Die Zeugung des Sohnes Gottes

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Aus der Reihe: Christi unausspürbarer Reichtum
Die ersten Gottes- und Christusoffenbarungen in der Vorschöpfungsperiode des Alls
von M. Jaegle und Mitarbeitern (1983)


Abschrift mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Groß, Balingen
Dort als Schrift noch erhältlich.

Siehe weitere Abschriften:
Inhaltsverzeichnis

Die ersten Gottes- und Christusoffenbarungen in der Vorschöpfungsperiode des Alls

2. Die Zeugung des Sohnes Gottes

Wie wir aus dem Vorhergehenden erkennen durften, war Gottes Herz schon von einem fertigen Plan erfüllt, als die Schöpfung noch eingeschlossen war in Ihn. Das Ziel und der dahin führende Weg lagen ihm klar vor Augen; alles war aufs Beste vor- und zubereitet.

So dürfen wir nun Zeugen davon sein, wie sich unser großer Gott ans Schaffen macht. Sollten darum, unsere Herzen nicht mit brennendem Interesse für Seine wunderbaren Erstlingswerke erfüllt sein und mit der Frage: „Wie und mit was mag Er wohl beginnen?“

Es wäre verfrüht, Gott nun sofort bei der Erschaffung des Alls sehen zu wollen. Derselben gehen hochbedeutende Taten voraus, die noch vorbereitenden Charakter haben. Jede ist eine neue Gewähr für die Erreichung des von Gott gesetzten Zieles. Gleich mit der ersten Schöpfungstat legt Er das eigentliche Fundament, auf welchem Er weiter aufbaut, welches nie wanken, und mit dem Er nie eine Enttäuschung erleben wird. Diese Tat ist die Zeugung Seines Sohnes C h r i s t u s J e s u s.

Hier haben wir wieder eine der Wahrheiten, die stark unter Verdunkelung gelitten haben, und zwar durch die dogmatische Formel, Christus sei von Ewigkeit her. Es sei zugestanden, dass darin wohl ein Bestreben liegt, Ihm die größtmöglichsten Ehren zukommen zu lassen. Wenn dies aber zu einer Korrektur an Gottes Wort ausartet, so wird ungewollt das Gegenteil erreicht, und das trifft in diesem Falle zu. Wie wir noch sehen werden, ist es ein unbedachtes Verdunkeln Seiner Sohneswürde, ja ein verschleiertes Leugnen der Gottessohnschaft Christi, das Seiner wahren Stellung an die Wurzel greift.

Der Erstgeborene einer jeden Schöpfung

Das Zeugnis Gottes über Seinen Sohn lautet wesentlich anders; denn Kol 1, in dem Brief, der die tiefsten und herrlichsten Offenbarungen von Christus enthält, wird Er genannt (Kol 1:15).

“Der E r s t g e b o r e n e einer jeden S c h ö p f u n g“

Und Offb 3:14 nennt Er Sich selber:

“Den A n f a n g (oder U r s p r u n g) der S c h ö p f u n g G o t t e s“.

Zahlreich und mannigfaltig sind die uns von Gott geschenkten Offenbarungen über Seinen Sohn. Ja, wir können Sein Wort überhaupt als die Enthüllung Jesu Christi ansprechen; denn ihr Hauptinhalt ist von Anfang bis Ende Christus.

Was hier nun von Gottes Sohn ausgesagt wird, gehört zu den Christusenthüllungen, die am weitesten in die Vergangenheit zurück reichen. Gott selbst spricht von Ihm als dem „Erstgeborenen“ und als einer „Schöpfung“. Wohl würde es kein Gläubiger wagen, von sich aus also über den Sohn Gottes zu reden. Aber nun ist es Gott selber, der die Zeugung und damit einen Anfang Seines Sohnes lehrt. Und Er macht in Seinem Wort jedem diese Wahrheit zugänglich und regt damit dazu an, weiter darüber nachzusinnen.

