Die Vielfalt des Brandopfers

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aus dem Buch von Andrew Jukes - Die Opfergesetze nach 3Mo 1-7

1. Teil: a) Das Brandopfer - 3Mo 1
2. Teil: b) Die Vielfalt des Brandopfers
3. Teil: b) Die Bedeutung des Brandopfers


Das Brandopfer - 3Mo 1

Die Vielfalt der Opfer

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Was nun die Mannigfaltigkeit der Opfer anbelangt, so gibt sie, wie mir scheint nur verschiedene Anschauungen von Christi Werk oder Person. Lasst uns jetzt einen Schritt weiter gehen und fragen: Was bedeuten die verschiedene Grade, welche wir bei den Opfern finden. Ohne Zweifel sind auch sie nur verschiedene Ansichten dieser oder jener besonderen Seite des Werkes, oder der Person Christi. Christi Werk ist nicht nur eines, welches viele Seiten hat, sondern man kann auch jede dieser Seiten sehr verschieden auffassen, je nach dem Maß des Fassungsvermögens derjenigen, die Ihn anschauen. Deshalb kann es verschiedene Auffassungen derselben Beziehung, in welcher Christus steht, geben. Nehmen wir z.B das Brandopfer, so gibt uns der verschiedene Gegenstand des Opfers - Farre, Lamm oder Turteltaube - die verschiedenen Auffassungen des Opfernden von dem Wert des Opfers an. Jedes Opfer aber musste "ohne Fehl" und vollkommen sein. Vielleicht erklärt ein Beispiel dies deutlicher. Denken wir uns die verschiedenen Seiten eines Gebäudes, deren jede einem der Opfer entsprechen würde. Nun könnten aber drei oder vier verschiedene Ansichten von derselben Seite des Gebäudes, und unter verschiedener Beleuchtung und von verschiedener Entfernung, genommen werden. Diese würden dann den v e r s c h i e d e n e n Graden der Auffassung von ein und demselben Opfer entsprechen. Die Übereinstimmung mit andern Teilen der Schrift erhärtet diese Erklärung geradezu; denn betrachten wir die verschiedenen Bücher der Bibel nach der vorbildlichen Seite, so finden wir darin nur verschiedene Ansichten oder Erkenntnisstufen des großen und vollkommenen Werkes von dem die ganze Schrift zeugt.
  • Ein Buch erzählt uns von den Erfahrungen des Volkes Gottes in Ägypten,
  • ein anderes von den Erfahrungen in der Wüste,
  • ein drittes von den Erlebnissen im Lande Kanaan.

Was nun in Christo schon für Seine Gemeinde geschehen und erfüllt ist, wird noch nicht gleichmäßig erkannt, denn unsere Erfahrung bleibt immer weit hinter der Wirklichkeit zurück. Wie ich früher bemerkte, ist die Erfahrung der Christen nur das Maß, in welchem sie das erfassen und sich aneignen, was in Christo schon für uns erfüllt ist; und dieses Maß, in welchem sie das erfassen und sich aneignen, was in Christo schon für uns erfüllt ist; und dieses Maß der Erkenntnis mag sehr verschieden sein, obgleich das Werk selbst, das erkannt wird, ein und dasselbe ist.

  • So sieht ein Christ, der wenig Erkenntnis von einer Stellung von Jesus hat, sich noch in dem Hause der Knechtschaft, aber er wartet dort hinter den mit Blut besprengten Türpfosten und mit umgürteten Lenden, bis er Ägypten verlassen kann (vgl. 1Petr 1:13 und 2Mo 12:11).
  • Ein anderer sieht durch den Glauben weiter, vielleicht bis zur Erfahrung in der Wüste; er weiß, dass Pharao gerichtet ist (Joh 12:31) und dass das Rote Meer hinter ihm liegt.
  • Ein dritter sieht noch weiter, bis ins Land Kanaan hinein, und weiß, dass er schon jenseits des Jordans ist (Eph 2:6).

