Der 1. Korintherbrief - Kapitel 8

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Abschrift: Die Korintherbriefe Band I - IV (2007)
aus der Reihe "Christi unausspürbarer Reichtum"
von Gerhard Groß (+ 2022)

Mit freundlicher Erlaubnis von Gerhard Groß, Balingen
Band I, III und IV sind als Schrift noch erhältlich

siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

Der 1. Korintherbrief - Kapitel 8

Rücksicht auf die Schwachen beim Essen von Götzenopferfleisch

Rücksicht auf die Schwachen beim Essen von Götzenopferfleisch

1Kor 8:1

"Was nun das Götzenopferfleisch betrifft, so wissen wir, dass wir all darüber Erkenntnis haben. Doch bloße Erkenntnis macht aufgeblasen, die Liebe aber erbaut."

Paulus kommt mit diesem neuen Kapitel zu einer weiteren Frage der Korinther betreffs des Essens von Götzenopferfleisch. Dazu müssen wir wissen, dass im Altertum alles "Schlachten von Tieren" ein religiöser Akt war, wo ein Teil des geschlachteten Tieres auf einem Altar einer Gottheit als Opfergabe dargebracht wurde. Was dann von dem Fleisch noch übrig blieb, diente der menschlichen Nahrung.

In Korinth entstand jetzt die Frage, ob Gläubige von solchem Fleisch essen dürfen, ja mehr noch, ob sie wie in Vers 10 angedeutet, unmittelbar an solchen Malzeiten im Tempel teilnehmen dürfen.

Auch hier müssen wir wieder etwas geschichtlichen Hintergrund aufzeigen: Sicherlich befanden sich in der Gemeinde auch Mitglieder jüdischer Herkunft oder Prägung, denen von klein an eine Abscheu vor Götzenopfer eingeimpft wurde. Diese Abscheu behielten sie auch als Gläubige Das bedeutete in einer griechischen Stadt wie Korinth praktisch den völligen Verzicht auf Fleischverzehr. In Korinth waren aber auch griechische Gemeindeglieder, die aufgrund ihres neuen Glaubens das Götzenopferfleisch zu verachten suchten, weil es mit heidnischem Opfer in Zusammenhang stand. Und dann gab es noch eine dritte Gruppe, die Starken im Glauben, sie sahen, dass es gar keine Götter gibt under ganze Götzenkult ins Leere lief. Das dabei verzehrte Fleisch war somit für sie ganz normales Fleisch, es störte sie nicht, wenn sie davon aßen! Die Gemeinde fragte nun an, wie Paulus zu dem allem stehe und der Apostel hob zuerst hervor, dass anscheinend alle Gemeindeglieder um die verschiedenen Ansichten wussten bzw. darüber Erkenntnis hatten. Und dann folgt der bemerkenswerte Satz: "Bloße Erkenntnis macht aufgeblasen; die Liebe aber erbaut". Damit stellt Paulus der Erkenntnis "die Liebe" gegenüber - eine hochinteressante Konstellation, über die wir ruhig einmal einen Tag lang nachdenken können und dabei vielleicht interessante Gedanken gewinnen!

An Erkenntnis fehlte es, wie unser Leitvers sagt, den Korinthern nicht, im Gegenteil; schon in 1Kor 1:5 ff steht, dass sie in allem reich gemacht sind, auch in jeder Erkenntnis. Dies führte in der Gemeinde dazu, dass die Gruppe der Freien (die sich vom Gesetz frei wussten) ihr Leben und Verhalten von ihrer Erkenntnis her regeln wollten, natürlich auch im Hinblick auf das Götzenopferfleisch.

Es ist auch unsere Versuchung, liebe Geschwister, der Erkenntnis diese entscheidende Stellung in unserem Leben zu geben! Wir haben deshalb ganz besonders darauf zu achten, was Paulus hier sagt! Und er sagt zum Ersten, dass bloße Erkenntnis aufgeblasen macht. Haben wir solches bei uns schon beobachtet? Oder ist uns solche Art von Erkenntnishochmut schon von anderen begegnet und hat uns tief ge troffen? Wie schon gesagt, stehen wir alle, sobald wir uns anderen erkenntnismäßig überlegen fühlen, in dieser Versuchung. Wie lieblos wird leider nur zu oft den Schwächeren im Glauben versucht, eigene Erkenntnisse buchstäblich einzuhämmern! Nur - so kommt keine echte Gemeinschaft zustande!