An dieser Stelle mag es angebracht sein, noch ein besonderes Wort über den biblischen Sinn der Ausdrücke Erstgeborener, Zeugung, Geburt und Schöpfung zu sagen. Der Titel „Erstgeborener“ bezeichnet im Orient vor allem die hohe Stellung, die dem ältesten Sohne zukam. Wenn ein Mann keinen, oder nur einen unwürdigen Sohn besaß, konnte er einen Knaben adoptieren und ihn als seinen Erben den Erstgeborenen nennen. Aus diesem Grunde ist anzunehmen, dass die Stelle Kol 1:15 sich in erster Linie auf Christi einzigartigen Rang bezieht, der Ihn hoch über jede andere Schöpfung Gottes erhebt. Sie lehrt aber schwerlich einen Anfang Christi durch den gleichen Vorgang, den wir in unseren modernen Sprachen als eine Geburt bezeichnen. Gott hat das ganze All aus Sich ins Dasein gerufen, und es hat Ihm gefallen, dies eine Erschaffung zu nennen. Christus bildet hier keine Ausnahme, wie aus allen Stellen hervorgeht, die Seinen und unseren Ursprung aus der gleichen Quelle bezeugen (Hebr 2:11; Joh 20:17) und Ihn als eine Schöpfung bezeichnen. Es ist wichtig, dies hervorzuheben, weil die christlichen Kirchen sich seit jeher mit der Frage beschäftigen, und sich darüber gestritten haben, ob der vormenschliche Christus vom Vater gezeugt und geboren, oder geschaffen wurde. Und weil außerdem Menschen nur zu sehr dazu neigen, irdische Vorgänge zur Erklärung dieser Gottestat heranzuziehen.

Viel Verwirrung ist auch dadurch entstanden, dass man nicht zwischen buchstäblichem und bildlichem Gebrauch biblischer Bezeichnungen unterscheiden konnte. Wenn in der Schrift von einer Wiedergeburt, vom Geboren-Werden aus Wasser und Geist (Joh 3:3-8) gesprochen wird, so ist das nicht buchstäblich aufzufassen, wie es Nikodemus irrtümlich meinte. Wenn Johannes sagt (1Jo 5:18-19), wir seien aus Gott geboren oder gezeugt, im Gegensatz zur ganzen übrigen Welt, so ist das kein Widerspruch zu der Wahrheit, das All sei aus Gott; denn hier ist von bildlicher Zeugung zu einem neuen, geistlichen Leben die Rede. So wurde auch Christus nur einmal buchstäblich zum Menschen gezeugt, und geboren von Seiner Mutter Maria. Sein Hervorgehen aus Gott vor jeder anderen Schöpfung wird ebenfalls nur in bildlicher Sprache eine Zeugung oder Geburt genannt. Wieder und wieder wird Er bei Johannes als der „Einzig-Gezeugte“ bezeichnet. Buchstäblich war Er dies im Stande Seiner Erniedrigung. Es war diese einzigartige Zeugung von Gott, die Ihn von allen andern Menschen unterschied. Wenn wir aber von Seinem ersten Anfang reden, ist es besser, Sein Hervorgehen aus Gott, in der Sprache der Inspiration, eine Schöpfung zu nennen.

Eine weitere Bestätigung dafür, das „Erstgeborener“ nicht wörtlich zu nehmen ist, finden wir einige Verse weiter. Kol 1:18 wird Christus genannt: „Der Erstgeborene aus den Toten“. Nun war Seine Auferstehung keine buchstäbliche Geburt, sondern ein Hervorgehen zu einem neuen Leben, das deshalb in einigen Punkten einer Geburt ähnelt und darum bildlich mit einer solchen verglichen werden kann. Da außerdem die Grundbedeutung des Wortes „gebären“ im Griechischen „hervorbringen“ ist, reden beide Bezeichnungen Christi als dem Erstgeborenen von Seinem Hervorgebracht-werden, das erste Mal aus Gott zu Seinem Lebensanfang, das zweite Mal aus den Toten, zu einem neuen Anfang. Möge sich unsere Gedankenwelt hier einer strengen Zucht unterziehen und sich strikte daran halten, dass vor dem „wie“ dieser Gottestat eine Verhüllung steht und nicht eine Enthüllung.

Diese Warnung kann noch eindringlicher gemacht werden durch den Hinweis darauf, dass Zeugen und Erzeugen von Lebewesen, so wie wir es kennen, von Gott eingeführt wurde, nachdem schon Sünde und Tod in die Menschen eingedrungen waren, und dies daher unserem Zustand der Sterblichkeit angepasst werden musste. Diese Einrichtung, wenn sie auch göttlich ist, und deshalb Gottes schöpferische Kraft in gewaltigem Maße zum Ausdruck zu bringen vermag, muss trotzdem auf tiefstehender Stufe gesehen werden. Sie ähnelt ja in vielem derjenigen in der Tierwelt. Das Gesetz der Sünde und des Todes hat ihr eben seinen Stempel aufgeprägt. Sie ist deshalb nur vorübergehend und wird einmal abgetan werden (Lk 20:35-36).