Mit einem Wort, einer sieht den Auszug aus Ägypten, d.h. die Wahrheit die im 2. Buch gelehrt wird; ein anderer sieht den Zug durch die Wüste oder die Wahrheit, die im 4. Buch Mose gelehrt wird, ein dritter sieht Josua oder die Wahrheit, die in diesem Buch dargestellt ist. Doch ist die Wahrheit, obgleich verschieden erfasst, die gleiche - E r l ö s u n g durch das B l u t Jesu. Der Unterschied liegt in der Verschiedenheit des Erfassens der verschiedenen Wahrheiten und von diesen Unterschieden sind diese Bücher voll, wenn wir sie vorbildlich betrachten. Gerade so ist es, glaube ich, mit den Vorbildern des Opfers Christi. Die verschiedenen Opfergaben und verschiedenen Seiten Seines Opfers, die verschiedenen Grade desselben Opfers stellen die verschiedenen Auffassungen derselben Seite dar.

Das Werk Christi ist aber so mannigfaltig und so vielseitig, und jede Seite kann so verschieden aufgefasst werden, je nach dem Licht, das dem Gläubigen gegeben ist, dass e i n Bild oder e i n e Geschichte, wie viel sie auch enthalten mag, Ihn nimmer völlig beschreiben oder darstellen kann. Dieses sehen wir unbestreitbar in den Evangelien betreffs der Person des HErrn. Ein Evangelium kann nicht die ganze der Herrlichkeit Seiner Person hervortreten lassen; der Gegenstand erfordert vielmehr vier verschiedene Darstellungen. Die Evangelien sind nicht nur ergänzende Erzählungen von Christo in einer Beziehung, sondern ein jedes gibt eine besondere Anschauung von Ihm. Nicht von Seinem Werk der Erlösung - diese geben uns die Briefe - sondern von Ihm Selbst, Seinem vollkommenen Wesen, Seiner hochgelobten Person. Ich gehe hier nicht auf die Unterschiede in den Evangelien ein, obgleich es wenige segenbringendere Gegenstände der Nachforschung gibt, will nur zur Erläuterung unseres Themas darauf hinweisen, da wir an ihnen die Art und Weise erkennen können, wie die Schrift geschrieben ist.

Nehmen wir nur Lukas und Johannes als Beispiel. Wie bei den Opfern finden wir in einer jeden ihrer Erzählungen, wie es andere bemerkt haben, eine bestimmte Anschauung von Jesus. Lukas stellt Ihn uns als Sohn Adams dar, Johannes als Sohn Gottes. Daher sehe ich bei dem ersteren Sein Geschlechtsregister, Seine Empfängnis von Maria, Seine Geburt zu Bethlehem, Sein Zunehmen an Alter und Weisheit und Seine Unterwürfigkeit unter Seine irdischen Eltern, Seine Taufe, seine Versuchung in der Wüste und Seine Salbung mit dem Heiligen Geist. Bei Johannes findet sich nicht ein Wort über diese Dinge, sondern es ist die Rede von dem "Wort, das bei Gott war und welches Gott war." Nehmen wir irgend welches Ereignis, das von beiden Evangelisten berichtet wird, - um nicht von der ganzen Art und Weise zu reden, in welcher sie geschrieben haben - und wir werden bemerken, wie vollkommen jede Erzählung mit dem bestimmten Charakter jedes der Evangelien in Sonderheit im Einklang steht. Denken wir z. B an eine allgemein bekannte Begebenheit: den Todeskampf im Garten Gethsemane. Bei Lukas erblicken wir den leidenden Sohn Adams, der allenthalben versucht worden ist gleichwie wir, doch ohne Sünde; der da sagt: "Vater, willst Du, so nimm diesen Kelch von Mir" (Lk 22:42). Ein Engel kommt und stärkt Ihn. Es geschieht, dass Er mit dem Tode ringt und betet heftiger. Er sucht scheinbar Mitgefühl bei Seinen Jüngern. Große Tropfen Bluts fallen zur Erde. -

