Die vier Wagen

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Die Nachtgesichte des Propheten Sacharja
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Erklärt auf einem Bibelkursus in Langensteinbach vom 21.-31. Januar 1924
Nachgeschrieben, geprüft und ergänzt von Pfarrer Friedrich Take

weitere Abschriften hier:

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor:
8. Das Weib im Scheffelmaß (Sach 5:5-11)

9. Die vier Wagen

  • Sach 6:1-8 (ELB) (1) Und ich hob wieder meine Augen auf und sah: Und siehe, vier Wagen, die zwischen den zwei Bergen hervorkamen! Und die Berge waren Berge aus Bronze. (2) Am ersten Wagen waren rote Pferde und am zweiten Wagen schwarze Pferde (3) und am dritten Wagen weiße Pferde und am vierten Wagen scheckige, starke Pferde. (4) Und ich antwortete und sagte zu dem Engel, der mit mir redete: Was sind diese, mein Herr? (5) Und der Engel antwortete und sprach zu mir: «Diese sind die vier Winde des Himmels, die herauskommen, nachdem sie vor dem Herrn der ganzen Erde gestanden haben. (6) Die schwarzen Pferde, die daran sind, ziehen aus ins Land des Nordens; und die weißen ziehen aus hinter ihnen her; und die scheckigen ziehen aus ins Land des Südens; (7) und die starken ziehen aus.» Und sie trachteten danach hinauszugehen, um auf Erden umherzuziehen. Und er sprach: Geht, zieht umher auf Erden! Da zogen sie auf Erden umher. (8) Und er rief mich an und redete zu mir: Siehe, die, welche ins Land des Nordens ausgezogen sind, lassen meinen Geist Ruhe finden im Land des Nordens.

Das 8. Nachtgesicht

Dieses letzte Nachtgesicht des Propheten Sacharja (Sach 6:1-8) hat manches Verwandtes mit dem ersten. Es schließt an das erste an. Dort sahen wir, befehligt von dem großen Heeresfürsten und -führer, Stoßtrupps. Mit diesem letzten Offenbarungsgebilde erweitert sich wieder der Horizont des Sehers bis an die Ränder der Erde, wie es beim ersten war Sach 1:10. Noch einmal begegnet uns wie zu Anfang und dann so oft, der Dolmetscherengel (Sach 6:4), der das Gesicht deutet. Wiederum sind es eine Anzahl verschiedenfarbiger Pferde, die in dieser Vision wie bei der ersten, eine Rolle spielen. „So kehrt gewissermaßen das Ende in den Anfang zurück“, und wir bewundern den geschlossenen Ring der logischen Reihenfolge dieser vom Geist Gottes offenbarten Gesichte des Sacharja und sehen auch daran, wie der Allmächtige ein Gott absoluter Ordnung ist.

Vergleich mit dem 1. Nachtgesicht

Aber so manche äußere Ähnlichkeit das erste und das letzte Nachtgesicht auch miteinander besitzen, so grundverschieden sind sie doch voneinander. Im ersten Nachtgesicht sahen wir nur Rosse und Reiter, unter Anführung eines Mannes, in einem tiefen, tiefen Tal. Hier erblicken wir rotbraune, schwarze, weiße und falbe (scheckige) Rosse vor vier Kriegswagen gespannt (Jes 66:20). Während die Pferde ihr Dasein keines Menschen Hand verdanken, sind die Kriegswagen Menschenmachwerk. Das soll wohl abschließend darauf hindeuten, dass Gott sich auch menschlicher Werkzeuge bedienen wird bei der Durchführung Seiner Reichsgottespläne auf Erden. Die Ereignisse der letzten Zeit, wie sie in diesem Bilde angedeutet werden, werden nicht etwa in zauberhafter, wunderbarer Weise eintreten und den Gang der Welt- und Menschheitsgeschichte ausschalten und lahmlegen, nein, sie werden im Rahmen der allgemeinen Völkergeschichte heraufkommen. Dann werden auch nicht mehr die Nationen, wie uns im ersten Nachtgesicht gezeigt wurde, gleichgültig sein, „stille sitzen“ den Geschehnissen gegenüber, sondern in höchste Erregung geraten. Im Unterschied zum ersten Nachtgesicht sieht hier Sacharja auch nicht die Rosse mit ihren Lenkern von einer Streife über die ganze Erde zurückkehren, sondern im Gegenteil vor ihre Kriegswagen gespannt ausziehen.

