Erwählt vor Grundlegung der Welt

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Abschrift der Sammlung: Prophetische Traktate - Band 2
von Friedrich Malessa 1895-1981

Mit freundl. Genehmigung von Joh. Ullmann
Als Abschrift dort noch erhältlich.

Siehe weitere Abschriften

Inhaltsverzeichnis Band 1
Inhaltsverzeichnis Band 2

70. Erwählt vor Grundlegung der Welt

Die Erwählung vor Grundlegung der Welt (Eph 1:4) wird verschieden verstanden. Darum wird sie auch verschieden bezeugt. - Es ist sehr bedauerlich, dass gerade dieses herrliche Vornehmen Gottes so verschieden gesehen und bewertet wird. Wie kann das angehen? Nur weil man dieses Erwählungsgeschehen am falschen Platz und im falschen Verhältnis sieht.

Die göttliche Erwählung vollzieht sich in zwei Vorgängen: Heils-Erwählung und Heils-Dienst-Erwählung. - Im Grunde genommen ein Heilsgeschehen (= Heil), nur mit dem doppelten Vorgang: Erleben und Ausleben. Oder: Gabe und Aufgabe. Der Ausdruck Erwählung ist zur Hauptsache für die Diensterwählung (= Erwählung zum Dienst) angewandt. - Man nehme die Konkordanz zur Hand und stelle fest, wie die Heilszeugen zu ihren Diensten erwählt worden sind. Allerdings ist hierbei eine große Mannigfaltigkeit festzustellen, weil in den göttlichen Heils-Zeiten viele Personen, Nationen und Körperschaften zu den Heilsdiensten berufen sind. Dagegen die Erwählung zum Heil ist einmalig und eindeutig und wird in einem gleichmäßigen Geschehen gesehen.

Allgemeine Erwählung

Die Eindeutigkeit der allgemeinen Erwählung zum Heil wollen wir zuerst feststellen und führen zum Beweis eine kleine Reihe von Bibelstellen an:

  1. „Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen“ (Tit 2:11).
  2. “Denn solches ist gut und angenehm vor Gott, unserem Heiland, welcher will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen" (1Tim 2:3.4).
  3. “Aber die Schrift hat alles beschlossen unter die Sünde, auf dass die Verheißung käme durch den Glauben an Jesum Christum, gegeben denen, die da glauben“ (Gal 3:22).
  4. “Derselbe ist die Versöhnung für unsere Sünden; nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt“ (1Jo 2:1.2).
  5. “Wie nun durch eines Sünde die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, also ist auch durch eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen“ (Röm 5:18).
  6. “Denn gleichwie sie in Adam alle sterben, also werden sie in Christo alle lebendig gemacht“ (1Kor 15:22).
  7. “Denn des Menschen Sohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, das verloren ist“ (Lk 1:10).
  8. “Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt“ (Joh 1:29).
  9. “Denn wir verkündigen und vermahnen alle Menschen und lehren alle Menschen mit aller Weisheit, auf dass wir darstellen einen jeglichen Menschen vollkommen in Christo Jesu“ (Kol 1:28).
  10. “Und zwar hat Gott, die Zeit der Unwissenheit übersehen; nun aber gebeut er allen Menschen an allen Enden, Buße zu tun“ (Apg 17:30).
  11. “Denn Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung“ (2Kor 5:19).
  12. “Denn das ist das Wohlgefallen gewesen, dass in ihm alle Fülle wohnen sollte und alles durch ihn versöhnt würde zu ihm selbst, es sei auf Erden oder im Himmel, damit, dass er Frieden machte durch das Blut an seinem Kreuz durch sich selbst“ (Kol 1:19.20).
  13. “Das ist gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort, dass Jesus Christus ist gekommen in die Welt, die Sünder selig zu machen, unter welchen ich der vornehmste bin“ (1Tim 1:15).
  14. “Ihr seid das Salz der Erde ... Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5:13.14).

