Unsere Aufgaben der neuen Natur gegenüber

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Abschrift des Buches: Die zwei Naturen in dem Kinde Gottes
Verfasser: E. W. Bullinger (1874)

Autorisierte Übersetzung aus dem Englischen:
Verlagsbuchhandlung Hermann Rathmann, Marburg an der Lahn (1957)

In englischer Sprache, hier erhältlich:
Two Natures in the Child of God

Siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

Die zwei Naturen in dem Kinde Gottes

VII. Unsere Aufgaben der neuen Natur gegenüber

Unsere Aufgaben der neuen Natur gegenüber sind genau das Gegenteil von denen, die wir der alten Natur gegenüber haben. Was wir bei der alten Natur als erstes zu beachten hatten, war, dass wir sie ansehen als mit Christo gestorben. Unsere erste große Pflicht bezüglich der neuen Natur ist:

Uns für lebendig zu betrachten

und zwar in einem neuen Leben (Röm 6:11). Die neue Natur ist Leben - neues Leben, geistliches Leben, göttliches Leben, ewiges Leben (Röm 8:6). Und wir sollen damit rechnen, dass wir nun lebendig sind, und in diesem neuen Leben stehen, also in einer ganz neuen Art des Lebens zu Gott hin und für Gott, und dass dieses Leben „in Christo Jesu" ist. Nicht in „Jesu Christo“, wie in manchen Übersetzungen: Im Grundtext ists ein deutlicher Unterschied. Von dem Gläubigen heißt es nie, er sei „in Jesus“. Wir stehen nicht in einem toten Jesus, sondern in dem lebendigen und auferstandenen "Christus".

Und wir sollen nun im glauben (nicht im Gefühl) uns dafür halten, denn wir werden keine Ursache sehen, warum er uns diese wunderbare Gabe je geschenkt haben sollte. Wir werden dafür in allem, was wir je getan haben, keine Ursache finden.

Wenn wir dieses Dafürhalten verwirklichen sollen, werden wir Gott glauben müssen. Eph 2:4-6 werden wir sehr ermutigt, das zu tun; denn dort erinnert er uns, dass damals, als wir noch Kinder des Zorns und unfähig waren, einen guten Gedanken zu denken, ohne eine gute Tat zu tun, dass es damals vielmehr Gott war, der da reich ist an Barmherzigkeit wegen seiner großen Lieben, womit er uns geliebt hat, da wir tot waren in den Vergehungen, der uns mit dem Christus lebendig gemacht (denn aus Gnaden seid ihr errettet worden) und uns samt ihm auferweckt und samt ihm in das Himmlische versetzt hat in Christo Jesu, auf dass er erzeigte in den kommenden Zeitaltern die überschwänglichen Reichtümer seiner Gnade durch (seine) Güte über uns in Christo Jesu. Denn aus Gnaden (seid ihr gerettet worden und) seid ihr errettet durch den Glauben; und das (dies Errettung ist) nicht aus euch: Gottes Gabe isst es; nicht aus Werken, auf dass sich nicht jemand rühme (Eph 2:4-6).

Wenn dies nicht durch Werke geschah, dann gewiss nicht durch Gefühle. Nur durch das Dafürhalten des Glaubens können wir in diese kostbare Verkündigung einer vollendeten Erlösung eindringen und uns ihrer erfreuen.

„Wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, welche Gott zuvor bereitet hat, dass wir in diesen wandeln sollen" (Eph 2:4-9).

Im neuen Leben wandeln

Das Griechische für „neu“ ist hier kaintotes (Neuheit). Es kommt von kainos (neu, nicht jung oder frisch oder unlängst gemacht, welches neos heißt, sondern neugeschaffen und verschieden von dem, was vorher gewesen ist), neu in dem Sinne, dass es an die Stelle dessen tritt, was zuvor gewesen ist. Kainotes kommt nur Röm 6:4 und Röm 7:6 vor, wird aber an beiden Stellen in verschiedener Verbindung oder Beziehung gebracht. Röm 6:4 bezieht es sich auf unseren Wandel und Röm 7:6 auf unseren Dienst.