Schlüssel zum Verständnis

Wollen wir nun den Schlüssel zum Verständnis des achten Nachtgesichts finden, müssen wir von Sach 6:8 ausgehen. Ähnlich wie schon früher Sach 1:17; Sach 2:4; Sach 3:9.10. Dort wird als Schlusswort dieses ganzen Gesichtes gesagt, dass Gottes Geist endlich zur Ruhe kommen würde, mit anderen Worten, dass der Plan Gottes zur Errettung Israels und aller Nationen zur vollen Durchführung gelangen werde. Dazu aber ist vorgesehen, einerseits die Sammlung des über den ganzen Erdball zerstreuten jüdischen Volkes. Darauf deuten die Wagen in unserer Vision. Denn auf Wagen (Eisenbahnwagen, Autowagen) holt man Leute zusammen. Und andererseits wird in diesem Gesicht zum Ausdruck gebracht, dass über den ganzen Erdkreis katastrophale Gerichte hereinbrechen werden. Des zum Zeichen erscheinen hier mit Rossen bespannte Kriegswagen (ins Moderne übersetzt: Tanks), und diese gehen zwischen zwei ehernen Bergen hervor.

Letzterer Umstand aber lässt darauf schließen, dass damit eben der Gerichtscharakter von großen Bewegungen unter den Völkern in der Endzeit dargestellt werden soll. Denn Erz und Messing sind die Metalle des Gerichts in der Schrift. Deshalb wurde vor den Augen der verdrossenen Israeliten, die wider Gott und Mose geredet hatten, und darum mit dem Gericht von todbringenden Schlangen gestraft wurden 4Mo 21:4ff., eine eherne Schlange auf einer Stange erhöht. Diese eherne Schlange war das Symbol des vollzogenen Gerichts. Wer auf sie bußfertig und im Glauben schaute, brauchte, wenn auch tödlich gebissen, nicht zu sterben.

Auch dass der Brandopferaltar ehern war, hat seinen tiefen Sinn. Denn auf ihm wurde ja das Gericht über die Sünde des Menschen an dem stellvertretenden Tier vollzogen. Jesus offenbarte sich Johannes als der Richter der sieben kleinasiatischen Gemeinden. Denn seine Füße waren wie Messing, das im Ofen glüht, Offb 1:15. So ist Erz oder Metall, Messing, oft in der Sprache der Heiligen Schrift ein Bild für die Gerichtsheimsuchungen Gottes, sowie Silber das Metall des Loskaufs, und Gold das Metall der Verherrlichung ist.

Von Wagen und Winden

Vier Wagen sieht der Prophet, die zwischen den beiden ehernen Bergen hervorgehen, um aus allen vier Windrichtungen die Kinder Israel zusammenzuholen. Ähnlich hat Jesus prophezeit: Mt 24:31: „Des Menschen Sohn wird senden seine Engel mit hellen Posaunen, und sie werden sammeln seine auserwählten Israeliten von den vier Winden, von einem Ende des Himmels zum anderen“.

