Durch die Propheten

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Abschrift des Buches: Heilsgeschichtliche Entfaltung im Neuen Testament
Verfasser: E. W. Bullinger (1874)

Herausgeber:
Manfred Mössinger, 76307 Karlsbad, Eigenverlag (1993)
In englischer Sprache:
The Foundation of Dispensational Truth

Weitere Bücher unter: Abschriften

Inhaltsverzeichnis des Buches
Kapitel davor:
I. Gott hat geredet

1. Vielfach und auf vielerlei Weise

2. Durch die Propheten

Hebr 1:1

Was kann es Wichtigeres auf der Welt geben, als dass Gott geredet und sich den Menschen zu erkennen gegeben hat?

Es gab keinen Grund, warum er so hätte handeln sollen. Er war dazu nicht verpflichtet. Es gab auch keine Notwendigkeit, es zu tun. Alles hätte weiter so gehen können, wie es ging. Die Geschichte wäre vielleicht nicht anders verlaufen. Der einzige Unterschied wäre gewesen, dass die Menschen in völliger Unwissenheit geblieben wären über viele große und wichtige Dinge, und völlig unfähig, sie zu verstehen oder zu erklären.

So ist es heute bei allen, die entweder von dieser wichtigen Tatsache, dass Gott geredet hat, gar nichts wissen, oder die nicht glauben, was er geredet hat.

"Der Glaube kommt aus dem Hören, das Predigen aber aus dem Wort Christi" (Röm 10:17).

Der Glaube an das, was Gott geredet hat, ist notwendig, denn: "Im Glauben begreifen wir, dass die Äonen einem Ausspruch Gottes gemäß aneinander gefügt wurden, so dass das für unsere Augen Sichtbare nicht aus sich selbst entstand und darum auch nicht von seiner äußeren Erscheinung her erklärt werden kann." (Hebr 11:1). - Oder, wie es jemand treffend ausgedrückt hat: "Die Dinge sind nicht immer, was sie scheinen."

Wie gnädig und wunderbar ist es deshalb, dass Gott geredet hat und dem Menschen die geheimen Ursprünge der Geschichte offenbart hat, so dass wir etwas wissen von den Zeitaltern oder Phasen ("Haushaltungen"; zu dem Wort 'Phase' siehe das Vorwort zur deutschen Ausgabe) und verstehen, wie sie nacheinander folgten. Dadurch erhalten wir ein wenig Einblick in die Grundsätze seines Waltens in jeder Phase.

In den frühesten Zeitaltern redete Gott direkt zu einzelnen Menschen; so zu Adam, zu Noah, zu Abraham und anderen. Aber wenn er zu den Menschen insgesamt redet, zu Völkern oder zu allen, dann spricht er immer durch andere Menschen. Durch wen aber hat er geredet? Heilige Menschen Gottes haben geredet, getrieben von dem heiligen Geist (2Petr 1:21). - Vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise

REDETE GOTT DURCH DIE PROPHETEN. Die große, herausragende Tatsache in diesen Worten ist: Er redete

NICHT DURCH DIE PRIESTER. Nein! Denn Propheten sind BERUFEN, nicht ernannt. Berufen von Gott, nicht ernannt von Menschen, nicht "von Händen gemacht." Der Prophet ist Gottes Sprecher, und niemand kann ein Sprecher eines anderen sein ohne von dem, der ihn sendet, berufen, bestimmt und berechtigt zu sein. Außerdem muss er darüber instruiert sein, was er im Namen dessen, der ihn berufen und gesendet hat, reden und ausrichten soll.

Nicht durch Priester

Gottes Sprecher zu sein gehörte nicht zum Amt des Priesters. Dessen Aufgaben waren genau festgelegt. Er hatte nicht nur Opfer darzubringen (das ist eine verbreitete Meinung im abtrünnigen Christentum), sondern die Leute darin zu unterweisen, was Gott durch den Propheten bereits geredet hatte. So lesen wir über die Aufgaben der Priester in 5Mo 17:9-11: "... An die Weisung, die sie dir geben, und an das Urteil, das sie dir sagen, sollst du dich halten..." Sie sollten "Israel lehren alle Ordnungen, die der Herr ihnen durch Mose verkündet hat" (3Mo 10:11). Mose war der Prophet, durch den Gott zuerst "zu den Vätern" geredet hatte - zu Seinem Volk Israel, und es war Aufgabe der Priester zu lehren, was sie von Mose gehört hatten.

In 5Mo 33:10, wo die beiden wesentlichen Teile des Priesterdienstes aufgeführt sind, können wir sofort sehen, was der größere und wichtigere ist, nämlich aus der Reihenfolge, in der diese beiden Hauptfunktionen angeordnet sind. Wir lesen da:

1. Sie lehren Jakob deine Rechte und Israel dein Gesetz;
2. Sie bringen Räucherwerk vor dein Angesicht und Ganzopfer auf deinen Altar.