Es ist an dieser Stelle wichtig, dass wir uns darüber klar sind, dass wir nicht zu unserem eigenen Wohl. und Glück auf dieser Erde sind, sondern dass Gott uns berufen hat, für den anderen da zu sein, ihnen zum Heil zu dienen! Und dieser Dienst hat eine tragende Säule: die Liebe!

Paulus hat das Bild der heranwachsenden Gemeinde vor Augen, und ein wesentlicher Baustoff ist die Liebe untereinander. Paulus meint hier jene selbstlose und aufopfernde Liebe, von der die Korinther (und auch wir) noch viel im Verlauf der beiden Briefe hören werden.

1Kor 8:2

"Falls jemand etwas erkannt zu haben meint, dann hat er noch nicht so erkannt, wie man erkennen muss."

Gestern widersprach Paulus jenen Korinthern, die allein von der Erkenntnis her das Leben und Verhalten in der Gemeinde regeln wollten. Nicht schon das Erkennen (dies ist erst der erste Schritt), sondern die spürbare und aufopfernde Liebe baut auf und regelt das Gemeindeleben. Und gerade an der Frage des Götzenopferfleisches wird dies deutlich. Und wenn uns dies zuerst auch fremd anmutet, so ist es, näher betrachtet, auch für uns von großer Wichtigkeit.

Paulus setzt uins heute eine weitere, im ersten Augenblick verblüffende Aussage vor Augen, die uns aber, wenn wir sie im Herzen bewegen, ganz bescheiden werden lässt! In jedem "Erkennen" liegt nämlich die Gefahr, sich vollkommen zu fühlen, und dies die anderen spüren zu lassen. Solche Art von vermeintlich "fertiger" Erkenntnis führte in der Vergangenheit zu einem falschen Dogmatismus (christlicher Glaubenslehre), die mehr spaltete, als aufbaute.

Was meint nun Paulus hier? Er möchte uns nahebringen, dass echte Erkenntnis nur zu gut u m seine Unabgeschlossenheit weiß, dass echte Erkenntnis ständig weitergehen muss, das sie sich immer ihres Stückwerkcharakters bewusst ist, auch wenn wir die Reife im Wort Gottes haben. Dies gilt erst recht, wenn der Gegenstand unserer Erkenntnis "Gott Selbst", unser himmlischer Vater, ist. Wer will hier denken, abschließend erkannt zu haben? Hier gilt dann unser Leitvers: "... er hat noch nicht erkannt, wie man erkennen muss!"

Ist Christi Reichtum nicht unausspürbar, wie uns Eph 3:8 sagt? Und wähnen wir uns nicht leider nur zu oft, in ausgespürt zu haben? Echtes Erkennen muss uns klein und Gott groß machen - auf diesen Weg will uns Paulus führen!

1Kor 8:3

"Doch wenn jemand Gott liebt, der ist von Ihm erkannt worden."

Wir erwarten jetzt von Paulus eine deutliche Antwort auf die zuletzt gestellte Frage, wie man denn nun "richtig" erkennen muss und sind ob seiner Antwort erneut verblüfft! Unser Leitvers, der die Antwort sein soll, befriedigt uns erst einmal nur wenig!

Wir lernten ja schon in 1Kor 2:11, dass niemand die tiefen Gottes erkannt hat außer dem Geist Gottes. Das bedeutet, dass nur derjenige etwas von Gott weiß, dem Gott Seinen Geist schenkt. Und dieses Geschenk erhält derjenige, der am Kreuz seine wunderbare Rettung glaubend erfasst und damit Gottes Liebe erfahren hat. Ein solcher wird nicht stolz auf seine Erkenntnis sein und meinen, sich durch diese Erkenntnis Gott bemächtigt zu haben. Er wird vielmehr beginnen Gott zu leiben, und dies auf dem dunklen Hintergrund seines zurückliegenden sündhaften Lebens!