Die Katastrophen jedoch, die damit verbunden sind, brechen überraschend und unwiderstehlich wie Orkane über die Völkerwelt herein. Das kündet der Dolmetscherengel dem Propheten Sacharja an, indem er das Bild von den vier mit Rossen bespannten Wagen mit dem von den vier Winden erklärt: Es sind die vier Winde unter dem Himmel, die hervorkommen nachdem sie gestanden haben vor dem Herrscher aller Welt, Sach 6:5. Schon beim Propheten Dan 7:2 lesen wir Ähnliches in seinem Traumgesicht von den vier Weltreichen und dem ewigen Reich des Menschensohnes. „Ich, Daniel, sah ein Gesicht in der Nacht, und siehe, die vier Winde unter dem Himmel stürmten wider einander auf dem großen Meer“, gemeint ist das Völkermeer, das durch allerlei geistige Bewegungen in Erregung versetzt wird. Diese Bewegungen vermag keine Staatskunst, keine Menschenmacht und kein Menschenwille zu hemmen, ebensowenig wie man die Gewalt des Windes bezwingen oder leiten kann. Sie braust und stürmt dahin, und wir sehen ihnen höchstens nach wie Kinder, die einem vorüberrasenden Auto oder Flugzeug nachschauen. So schnell, so unwiderstehlich werden die gewaltigen, Verderben bringenden Geistesströmungen, beziehungsweise Gerichte, Kriege und anderes über die alternde Erde dahinfegen.

Merkwürdig, gerade die Hälfte der ausfahrenden Wagen zieht nach Norden. „An dem die schwarzen Rosse waren, die gingen gegen Mitternacht, und die weißen gingen ihnen nach. Schwarz ist die Farbe des Todes, weiß die des Sieges. Im Nordland aber, von Jerusalem gesehen, ist das Südosteuropa (Russland, Polen, Galizien), sitzt mehr als die Hälfte aller Juden der Welt. Darum müssen auch dorthin zwei Wagen in der Endzeit geschickt werden, um sie zu holen.

Nördlich von Jerusalem liegen aber auch die Kulturländer, welche am meisten durch ihren Antisemitismus sich als Feinde des Herrn erwiesen haben. Über die Völker der nördlich von Jerusalem gelegenen Länder wird ein doppeltes Gericht ergehen, weil sie sich am stolzesten unter allen Nationen gebärdeten, am meisten in sich aufgerichtet waren, und sich am verstocktesten zeigten; denn sie hatten das Evangelium und wiesen Gottes Wort ab.

Der mit den falben Rossen (falb - fahle Leichenfarbe: Seuche, wie sie jetzt schon oft verheerend auftritt in den südlichen Ländern als Schlafkrankheit, Cholera, Pest) bespannte Wagen eilt nach Süden, das heißt, auch über Afrika und Asien. Über die schwarze und gelbe Rasse, wird am Ende der Tage ein furchtbarer Gerichtssturm brausen, wenn auch nicht so schlimm, wie über die nördlichen Völker.

Für alle anderen Nationen genügt ein Wagen, bespannt mit starken, rotbraunen Pferden. Sie haben ja einen weiten Weg, darum muss dieser Wagen eine starke Bespannung haben. Aber die Farbe der Pferde ist rot. Das deutet wohl darauf hin, dass für die ganze Welt umspannende Kriegsunruhen gewiss eher zu erwarten sind, als die an sich ja zu begrüßenden, aber ganz illusorischen, das heißt vergeblichen, Friedensbestrebungen.

Der letzte Weltherrscher

Es wird uns nicht wundern, wenn eines Tages aus dem wild brandenden Völkermeer, das Hass und Verderben gegen alles Göttliche ausspült, sich das Haupt eines Mannes emporhebt (Offb 13), welcher, nach Nietzsches Prägung als Übermensch, als Diktator, die am Boden liegenden Zügel der Weltregierung ergreifen wird, um auf den Trümmern einer bankrotten Welt das größte und letzte Weltreich aufzurichten. Könige und Regierende legen ihre Herrschaft und Kronen zu seinen Füßen nieder. Alles atmet auf und jauchzt ihm zu als dem längst erwarteten großen Retter der Menschheit. Nun bricht, wie alle hoffen, das heiß ersehnte goldene Zeitalter an: Friede auf Erden, Sicherheit, Gerechtigkeit, Wohlstand und außerdem die Technik, Kunst und Wissenschaft in höchster Blüte. Der Mensch selbst in feinster Veredlung. Ihr sollt gleich sein wie Gott! Der Antichrist als das Haupt dieser höchst kultivierten Menschheit, die sich der vollen Freiheit auf allen Gebieten bewusst ist, setzt sich in den Tempel zu Jerusalem und sein Kulturminister, der falsche Prophet, sorgt dafür, dass ihm göttliche Ehren zuteil werden, denn auch der Mensch der Letztzeit kann nicht ohne Religion sein.