Wenden wir uns nun zu derselben Szene im Johannes (Joh 18.), so werden wir einen schlagenden Gegensatz finden. Nicht ein Wort von Seinem Gebet oder von Seinem Todeskampf; nicht ein Wort davon, dass Ihm ein Engel hätte Stärkung bringen müssen; nicht ein Wort von Seinen Blutstropfen, noch von Seinem anscheinenden Verlangen nach Mitleid in Seiner Anfechtung: durch das Ganze hindurch ist Er "das Wort", das Fleisch geworden ist. "Als nun Jesus wusste alles, was Ihm begegnen sollte, ging Er hinaus und sprach: "Wen suchet ihr?" Als nun Jesus zu ihnen sprach: "Ich bin's!" wichen sie zurück und fielen zu Boden. Anstatt der Schwäche und des Ringens finden wir eine Macht, welche Seine Gegner niederwirft. Weiter, anstatt dass Er Trost bei Seinen Jüngern sucht, sehen wir Ihn vielmehr im Besitz einer Macht, sie in Schutz zu nehmen. "Suchest ihr denn Mich, so lasset diese gehen; auf dass das Wort erfüllet würde, welches Er sagte: Ich habe derer keinen verloren, die Du Mir gegeben hast".

Etliche Seiner Heiligen sehen nichts von alle dem. Wie bei Israel in Ägypten ist die einzige Wahrheit, die sie kennen, die Erlösung. Sie können nur wenig Unterschied sowohl im Werk als in den Ämtern Jesu bemerken. Weniger noch erkennen sie von Seinem Wesen oder von Seiner Person. Unter denjenigen, welche diese Dinge erkennen können, mag das Maß geistlichen Fassungsvermögens sehr verschieden sein. Mir ist es klar, dass es dieser Unterschied ist, welcher in den Mannigfaltigkeiten der Opfer gekennzeichnet wird.

Es ist aber Zeit, dass wir uns zum Brandopfer wenden. Wir wollen dasselbe zuerst in seinem G e g e n s a t z zu den anderen Opfern betrachten, sodann die Unterschiede, die sich in demselben finden, hervorheben.
1. Im Gegensatz zu den andern Opfern können wenigstens vier Punkte genannt werden:

  1. Es war ein Opfer z u m süßen G e r u c h.
  2. Es wurde zur A n n a h m e geopfert. In diesen zwei Punkten unterschied es sich von den Sündopfern.
  3. Es war die H i n g a b e eines L e b e n s. Hierin unterschied es sich von allen - vornehmlich vom Dankopfer.
  4. Es wurde ganz verbrannt; hierin unterscheidet es sich auch von allen andern und besonders vom Friedensopfer.

1. Das Brandopfer zum süßen Geruch

Erstens war es ein O p f e r zum süßen G e r u c h. "Ein Feuer zum süßen Geruch dem HErrn (3Mo 1:9 - 3Mo 1:13 - 3Mo 1:17). Ich habe bereits auf die Unterschiede in den Opfern hingewiesen und dass sie in zwei große bestimmte Klassen zerfallen. Erstens die Opfer zum süßen Geruch, welche alle Gott angenehme Opfer waren; und weiter diejenigen Opfer, welche als Sühne für die Sünde gefordert wurden. Die erste Klasse, die Opfer zum süßen Geruch, zu welchem das Brandopfer, das Speiseopfer und das Dankopfer gehörten (3Mo 1.2.3.) wurden auf dem ehernen Altar geopfert, welcher in dem Vorhof der Stiftshütte stand. Die zweiten Klasse, das Sünd- und Schuldopfer (3Mo 4.5.6.) wurde nicht auf dem Altar dargebracht, um vom Feuer verzehrt zu wurden. Etliche derselben wurden auf der Erde draußen vor dem Lager verbrannt, andere vom Priester gegessen, nachdem er erst das Blut zur Versöhnung gesprengt hatte. Bei der ersten Reihe von Opfern wird der Sünde nicht gedacht: der treue Israelit bringt Jehova ein Opfer zum "süßen Geruch."