Wir brauchen dem nur gegenüberzustellen, was heute 'Priesteramt der Christen' genannt wird, dann sehen wir, was für ein Ausmaß diese Abtrünnigkeit hat, nach der sogenannte Priester Weihrauch verbrennen und das sogenannte 'Messopfer' darbringen. Sie verhindern nach Kräften, dass die Leute erfahren, was Gott geredet hat. Eigentlich aber sollten sie sie darin unterweisen, was geschrieben steht, damit sie aus Gottes Wort lernen.

In früheren Zeiten haben solche Weihrauch räuchernden Priester die Heilige Schrift verbrannt und die Menschen, die darin gelesen haben. Später haben sie die Schrift durch falsche Übersetzungen verdreht und verdorben. Jetzt zerstören sogenannte Priester sie, indem sie dagegen schreiben, sich zu Richtern über die Heilige Schrift erheben, die Tatsache leugnen, dass Gott durch die Schreiber der Bibel redet und gutheißen, dass unlautere Bibelübersetzungen in Umlauf kommen. Soweit ist der Abfall heutzutage geraten, der ebenso real und schändlich ist wie in den schlimmsten Tagen des Königs Jojakim.

In Wahrheit sind alle Sünden heute raffinierter als früher, aber das natürliche Herz des Menschen ist so böse wie es immer war. Wissenschaftlich ausgeklügeltes Vergiften tritt an die Stelle gewaltsamen Mordens. Räuberei wird abgelöst von raffinierter Kalkulation gewissenloser Geschäftsleute. Die Pistole ist überholt, aber verlogene Werbeprospekte beschaffen das Geld genauso.

Das abtrünnige Christentum heute

So steht es heute auch um das abtrünnige Christentum. Die Bibel wird nicht mehr öffentlich verbrannt; aber sie wird effektiver zerstört durch protestantische Geistliche, die ihre Wunder als Mythen betrachten, ihre Tatsachen als Fabeln, ihre Schreiber als Fälscher. Und dafür werden sie noch bezahlt!

Die Priester waren zu allen Zeiten gleich. Esra ist die einzige Ausnahme, von der berichtet wird. Und der Wortlaut des Berichtes erscheint von Gott angelegt. Er ragt auffallend heraus als das Vorbild eines Priesters. Nichts wird uns von ihm berichtet über Opfer oder Verbrennen von Weihrauch. Aber das lesen wir:

"Er war ein Schriftgelehrter, kundig im Gesetz des Mose, das der Herr, der Gott Israels, gegeben hatte" (Esr 7:6). "Und Esra, der Priester, brachte das Gesetz vor die Gemeinde, Männer und Frauen und wer's verstehen konnte.... und er las daraus... vom lichten Morgen an bis zum Mittag... und die Ohren des ganzen Volkes waren dem Gesetzbuch zugekehrt... und Esra tat das Buch auf vor aller Augen... und sie legten das Buch des Gesetzes Gottes klar und verständlich aus, so dass man verstand, was gelesen worden war." (Neh 8:2.3.5.8).

Ja, Esra war wahrhaft Priester. Wenn alle Priester so gehandelt hätten wie er, dann wäre es nicht zur Abtrünnigkeit gekommen. Israel und Juda hätten keine Zerstreuung durchgemacht, und die sogenannte christliche Geistlichkeit würde heute noch das Werk der Reformation weiterhin fördern und wahrhaft 'Diener des Wortes' sein.

Die Abtrünnigkeit, die wir heute überall in den sogenannten 'Kirchen' zu sehen bekommen lässt sich direkt auf diese Ursache zurückführen. Hier haben wir den Punkt, von dem aus all der geistliche und religiöse Verfall herrührt. Das Übel wird allgemein gesehen und bedauert, aber wie wenige erkennen die wahre Ursache und gehen mutig dagegen an!

Man erkennt nicht, dass manche Priester und oft auch Pastoren in doppeltem Sinne menschlich sind: Sie sind von menschlicher Natur und sie sind von Menschen dazu gemacht. Das ist von alters her so. Priester sind 'von Menschenhand gemacht'. In Israel waren sie "geboren aus dem Willen des Fleisches und aus dem Willen eines Mannes" und heute werden sie aus dem gleichen menschlichen Willen gemacht. Das ist der Grund, warum Jahwe nie durch Priester geredet hat, sondern nur durch Propheten.

"Denn des Priesters Lippen sollen die Lehre bewahren, dass man aus seinem Munde Weisung suche; denn er ist ein Bote des HErrn Zebaoth" (Mal 2:7).

Priester sollten dankbar sein, dass sie nicht ganz ausgeschlossen sind davon, den göttlichen Ruf zu empfangen, Gottes Sprecher zu sein.

Propheten sind Berufene

Jeremia und Hesekiel waren Priester, die diesen Ruf bekamen, aber Abraham auch, und der war ein Patriarch. (1Mo 20:7) und David ebenfalls, der war ein König (Apg 2:30.31) und Daniel, ein Fürst (Dan 1:3) und auch Elisa, ein Pflüger (1Kö 19:19) und Amos, ein Hirte (Am 1:1; Am 7:14). Meist waren sie vorher unbekannt. Man wusste nichts von ihnen als den Vaternamen. Und es gab Prophetinnen und Propheten.