Ja, es ist Gottes Ratschluss und entspricht Seinem göttlichen Willen, dass wir zuerst einmal hautnah mit der Finsternis und dem Bösen konfrontiert werden (allein deshalb hat Gott das Finstere und Böse erschaffen, wie es Jes 45:7 lehrt). Und wenn wir dann im hellen Licht des Evangeliums erkennen, wie verloren wir auf diesem dunklen Hintergrund Gott gegenüber sind, aber mit welche einer. unfassbaren Liebe Er unsere Rettung in Christus Jesus bewirkt h at, ja dann regt sich Ihm unsere Gegenliebe entgegen, nach der sich Sein Herz so sehr sehnt! Und getrgen wird das zarte Pflänzlein unserer Gegenlieb durch die Tatsache, dass gemäß Röm 5:5 Gottes Liebe in unseren Herzen ausgegossen ist, und dies durch den uns gegebenen heiligen Geist.

Erneut stehen wir staunend und anbetend vor der Tatsache: "Alles Herr bis Du!" Er gibt uns die Liebe, Ihn wiederzulieben, weil wir längst von Ihm erkannt sind! Und das ist es, wie wir "richtig erkennen sollen!"

1Kor 8:4-6

"Was nun das Verspeisen von Götzenopferfleisch betrifft, so wissen wir, dass ein Götzenbild nichts ist in der Welt, und dass es keinen anderen Gott gibt außer dem Einen. Denn wenn es zwar auch so genannte Götter gibt (sei es im Himmel oder auf Erden, ebenso wie da viele Götter und viele Herren sind), so ist jedoch für uns nur Einer Gott, der Vater, aus dem das All ist (und wir sind zu Ihm hingewandt), und nur Einer Herr, Jesus Christus, durch den das All geworden ist (und wir sind es durch Ihn)."

Wir lesen diese drei Verse erst einmal in ihrem Zusammenhang, weil sie ja im Grunde eine Einheit sind. Die Hauptaussage bezieht sich auf das Götzenopferfleisch und darauf, dass es keine Götzen gibt, sondern nur den einen Gott, der in Christus unser Vater ist. Und weil es keine Götzen gibt, ist auch das Opferfleisch nichts anderes als ganz normales Fleisch; das ganze Zeremoniell ist nur Täuschung und Betrug.

Nun stellt Paulus den Götzen die so genannten Götter gegenüber. Erstere sind von Menschen gemachte Standbilder, die angebetet werden (es können aber auch Idole, Leidenschaften oder Bindungen sein), hinter den sich aber durchaus auch dämonische Mächte verbergen können wie sie 1Kor 1:21 aufgeführt sind. Hierunter zählen auch die Weltbeherrscher der Finsternis und die geistlichen Mächte der Bosheit inmitten der Überhimmlischen, wie sie Eph 6:12 nennt.

Über all dem steht die beglückend Tatsache, dass nur Einer Gott ist, dass das All aus Ihm ist, dass alle so genannten Götter nur erschaffene Geschöpfe sind, und dass nur Einer im gesamten Alle wirkt und bestimmt: Unser Gott und Vater! Nehmen wir heute das schon oft zitierte Wort mit in den Tag, es soll uns zutiefst umhüllen: "Gott ... der alles nach dem Ratschluss Seines Willens bewirkt" (Eph 1:11b).

"...für uns nur Einer Gott, der Vater, aus dem das All ist (und wir sind zu Ihm hingewandt), und nur Einer Herr, Jesus Christus, durch den das All geworden ist (und wir sind es durch Ihn)."

Wir werden in den Korintherbriefen immer wieder erleben, wie Paulus in einen Zusammenhang plötzlich, fast wie nebensächlich, Worte einfügt, die gewaltige Aussagen, ja früheste Gotteserfahrung enthalten:

a) Das All aus Gott und
b) das All durch Jesus Christus.

Wenn das All aus Gott ist, so muss es zuvor "in Ihm " geruht haben - welche eine unergründbar tiefe Beziehung besteht also zwischen Gott und dem All! Wenn schon eine irdische Mutter ihre Leibesfrucht über alles liebt, so ist die ja nur ein schwaches Abbild der Liebe Gottes zu dem, was in Ihm war und aus Ihm ist! Es lohnt sich, wenn wir uns einmal über diese Aussage länger Gedanken machen - wobei wir weniger unseren kritisch / analytischen Verstand einsetzen sollten, sondern vielmehr unser Herz (denn nur tief im Herzen können wir erahnen, wie Gott zu Seinem All steht, das aus Ihm ist)!

