Vom Reichsbewusstsein zur Gemeindeerkenntnis

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Abschrift des Heftes: Die Gemeinde Jesu Christi
in ihrer Bedeutung für Himmel, Erde, Zeit, Ewigkeit
Friedrich Malessa, Samplatten (Ostpr.)

Paulus Verlag Stuttgart

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Inhaltsverzeichnis

Die Gemeinde Jesu Christi

in ihrer Bedeutung für Himmel, Erde, Zeit, Ewigkeit

1. Vom Reichsbewusstsein zur Gemeindeerkenntnis

Das Ende aller Wege Gottes ist sein Reich! Die Bibel, die der Ausdruck des Willens Gottes ist, und vom ersten bis zum letzten Blatt nichts anderes sein will als Zeugnis der Erlösung, hat auch zum Ziel Reich Gottes! Der Erlöser, Jesus Christus, der der absolute Willensoffenbarer Gottes ist, setzt alles ein, um aufzurichten das Reich! Alles gebraucht Gott planmäßig zur Durchführung seines Reichswillens! Es ist in der weiten Welt nichts da, das dem Kommen des Reiches Gottes nicht dienlich wäre. -

Was ist Reich Gottes?

Die Alleinherrschaft Gottes! Wenn alle Fürstentümer, Herrschaften, Gewalten, Throne überwunden und aufgehoben sein werden, wenn der Dualismus auch in dem geringsten Bestand beseitigt sein wird, wenn Theokratie in der letzten Konsequenz Wirklichkeit sein wird, dann ist Reich Gottes! (1Kor 15:24-28). Reich Gottes ist nur dann und nur da, wo Gottes Wille: „Ich bin der Herr“, nicht nur auf Erden, sondern auch in allen Himmeln widerspruchslos anerkannt, erlebt und erfüllt wird. „Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“

Dieses Ziel sah Gott, als er den ersten Menschen erschaffen, und ihn in die von Satan beherrschte Welt gestellt hatte. Das alttestamentliche Wort: „Seid fruchtbar und mehret euch, und erfüllet die Erde, und machet sie euch untertan, und herrschet über Fische im Meere und über Vögel unter dem Himmel und über alles Tier das auf Erden kreucht“ (1Mo 1:28) ist die nicht anderes als Reichsbestimmung!*

* Das ist die erste Stelle der Bibel, die die göttliche Zielsetzung: Reich Gottes, direkt ausspricht. - Gottes Reichswille und Reichsbestimmung liegt indirekt schon in dem Wort: „Und der Geist Gottes brütete über den Wassern.“

Herrschaft sollte der Mensch aufrichten! Nicht nach seinem Willen, sondern nach dem Willen Gottes. Gottesherrschaft sollte es also werden! Unter den Herrschaftswillen Gottes sollte der Mensch alles bringen, das noch unter einer anderen Oberhoheit stand, nämlich unter der des „Fürsten dieser Welt“. Alle Kreatur der Luft, der Erde und des Wassers sollte aus der satanischen Macht befreit werden. Pauli Überzeugung: „Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes .... Denn auch die Kreatur frei werden wird von dem Dienst des vergänglichen Wesens zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes“ (Röm 8:19-21), war da schon Plan und Absicht Gottes.

Das war eine wunderbare Aufgabe, die der Mensch Gott gegenüber zu erfüllen hatte. Das war ein herrlicher Beruf, in den er gestellt wurde. Er war der Wegbereiter des kommenden Reiches Gottes. Noch mehr, er sollte sogar nach dem Willen und der Kraft Gottes alle Fremdherrschaft überwinden. Im einzigartigen Sinne war er „Botschafter“ des Gottesreiches im Reiche Satans.

Was traf jedoch ein? Anstatt dass der Mensch „herrschte“, wurde er bald beherrscht. Der „Reichsbotschafter“ ist seiner „Regierung“ untreu geworden. Aus dem Botschafterdienst wurde ein Verräterdienst. Welche Schmach! -

Gottes Ziel bleibt unverändert

Sein Reich muss ihm doch werden. „Dein ist das Reich. Dein ist die Kraft. Dein ist die Herrlichkeit“ Das wird und bleibt so, wenngleich bis dahin große Umwege gemacht werden und Jahrtausende vergehen. Was sind Raum und Zeit vor Gott? Was der erste Adam nicht erreicht hat, das wird der zweite bestimmt vollführen: Reich Gottes!

„Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Derselbe soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen“ (1Mo 3:15). Die satanische Freundschaft, die durch den Fall des ersten Adam zustande gekommen ist, soll noch einmal Feindschaft werden. Der zweite Adam wird dem Sündenherrscher den restlosen Garaus machen, denn er wird ihm den Kopf zertreten.

Wenn der Kopf vernichtet ist, dann ist auch der Leib getötet. Wenn der Fremdherrscher beseitigt ist, dann ist auch die Fremdherrschaft erledigt. Wenn der rivale Könige besiegt ist, dann ist auch das rivale Königreich überwunden. Und dann bleibt zuletzt nur ein Reich Gottes!*

*Das ist die zweite Stelle der Bibel, an der Gott seinen unwiderruflichen Reichswillen in Worten zum Ausdruck bringt.

Fortan geht’s und bleibt’s in diesem Bewusstsein, nämlich im Reichsbewusstsein. Versagen die vielen Träger des Reichswillens Gottes, nun, dann versagen sie. Gott findet aber immer noch einen „Überrest“, der seine Reichsbestimmung trägt. So war es mit Noah (1Mo 9:1.2), so war es mit Abraham (1Mo 12:3b), so war es weiterhin mit jedem, der sich Gott restlos zur Verfügung stellte.

Als die Zeit der Reichsaufrichtung näher rückte, traten immer mehr Menschen auf, die das Kommen des Gottesreiches kündeten. Jesaja sagt in aller Deutlichkeit: „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ist auf seiner Schulter; und er heißt Wunderrat, Kraftheld, Ewigvater, Friedefürst. Auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Stuhl Davids und in seinem Königreich ....“ (Jes 9:5.6). Die weiteren Propheten haben nichts anderes zu bezeugen als das Kommen des Reiches Gottes. Erwähnt sei nur noch der Ausspruch des Daniel: „Aber zur Zeit solcher Königreiche wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird; und sein Königreich wird auf kein anderes Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zerstören; aber es wird ewiglich bleiben“ (Dan 2:44).**

** Die Unterscheidung zwischen Reich Christi und Reich Gottes übergehen wir zunächst.

Beginn des Gottesreiches

Das Zeugnis vom Reiche Gottes wird immer dringender. Viele in Israel erwarten den Messias, der das Reich aufrichten soll. Endlich ist es so weit. Die Hirten auf dem Felde erhalten eine herrliche Botschaft: „Fürchtet euch nicht. Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volke widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids ... Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“ (Lk 2:10-14). Sternkundige in fernen Landen erhalten das Zeichen vom neugeborenen „König“. Simon hält das Jesuskindlein in den Armen und spricht: „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, welchen du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel“ (Lk 2:29-32). Johannes predigt nach einigen Jahren: „Tut Buße, denn das Königreich des Himmels ist nahe herbeigekommen“. Andere sprechen: „Komm und sieh es“. Jesus bezeugt: „Das Königreich des Himmels ist mitten unter euch." Die wartenden Jünger fragen wiederholt: „Wann wirst du aufrichten das Reich?“ Und wenn der Messias auch ans Kreuz geht, dennoch setzt ihm Pilatus die Überschrift: „Jesus von Nazareth, der Juden König.“

Nach den bangen Tagen des Golgathageschehens* ist der Tag des Reichsanbruchs endlich da! Petrus, erfüllt vom Geiste Gottes, tritt auf und zeugt gewaltig: „Das ist’s das durch den Propheten Joel zuvor geweissagt ist: Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, ich will ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch. Eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Ältesten sollen Träume haben. Und auf meine Knechte und Mägde will ich in denselben Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen. Und ich will Wunder tun oben am Himmel und Zeichen unten auf Erden, Blut und Feuer und Rauchdampf. Die Sonne soll sich verkehren in Finsternis und der Mond in Blut, ehe der große und offenbarliche Tag des Herrn kommt. Und soll geschehen, wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll selig werden“ (Apg 2:16-21). Petrus deutet damit an, dass das Reich Christi nunmehr da sei, und nach angezeigten Gerichtsereignissen dann auch der „Tag des Herrn“ offenbar werde.

* Bezeichnend ist die Unterredung der Emmausjünger: „Wir aber hofften, er sollte Israel erlösen.“ Erlösung Israels ist gleichbedeutend mit Reichsaufrichtung!