Das ist ein kleine Auswahl Bibelstellen, die klar bezeugen: „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde“. Christus ist der Heiland aller! Es ist unter den Menschen niemand da, der von der Heils-Erwählung ausgeschlossen wäre. Selbstverständlich alle, die an Christus glauben. Aber für alle Menschen steht dieser Glaubens- und Heilsweg offen. - Es ist ein großer Irrtum, meinen, und sagen zu wollen, es seien nur gewisse Menschen zum Heil erwählt. Nein, das Heil Gottes in Christus steht allen, allen und nochmals allen Menschen zu. „Auf das alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ - Freilich, wer nicht glaubt oder nicht glauben will, der hat die Folgen des Unglaubens zu tragen. Nicht weil Gott ihn aus seinem Erwählungsprogramm ausschließt, sondern weil er die ihn betreffende Heilserwählung missachtet. An dem Fall ins Unheil und an dem „Unheils-Verfall“ ist als nicht Gott schuldig, sondern allein der Mensch. Er missachtet die Gnadenwahl und die Gnadenvollführung Gottes. „Von seiner Fülle haben alle genommen Gnade um Gnade“ (Joh 1:16). Wer zu den „allen“ absichtlich nicht zählen will, der verfällt dem Gericht, ohne sich hernach auf einen Entschuldigungs- und Rechtfertigungsgrund berufen zu können. Der war und ist schuldig, und steigert seine Verschuldung ins Unermessene, weil er obendrein laufend ein Gnadenschmäher bleibt. Nochmals gesagt: „Auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern ...“ Die Heils-Erwählung macht keine Ausnahmen. Alle, ob „Juden oder Griechen“, haben das Vorrecht der Erwählung zum Heil. Wer an das Heil in Christus glaubt, der ist erwählt.

Erwählung zum Heilsdienst

Etwas anders sieht es bei der Erwählung zu den Heilsdiensten aus. Wie schon oben angedeutet, wird das Wort Erwählung zur Hauptsache für die Heils-Dienste verwandt. Dass die Heilsdiener und die Heilsdienste so mannigfach dargestellt sind, liegt in der stufenmäßigen und zeitenumfassenden Heilsvollführung begründet, denn das Heilsgeschehen begann (mindestens vorsehungsmäßig) gleich am Anfang des Sündenfalls. Zuerst waren es göttliche Heilseingriffe. Dann waren es einzelne Menschen, die mit dem Heilszeugnis beauftragt waren. Schließlich wurde dazu eine Nation (später Körperschaft) berufen. Siehe das erwählte Volk Israel. Mit Heilssymbolen und auch mit Heilsbezeugungen hat dieses Volk seinen Heilsauftrag in der Welt des Unheils erfüllen müssen. Ob diese Auftragserfüllung immer echt war, ist nicht ausschlaggebend. Aber alle diese Erwählten waren zu ihren Diensten erwählt. Schließlich kam die Vollführung in und durch Christus. „Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns. Und ...“ (Joh 1:14).

Von da an besteht der eindeutige und ganz klare Auftrag: „Ihr sollt meine Zeugen sein.“ Und: „Gehet hin in alle Welt!“ Diese Heils-Dienst-Erwählung ist die Grundforderung der Bibel an alle, die in der Heils-Erwählung stehen. Sonderlich nach dem Golgathageschehen gipfelt der Heils-Dienst-Gehorsam in dem Bekenntnis: „So sind wir nun Botschafter an Christi Statt und vermahnen: Lasst euch versöhnen mit Gott“ (2Kor 5:20). - Heils-Erwählung und Heils-Dienst sind auf einer Linie und doch unterschiedlich wie Nehmen und Geben. Aber, wer nimmt, der gibt!

Erwählung in Christus

Zuletzt kommen wir auf eine Dienst-Erwählung zu sprechen, die als eine Spezialerwählung angesehen werden muss: Erwählt vor Grundlegung der Welt. Schon die Anzeige, dass es sich hier um eine Ur-Erwählung handelt, lässt erkennen, dass das eine Sondererwählung ist. Als solche muss sie gesehen werden. Andernfalls kann es schwere Verwechslungen und Missdeutungen geben.