Bei den Sündopfern ist es gerade das Gegenteil: es ist ein Opfer, auf welches die Sünde des Opfernden gelegt ist. Also kam bei den Opfern der ersten Klasse, d.h. dem Brand-, dem Speise- und Dankopfer, der Opfernde, um als Anbeter angenommen zu werden, in den Opfern der zweiten Klasse aber, dem Sünd- und Schuldopfer, kam er, um als Sünder die Strafe der Sünde und der Übertretung zu tragen. In jedem Fall war das Opfer ohne Fehl, denn auch die Sündopfer mussten vollkommen sein, ebenso wie das Brandopfer. Bei dem einen aber erscheint der Opfernde als der Mensch in Vollkommenheit und sein Opfer besteht die Feuerprobe, d h. Gottes durchforschene Heiligkeit, und als duftender Wohlgeruch angenommen, steigt das Ganze als Opfer zu Jehova auf. Bei den anderen erscheint der Opfernde als Sünder und trägt in seinem Opfer die Strafe, die seine Vergehungen verdient haben.

Das Brandopfer gehörte der ersten Klasse an, es war ein Opfer "zum süßen Geruch." Als solches stand es in völligem Gegensatz zu den Sündopfern. Wir dürfen daher Christum hier nicht als den Sündenträger betrachten, sondern als den Menschen, der in Seiner Vollkommenheit Gott völlig befriedigt. Hier ist der Gedanke nicht der: "Gott hat Ihn zu Sünde für uns gemacht" (2Kor 5:21), sondern vielmehr: "Er hat uns geliebt und hat Sich Selbst für uns dahingegeben, zur Gab und Opfer, Gott zu einem süßen Geruch" (Eph 5:2). Jesus, gelobt sei Sein Name, ist unser Stellvertreter sowohl im Brandopfer als im Sündopfer. Als Er gehorchte, leistete Er Gehorsam "für uns"; als Er litt, litt Er "für uns". In dem Brandopfer aber erscheint Er f ü r u n s, nicht als der welcher unsere Sünden trägt, sondern als Mensch, der Gott etwas darbringt, das Ihm sehr wertvoll ist. Hier erblicken wir etwas, was wir sonst nirgends finden: der Mensch bringt Gott ein völlig befriedigendes Opfer, und dieses Opfer gilt bis in Ewigkeit. Bei unsern Erfahrungen von dem, was der Mensch ist, scheint es wundersam, dass er jemals Gott vollkommen Genüge leisten konnte. In Christo aber ist es also geschehen; Sein Opfer war ein süßer Geruch dem HErrn.

Dies also ist der erste Gedanke, der uns bei dem Brandopfer entgegentritt. Gott findet Nahrung, d.h. Befriedigung in dem Opfer. Bei anderen Darbringungen sehen wir Christum als den treuen Israeliten, der mit seinem Opfer die Priester nährt und befriedigt. Hier sehen wir, wie Er Jehova befriedigt. Der Altar ist des HErrn Tisch (Mal 1:12). Was darauf gelegt wurde, war das Brot Gottes (3Mo 21:6.8 - 3Mo 21:17 - 3Mo 21:21.22). Das Feuer vom Himmel, das Sinnbild der Heiligkeit Gottes, verzehrt das Opfer, und es steigt alles als süßer Weihrauch vor Ihm auf. Und gerade wie bei dem Brandopfer das Feuer vom Himmel fiel und das Opfer auf dem Altar verzehrte, - ein Unterpfand für den, der das Opfer brachte, dass etwas darin war, woran Gott Gefallen hatte, - so fand Gott, bildlich gesprochen, Speise in dem unbefleckten Opfer Jesu. Seine völlige Fleckenlosigkeit und Hingabe war dem Gott des Himmels ein Genuss. Hier war etwas nach Seinem Geschmack. Hier wenigstens fand Er Befriedigung.