Wenn aber der Antichrist kommt und die Welt in dulci jubilo lebt, die Welt sich freut, bricht für alle, die sein geheimnisvolles Staatsiegel, die Zahl 666, nicht annehmen, eine Zeit großer Trübsale, der Tränen und des Schmerzes an. Sie können nichts kaufen und verkaufen, haben keine Stelle, keine Arbeit, kein Brot, werden verfolgt und verachtet, verlacht und verhöhnt und bedroht, weil sie in Wort und Wandel als in Christo stehend, gegen diese ganze großartige Kulturepoche, von deren Herrlichkeit und Schönheit, Höhe und Macht und Kraft fast die gesamte Menschheit wie berauscht ist, protestieren müssen. Sie folgen unentwegt dem Lamme nach, auf dieses schauend. Damit aber ist ihr Weg ein Sterbensweg, ein Karfreitagsweg, ein Weg ans Kreuz. Aber gerade durchs Sterben werden sie ausgereift zu Gliedern am Leibe Christi, zu Siegern und Überwindern von Sünde und Tod, wie es Jesus selbst durch seinen Leidens- und Kreuzesgang wurde. Und durchs Leiden und Sterben kommen die Gläubigen in Christo zum Leben und Auferstehen wie ihr Herr und Heiland und halten auch wie Er zur bestimmten Zeit Himmelfahrt. Sie werden entrückt dem Herrn entgegen in der Luft.

Zeitenwende

Nun hat die Welt kein Salz und kein Licht mehr. Darum muss sie jämmerlich zugrunde gehen. Sie stürzt von dem hohen Gipfel ihrer großartigen Menschheitskultur, die sie ohne Gott aufgebaut hat, herab und zerbricht in katastrophalen Gerichten. Die Welt ist gerichtsreif geworden, Offb 19:19ff. Das Untier, der Antichrist, versammelt sich mit den Königen auf Erden zum Streit wider Christus und Sein Heer. „Und das Tier wird ergriffen und mit ihm der falsche Prophet, der die Zeichen tat vor ihm, durch welche er verführte, die das Malzeichen des Tieres nahmen und die das Bild des Tieres anbeteten; lebendig wurden diese beiden in den feurigen Pfuhl geworfen, der mit Schwefel brennt.“ Mit dem Antichristen ist aber gleichzeitig eine Teil seines jüdischen gottlosen Anhanges vernichtet worden im Gericht.

Der Rest der Juden aber wird durch die erschütternden Ereignisse und durch den Dienst der beiden Zeugen Gottes in Offb 11:3-13 zur Buße geleitet und für den Herrn gewonnen. Jesus offenbart sich Israel und empfängt von diesen die Huldigung als König. Dieses nun bekehrte Israel, von dem die Schmach und Schande und der auf ihm liegende Fluch genommen ist, wird mit dem Eifer und der Hingabe eines Paulus das Werk des Herrn, die Weltmissionierung, vorantreiben. Dann bekehren sich ganze Völker zum Herrn. Jesu Herrschaft auf Erden wird ungeahnte innere und äußere Segnungen über die Nationen bringen. Friede und Gerechtigkeit werden sich küssen und Freude und Gnade überall sich begegnen. Dann ist Sach 6:8 ganz erfüllt, nämlich dass Gottes Geist nach allem Kämpfen und Gerichten ruht im Lande gegen Mitternacht, und nicht nur da, sondern auf der ganzen Erde die herrliche, liebliche Sabbatzeit fängt an. Es ist Ruhe, Friede unter allen Nationen eingetreten.

Königspriester aber aller Völker ist Jesus Christus geworden. Davon berichtet der Schluss von Sach 6. Er zeichnet die Königpriesterkrönung des Herrn Jesu.

Lies weiter:
10. Eine symbolische Handlung