Ganz sonderbar ist es, dass die Ur-Erwählung (= vor Grundlegung der Welt) nur von Paulus bezeugt wird. Lässt uns diese Tatsache nicht aufmerken? Wenn nur Paulus von dieser Ur-Erwählung spricht oder sprechen darf, dann ist es wohl richtig und wichtig, dass wir zu erfragen suchen, wer ihm dazu den Auftrag gegeben hat. Paulus stellt sich als der Beauftragte uns so vor: „Mir, dem allergeringsten unter allen Heiligen, ist gegeben diese Gnade, zu verkündigen den unausforschlichen Reichtum Christi und zu erleuchten jedermann, welche da sei die Gemeinschaft des Geheimnisses, das von der Welt her in Gott verborgen gewesen ist ... Das Geheimnis ist groß; ich sage aber von Christus und der Gemeinde“ (Eph 3:8-11; Eph 5:32). - Höre: Paulus ist ein Offenbarer, d.h. er hat nach dem Willen Gottes kundzutun die Ekklesia, die vor Grundlegung der Welt in Gott verborgen gewesen ist, nun aber zur Darstellung und Vollführung kommt unter den Nationen. Merken wir uns: Hier ist eine Offenbarung eines göttlichen Geheimnisses vor Grundlegung der Welt. Das muss etwas ganz Erhabenes und Gewaltiges sein. In dieser Schau hatte Paulus die Ur-Erwählung darzulegen mit den Worten: „Wie er uns denn erwählt hat durch denselben, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir sollten ...“ (Eph 1:4) Merken wir uns die Tatsache: Die Erwählung „vor dem Niederwurf der Welt“ (nach Knoch) betrifft allein die Ekklesia. Und da ist nicht nur die Heils-Erwählung festzustellen, sondern vornehmlich die Dienst-Erwählung. Hier leuchtet eine neue (auch uralte) Perspektive auf, die wir bescheiden mit den Worten: „Ekklesiale Erwählung“, d.h. Herauswahl-Erwählung bezeichnen können.

Paulus gibt dieser ekklesialen Erwählung noch eine besondere Beleuchtung mit den Worten: „... unter den Nationen zu verkündigen den unerforschlichen Reichtum Christi!" Es geht also letztlich nicht um den Reichtum der Ekklesia, sondern um den unerforschlichen Reichtum Christi mit der Ekklesia. Die Bedeutung des „unausforschlichen Christus“ für die Nationen gibt Paulus mit den Worten an: “Denn welche er zuvor (höre: zuvor) ersehen hat, die hat er auch verordnet, dass sie gleich sein sollten dem Ebenbild seines Sohnes, auf dass derselbe Erstgeborene sei unter vielen Brüdern“ (Röm 8:29). Mit Erstaunen stellen wir fest, dass die Ekklesia es korporativ, d.h. absolut verkörpert mit dem unausforschlichen Christus, mit dem Heilsvollführer, mit dem Heiland zu tun hat, denn: Sie wird ihm „gleichgestaltet“! Sie (die Glieder seines Leibes) sind „Brüder des Erstgeborenen“. - Wahrhaftig, unausforschlicher Reichtum in Christus.

Zweck der Gleich-Gestaltung

Welchen Zweck hat diese Gleich-Gestaltung? „Und (Gott) hat alle Dinge unter seine (Christi) Füße getan, und hat ihn gesetzt zum Haupt der Gemeinde (Ekklesia) über alles, welche da ist sein Leib (Körper), nämlich die Fülle (Pläroma) des, der alles in allen erfüllt“ (Eph 1:22.23). Hier bezeugt Paulus den Fülle-Christus, der nach seiner Füllewerdung durch die Ekklesia alles in allen wird! - Darauf kommen wir noch zu sprechen. Zunächst wollen wir auf einige Verhältnisse in der Zeit dieser Vollführung hinweisen.

Die „ekklesiale Erwählung“ war bei den ersten Christen völlig neu. Sie waren bereits in der Sondererwählung, aber die haben sie nicht begriffen. Darum gab es auf dem Apostelkonzil heftige Debatten. Wir lesen: „Da man sich aber lange gestritten hatte, stand Petrus auf und sprach: Ihr Männer, liebe Brüder, ihr wisst, dass Gott lange vor dieser Zeit (vor Grundlegung der Welt) unter uns erwählt hat, dass durch meinen Mund die Heiden (Nationen) das Wort des Evangeliums hörten und glaubten“ (Apg 15:7). - Jawohl, auch Petrus hat nunmehr nach der paulinischen Enthüllung des „unausforschlichen Reichtums Christi“ die streitenden Brüder belehren müssen, dass die göttliche Erwählung „lange vor dieser Zeit“ die Herauswahl aus den Nationen betrifft. So kam auf dem ersten Apostelkonzil die ekkklesiale Erwählung zum „Beschluss“.