Das Wichtige dabei ist, dass die, zu denen Gott redete, von ihm berufen waren. Niemand sonst konnte sie berufen oder ihnen sagen, was sie ausrichten sollten. Deshalb war der Prophet Sprecher. Im Hebräischen: Mund. Aaron war der Mund des Mose (2Mo 4:16; 2Mo 7:1); und der Prophet war der Mund Jahwes (Hes 3:17). "Ich will... meine Worte in seinen Mund geben" war die Bestimmung Jahwes für den großen "Propheten, wie du (Mose)" (5Mo 18:18). - vergl. 4Mo 23:5.16

Inspiration Gottes

So erklärt Gott die Inspiration. Eine klarere Definition kann es nicht geben. Wie das geschehen ist, lässt sich nicht erklären, so wie die Schöpfung sich nicht erklären lässt. Man kann es im Glauben annehmen, aber nicht mit dem Verstand erfassen. Inspiration ist eine Tatsache wie die Schöpfung auch. Gott, der dem Menschen "den Odem des Lebens in seine Nase blies", ist derselbe Gott, der Menschen inspirierte, die Worte des Lebens zu reden und zu schreiben. Es ist so, wie Petrus in Apg 1:16 sagte: "... es musste das Wort der Schrift erfüllt werden, das der heilige Geist durch den Mund Davids vorausgesagt hat über Judas..." Es war Davids Mund, aber es waren nicht Davids Worte. David wusste nichts von Judas. Wie hätte er von Judas reden können, tausend Jahre vor dessen Geburt? David sprach von Ahitophel, aber der Heilige Geist sprach durch Davids Mund von Judas; und aus dem gleichen Grunde, weil David ein Prophet war (Apg 2:30.31), sprach er im Ps 16 von der Auferstehung Christi.

Ebenso redete Gott zu Hesekiel: "Du wirst aus meinem Munde das Wort hören und sollst sie in meinem Namen warnen" (Hes 3:17).

So hat Gott vorzeiten vielfach und auf vielerlei Weise geredet zu den Vätern

DURCH DIE PROPHETEN; NICHT DURCH PRIESTER.

Man beachte also: Gott redete, zu den Vätern, d.h. zu den Vorfahren derjenigen, an die der Brief an die Hebräer gerichtet ist. Es war nicht zu Heiden geredet, obwohl sonst vieles über die Heiden gesagt wird. Was gesagt wurde, wurde dem hebräischen Volk gesagt, und betraf Israels eigene frühere Unwürdigkeit und Jahwes Gnade; Israels frühere Herausforderungen und Jahwes Geduld; die sich daraus ergebende Bestrafung Israels und die Zerstreuung, die Jahwe bewirkt hat; Israels künftige Wiederherstellung und Jahwes Herrlichkeit.

Mit anderen Worten: Der Gegenstand von Jahwes Worten an sie war scharf begrenzt auf Israel und auf Jahwes damalige Grundsätze des Regierens. Diese Dinge waren dieser Phase eigen. Daraus ergibt sich, wenn wir diese Leute und diese Grundsätze in die gegenwärtige Phase übernehmen, dann nehmen wir, was Gott durch die Propheten zu den Vätern und über sie redete (d.h. zu und über Israel), und lesen es, als wäre es zu und über uns selbst in der jetzigen Phase geredet. Dieses Verfahren kann nur zu Verwirrung führen.

Weiterhin finden wir diese Verwirrung, wenn zu Israel über die künftige Segnung des Volkes Geredetes auf die derzeitige, echte Segnung der Heiden oder der angelsächsischen Rasse ausgelegt wird!

Die gleiche Verwirrung finden wir, wenn die Prophetie vergeistigt und alles auf die gegenwärtige geistliche Segnung der Gemeinde ausgelegt wird. Dieses letztere System der Auslegung war es, das zu dem vorher genannten geführt hat. Enttäuscht von dieser unwürdigen Betrachtensweise der prophetischen Schriften durch konservative evangelikale Ausleger, die seine wörtlichen Aussagen vergeistigten, suchte man Abhilfe und kam häufig dahin, dass man die wörtliche Bedeutung beibehielt, aber sie auf ein anderes Volk und eine andere Rasse bezog. Wir können die Menschen nur bedauern, die von diesem doppelten Fehler irregeführt sind, denn sie gewinnen nichts und verlieren nur. Sie gewinnen einen Schatten und verlieren die segensreiche Substanz dessen, was Gott später durch Seinen Sohn redete und danach durch die, die Ihn hörten und durch Seinen Knecht Paulus, „den Gefangenen Christi Jesu" (Eph 3:1 u. 2Tim 1:8).

Aber darüber soll erst im nächsten Abschnitt mehr gesagt werden.

Lies weiter:
3. Durch den Sohn