Wir übersehen zu oft diesen Gedanken, wenn wir an das Opfer Jesu denken. Wir denken an Seinen Tod, wenig aber an Sein Leben. Wenig betrachten wir Seinen Wandel, und doch ist es Sein Wandel während der ganzen Zeit Seiner Pilgerschaft bis zu Seinem Tode am Kreuze, an dem Gott so großes Wohlgefallen hat. Unsere Anschauungen sind so selbstsüchtig und eng. Sind wir gerettet, so suchen wir nichts weiter. Die meisten Heiligen brauchen das Opfer Christi nur zur Vergebung ihrer Sünden. Gott aber stellt das Brandopfer vorne an, denn dieses war Sein sonderliches Teil an dem Opfer Jesu. Auch werden wir finden, dass der Gläubige in dem Maß, als er in der Gnade zunimmt, mit mehr Verständnis die Evangelien liest, indem er zu dem, was er von dem Werke Jesu schon erfasst, aus denselben mehr Erkenntnis über Seine Person und Seinen Wandel gewinnt. Ihn verlangt ernstlich danach, mehr von dem HErrn Selbst zu erfahren, um zu verstehen, wie Er in allen Dingen Jehova ein süßer Geruch war.

2. Das Brandopfer zur Annahme

Das Brandopfer aber war nicht nur ein süßer Geruch, es war auch ein Opfer zur Annahme, d.h. es wurde Gott dargebracht, damit der Opfernde der Annahme bei Gott gewiss würde. Demnach lesen wir - ich führe die genauere Übersetzung an - "er soll es zu seiner Annahme opfern." Um dieses zu verstehen, müssen wir einen Augenblick zu der Stellung zurückkehren, welche Christus als Opfernder einnahm. Er stand an Stelle des Menschen, als Mensch unter dem Gesetz; seine Annahme beruhte auf Seiner Vollkommenheit. Gott hat den Menschen aufrichtig gemacht, sie aber suchen viele Künste (Pred 7:29). Auf die verschiedenste Weise hatte Gott versucht, ob der Mensch irgendwie Sein Wohlgefallen erlangen könnte. Zeitalter auf Zeitalter verging, es fand sich kein Adamssohn, der Gottes Ansprüchen genügen konnte. Das Gesetz war der letzte Prüfstein, ob der Mensch der Offenbarung des göttlichen Willens gehorchen könnte oder wollte. Aber auch dieser Versuch schlug, wie die übrigen, fehl. "Da ist nicht, wer gerecht sei, auch nicht einer" (Röm 3:10). Wie sollte denn nun der Mensch mit Gott versöhnt werden? Wie sollte er zu einer solchen Stellung gelangen, dass er Gottes Anforderungen genügen konnte? Es blieb noch e i n Weg übrig, und der Sohn Gottes schlug ihn ein. Denn Er nimmt Sich ja nicht der Engel an, sondern des Samens Abrahams nimmt Er Sich an (Hebr 2:16), und in S e i n e r Person ward der Mensch ein für allemal mit Gott versöhnt.

Um dies alles auszuführen, nahm Jesus als Stellvertreter des Menschen dessen Stelle ein und zwar da, wo Er den Menschen fand: unter dem Gesetz, und im Gehorsam gegen das Gesetz opferte Er Sich zur Annahme. Die Frage war die: Konnte der Mensch etwas zum Opfer bringen, das Gott zu befriedigen vermochte? Jesus hat als Mensch ein solches Opfer gebracht. Er opferte Sich Selbst, und Sein Opfer wurde angenommen. Bei unseren höchst mangelhaften Begriffen von dem, was Jesus dem Vater war, scheint es wunderbar, dass Er es nötig hatte, zur Annahme zu opfern. Dieses war aber nur einer der vielen Schritte der Selbsterniedrigung, welche Er tat, als unser Stellvertreter "für uns". Dieses erklärt das Wort "Versöhnung" in 3Mo 1:4 "Es wird angenommen werden von Ihm zur Versöhnung." Diese Worte möchten etlichen als eine Hindeutung auf Sünde im Zusammenhang mit dem Brandopfer erscheinen. Eine solche Anschauung aber wäre irrtümlich. Das Wort Versöhnung bedeutet hier, wie anderswo, einfach Z u f r i e d e n s t e l l u n g. Befriedigung aber kann nur zweierlei Art sein, je nachdem ob wir einer liebevollen heiligen Anforderung zu genügen trachten oder die verletzte Gerechtigkeit zu befriedigen haben. Beides wäre G e n u g t u u n g; im Brandopfer ist erstes, im Sündopfer letzteres dargestellt.

