Der Abfall

Aus Bibelwissen
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Abschrift der Sammlung: Prophetische Traktate - Band 1
von Friedrich Malessa 1895-1981

Mit freundl. Genehmigung von Joh. Ullmann
Als Abschrift dort noch erhältlich

Siehe weitere Abschriften

Siehe: Inhaltsverzeichnis Band 1
und: Inhaltsverzeichnis Band 2

2. Der Abfall

Nach dem prophetischen Wort ist der Abfall eines der beiden Hauptmerkmale vor der Wiederkunft Jesu Christi. Paulus sagt: „Er (Christus) kommt nicht, es sei denn, dass 1. zuvor der Abfall komme, und 2. offenbar werde der Mensch der Sünde“ (2Thes 2:3).

Ersichtlich ist nach der paulinischen Darstellung auch die Tatsache, dass das Offenbarwerden des Antichristen durch den Abfall stark begünstigt, wenn nicht sogar ermöglicht wird. Der Abfall wird zuerst genannt, und dann das Offenbarwerden des Antichristen. Wir können wohl sagen, dass aus dem Abfall der Antichrist offenbar wird. Zweifellos hat der Abfall eine enorme Bedeutung für das Offenbarwerden des Antichristen. Also ist der Abfall das Grundmerkmal aller Zeit, sonderlich aber der Endzeit. Der Abfall ist des Satans Fundament!

Und doch wird der Abfall, trotz seiner hervorragenden Bedeutung, in den theologisch-prophetischen Zeugnissen und Darlegungen, nur so am Rande vermerkt. Vielfach nimmt man von dem so ausschlaggebenden Abfall überhaupt keine Notiz. Wie ist das möglich? Kann so ein hervorstechendes und dimensionales Anliegen übersehen und verschwiegen werden? Man ist geneigt zu sagen: Da stimmt etwas nicht! Und da stimmt wirklich etwas nicht. Wir haben zu untersuchen, was da nicht stimmt.

Der Abfall im Christentum

Zunächst ist wichtig, festzustellen, dass der Abfall nur für die bewussten Christen infrage kommt. Abfallen kann nur das Dabeiseiende, das Zugehörige. Hier liegt schon ein wichtiger Grund für die Nichtbeachtung und Unterschätzung des Abfalls, weil man ihn nur den Heiden und Atheisten zudiktiert. Unter „Abfall“ stellt man sich etwas absolut Diabolisches vor, das für die Christen gar nicht infrage kommt. Gewiss, der Hintergrund ist diabolisch, aber der Vordergrund sieht ganz anders aus. Beachten wir die Tatsache: Der Abgefallene hat es zunächst mit dem Dabeisein, mit dem Dransein zu tun. Es ist eine große Täuschung, wenn man den Abfall an die Peripherie des christlichen Lebensraumes verlegt. Damit verdeckt man einen zentralen Gefahrenpunkt, der zum größten Verderben gereichen kann, nein, gereichen muss! - Es ist dem Teufel gelungen, das prophetische Wort an einem entscheidenden Punkt zu entkräften.

Es ist weiter die Tatsache zu beachten, dass auch das Abgefallene nicht gleich im letzten Gegensatz zu sehen ist. Wenn zum Beispiel ein abgefallener Apfel am Boden liegt, dann ist er immer noch ein Apfel und nicht gleich ein Giftpilz. Der abgefallene Apfel trägt unter Umständen noch lange sein Grundwesen zur Schau, wenn auch am verkehrten Platz. Und wenn die Ursachen des Abfallens versteckter Art sind, dann spricht man weniger von einem Abfall, sondern eventuell von einer Frühreife. Das Abfallverhältnis wird dann normalisiert und standardisiert.