Gottes erste Schöpfung

Wenn jedoch Gott aus Sich Leben hervorbringt, so hat eine solche Schöpfungstat nichts gemein mit dem Vorgang im menschlichen Leben. Er hat da Möglichkeiten, von denen wir keine Ahnung haben, und die wir auch nicht begreifen noch verstehen könnten. Deshalb muss die Erschaffung des Sohnes Gottes als Gottes erste Schöpfung, in einer so hohen Region des vollkommenen Lebens erfolgt sein, dass unser Glaube nicht ausreicht, dahin zu folgen, und menschliche Geburten viel zu dunkel sind, um auch nur im Geringsten diese göttliche Erschaffung widerzuspiegeln. In der Vorschöpfungsperiode haben ja noch andre Lebenserzeugungen von Gott stattgefunden, aber alle sind in einer höheren, edleren und geheiligteren Art erfolgt als die menschlichen, da ja in jener Sphäre weder Sünde noch Tod herrschten.

Wenn nun dieser unserer Auslegung das Bestreben zugrunde liegt, dem Glauben soviel wie nur möglich aus jener Urzeit zu bieten, worüber klare Gottesworte vorhanden sind, so will sie doch grundsätzlich alles vermeiden, was solche, die weiter forschen, auf das Gebiet der Spekulationen führen könnte. Gott hat uns ja wirklich viel über die Vorschöpfungsperiode geoffenbart, aber im Verhältnis zu allen darin liegenden, und sich darin abwickelnden Vorgängen, ist es doch nur ein ganz bescheidener Teil. Wir wollen uns deshalb von dem zurückhalten, was sich Gott vorbehalten hat, uns im zukünftigen Leben noch zu offenbaren.

Wir haben es auch garnicht nötig, diese Einzäunungen zu überschreiten; denn auf diesem eingeschränkten Wege werden wir zu einer Fülle tiefster und reichster Gotteserkenntnis geführt.

Nachdem uns nun Gottes Wort selbst Anleitung zum Gehen auf dem betretenen Wege gegeben hat, können wir darüber beruhigt sein, dass diesen Gottesgedanken über Seinen Sohn nachzuspüren, für Ihn niemals erniedrigend sein kann. Im Gegenteil, wir werden Ihn, den Sohn Gottes, gerade auf diesem Wege im lichtesten Glanz Seiner Sohneswürden und im hellsten Schein Seiner größten und hehrsten Sohnesehren erschauen.

So tief nun dieser Ausspruch im Kolosserbrief auch gehen mag, so bedeutet er keineswegs etwas vollständig Neues. Schon die hebräischen Schriften bezeugen Christi vorweltliches Dasein und Seinen Anfang aus Gott.

Wir erinnern nur an Ps 2, in dem Gott bereits von Seinem Sohne redet, Ihn Seinen Gesalbten nennt, Seine zukünftige Herrschaft über die Erde weissagt und die Könige auffordert, sich Ihm zu unterwerfen. Und Agur, der Mitverfasser der Sprüche, konnte durch den Geist bezeugen: „Was ist Sein (des Schöpfers) Name, und was der Name Seines Sohnes, wenn du es weißt“ (Spr 30:4).

Christus ist aus Gott

Das sind Gottes Worte, die offen und unverhüllt das vormenschliche Dasein Christi als Sohn bezeugen. Auch Jesus weist in Seinen Erdentagen auf diese Wahrheit hin. In Seiner Verteidigungsrede an die Juden, als diese in schändlicher Weise von Seiner Geburt von Maria redeten, entgegnete Er ihnen: „Aus Gott ging Ich aus!“. Und als Er sich anschickte, diese Erde wieder zu verlassen, bezeugte Er erneut, dass Er von Gott oder vom Vater ausgegangen sei (Joh 16:27-28; Joh 17:8).