Und dann lesen wir weiter, dass wir "zu Ihm" sind ("hingewandt" ist eine menschliche Einfügung). Bruder Baader übersetzt hier: "und wir hinein in Ihn". Zusammenfassend ergibt sich für uns das Bild des Alls, das insgesamt zuerst aus Gott it, aber von Ihm so geschaffen wurde, dass die Richtung "zu Ihm" ist; oder anders ausgedrückt: Das ganze All ist auf dem Weg zu Ihm!

Damit ist eines klar: Gott hat das, was Er unendlich liebt, nicht sich selbst bzw. dem Geschöpr überlassen, was aus ihm wird, sondern alles geht zurück zu Ihm, nicht das kleinste Teilchen geht verloren. Und dieser ganze Weg hin zu Ihm aus Finsternis und Sünde lässt die Schöpfung erkennen, wie unfassbar groß Gottes Liebe ist, und sie wird in die Lage versetzt, Gott zurück zu lieben, Ihn wiederzulieben - und das ist es wonach sich das Vaterherz sehnt!

Heute geht der Blick auf unseren Herrn, von dem in unserem Leitvers gesagt wird, dass das All "durch" Ihn ist! Er spielt also bei dem Weg des Alls eine gewichtige Rolle! Um jedoch Seine Rolle auch würdigen zu können, müssen wissen, dass Er schon vor der Schöpfung des Alls bestand; anders ausgedrückt: Bevor das All aus Gott wurde, zeugte der Vater den Erstgeborenen einer jeden Schöpfung: Den Sohn Seiner Liebe! Unser Herr hat das Vorrecht, in allme der Erste zu sein (lies Kol 1:15 u. 17) und Er ist gemäß Offb 3:14 der Ursprung der Schöpfung Gottes. Bedenken wir einmal in Ruhe diese gewaltige Tatsache!

Gott zeugte Seinen Sohn aber nicht zum Selbstzweck, sondern damit Er Sein Offenbarer werde! Das heißt, dass alle Gottesenthüllungen nur in Ihm und durch Ihn, den Sohn, vermittelt werden. Wir stehen hier vor einer gewaltigen Generalaussage, die wir uns tief einprägen müssen, denn überall, wo in der Schrift Gott den Menschen begegnet, angefangen bei Adam, ist dies immer Sein Offenbarer, Christus! Nicht Gott erscheint einem Menschen, sondern immer das Abbild des unsichtbaren Gottes (Kol 1:15), Christus, unser Herr!

Unendlich viel wäre zu diesem herrlichen Thema zu sagen (siehe unsere Schrift: "Die ersten Gottes- und Christusoffenbarungen..." siehe hier:), doch wir konzentrieren uns auf unsere Vorgabe. Wenn Christus also der Offenbarer Gottes ist, dann ist auch klar, dass Gott das All durch Ihn werden ließ und dass auch wir durch Ihn sind. Wir machen jetzt eine kühne Aussage: Gott hat das All aus Sich heraus in Christus gepflanzt, und so wurde es durch Ihn . Das Wichtigste dabei ist: Da das All auch in Christus war, hat der Sohn dieselbe Liebe zu diesem All bekommen (auch zu uns), wie der Vater!" Geben wir uns viel Zeit, Geschwister, diese wunderbare Tatsache im Herzen zu bewegen!

1Kor 8:7-8

"Aber nicht in allen ist diese Erkenntnis. Denn einige, die bis jetzt an Götzendienst gewöhnt waren, essen das Fleisch als Götzenopfer, und weil ihr Gewissen schwach ist, wird es besudelt. Aber Speisengenuss wird keinen Einfluss auf unsere Stellung vor Gott haben. Weder werden wir im Nachteil sein, wenn nicht essen; noch werden wir im Vorteil sein, wenn wir essen."