Dass die Versöhnung beim Sündopfer ganz anderer Art ist als die Versöhnung, von der hier beim Brandopfer die Rede ist, wird sogleich von jedem erkannt werden, der vergleichen will, was von der Versöhnung des Brand- und des Sündopfers gesagt ist, denn bei dem Sündopfer wird ausdrücklich hinzugefügt, dass es eine V e r s ö h n u n g sei für die S ü n d e1. Dieses wird niemals beim Brandopfer gesagt; im Gegenteil, es heißt es werde gebracht "damit es a n g e n o m m e n werde." Die Versöhnung im Brandopfer ist die Befriedigung, die Gott in der Vollkommenkeit findet, die Ihm der Opfernde darbringt. Die Versöhnung im Sündopfer ist sühnend, der Opfernde befriedigt die verletzte Gerechtigkeit mit seinem Opfer. Das Sündopfer ist die Versöhnung f ü r die S ü n d e. Das Opfer wird daher nicht dargebracht "zur Annahme", sondern, weil es mit der Sünde des Opfernden belastet ist, wird es hinausgeworfen als Opfer für ein übertretendes Gebot. Aus diesem Grunde, weil es eines Platzes unter dem Volke Gottes nicht wert ist, wird es aus der Mitte Israels hinausgeworfen und vor dem Lager verbrannt. Bei dem Brandopfer wird die Versöhnung von einem zustande gebracht, der als Anbeter ohne Sünde erscheint, und der in seinem sündlosen Opfer dasjenige darbringt, welches als süßer Geruch vom HErrn angenommen wird. Ich brauche nicht zu sagen, dass nur Einer dieses völlig tat; Er hat Sich Selbst gegeben und ist angenommen worden für uns (Eph 5:2 - Tit 2:14).

1 Siehe 3Mo 4:20 - 3Mo 4:26 - 3Mo 4:31 - 3Mo 5:6 - 3Mo 5:10 - 3Mo 5:13 - 3Mo 5:16.18 - 3Mo 6:7, wo in jedem Fall die Versöhnung beim Sündopfer ausdrücklich mit "Sünde" im Zusammenhang steht. Hiervon findet sich nichts bei der Versöhnung im Brandopfer (3Mo 1:4)