In Neuheit des Lebens

Unser Wandel soll sein in Neuheit des Lebens, d. h. in einer ganz anderen Art des Lebens; nicht mehr bloß im körperlichen Leben, sondern nun im geistlichen Leben. Nicht mehr in dem vom ersten Adam, sondern in dem vom letzten Adam, von Christo abstammenden Leben. Es ist dies eine ganz neue Lebenssphäre. Jene war von der Erde und irdisch, diese ist himmlisch in ihrem Ursprung, ihrem Weg und ihrem Ende. Unser Regierungssitz* ist jetzt im Himmel, und unser Wandel soll durch das himmlische Regiment geleitet werden und nicht durch eine irdische Obrigkeit. Indem wir in der Welt wandeln, sollen wir immer daran denken und uns daran erinnern, dass wir in ihr, aber nicht von ihr sind; und wie man beim Gehen darauf sehen muss, wohin man geht, so müssen wir nach unserem Heiland, dem Herrn Jesus Christus, ausschauen, und dies hat unseren Wandel zu leiten (Phil 3:20.21).

* Phil 3:20, wo das als „Wandel“ übersetzte Wort im Griechischen politeuma heißt. Regierungssitz ist die beste Übersetzung dieses Worte, viel besser als „Bürgertum“ oder „Wandel“.

Losgemacht vom Gesetz

Röm 7:6 wird diese neue Lebenssphäre in Verbindung mit dem Dienst gebracht: „jetzt aber sind wir von dem Gesetz losgemacht, da wir dem gestorben sind, dass uns gefangen hielt, so dass wir (jetzt das Vorrecht haben zu) dienen in Neuheit des Geistes (d. h. in dem neuen Gebiet der neuen Natur) und nicht in dem alten Wesen* (Gebiet, Sphäre) des Buchstabens (des Gesetzes).

Dies sagt uns, dass unser Dienst nicht mehr durch den „Buchstaben“ des Gesetzes geleitet wird, sondern durch dessen „Geist"; und dass unser Dienst einem ganz neuen Beweggrund entspringt; der andere ist alt*, veraltert, nicht mehr zeitgemäß. Nun geschieht der Dienst nicht mehr aus Zwang, sondern aus Liebe; nicht durch die Beobachtung von Regeln und Vorschriften, sondern mit Lust; nicht infolge von Gelübden und Verpflichtungen, sondern in vollkommener Handlungsfreiheit; nicht, weil wir Sklaven, sondern weil wir Söhne sind. Ein ganz neues Dienstverhältnis ist uns mit der neuen Natur gegeben, und es ist hinfort unsere Aufgabe, Gott auf diese Art und Weise zu dienen. Wenn wir nicht sehr wachsam sind, werden wir finden, dass wir beständig in Gefahr sind, in die Knechtschaft des alten Buchstabens zurückzufallen und in dem Geist der Knechtschaft, statt der Kindschaft zu handeln.

:* Griechisch: palaiotes (veraltert sein) Kommt nur hier vor.

Die Anbetung

Aber es ist noch ein dritter Wandel verbunden mit dieser „Neuheit“, oder diesem neuen Leben, in das die neue Natur uns bringt: die Anbetung. Davon ist Gal 5:25 die Rede. Das ist ein weiterer Gedanke zu dem neuen Leben im Geist. Es handelt sich darum, dass unser Wandel und Gottesdienst in Christo sind und nicht nach religiösen Satzungen der Welt geschehen.

Wenn wir im (nach dem) Geist (oder der neuen Nataur) leben, so lasst uns auch in (nach diesem) Geist wandeln. Das will sagen, dass alle, die diese neue Natur haben, dementsprechend leben sollen. Das hier gebrauchte Zeitwort „wandeln“ ist anderes als das, das wir Röm 6:4 und Röm 7:6 gehabt haben.*

* Es ist stoicheo. Es kommt fünfmal vor: Apg 21:24; Röm 4:12; Gal 5:25; Gal 6:16; Phil 3:16 und bedeutet immer, nach religiösen Grundsätzen und Vorschriften zu wandeln, und bezieht sich auf äußere religiöse Gebräuche, Satzungen und Zeremonien. Das Hauptort stoicheion kommt nur in zwei der sieben Gemeindebriefe vor, nämlich im Galater- und Kolosserbrief, welche Lehrirrtümer zurechtweisen, die aus der Unkenntnis der Lehre des Römer- bzw. Epheserbriefes entstanden waren. Es kommt in jedem Brief zweimal vor (Gal 4:3.9 und Kol 2:8.20). Dreimal von den vieren ist es verbunden mit dem Wort „Welt“ (Kosmos) und bezieht sich also auf etwas Äußerliches und Materielles im Gegensatz zu dem Innerlichen und Geistlichen.