So ist es mit dem Abfall im christlichen Leben bestellt. Er kann verdeckt schon vorhanden sein, ja er ist schon vorhanden, auch bei aller äußeren Wesensgleichheit und Ähnlichkeit, sobald die Lebensverbindung gestört ist. Ja, es muss gesagt werden, dass die Werdegeschichte des Abfalls immer noch in Verbindung mit dem äußeren Aussehen steht. Der verdeckte und versteckte Abfall beginnt immer schon in der Zeit des Dabeiseins und der Zugehörigkeit. Das ist eben das ungemein Verhängnisvolle, dass der Abfall von der scheinbaren Wesensgleichheit verschleiert wir (Vergl. 1Jo 2:18-24; 1Jo 4:1-6; 2Jo 1:7)

Der endgültige Verfall

Damit haben wir bei dem Abfall eine sehr beachtenswerte Seite angezeigt. Diese gefährliche Seite übersieht man weithin! Das ist für das gesamte Christentum eine Tragik. Das Christentum ist im Abfall, auch wenn der christliche Typus äußerlich noch ganz in Ordnung zu sein scheint. Denn der Abfall ist nicht in der sofortigen Wesensveränderung zu suchen, sondern in der verborgenen Lösung und Trennung vom Wesensgrund! Zwischen dem Abfall und dem Verfall ist meistens eine lange Geschichte. Diese Geschichte ist im christlichen Lebensraum bis hin zur letzten Ausreife des antichristlichen Lebens sogar sehr lang. Jahrtausende! Zwar muss gesagt werden, dass der Abfall eines Tages in dem endgültigen Verfall endet. Aber das geschieht erst eines „Tages“. Der Verfallstag kommt. Daniel sagt davon: „An den Flügeln werden stehen Gräuel der Verwüstung. Das ist der bekannte Zeitpunkt: „mitten in der Jahrwoche“. Bis dahin ist aber der Abfall in der Maskierung. Erst mit dem Augenblick des Verfalls wird die Satansgeschichte offenbar. Bislang ist der Abfall satanisch getarnt. Der Abfall ist der theatralische Werdegang des Antichristen! -

So ist im prophetischen Sinne der Abfall zu verstehen. Er verläuft fast unmerklich auf christlichen Bahnen, hat den Schein der Vollgültigkeit und Vollwertigkeit, endet aber nach dieser blendenden Entwicklungsgeschichte in der nackten Teufelsgeschichte. Das erst ist der giftige Verfall. Bislang war es nur ein weithin unwissender Abfall, in dem sogar eine gute Genießbarkeit und eine sehr gute Verwertbarkeit des vermeintlichen Christentums vorhanden war.

Die Tarnung des Antichristen

Dieses meisterhaft getarnte und darum so verführerische christliche Verhältnis muss sogar noch bei dem Spitzenmann der Abgefallenen, dem Antichristen, gesehen werden. Denn er setzt sich in den Tempel, setzt sich über den Gottesdienst, führt eine würdige und allgemein anerkannte Anbetung ein, ist mit seinen Zeichen und Wundern ganz transzendent ausgerichtet, hat einen erstaunlichen Propheten zu treuen Diensten an seiner Seite, begeistert die ganze Welt mit diesem Prophetismus, ist in der Lage, übernatürliche Dinge vorzuführen usw. Man bedenke das ist der Spitzenmann der Abgefallenen. Bei dem müsste man den nackten Pferdefuss des Teufels sehen können. Weit gefehlt! Obgleich er von Paulus als „der Widersacher, Mensch der Sünde, Kind des Verderbens“ genannt wird, ist er dies als solcher nur in göttlicher Schau. Vor der ganzen Welt dagegen ist er bei allen und in allem der Christus! Er ist ganz kurz vor seinem Verfall noch in seiner maskierten Werdegeschichte. Die Teufelsgeschichte in der allerletzten Phase bricht bei ihm erst an, wenn er mit der Abfallgeschichte niemand mehr zu gewinnen und zu beglücken hat. Das ist, geschichtlich gesehen, mitten in der letzten Jahrwoche. Da erst ist er endgültig im Verfall, d.h. da ist er restlos ungenießbar und unverwertbar. Dieser Verfall findet sein Ende, wenn ihn Christus beseitigen wird mit dem „Hauch seines Mundes“. Da erst ist das Antichristentum endgültig entlarvt und ohne Maske. Diese Demaskierung erfolgt in der letzten Geistes-Gerichts-Offenbarung des Christus!

Wenn der Kopf der Abgefallenen bis zum letzten Moment so christlich erscheint, wieviel mehr wird der vorausgehende Abfallskörper christlich erscheinen. Bei dem ganz christlichen Welt-Christentum kann sich der Abfall einzigartig entfalten und wachstümlich verwirklichen. Die christliche Tarnung gibt dem Diabolos die volle Möglichkeit, sein gigantisches Werk zu vollführen. Das Welt-Christentum ist die Abfalls-Sphäre und Abfalls-Etappe. Hierin liegt die satanische Raffinesse.