3. Das Brandopfer auf dem Altar

Der dritte dem Brandopfer eigentümliche Punkt ist der, dass ein L e b e n auf dem A l t a r geopfert wurde. "Er soll das junge Rind schlachten vor dem Herrn... und das Blut auf dem Altar umher sprengen (3Mo 1:5). In dieser Besonderheit unterscheidet sich das Brandopfer vom Speiseopfer, welchem es in anderen Punkten sehr ähnlich ist. Bei dem Speiseopfer aber bestand das Opfer aus Korn, Öl und Weihrauch; hier ist das Opfer ein L e b e n. Verstehen wir die Bedeutung dieses Unterschiedes in Wahrheit, so werden wir das bestimmte Wesen des Brandopfers besser erkennen lernen. Von Anfang der Kreatur war es das Leben, welches Gott als Sein Eigentum beanspruchte. Als solches - das Recht, das Er an Kreaturen hat - steht die Hingabe des Lebens als Sinnbild von dem, was wir Ihm schuldig sind. Dieses ist ohne Zweifel der Gedanke, der hier gemeint ist. Natürlich ist hier, wie anderswo, das Opfer der Leib Jesu, der Leib, welchen Er nahm und dann für uns hingab. Aber indem Er Gott ein L e b e n darbringt, im Gegensatz zum Opfer von Korn und Weihrauch, ist der Gedanke, der in Sonderheit hervortritt, die Erfüllung der ersten Gesetzestafel. So ergibt es sich, dass das hingeopferte Leben das ist, was der Mensch Gott schuldig ist. Fragt man mich, welcher Mensch jemals dergestalt geopfert hat? So antworte ich: Keiner außer dem Einen: der Mensch Christus Jesus. (1Tim 2:5). Er allein unter allen Adamssöhnen erfüllte vollkommen die Pflicht des Menschen Gott gegenüber. Er entsprach jeglicher Anforderung, die Gott an Ihn erheben konnte, durch Seine gebenedeite und vollkommene Gerechtigkeit. Ich wiederhole, Er tat es "für uns" und wir sind angenehm gemacht in Ihm.

4. Das Opfer verbrennt ganz auf dem Altar

Diese letzte Eigentümlichkeit des Brandopfers ist die, dass es g a n z auf dem Altar v e r b r a n n t wurde. "Der Priester soll alles auf dem Altar anzünden" (3Mo 1:9). In diesem Stück unterschied sich das Brandopfer von dem Speise- und Dankopfer, von welchen nur ein Teil vom Feuer verzehrt wurde und ebenso auch von den Sündopfern, welche, obgleich ganz verbrannt, doch nicht auf dem Altar verbrannt wurden.

Die Bedeutung dieses Unterschiedes ist offenbar, und stimmt genau mit der Bedeutung des Opfers überein. Es ist nicht die Pflicht des Menschen Gott gegenüber, nur e i n e unserer Fähigkeiten hinzugeben, sondern die völlige Hingabe des ganzen Menschen. So fasste Jesus das erste Gebot in die Worte zusammen: "Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von g a n z e m Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt (Mt 22:37). Es bleibt mir kein Zweifel, dass das Vorbild hierauf Bezug nimmt, indem es so ausdrücklich von den T e i l e n des Brandopfers redet, denn der Kopf, das Fett, die Schenkel die Eingeweide werden jedesmal einzeln genannt (3Mo 1:8.9) Der Kopf ist ein Sinnbild für die Gedanken, die Schenkel das Sinnbild des Wandels und die Eingeweide das Sinnbild der Empfindungen und Triebe des Herzens. Die Bedeutung des Fettes mag nicht so ganz ersichtlich sein, obgleich auch hierfür die Schrift uns den Schlüssel gibt. (Ps 119:70 - 5Mo 32:15). Es stellt die Kraft nicht nur e i n e s Gliedes oder e i n e r Fähigkeit dar, sondern die G e s u n d h e i t und S t ä r k e des G a n z e n. In Jesus wurde dieses alles hingegeben, und zwar alles, ohne Flecken, ohne Makel. Wäre auch nur ein nicht ganz Gott hingegebener Gedanke in Jesus aufgestiegen, nur ein dem Willen Seines Vaters nicht völlig untergeordneter Trieb gewesen, wäre auch nur ein Schritt in Jesu Wandel getan worden nicht für Gott, sondern nach eignem Gefallen, so hätte Er Sich nicht als ganzes Brandopfer Jehova darbringen, noch von Ihm angenommen werden können. Jesus aber gab alles hin, Er behielt nichts zurück. Alles ward verbrannt alles ward auf dem Altar verzehrt.