Seine buchstäbliche Geburt in Bethlehem, durch die Er in unsere Gleichgestalt einging, um die Aussöhnung von Himmel und Erde vollbringen zu können, hat Ihn uns erst so nahe gebracht, dass die Schrift Ihn von da an sogar als unseren Bruder bezeichnet! Wir sollten aber nie Sein vorweltliches Hervorgehen aus Gott übersehen; denn es ist der eigentliche Urquell unserer Errettung und Seligkeit. Für Christus war es der Grund Seiner Gottessohnschaft, weil dadurch die eigentliche Sohneseinsetzung stattfand. Nicht ein hochstehendes himmlisches Geschöpf hat Gott gesandt, das dann als Sohn bezeichnet wurde, sondern den Einen, der bereits Sohn war.

Wir können sicher sein, dass Paulus, wenn er Gott den Vater unseres Herrn Jesu Christi nannte, immer Sein vormenschliches Hervorgehen aus Gott damit verband. Somit müssen in unserem Bekenntnis Seiner Gottessohnschaft bewusst und erkenntnismäßig beide Ereignisse inbegriffen sein.

Ein Gottessohn ohne Anfang wie Gott stimmt demnach nicht mit der Schrift überein; denn dies würde das Vater- und Sohnesverhältnis völlig auflösen und zerstören. Wenn Christus Sein Dasein aus der anfangslosen Unendlichkeit herleiten könnte, wie Sein Vater, so wäre Er nicht Sohn, sondern wie Gott selbst, und es wären überhaupt keine Unterschiede festzustellen zwischen Gott und Ihm. Wir hätten dann faktisch zwei Götter, und das würde einen radikalen Umsturz der bestehenden Gottesordnung bedeuten: Gott würde Seiner Würde, alleiniger Gott zu sein, beraubt, und Christus Seiner Sohnschaft entkleidet. Für die Schöpfung müsste dies unausdenkbar schlechte Folgen haben. Wenn wir aber das Zeugnis der Schrift annehmen, wird uns stets die Vater- und Sohnesherrlichkeit aufleuchten und entgegenstrahlen.

Gott hat Seinen Sohn nicht zum Selbstzweck ins Dasein gerufen, sondern damit Er sein Offenbarer werde. Das will besagen, dass alle Gottesenthüllung nur in Ihm und durch Ihn, den Sohn, vermittelt wird. Dieser hohe Beruf findet sich gleich in Seinem, Ihm vom Vater gegebenen Titel angedeutet: „Der Erstgeborene einer jeden Schöpfung!“ Wie eine hellstrahlende Sonne erleuchtet dieser Christusname jene Urperiode mit einer solchen Klarheit, dass schon Sinn und Sein der Schöpfung deutlich erkannt werden kann, längst bevor Gott sie erschuf. Und schon brechen aus diesem Namen die ersten Strahlen der Liebe des Schöpfers zu dieser Schöpfung hervor.

Die früheste, gar kostbare Offenbarung, die uns Christus als der Erstgeborene, und damit als Sohn Gottes übermittelt, ist der Vatername Gottes, denn wer einen Sohn besitzt, ist Vater. Hier wohl noch beschränkt auf den Sohn; aber doch können schon die Züge der Liebe Gottes zu den auf Ihn Folgenden erkannt werden.

Der Anfang (oder Ursprung) der Schöpfung Gottes

Denn dass solche kommen würden, liegt gleichfalls in dem Namen „Erstgeborener“ mit eingeschlossen, sonst hätte ja diese Bezeichnung keinen Sinn. Ferner sind in ihr wichtige Wahrheiten über die Entstehung des Alls mit inbegriffen. Auf den, der die höchste Würde erhielt, folgen alle anderen geringeren Ranges; aber alle haben den gleichen Ursprung: Gott. Diese Schöpfungen gehen nach einer bestimmten Reihenfolge vor sich, und allen voran, als Erster, steht der Sohn.

Mit Ihm hat das gewaltige „das All aus Gott“ seinen Anfang genommen. Damals hat Gott von allem, das sich in Ihm befand, das Ihm Liebste und Wertvollste ins Dasein gerufen, Seinen geliebten Sohn, während alles andere noch in Ihm verblieb. Es will fast scheinen, dass in dieser Gottestat die Bezeichnung Christi als „der Auserwählte“ wurzelt; denn indem Ihn Gott aus allen heraus zuerst ins Leben rief, kommt dies einer Auserwählung gleich.

Durch Seinen, in seiner Art einzigen, vorweltlichen Anfang ist Christus für jede nachfolgende Schöpfung Ursache und Ursprung, Weg- und Bahnbereiter geworden. Dieser wichtige göttliche Heilsvorsatz wird in der Schrift mit den kurzen Worten ausgedrückt, Er sei „der Ursprung der Schöpfung Gottes“ (Offb 3:14). Und Kol 1:18: „... Welcher isst der Anfang ...“ Somit ist Er der Urheber (wörtlich: Oberster-Einführer) aller Schöpfungen.