Aus dem Höhenpflug in die Vorschöpfungs- und Schöpfungsperiode des Alls werden wir wieder in das Gemeindeleben in Korinth zurück geholt, und dies mit der Bemerkung, dass nicht in allen diese Erkenntnis ist. Beachten wir erst einmal den Unterschied zu Vers 1, wo betreffs des Götzenopferfleisches alle darüber Erkenntnis haben. Darauf kommt es aber jetzt nicht an, es geht vielmehr um die Erkenntnis, die mit der geschwisterlichen Liebe Hand in Hand geht und gerade dies mit Liebe gepaarte Erkenntnis ist nicht in allen!

Unser Leitvers stellt "das Gewissen" in den Vordergrund; es ist kein Organ und kein Teil des Menschen, sondern eine mahnende Funktion des Herzens. Schwache Gemeindeglieder waren aufgrund ihrer früheren Gewohnheiten befangen - sie aßen zwar das Götzenopferfleisch, aber mit Anstoß ihres Gewissens, welches sie dadurch besudelt empfangen. Wie verhält sich nun die wahre Erkenntnis (das bessere Wissen) zu dem schwachen Gewissen des Bruders? Nun, sie hält sich an das Wort: "Euer alles geschehe in Liebe!§ Trotz besserer Erkenntnis muss es den Gereiften fern liegen, durch sein erkenntnismäßig zwar richtiges Verhalten den Schwachen zu provozieren, ihm zu etwas zu verleiten, was diesem noch Gewissensbisse verursacht. Hier liegt ein Übungsfeld der Liebe vor uns und Gott sorgt dafür, dass wir immer genügend entsprechende Geschwister um uns haben. Das Essen gewisser Speisen bringt uns weder Vor- noch Nachteile, aber unsere Liebe steht auf dem Prüfstand. Stellen wir unsere Erkenntnis zur Schau oder die Liebe?

1Kor 8:9-10

"Doch hütet euch, dass diese eure Vollmacht den Schwachen nicht etwa zum Anstoß werde! Denn wenn jemand dich, der du die Erkenntnis hast, im Götzenopfer zu Tisch liegen sieht, wird da nicht sein Gewissen, weil es schwach ist, im Essen von Götzenopferfleisch bestärkt werden?"

Noch einen Tag beschäftigt uns "das Gewissen", diese Thema kam gestern etw as zu kurz. Zuerst also die Frage, was ist das Gewissen? Gestern sagten wir, es ist eine mahnende Funktion des Herzens, und heute ergänzen wir, dass es in dem Umfang mahnt, wie wir belehrt wurden. Da aber die Belehrung zur Erkenntnis führt, und "Erkenntnis" ja wächst, muss sich auch die Mahnfunktion des Gewissens der wachsenden Erkenntnis anpassen, was aber, wie uns die Korinther zeigen, seine Zeit benötigt. Die Schutzfunktion des Gewissens kann aber auch überhört werden, ja das Gewissen kann im negativen Sinn so abgestumpft werden, dass es funktionsfähig wird (lies 1Tim 4:2).

Unser Vollmacht darf in keinem Fall dazu führen, das Gewissen von Glaubensgeschwistern zu beunruhigen, was viel Feingefühl benötigt. Die Bruderliebe wird dadurch gekrönt, indem man freiwillig auf Freiheiten verzichtet.

Es ist bewegend, mit welchem Fein- und Zartgefühl Paulus diese Probleme in Korinth angeht: "Vollmacht" die man gern als Gereifter zeigt, kann schnell zum Anstoß werden. Und gute Ratschläge können durchaus auch ein empfindliches und schwaches Gewissen falsch beeinflussen - "hütet euch", spricht uns hier Paulus zu! So genannte "Seelsorge", wenn sie zu wenig Feingefühl aufbringt, kann damit schnell zum Gegenteil von dem werden, was man beabsichtigt hat. Auch hier ist "die Liebe" der richtige Maßstab, den wir stets anlegen sollten.

1Kor 8:11

"So wird denn das Gewissen des Schwachen durch deine Erkenntnis zunichte gemacht, des Bruders, um dessentwillen Christus starb."

Es ist erstaunlich, wie Paulus bis zur letzten Konsequenz diese Gedanken, nämlich den Mangel an Rücksicht auf das Gewissen des Bruders bis zum Vers 12 fortführt. Die Funktion des Gewisses ist also nicht hoch genug einzuschätzen!