Ich weiß nicht, ob etwas von größerer Wichtigkeit in dem vollkommenen Opfer unseres gebenedeiten HErrn zu finden ist, als dieses. Alles, was Er tat oder sagte, war Gottes Willen gemäß. Von Anfang bis zu Ende hatte Sein Ich keinen Raum; Seines Vaters Werk, Seines Vaters Wille waren alles für Ihn. Die ersten Worte, die als Kind von Ihm berichtet werden, lauten: "Wisset ihr nicht, dass Ich sein muss indem, das Meines Vaters ist?"" (Lk 2:49). Seine letzten Worte am Kreuz: "Es ist vollbracht!" (Joh 19:30) bekunden es, dass Ihm von Gott aufgetragene Werk nun vollendet war. So völlig war Sein ganzes Leben dem Dienste Seines Vaters gewidmet, dass, wenn wir die Evangelien lesen, es uns kaum einfällt, zu denken, dass Er auch einen eigenen Willen hätte haben können. Dennoch war Jesus ein vollkommener Mensch und besaß als solcher einen menschlichen Willen so gut wie wir. Nur in einem Punkt unterschied Er Sich von den unsrigen. Sein Wille war immerdar dem Willen Seines Vaters untertan. Als Mensch waren Seine Gedanken menschlich, Seine Triebe menschliche Triebe, wie viel aber behielt Er davon für Sich Selbst zu einem eignen Wohlsein und Vergnügen oder zu Seiner Ehre? Wird uns auch nur eine Handlung von Ihm berichtet, die zu Seinem eigenen Vorteil gewesen wäre, oder ein Wort, das nicht aus völliger Hingabe an Seinen Vater hervorgegangen wäre?

Es ist sinnlos zu versuchen, Seine Vollkommenheit zu beschreiben, Worte können es nicht ausdrücken, Gott allein weiß es. Davon aber bin ich völlig überzeugt: Je mehr wir in Gemeinschaft mit Gott stehen, desto mehr werden wir sie schätzen lernen. Außerhalb der Gegenwart Gottes erblicken wir keine Schönheit in Jesus. Seine Vollkommenheit ist unserem natürlichen Verstand so fremd. Wäre Er weniger gottgeweiht gewesen, so hätten wir Ihn besser verstanden. Ja, wäre die Hingabe Seiner Selbst weniger vollkommen gewesen, so hätten wir sie höher geschätzt. Hätte Er, anstatt es immerdar abzulehnen, hienieden etwas zu sein, die Herrlichkeit der Welt für eine Weise angenommen und sie dann hergegeben, so hätten wir wahrscheinlich mehr aus Seiner Selbsterniedrigung gemacht, als wenn Er der Freund und Genosse der Sünder und Armen wurde. So war es aber und ist es noch immer, je demütiger, desto verachteter vor den Augen der Menschen; je treuer, desto weniger anerkannt. Das Brandopfer aber geschah zur Annahme bei Gott, nicht bei Menschen. Er wenigstens konnte den vollen Wert des Opfers schätzen.

Das war das Brandopfer. Die völlige Selbsthingabe an Gott in allen Stücken. Wie so gänzlich steht dies im Gegensatz mit dem, was bei der Welt als Weisheit gilt. Die Menschen preisen es, wenn einer sich gütlich tut (Ps 49:19). Wie wenig findet sich von alle dem bei den Gläubigen! Wie viele Gedanken drehen sich bei uns um das Ich, um unsere Bequemlichkeit, unser Vergnügen, unsere Interesse. Wie vieles von unserm Wandel, von unsern Trieben wird überall eher als auf dem Altar verzehrt!! Nicht so bei dem hochgelobten Jesus. Von ganzem Herzen lebte Er für Gott denn die Eingeweide wurden alle verzehrt; von ganzer Seele und von allen Kräften, denn das Fett und der Kopf wurden geopfert. Sein Opfer war nicht die Hingabe eines Teiles, so dass Er das vielleicht zurückbehalten hätte, was Ihm am wertvollsten war. Es war nicht Hingabe dessen, was nichts gekostet hätte, oder nur wenig, was verhältnismäßig wertlos gewesen wäre. Er gab Sich Selbst (Eph 5:2) in Seiner ganzen Vollkommenheit und befriedigte so das Herz Gottes.

Lies weiter hier: 3. Teil c) Die Bedeutung des Brandopfers