In dem Titel „Erstgeborener“ liegt des Vaters Liebeswille mit Seinem Sohn beschlossen. Nach dem mehrfachen Zeugnis des Kolosserbriefes soll Er allen voran stehen:

Kol 1:15: „der Erstgeborene einer jeden Schöpfung“.
Kol 1:17: „Er ist vor allen“.
Kol 1:18: „welcher ist der Anfang“.
Kol 1:18: „der Erstgeborene aus den Toten“.
Kol 1:18: „auf dass Er in allem der Erste werde“.

Wo wir auch hinblicken mögen, überall ist der Sohn Gottes der Erste. Am Anfang der Schöpfung und in der Lebendigmachung aus den Toten. Gleich wie Er als der Erstgeborene einer jeden Schöpfung Ursache und Ursprung aller wurde, so wird Er auch als der Erstgeborene aus den Toten alle ins Leben führen.

Diesen Liebeswillen des Vaters für Seinen Sohn zu kennen und darum zu wissen, ist köstlich und selig. Mit Recht freuen wir uns unserer eigenen Gnadenstellung und der Verheißungen zukünftiger Herrlichkeit. Aber freuen wir uns doch ganz besonders der hohen Ehren, die Gott Seinem Sohn zuteil werden lässt, indem Er Ihn in allem zum Ersten macht! Mögen wir Gnade haben, dieses hehre Ziel des Vaters mit Seinem Sohn schon in unserem kurzen Leben zu verwirkliche,n und Ihn in allem den Ersten sein zu lassen!

Obwohl Ihm nun der Titel „der Erstgeborene“ schon eine unumschränkte Vorrangstellung zusichert, bringt er Ihn gleichzeitig in engste Verbindung mit der Schöpfung. Mit diesem Namen ist Er auch mit ihr eins geworden, was eine unauflösliche Bindung zur Folge hat, und diese kommt für Ihn eher mit einer Erniedrigung als einer Erhöhung gleich. Denn wenn Er auch der Erste von allen ist, so ist doch Seine, allen anderen überragende Stellung zum großen Teil verborgen. Für uns selbst aber bedeutet Sein Einssein mit uns unsere Erhöhung und unseren Adel.

Zuerst offenbart uns Gott Seinen Sohn in dieser Beziehung zur Schöpfung. Darauf zeigt Er uns in Seinem Wort, wie Er Ihn zusehends höher und höher, weit über die Schöpfung hinauf und hinaus erhebt, in Seine Nähe und Gleichheit, in eine Stellung erhöht, an die auch kein anderes Geschöpf heranreicht. Aus dieser Doppelstellung, Verbindung mit der Schöpfung und Gott-Gleichheit, leuchtet schon Seine zukünftige Vermittleraufgabe hervor.

Der beseligende Anblick dieser zunehmenden Sohneserhöhung wird uns wieder Kol 1 gewährt, und zwar durch weitere Sohnestitel, die sich um die ersten gruppieren. Eine solche Enthüllung liegt in dem Titel:

“Der S o h n Seiner L i e b e“ (Kol 1:13).

Der Sohn Seiner Liebe

Aus dieser Sohnesanrede klingt schon des Vaters Stimme wieder, als Er Ihm aus dem Himmel zurief: „Du bist Mein Sohn, der Geliebte“ (Mk 1:11). Aber diese zärtliche Benennung birgt noch eine tiefere Wahrheit in sich, zu der wir anhand ähnlicher Schriftaussagen geführt werden.

Hier dürfen wir eine der herrlichsten Entdeckungen machen. In geheiligter und keuscher Weise redet der Geist Gottes hier vom Lebensanfang des Sohnes Gottes und deckt uns gleichzeitig die Ursache und den Beweggrund Seiner Zeugung auf - die Liebe Gottes.

Wenn wir über diese herrliche Wahrheit ein wenig nachsinnen, so fangen unsere Herzen an zu jubeln ob der beseligenden Tatsache, dass der allmächtige, unendliche und unfassbare Gott die Liebe ist, und dass durch sie und aus ihr der Schöpfungsplan entstand. Indem das All nämlich schon in Gott mit dem Sohn Seiner Liebe verbunden war, befand es sich auch im Bereich dieser Liebe. Dies umfasst alle Geschöpfe, die später in und durch den Sohn Seiner Liebe erschaffen wurden. Welch eine Ruhe, welches Glück und welchen Frieden schenkt uns doch die Erkenntnis Seines innersten Wesens!