Das Wort hat Bezug auf alles, was in den religiösen Übungen Übungen äußerlich ist, auf alle religiösen Handlungen, welche es mit dem Fleisch oder der alten Natur zu tun haben. Die Gal 5:25 uns vorgehaltene Verpflichtung lautet: Da wir nun neues Leben haben, sollen wir auch nach der neuen, geistlichen Natur wandeln und nicht den äußeren religiösen Gebräuchen der Welt folgen (Gal 4:10.11), oder in und nach ihnen wandeln; weder nach den heidnischen Einrichtungen, noch nach den jüdischen Gebräuchen und Vorschriften über Essen und Trinken oder Waschungen, über Tage und Monate (Kol 2:16-17) Zeiten und Jahre, noch nach den babylonischen Überlieferungen (Röm 13:1-9).

Es gibt also drei verschiedene Verpflichtungen, was unseren Wandel nach der neuen Natur betrifft; das sind: Leben, Dienst und Anbetung; sie beziehen sich auf das, ,was nach innen, nach außen und nach oben geht.

Was das Innere betrifft, so sollen wir wandeln nach dem neuen Wesen des Lebens, in welches die neue Natur uns bringt.

In Bezug auf das Äußere sollen wir dienen gemäß der Neuheit der geistlichen oder neuen Natur.

Im Blick auf das Obere sollen wir „Gott anbeten im (oder nach dem) Geist“ und nicht nach den religiösen Überlieferungen, Satzungen und Geboten der Menschen (Gal 5:25; Kol 2:20-22)

Das sind dieselben drei Wirkungskreise, wie uns Tit 2:11-13 lehrt; und es sind dieselben drei Lehren, welche die Gnade lehrt. Denn die gnade bringt uns nicht nur die Erlösung, sondern sie lehrt uns, „dass wir, indem wir die Gottlosigkeit und die weltlichen Lüste (d. h. alle die Werke der alten Natur) verleugnen*, züchtig, gerecht und gottselig leben sollen in dieser jetzigen Weltzeit, indem wir die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes erwarten“. Hier werden wir gelehrt, wie wir in unserer neuen Lebensphäre leben sollen.

* Armèssameos, 1. Aorist, Partizip, Medium.'’

Das inwendige Leben

Was das inwendige Leben betrifft, so soll unser Wandel „züchtig“ sein. Das Griechische sophronos, mit Beherrschung aller unserer Wünsche und einer angemessenen Zucht über alle unsere Glieder. Dies allein und nichts weniger ist das „Mässigkeits-Evangelium“. Wenn wir diese Selbstbeherrschung z.B. nur auf diejenigen unserer Wünsche beschränken, welche durch den Durst erzeugt werden, so verfehlen wir den ganzen Nachdruck der Ermahnung und lassen alle unsere anderen Lüste des Fleisches und des Gemüts ohne Zwang und Aufsicht; oder wir handeln wenigstens so, als ob sie wohl so gelassen werden könnten. Jedoch das Größere schließt das Geringere ein. Und das wahre Evangelium der Mässigkeit schließt in die Sebstbeherrschung nicht nur das Trinken, sondern auch Essen, Kleidung, Lektüre, Verbrauch, Sparsamkeit, Reisen, Reden, Aufsuchen von Sehenswürdigkeiten, Besuche machen, Singen usw. ein, und erstreckt sich auf alles, was unter den Begriff „Reinheit“ fällt. Es umfasst jede Seite unseres täglichen Lebens, nicht nur die groben Lüste des Fleisches, sondern auch die verfeinerten Wünsche des Gemütes; es umfasst nicht nur das Unerlaubte, sondern auch das Erlaubte. Es beherrscht nicht nur das Erlaubte, sondern auch das Nützliche.