Es geht ja hier speziell um einen Bruder, der eine Freiheit oder Vollmacht nachahmt, zu welcher er wegen fehlender Erkenntnis noch nicht reif ist. Er will nicht zurückstehen und isst Götzenopferfleisch, obwohl ihn sein Gewissen mahnt - das kann zu schweren seelischen Schäden führen! Paulus benutzt hier den starken Ausdruck: "... das Gewissen des Schwachen wir zunichte gemacht." Man muss jetzt fragen, ob denn nicht gerade das Beispiel des seine Vollmacht gebrauchenden Bruders dazu dienen kann, das noch mangelhafte Gewissen des Schwächeren zu korrigieren? Wir lernen. hier, dass ohne Erkenntnis das schwache Gewissen mit sich selbst in Widerspruch gerät, durch das Unterdrücken wird es letztendlich zunichte gemacht.

Wir sehen, es gibt also auch eine zerstörende Vollmacht, wenn sie vom Starken nicht behutsam und feinfühlig eingesetzt wird und den hohen Wert des schwachen Bruders nicht achtet, ei nen Bruder, um dessentwillen Christus starb!

Bin ich mehr wert, weil ich mehr Erkenntnis habe? Wie schnell kommt der feurige Pfeil des Bösen in Form von Hochmut auf uns zu und drängt die gebotene Liebe zurück! Mahnend erinnert uns der heutige Leitvers daran, dass Christus für den schwachen Bruder genauso viel getan hat wie für den starken - Er starb für uns alle, und wir alle haben gleichermaßen in Seinem Blut die Freilösung, die Vergebung der Kränkungen, und dies nach dem Reichtum Seiner Gnade, die Er in uns überfließen lässt.

1Kor 8:12-13

"Wenn ihr so an den Brüdern sündigt und ihr Gewissen, das an sich schwach ist, erschlagt, sündigt ihr an Christus! Deswegen mag ich, wenn eine Speise meinem Bruder zum Fallstrick wird, lieber für den Äon überhaupt kein Fleisch mehr essen, damit ich meinem Bruder keinen Anstoß gebe."

Die für uns wichtige Frage und der Lernprozess, der für uns folgen muss, ist nicht: Was ist mein Recht? Was ist für mich Sünde oder nicht? sondern: Was fördert die brüderliche Gemeinschaft?

Wer in (mehr oder weniger) Überheblichkeit nur seine Erkenntnis hochhält, ohne das GEwissen des Bruders zu beachten, sündigt nicht nur an dem Bruder, sondern an Christus! "Sünde" bedeutet ursprünglich "Zielverfehlung"; wenn wir nicht den Gewissenstand des Bruders beachten und diesen dazu verleiten, Dinge zu tun, die sein Gewissen noch nicht akzeptieren kann, wird dieses erschlagen, die Funktion des Gewissen lahmgelegt, die Aufgabe und das Ziel des Gewissens, nämlich zu warnen und zu schützen, ist verfehlt. Und wer so am Bruder sündigt, sündigt auch am Haupt des Bruders (und unser aller Haupt), an Christus! Hierbei müssen wir diese Aussage so verstehen, dass Paulus auf die Einheit von "Haupt und Gliedern" hinweist, dass alles was an einem Glied des Körpers Christi getan wird, genauso das Haupt des Körpers mit betrifft! Diese Aussage sollte uns sehr zu denken geben - denn jede lieblose Handlung an Glaubensgeschwistern trifft auch unseren Herrn!

Es ist für Paulus bezeichnend, dass er dieses Kapitel nicht mit einem "du musst" beendet, sondern mit "ich möchte (mag)", und uns dabei als großes Vorbild aufzeigt, dass die Bruderliebe ihre Krönung im Verzicht auf persönliche Freiheiten erhält. Gott Selbst hat aus Liebe zu uns Seine Macht und Herrlichkeit auf Golgatha begrenzt, ja hat sie sogar zur Schwachheit und Torheit gemacht (denken wir doch einmal intensiv darüber nach). Paulus hat an einem der Vergangenheit angehörenden praktischen Beispiel die Frage "der Freiheit in Christus" für alle Zeiten auch für die unsere beantwortete!

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Der 1. Korintherbrief - Kapitel 9