Wohl sehen wir zuerst diese Gottesliebe nur in Bezug auf den Sohn, und um Seinetwillen am Werk. Aber aufgrund der schon damals bestehenden Solidarität zwischen Christus und dem All ist der Anfang des Erstgeborenen typisch für die Entstehung aller nachfolgenden Schöpfungen. Genau wie die erste, so sind auch die weiteren Früchte Seiner Liebe.

Es ist eben doch so, dass sich zum Denken fähige Geschöpfe, Menschen, die noch an Gott als Schöpfer glauben, die Frage stellen, was denn eigentlich Er für die Wesen, die Er schuf, empfindet. Ein Gott, unendlich in Seinem Dasein und grenzenlos in Seiner Größe - von welchen Gefühlen wird Seine Allmacht in Bewegung gesetzt? Zu welchem Zweck erschuf Er uns? Ja, für denkende Menschen hängt von dieser Frage nicht vieles, sondern alles ab. Denn wenn die Gefühle eines solchen Gottes nicht absolut gut wären, müsste das Weltall dauernd vor einer Katastrophe beben.

Aber Gott gibt uns auf diese inhaltsschwere Frage eine mehr als nur befriedigende Antwort: So gewiss wie Ich in Liebe begann, so gewiss werde ich auch in Liebe vollenden. Und diese Liebe erstrahlt schon mit der ersten Sohnesoffenbarung in hellem Glanze, anzeigend, dass sie allein durch und im Sohne zur Schau gestellt wird.

Wenn wir an Gottes Unendlichkeit in Dasein, Größe und Kraft denken und bedenken, dass darin auch die Dimensionen Seiner Liebe liegen, so mag uns eine Ahnung aufgehen von ihrer unfassbaren Höhe und Tiefe. Für ihre Voll-Offenbarung genügte jedoch die Schöpfung bei weitem nicht. Erst ihr Zustand der Versöhnungs-Bedürftigkeit wurde zur Grundlage, auf der Gott Sein Herz durch Christus am Kreuz zur Schau stellen konnte. In dieser Beleuchtung, der Notwendigkeit des Kreuzes zur Offenbarung Gottes, müssen Satans Machenschaften anders als üblich beurteilt werden. Weil nämlich Liebe nur dort völlig enthüllt werden kann, wo Hass und Feindschaft das Größtmögliche getan, und weil gerade das Satans Werk ist, so hat er eigentlich nur gewirkt, und wird noch weiter wirken, was Gottes Sache fördert.

Wie wir schon sagten, ist die Benennung Christi „der Sohn Seiner Liebe“ eine der gewaltigsten Offenbarungen Gottes. Aus ihr leuchtet schon sehr deutlich Christi Beruf hervor, den Er von Seinem Vater erhielt. Auf die große Sohnesaufgabe geht nun der Kolosserbrief ausführlicher ein, mit einer speziellen Enthüllung über Christus.

Welcher ist
“Das E b e n b i l d des unsichtbaren G o t t e s !“

Das Ebenbild des unsichtbaren Gottes

Als den Erstgeborenen durften wir Christus schauen in einer solch unlöslichen Verbundenheit mit der Gesamtschöpfung, als ob Er keinen anderen Rang mehr bekleiden würde. Diese neue Offenbarung, die Ihn als Abbild des unsichtbaren Gottes vorführt, erhebt Ihn nun hoch über die Stufe des Geschöpfes und versetzt Ihn auf einen Ehrenplatz, wie er nur Ihm, als dem Ursprung der Schöpfung zukommt. Auf diesem wird Ihm die hohe Aufgabe zuteil, Seinen unsichtbaren Vater darzustellen, und dessen Liebe der Schöpfung zu vermitteln.

Um diesen herrlichen Christus-Beruf ganz würdigen zu können, und auch um zu verstehen, ,warum Gott ein Abbild haben muss, wollen wir über Ihn, wie Er Sich im Wort offenbart, noch einmal in aller Ehrfurcht nachsinnen.