Das Weltchristentum

Die Frage kann gestellt werden: Muss über das Welt-Christentum in dieser Weise geurteilt werden? Sollte man bei ihm nicht auch positive Momente herausfinden können? Zweifellos hat auch das Welt-Christentum sehr viele positive Momente, die aber der Antichrist dringend benötigt. Gerade die positiven Momente sind seine brauchbarsten Faktoren in der Abfallsgeschichte. Hätte er die nicht, dann wäre er nicht der Christ der Welt! Grundsätzlich muss festgestellt werden: das Weltchristentum trägt zwar noch das Wesen des Christus, spricht viel von dem Christus, ist aber in Wirklichkeit nicht in der Lebensverbindung mit dem Christus. Wiedergeburtsleben, Geistesleben sind ihm nur formelle und symbolische Begriffe. Das Weltchristentum fällt unter das Wort des Johannes: „Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns. Denn wo sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben. Aber es sollte offenbar werden, dass sie nicht alle von uns sind.“ (1Mo 2:19). Vergl. auch 2Tim 2:5; Hebr 13:12.13; 2Kor 6:14-18; Joh 15:19; Joh 17:16; 2Jo 1:7-11; Offb 18:4.5; Röm 8:9; Eph 5:27; 2Thes 3:6 u.a. Die Weltkirchenorganisation, die aufs beste religiös ausgeklügelt und ausgestaltet sein wird, hat mit dem lebendigen Christusorganismus nichts mehr zu tun. Die Kluft zwischen diesen beiden Größen ist unüberbrückbar und wird immer größer. Die Kluft hat ihren Anfang in dem „verborgenen Leben mit Gott“. Wer dieses verborgene Leben nicht kennt, weiß auch nichts von dem christlichen Gegensatz, und weiß nichts von der Entwicklung ins Antichristliche. Das Weltchristentum wird darum ganz entrüstet die Meinung ablehnen, dass es dem Antichristen dienlich sein kann. Es weiß nur vom getreuen Christusdienst.

Die Abgefallenen und die Abfallenden

So sei zum Abschluss noch die Tatsache vermerkt, dass die Abgefallenen oder Abfallenden ganz wenig den Abfall kennen, und ganz wenig ihn für wahr haben wollen. Es ist nun einmal so, dass das Fallende zwar eine Bewegung merkt, aber die Art und Richtung der Bewegung verkennt. Eher noch wird den Verfallenen ihr extremer Zustand begreiflich. Dagegen die Fallenden, die den sogenannten „goldenen Mittelweg“ gehen und gehen wollen, sind von ihrem vergoldeten Zustand so geblendet und so irritiert, dass sie alles anders Geartete für Schaden erachten und es radikal auszumerzen versuchen. Nur die Dranseienden, oder wie Paulus sie nennt, die Aufhaltenden, werden in geistlicher Erleuchtung und lebensgemäßer Realität den Abfall erkenne, und ihn dementsprechend bezeugen. Allein die Aufhaltenden haben ein feines Gespür für alles Krankhafte, Faulende und Wurmstichige. Nur die das echte Christusleben haben, d.h. die nicht nur „Herr, Herr sagen, sondern den Willen des Vaters im Himmel tun“, wissen um das Christentum und das Antichristentum.

Wundern wir uns darum nicht, dass die Meinung der Weltchristen über den Abfall ganz anders ist, oder, richtiger gesagt, dass sie über den Abfall überhaupt keine Meinung haben. Ihnen ist der Begriff Abfall fremd. Sofern sie ihn deuten, oder deuten wollen, deuten sie ihn in eine ihnen nicht gehörige Zeit hinein. Wundern wir uns darum nicht, dass die Überzeugung der Auswahlchristen belächelt und verhöhnt wird. Sie sind für die Weltchristen einfach Sektanten und ihre Lehre wird als sektiererisch hingestellt. Das wird den Leichtgläubigen noch böse Folgen bringen. Umso mehr erwächst den ekklesialen Christen die unumgängliche Verpflichtung, ihre Erkenntnis und ihr Erlebnis zu bezeugen.

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3. Die kommende Weltkatastrophe in prophetischer Sicht