Das Zeugnis des Petrus wird tatsächlich bestätigt! Die Joelweissagung geht in Erfüllung! Tausende werden vom Geist Gottes erfasst und wenden sich aufrichtig zu Gott. Zeichen und Wunder werden ebenfalls offenbar. Das weitere schnelle und kraftvolle Anwachsen der gläubigen Schar (Apg 2:41-47; Apg 4:6.7), vor allem aber das kraftvolle Eingreifen des Herrn bei der Sünde des Ananias und der Saphira legen den Gedanken an ein beginnendes „Gottesreich auf Erden“ nahe. Alle Geschehnisse zeigen dieses deutlich an. Jubelnd kann darum Petrus mit Recht sagen: „Das ist’s!"

Ist das Reich Gottes nun da?

Kurze Zeit nach der Reichsverkündigung (Reichsproklamation) erhält Petrus durch Gesichte vom Herrn die Weisung, das Zeugnis vom Heil in Christus den Heiden zu bringen. Petrus sagt zuerst: „O nein, Herr“ (Apg 10:14). Unfassbar war es ihm und allen Judenchristen, dass nun auch schon die Heiden das Heil empfangen können: „Und die Gläubigen aus der Beschneidung, die mit Petrus gekommen waren, entsetzten sich, dass auch auf die Heiden die Gabe des heiligen Geistes ausgegossen ward“ (Apg 10:45). Erst sollte Israel gewonnen werden und dann durch Israel auch die Heiden! Das war ihre alttestamentliche, berechtigte Heilsanschauung: „Diese Zwölf sandte Jesus, gebot ihnen und sprach: Gehet nicht auf der Heiden Straße, und ziehet nicht in der Samariter Städte, sondern gehet hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel. Wenn sie euch aber in einer Stadt verfolgen, so fliehet in eine andere. Wahrlich ich sage euch: Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen, bis des Menschen Sohn kommt“ (Mt 10:5.6.23). - Das was jetzt geschehen soll, liegt nicht mehr auf der Reichslinie!

Die Verfolgung in Jerusalem setzt ein und nimmt ungeahnte Formen an. Christen werden geschmäht, bedrängt, drangsaliert, gesteinigt, getötet. Das Zeugnis von Christus wird verboten! Ist das Reichsgeschehen?

Indes wirken Paulus und Barnabas unter den Heiden und haben - herrliche Erfolge! Heiden bekehren sich zu Christus, und die Juden, die Kinder der Reichs, - hassen Christus! Sind das Reichsgeschehen?

Paulus und Barnabas werden nach Jerusalem beordert, um Rechenschaft abzulegen über ihre reichswidrigen Machenschaften. Auf dem Apostelkonzil setzt eine scharfe Diskussion ein (Apg 15). Man tadelt Männer, die den Reichsanbruch aufhalten, und damit eine unübersehbare Schuld auf sich laden. Paulus wird gewiss der schwere Vorwurf gemacht, dass er durch seine eigenmächtige Handlungsweise das angebrochene Reich Gottes stört und aufhält.

Wie rechtfertigt Paulus sein Verhalten? Wahrscheinlich wird er der kritischen Versammlung Ähnliches gesagt haben, was er in seinen Briefen an die Epheser, Kolosser und Römer geschrieben hat: „Welches nicht kundgetan ist in den vorigen Zeiten den Menschenkindern, als es nun offenbaret ist ... (Eph 3:5). Und zu erleuchten jedermann, welche da sei die Gemeinschaft des Geheimnisses, das von der Welt her in Gott verborgen gewesen ist ... (Eph 3:9). Nämlich das Geheimnis, das verborgen gewesen ist von der Welt her und von den Zeiten her, nun aber ist es offenbaret seinen Heiligen (Kol 1:26). Dem aber, der euch stärken kann laut meines Evangeliums und Predigt von Jesu Christ, durch welches das Geheimnis offenbaret ist, auch kundgemacht ...“ (Röm 16:25.26).

Das angebrochene Reich Gottes erleidet einen Aufschub.* Ein Geheimnis, wird durch Paulus offenbar, nämlich die Herausbildung der verborgenen Gemeinde Christi! Der Aufschub des Gottesreiches ists nötig, damit durch die Gemeinde Christus seine „Fülle“ erlange. - Die Gemeinde ist ja sein Leib!

* Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Die Auferbauung der Gemeinde

Fortan sprechen die Apostel nicht mehr soviel vom bestehenden Reich, sondern vom Kommen des Reiches, dem die Auferbauung der Gemeinde vorausgehen muss. Gemeindedarstellung und Gemeindezeugnis stehen von jetzt ab im Vordergrund. Auch Petrus, der mit solcher Begeisterung das angebrochene Reich bezeugt hat, spricht jetzt vom Warten auf das Reich. „Dass ihr wartet und eilet zu der Zukunft des Tages des Herrn, in welchem die Himmel vom Feuer zergehen, und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden. Wir warten aber eines neuen Himmels und einer neuen Erde, nach der Verheißung, in welchen Gerechtigkeit wohnet.“ (2Petr 3:12-13).

Schwer ging dem Petrus, der ein echter Reichsmann war, diese wesentlich veränderte Lehre ein: „Und die Geduld unseres Herrn achtet für eure Seligkeit; als auch unser lieber Bruder Paulus nach der Weisheit, die ihm gegeben ist, euch geschrieben hat, wie er auch in allen Briefen davon redet, in welchen sind etliche Dinge schwer zu verstehen, welche die Ungelehrigen und Leichtfertigen verdrehen, wie auch die anderen Schriften, zu ihrer eigenen Verdammnis“ (2Petr 3:15-16).

So kam es vom Reichsbewusstsein zur Gemeindeerkenntnis. Bei den Aposteln waren diese Fragen endgültig geklärt. Für sie war es nunmehr abgemacht, dass erst die Gemeinde zu ihrer „Fülle“ gelangen soll, und dann kann das Reich kommen. „Ich will euch nicht verhalten, liebe Brüder, dieses Geheimnis, auf dass ihr nicht stolz seid. Blindheit ist Israel zum Teil widerfahren, solange bis die Fülle der Heiden eingegangen sei ....! (Röm 11:25). Dieses Wort des Paulus spricht deutlich von dem Aufschub des Reiches und von der Auferbauung der Gemeinde. Die Gemeindezeit ist im Reichsgeschehen eine sehr wesentliche Einschaltung, die nicht übersehen werden darf!

Wo stehen wir?

Etwa im Reichsbewusstsein und nicht in der Gemeindeerkenntnis? Leider wissen heute noch sehr viele vermeintlich biblisch ausgerichtete Menschen mit diesen klaren Linien nichts anzufangen. Für sie ist Reich gleichbedeutend mit Gemeinde und Gemeinde gleichbedeutend mit Reich. Was Wunder, wenn sie aus den Widersprüchen der Bibel nicht herauskommen. - Nein, die Widersprüche liegen nicht in der Bibel, sondern in den unklaren Lesern.

Ist diese Klarlegung so lebenswichtig? Ganz gewiss! Man erkenne doch die Verschiedenartigkeit der beiden Wege! Der Reichsweg ist ein Glanz- und Höhenweg. Auf ihm offenbaren sich universale Gottessiege und triumphale Überwindungen. Dagegen ist der Weg der Gemeinde der Golgatha- und Leidensweg, auf dem die passionellen Merkmale vorherrschend sind. Pauli Wort: „Nun freue ich mich in meinen Leiden, dass ich für euch leide, und erstatte an meinem Fleisch, was noch mangelt an Trübsalen in Christo, für seinen Leib, welcher ist die Gemeinde“ (Kol 1:24), gehört hierher. Wer das begriffen hat, der versteht’s, warum wir leiden müssen und nicht triumphieren können. Der versteht auch, warum heute nicht Scharen zu Christus kommen, sondern „Etliche“, wie Paulus es feststellt. - Folge auch du vom Reichsbewusstsein zur Gemeindeerkenntnis, es erscheinen dir die Bibel und die gegenwärtigen Heilswege Gottes in einem anderen Licht.*

* Sind die furchtbaren Auswirkungen der Hierarchie und die entsetzlichen Erscheinungen der Inquisation der vergangenen Zeit nicht zurückzuführen auf das falsche Reichsbewusstsein? Und bis auf den heutigen Tag geschieht noch viel Unheil in Lehre und Leben, nur weil man die göttlichen Wege verwechselt.

Lies weiter:
2. Klärung des Gemeindebegriffs