Untertänigkeit, Abhängigkeit, Folgsamkeit, Zueignung u. a. m.

Die Ehrung der Eltern durch das Kind schafft die Voraussetzungen für das Glück der Familie. Der alte Theologe Oeler sagt sehr treffend: „Es (das Wort) legt in der Forderung der Elternehre den Grund für die Heiligung des ganzen sozialen Lebens, indem es seine göttliche Autorität in demselben erkennen lehrt“ . Die Ehrung verschafft den Elter das Gefühl des größten Reichtums. Das Kind wird durch Ehrerbietigkeit in die höchste Dienstbereitschaft gestellt. Ehr das Kind die Eltern, dann wird es nicht fehlen lassen an Beistand, Pflege und Fürsorge. Wenn die früheren Zeiten berücksichtigt werden, in denen keine staatliche Sozialfürsorge vorhanden war, dann sieht man die Beistandsverpflichtung in besonderer Bedeutung. Diese dem Kinde von Gott aufgetragene Verpflichtung bleibt für alle Zeiten. Das Kind trägt für die Eltern die erste Verantwortung.

Die Wertschätzung des Kindes zu den Eltern ist in jeder Lage notwendig. Wie wird das alte Elternherz erfreut, wenn das Kind alle elterliche Mühe und Fürsorge wertachtet. Der Eltern Lebensabend wird licht, wenn das Kind die gebührende Anerkennung zollt. Die Freude der Eltern wird zweifellos auf die Kinder zurückfallen. Es wird sich bewahrheiten das Wort: „Der Eltern Segen bauet den Kindern Häuser“.

Allerdings gebührt die Ehre in der uneingeschränkten Weise nur den gottesfürchtigen Eltern. Es kann Fälle geben, wo die gottesfürchtigen Kinder ihren gottlosen Eltern gegenüber in der Ehrung eine andere Haltung einnehmen müssen. Nicht werden sie dann ihre Eltern verunehren, oder sogar ehrenrührig behandeln, jedoch werden sie dann das Wort zur Richtschnur nehmen: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“. So wird auch Paulus Die Ehraufforderung an die Kinder verstanden haben, weil er die Eltern zum Gegenbeweis in Beziehung setzt (Eph 6:2-4).

Das einzige Gebot mit Verheißung

Mit dieser erbaulichen Deutung, die beliebig erweitert werden könnte, ist das fünfte Gebot nicht erschöpft. Sehr zu beachten ist, dass dieses Gebot die e r s t e V e r h e i ß u n g hat! (Eph 6:2) Eine Verheißung ist immer eine Ankündigung eines großen göttlichen Heilsvorhabens. Stellen wir das Gebot ins Licht dieser Verheißung, so erhalten wir ein neues, weites Blickfeld. Wir lesen nochmals den Wortlaut aus der Verheißung aufmerksam durch: „... auf dass du lang lebest im Lande, das dir Jehova, dein Elohim gibt“.

Um bei der Feststellung der hochwichtigen Tatsachen eine leichtere Übersicht zu haben, stellen wir punktmäßig Folgendes heraus:

  1. Die landläufige Meinung von dem „langen Leben auf Erden“ ist korrekturbedürftig. Es handelt sich in dieser Verheißung nicht um die Erde schlechthin, sondern um das „Land, das Jehova Elohim gibt“! Gemeint ist das verheißene Land, das Land der Erlösten, das Gottes-Land. Dieses Land hat nicht die Bestimmung, dass es bewohnt werde von Menschen mit langem Leben. Der Gedanke an die Langlebigkeit der Menschen ist hier von untergeordneter, wenn nicht sogar von sinnloser Bedeutung. Denn das erwähnte Land gibt auch den frömmsten und ehrerbietigsten Kindern nicht den Schutz vor dem Frühtod. Eine andere Bestimmung hat das Land, nämlich, dass es lange bewohnt bleibe von einem Menschen-Geschlecht! Nicht das lange Leben eines Menschen, sondern der lange Bestand eines Menschen-Geschlechts ist hier gemeint. Lange soll leben im verheißenen Lande das erwählte Geschlecht.
  2. Mit dieser Erkenntnis erhält das Gebot einen anderen Sinn. Es wird da nämlich die Ehrerbietung des Kindes nicht nur in sittlicher, erzieherischer und sozialer Hinsicht gefordert, sondern vornehmlich in biologischer (lebensmäßiger) Hinsicht. Denn es geht hier um den Fortbestand, um die Fortpflanzung, um das lange Leben des Menschen-Geschlechts! Darum ist hier nicht die Rede von der Ehrerbietigkeit vor den Erziehern oder den Eltern, sondern ausdrücklich vor V a t e r und M u t t e r ! Gemeint ist also nicht allein die Ehrerbietung vor Vater und Mutter als den ersten und nächsten Autoritäten im sittlichen Sinne, sondern die Ehrerbietung vor Vater und Mutter als die Lebensträger im biologischen Sinne. Geehrt soll werden die Vaterschaft und die Mutterschaft d. h. im Vater die Zeugung, in der Mutter die Geburt des Lebens!*
  3. Diese Tatsache erhält durch die im Gebot vorhandene Verheißung, die wiederum nur als ein Glied in der Kette der Gesamtverheißungen anzusehen ist, eine wunderbare Bestätigung. Wie lautet die Verheißung an Abraham? „Deinem Samen will ich dieses Land geben“ (1Mo 12:7). Lies auch 1Mo 22:17.18. Man beachte: Nicht Abraham erlebt die Verheißung, sondern seine Nachkommen. Der Vaterschaft Abrahams gilt die Verheißung. Die Fortpflanzungs- und Geschlechtslinie ist in der Heilsgeschichte von größter Bedeutung. Das beweisen folgende biblische Tatsachen: a) „...Aus diesem Samen hat Gott, wie er verheißen hat, kommen lassen Jesum, dem Volk Israel zum Heiland“ Lies: Joh 7:42; Röm 4:16; Gal 3:16. b) „... i n d i r sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden“ (1Mo 12:3; Apg 17:26). c) „Dies Geschlecht wird nicht vergehen, bis dass dies alles geschehe“ (Mt 24:34). Diese Bibelstellen bezeugen folgende Wahrheit: Ohne Fortgang und Entwicklung des Menschen-Geschlechts d. h. ohne Vaterschaft und Mutterschaft wäre die Erlösung nicht möglich (1Mo 3:15). Der Erlösungs-Grund liegt im „Christus im Fleisch“. Somit musste dem Christus die Fleisches-Grundlage gegeben werden (Hebr 2:14). Die Vaterschaft und Mutterschaft, d. h. das menschliche Geschlechtsverhältnis erhält auf der Erlösungslinie eine einzigartige Bedeutung. Wie bedeutsam ist darum die Forderung des fünften Gebotes, zu ehren die Vaterschaft im Vater und die Mutterschaft in der Mutter. Wie klar wird uns nun die Tatsache, dass dieses Gebot das erste und einzige ist, das eine Verheißung hat. Das fünfte Gebot steht mit der großen Verheißung, die Gott durch sein Volk vollführt, in einem einzigartigen Zusammenhang.
  4. Das fünfte Gebot erhält somit eine zentrale Bedeutung. Zentral wegen der Verheißung des Heils, zentral auch wegen des Heils-Menschen als dem Träger und Vollführer des Heils. Die Heilsverheißung und der Heilsmensch als der Erfüller der Verheißung in der Heils-Nachkommenschaft werden in den Mittelpunkt gestellt. - Die weiteren Gebote erhalten von hier aus eine lichtvolle Ausrichtung.
  5. Das fünfte Gebot ist eine neue Bestätigung für das „Wort von der Erlösung“. Erlösung ist der Grundsinn des Gesetzes. Das Gesetz ist das neue Evangelium in der alten Zeit. Es ist in erzieherischer Hinsicht zeitbedingt und zeitentsprechend, jedoch in geistlicher Hinsicht unwandelbar und ewig gültig.
*Man überprüfe den Grundtext des fünften Gebotes und stelle im Zusammenhang paralleler Stellen fest, ob folgende Übersetzungen zulässig sind: „Verherrliche dich an deinem Vater und deiner Mutter“. „Beweise dich als ein Herrlichkeitserbe an deinem Vater und deiner Mutter“. „Verherrliche deinen Vater und deine Mutter auch in künftigen Äonen.“ wenn diese Übersetzungen möglich sind, so können sie für die vorliegende Darstellung viel Klarheit geben.