Gott ist unsichtbar. So belehrt uns obiges Schriftwort. Es bestätigt die Wahrheit, dass Er Geist ist. Wenn wir an Ihn denken, können und dürfen wir uns keine Gestalt vorstellen. Wo Er in der Schrift als solche auftritt, ist das bildlich zu nehmen. So wenig wie Christus in der Herrlichkeit die Gestalt eines Lämmleins hat, ebensowenig hat Gott die Gestalt eines Menschen. Wenn wir 1Mo 1:26 lesen: „Wir machen einen Menschen in unserem Bilde und nach unserer Gleichheit“, so ist hier keine äußerliche Ähnlichkeit mit Gott gemeint, sondern mit der Gestalt, in welcher Christus, der all die höchste Offenbarung der Liebe Seines Vaters vermitteln sollte, durch Seinen Herabstieg zur Erde und ans Kreuz. Gott schuf in Adam die Urform des Körpers, die nach Hebr 10:5 für Ihn bereitet oder Ihm angepasst werden sollte, um in ihm Sein gewaltiges Werk der Aussöhnung der gesamten Schöpfung vollbringen zu können. Außerdem enthält 1Mo 1:27 einen Hinweis auf die Herrscherstellung des Menschen über die Tierwelt. Er sollte den niedern Geschöpfen der Repräsentant Gottes sein.

Um den Unterschied zwischen Gott und uns festzustellen, könnten wir ein Atom mit dem Universum vergleichen. Kein größerer Gegensatz ist denkbar. Und doch besagt er nicht genug. Denn Gott ist überschwänglich größer als das Universum. Schon Salomo wurde von Seiner Größe überwältigt, als er sprach: „Siehe, die Himmel der Himmel können dich nicht fassen“ (1Kö 8:27).

Es ist gut, Gott in diesem unermesslichen Sein in der Erkenntnis zu haben. Wir sind Seine Kinder und verkehren mit Ihm als mit dem uns liebenden Vater. Wir genießen Seine Gnade und Güte, übersehen aber oft Seine unendliche Größe. Ja, zu einer rechten Gotteserkenntnis gehört es, dass Sein endloses Dasein unser Denken außer Funktion setzt, Seine grenzenlose Größe aus uns ein Nichts macht, und es uns bewusst wird, dass Er trotz Seines Verlangens nicht mit uns direkt verkehren kann. Auf Schritt und Tritt begegnen wir der Notwendigkeit, dass Er ein Mittel haben muss, um mit uns in Beziehung zu treten.

Die Ausstrahlung Seiner Herrlichkeit

In Seiner großen Liebe hat nun Gott einen wunderbaren Weg erdacht, auf welchem Er mit Seiner Schöpfung zu der Gemeinschaft kommen kann, die Er ersehnt. Er erschafft einen Sohn in Seiner Gestalt (Phil 2:16) als die Ausstrahlung Seiner Herrlichkeit (Hebr 1:13), der Seine sämtlichen Wesenszüge trägt und Sein vollkommenes Abbild ist. Wir Menschen können einander Lichtbilder von uns senden. Diese stellen aber nur einen Teil unseres Äußeren dar und sind kalt und leblos. In Christus aber schafft Sich Gott ein Bild, das Ihn nach jeder Seite hin lebensvoll zur Darstellung bringt und zugleich der Weg ist, der zu Ihm als Vater führt. Durch Christus teilt Sich der unsichtbare Gott wahrnehmbar Seinen Geschöpfen mit.

Obwohl nun Christus in Seinem Herrlichkeits-Dasein diese hohe Aufgabe nicht ausführen konnte, so bildete es doch die notwendige Grundlage dafür, denn bevor er eine Verbindung mit Seinen Geschöpfen eingehen konnte, musste eine innige Verbundenheit zwischen Gott und Ihm bestehen.

Als Er dann diesen wunderbaren Weg betrat, auf dem Er aus dem Menschengeschlecht hervorging und in Niedrigkeit unter uns wandelte, sagte Johannes von Ihm: „Gott hat niemand jemals gesehen. Der einzig gezeugte Sohn, der an des Vaters Busen ist, derselbige schildert Ihn“ (Joh 1:18). Nachdem Er so lange mit Seinen Jüngern zusammen war und Philipus Ihn bat: „Herr, zeige uns den Vater“, antwortete Er ihm: „Wer Mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ Jedoch die allerletzte Verhüllung hat Er am Kreuz von Gottes Vaterherzen weggenommen und lässt uns hineinschauen in ein unergründliches Meer der Liebe.