Übersehen wir nicht die Tatsache. Hier handelt es sich um eine Ur-Erwählung nicht nur zum Heil, sondern vornehmlich zum Heils-Dienst. Und zwar zum Heilsdienst des Fülle-Christus, denn dieser Fülle-Christus ist zur Heils-Fülle-Vollführung da.

Diese Dienst-Erwählung vor Grundlegung der Welt hat eine zweifache Bestimmung: Zu Christus hin und dann mit Christus her! Der ekkelesiale Dienst zu Christus hin ist vielen Christsen heute noch so verborgen wie den ersten Christen in Jerusalem, die auf dem Konzil diese von Paulus dargelegten Dinge ablehnten. Dabei ist der heutige Heilsdienst tatsächlich nur zu Christus hin. Höre: „Dass die Heiligen zugerichtet werden zum Werk des Dienstes, dadurch der Leib Christi erbauet werde“ (Eph 4:12). Christus muss zu seiner Fülle, zu seinem Vollmaß gelangen durch die Ekklesia, welche da ist sein Körper. Also, die Dienste, die in der Auferbauungszeit des Leibes Christi geschehen, sind buchstäblich Herauswahldienste aus der Welt und Hineinwahldienste in den Christus! Der Körper des Christus, der jetzt ersteht, muss die entsprechende Lösung von der Welt haben, um dann die nötige Lebensbindung in der Körperschaft zu dem Haupt hin zu erlangen. Das sind grundlegende Erwähltendienste in der gegenwärtigen Zeit: Heraus aus der Welt, hinein in den Christus!

Auferbauung des Leibes Christi

Wir sehen, wie diese vor Grundlegung der Welt festgelegten Heilsdienste auch heute (und gerade heute) übersehen und vernachlässigt werden. Ist man unter den Gläubigen wirklich bemüht um die radikale Lösung von der Welt, und dann um die absolute Bindung untereinander, d.h. um die Lebenseinheit des Leibes Christi? Wenn wir uns diese göttliche Dienstbestimmung der Erwählten ansehen, dann stellen wir noch ein großes Manko fest. - Man bedenke, dass die ekklesiale Erwählung die „Auferbauung des Leibes Christi“ bedeutet. Und da ist der Doppeldienst von ausschlaggebender Bedeutung: Heraus- Hinein.

Auf gleicher Linie, aber noch in erhöhtem Zustand, ist die Diensterwählung in Christus. Endgültig werden die Dienste mit dem Fülle-Christus folgenden Charakter tragen: „Wisset ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden? ... Wisset ihr nicht, dass wir über die Engel richten werden?“ (1Kor 6:2.3). Jawohl, das werden die Dienste derer sein, die „vor dem Niederwurf der Welt“ erwählt sind für den Fülle-Christus, der nach seiner Füllewerdung (zufolge der Hinrückung der Ekklesia zu ihm) wiederkommen wird „mit seinen Heiligen“, um die Heilsdienste zu vollführen im Hin-Richten und Her-Richten. Das sind Dienste des Fülle-Christus dereinst im Vollmaß, jetzt aber mindestens in der klaren Anbahnung.

Diese Heilsdienste, vollführt durch den Fülle-Christus, sind ein verborgener, uralter Ratschluss Gottes. Er ist so erhaben und so hoch, dass Paulus nur von dem „unerforschlichen Reichtum Christi“ zu sagen wusste. Aber das ist der Wille Gottes, des Vaters, dass sein Sohn durch die Ekklesia, die jetzt in der Auferbauung ist, die vorgesetzte „Fülle“ erlange, in der Er dann alles in allen erfülle. „O welch eine Tiefe des Reichtums, beide, der Weisheit und Erkenntnis Gottes. Wie ....“ (Röm 11:33-36). Das ist die Erwählung vor Grundlegung der Welt.

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71. Der Mensch und das Weltall