Die Familie als Keimzelle

Verkennen wir nicht den Umstand, dass dieses Gebot mit seiner Verheißung zunächst eine geschichtliche Bedeutung hatte, und eine vorläufige Anwendung fand, und zwar im Blick auf Kanaan für Israel. Mit der Verheißung hatte Gott vor, das Volk Israel charaktervoll und stark, vermehrt wie Sand am Meer, ins gelobte Land zu führen, damit es da das theokratische Volk im Staate Gottes werde. Dazu war die gottgefällige Haltung des Einzelnen ausschlaggebend. Seine Haltung wiederum findet den ersten Niederschlag in der Familie. Sie ist sein Lebensfortgang und gleichzeitig die Keimzelle des Staates. Diese Keimzelle göttlich zu gestalten, war unbedingt notwendig.

Freilich war Gottes Tun an Israel nur ein Schatten-Geschehen. Das Schattenhafte ist nicht das Wesenhafte, jedoch der Vorläufer des Wesenhaften. Gott begann mit Israel im Fleisch, um danach zu vollenden im Geist. Sein Heilsanfang musste im Fleisch sein, weil da das Heil aufgerichtet werden sollte. Darum kam der Erlöser ins Fleisch zu dem auf das Heil vorbereitete, aber noch im Fleisch stehenden Volk.

Göttliche Gebote und Verheißungen werden aber im Zeitlichen sich nicht erschöpfen, sondern sind ein Angeld für die Vollmaß-Erfüllungen im „ewigen Kanaan“. Sie bleiben in Kraft auch für die „die da wiedergeboren sind, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da ewiglich bleibet“ (1Petr 1:23). Wie ist für die das fünfte Gebot zu deuten?

Zunächst ist zu sagen, dass auch der geistliche Mensch, solange er Fleisch und Blut an sich hat, den sittlichen Ordnungen dieses Gebotes unterstellt ist. Er wird „Vater und Mutter“ in der gottgewollten Weise ehren und wird in keiner Weise die göttliche Ordnung zu umgehen suchen. Gerade er, der den geistlichen Hintergrund der Vaterschaft und Mutterschaft begriffen hat, wird dazu ehrerbietig, klar und würdig stehen. Er sieht die Nachkommenschaft als ein Vorhaben Gottes an. Darum liebt er das Kind und betrachtet es als eine Gabe Gottes.

Diese Haltung ordnet sein Leben und auch seine Stellung zu den Eltern als die nächsten Blutsverwandten und Autoritäten. Vater und Mutter sieht er als gottgegeben und ehrt sie mit der vorzüglichsten Fürsorge. Er weiß, was er ihnen schuldet und steht zu ihnen in der heiligsten Verpflichtung.

Geistliche Vaterschaft und Mutterschaft

Die Haltung des geistlichen Menschen im natürlichen Leben ist aber nur ein Vorbild für sein Verhalten im geistlichen Leben. Er ehrt in geistlicher Hinsicht mit ganzem Lebenseinsatz die Vaterschaft und Mutterschaft. D. h. er sieht es für notwendig an, dass Kinder des Geistes geboren werden. Denn das „ewige Kanaan“ hat für ihn erst dann einen Sinn, wenn für dasselbe auch die „Bürger“ vorhanden sind. Der geistliche Mensch hat die Gesinnung des Paulus und setzt alles ein, um einige für das „verheißene Land“ zu gewinnen (1Kor 9:19-23).

Auch steht der geistliche Mensch ehrerbietig zu denen, die ihn zum Leben geführt haben. - Das Zum-Leben-Führen hat hier einen eingreifenden Sinn und eine tiefe Bedeutung. Wenn Paulus von seinen geistlichen Kindern spricht und sich als ihr Vater wähnt, dann ist die Führung zu Christus doch sehr leben-angehend und leben-angreifend (Röm 9:1-3). Paulus geht noch weiter und spricht davon, dass er viele gezeugt habe in Christus Jesus durch das Evangelium (1Kor 4:15; Phil 1:10). Das ist eine „Anteilnahme“ des Lebens, wie sie dem geistlichen Menschen zu jeder Zeit eigen sein muss. Dieser Haltung steht auch die Verheißung zu, wie sie im Gebot ausgesprochen ist. Es empfängt der geistliche Mensch darauf das lange (ewige) Leben in dem Lande, das ihm Jehova, sein Elohim gibt.

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