Um diese Tat der Liebe Gottes recht würdigen zu können, muss sie im Lichte der hohen Stellung Christi, die Er zuvor bekleidete, geschaut werden. Im hohenpriesterlichen Gebet (Joh 17:5) redet unser Herr mit Seinem Vater von einer Herrlichkeit, die Er bei Ihm hatte vor dem Dasein in der Welt. Diese Offenbarung erfuhr später eine würdige Fortsetzung, indem Er dem Apostel Paulus mitteilte, dass Er in der Gestalt Gottes selber war (Phil 2:16). Sein Vater hatte Ihm mit einer solchen Fülle Seiner Würden beschenkt, dass Er in Seine Gleichheit erhoben wurde. So vollkommen strahlt Er Gottes Bild aus, dass Er in der Schrift mehrmals „Gott“ genannt wird (Joh 1:18; Hebr 1:8 u. a.)

In Ihm ist erschaffen das All!

Wo bleibt hier noch etwas von einer Erniedrigung Christi, wenn wir von Ihm, als dem Erstgeborenen einer jeden Schöpfung und dem Anfang der Schöpfung Gottes reden? Seine Gott-Gleichheit als Sohn erhebt Ihn zu viel größeren Ehren und Herrlichkeiten, als wenn Er wie Gott ohne Anfang aus der Unendlichkeit herkäme und neben Ihm ein Gott zweiten Ranges wäre. Ihm wären als solchem auch alle Mittler-Ehren versagt, weil Sein Mittlertum zwischen Gott und der Schöpfung auf die Wahrheit gegründet ist, dass Er aus Gott hervorging.

In der Gestalt Gottes durfte Er nun mit Gott das Dasein teilen, bevor etwas anderes da war. Nach der Erschaffung des Sohnes war das „Gott allein“ aufgehoben, und Vater und Sohn bildeten die erste Lebensgemeinschaft. Sie bestand in der größten und reinsten Liebe zueinander und war Vorbild einer jeden rechten Gemeinschaft.

In dieser innigen Verbundenheit mit Seinem Sohne fand Gott wohl die erste Befriedigung Seines Verlangens, mit Seinen Geschöpfen vertrauten Umgang zu haben. Die ganze Vaterliebe war dem Sohn zugetan und durfte im Sohn Seiner Liebe ihre erste Frucht genießen durch dessen allerherzlichste Erwiderung. Dieses überaus liebliche Bild war zugleich ein Vorbild dessen, was Gott mit seiner Schöpfung in ihrer Beziehung zu Ihm plante, und wie Er dies durch Christus tatsächlich erreichen wird. Sein in diese Schöpfung hineingeleiteter Liebesstrom wird überquellend und überströmend zurückfließen in Sein Herz, erfüllt von der Liebe Seiner Geschöpfe zu Ihm. Gewiss hat Gott damals schon dieses Ziel im Sohn als erreicht gesehen, und es war für Sein Herz eine erquickende Vorfreude.

So können wir sehen, dass der eigentliche Glanz der Vorschöpfungsperiode aus den sich aneinanderreihenden Sohnes-Herrlichkeiten besteht, und noch sind sie nicht alle aufgezählt. Der Kolosserbrief weiß immer wieder neue Seiten von des Sohnes Gott-Gleichheit zu enthüllen. Wie überwältigend groß wird uns doch Christus, wenn wir von Ihm lesen: „Denn in Ihm ist erschaffen das All ..."

Das „In-Ihm“ ist allen Gläubigen ein gar vertrautes und glückseliges Wort. Mit demselben ist unser ganzer hoher Gnadenstand seinem Wesen nach bezeichnet, alle unsere jetzige und zukünftige Herrlichkeit ausgedrückt. Ja, wenn wir noch weiter hinausschauen, sehen wir alle in Christus lebendig gemacht. Aber Kol 1:16 weist hin auf das „In-Ihm“ in jener Urzeit und welche Bedeutung dasselbe dort hat, als sonst noch nichts erschaffen war.

Dass das All in Ihm erschaffen ist, das ist eine schwer verständliche Wahrheit. Aus diesem Grunde wohl schreiben manche Übersetzer das leichter fassliche „durch Ihn“. Der Urtext aber spricht es frei aus, was zu der Gruppe der tiefsten Offenbarung gehört: „In Ihm ist erschaffen das All!“

Lies weiter:
3. Das All in Christus