Die sogenannte Temperenz-Bewegung stammt aus dem Fleisch und nicht aus dem Geist. Dadurch wird nur eine unserer Lüste beherrscht und die Tür zu allen anderen offengelassen. Geld, das nicht für Getränke ausgegeben wird, kann dann wohl für andere unsittliche Zwecke verwendet werden, Geld, das nicht vertrunken wird, geht dann im Glücksspiel verloren. So nimmt der bloss ethische Reformator nur hie und da ein verdorrtes Blatt oder eine faule Frucht weg, während das Böse an der Wurzel liegt. Nicht Reformation brauchen wir, sondern Regeneration. Wiedergeburt. Ein „gebesserter Charakter“ ist fern davon, ein geretteter Sünder zu sein. Ein solches Werk ist gut für die Welt, sie mag sich damit beschäftigen, ohne das höhere und einzige Werk, für das er bestellt ist, zu vernachlässigen.

Nein, der Wandel nach der neuen Natur löst für das Kind Gottes alle diese Fragen und schließt das Ganze ein; während ein Wandel nach dem Fleisch nur mit einem gewissen Teil des Ganzen beschäftigt ist.

Was also das inwendige Leben betrifft, so haben wir mit Selbstbeherrschung auf allen Gebieten zu wandeln.

Das äußere Leben

In Bezug auf das äußere Leben soll unser Wandel gerecht (dikaios) sein. Und das nicht zur Gerechtigkeit, sondern aus Gerechtigkeit. Nicht, weil es die Gesetze und Gebote der Menschen erfordern, sondern weil es das Verlangen der neuen Natur ist. Nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus der Macht der Liebe. Nicht als Knechte, sondern als Kinder. Nicht erzwungen durch Verpflichungen, Abzeichen oder Gelübde, sondern aus dem Drang der göttlichen Natur in uns, in der Welt draußen gerecht zu wandeln.

Im Blick auf das Obere

Im Blick auf das Obere sollen wir „gottselig“ wandeln, d. h. Gott soll unsere ein und alles sein. Der Wandel wird deshalb nicht in den Satzungen und Gebräuchen, in religiösen Überlieferungen der Menschen bestehen, sondern in der Entfaltung der neuen Natur; mit einem Wort: es ist Christus allein, statt alles dessen, was den Namen Religion trägt. Es ist Christus, und sogar nicht einmal die „Christliche Religion“ als eine unter den vielen anderen Religionen, sondern Christus oder wahres Christentum.

So nur allein werden wir dieser Verpflichtung gegenüber unserer neuen Natur gerecht werden und zu denen gehören, „Welche Gott im 8nach dem) Geist (oder der neuen Natur) anbeten (oder ihm dienen), sich in Christo Jesu rühmen und nicht auf das Fleisch vertrauen.“ (Phil 3:3)

Versorgung mit der rechten Nahrung

Die dritte Verpflichtung der neuen Natur gegenüber ist; sie mit der rechten, passenden Nahrung zu versorgen.

Wie die alte Natur, da Fleisch, durch das ernährt wird, das von außen kommt, (denn sie kann sich nicht aus sich selbst heraus nähren), so ist es auch mit der neuen Natur. Ihre Nahrung muss von außen kommen. sie muss beständig mit der Speise unterhalten werden, welche für sie bestimmt und ihr angepasst ist. Diese Speise ist das Wort Gottes.

Daher wird uns gesagt, dass wir wie neugeborene Kindlein nach der vernünftigen Milch des Wortes begierig sein sollen, auf dass wir dadurch zunehmen (1Petr 2:2). Das Wort Gottes ist die Speise der neuen Natur. „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Munde Gottes geht“ (5Mo 8:3). In ihm ist Nahrung aller Art enthalten, Milch für kleine Kinder und feste Speise für Erwachsene; Trost für Leidtragende; Hilfe für Schwache (Mt 4:4). Wie die neugeborenen Kindlein nach Milch verlangen, so bedarf das neugeborene Kind Gottes der Milch des Wortes, und es sehnt sich nach derselben.

Dies ist die einzige Nahrung der neuen Natur, sie muss jedoch „lauter“ sein: das lebendige Wort, der Herr Jesus Christus; und da geschriebene Wort: die Heilige Schrift. Das eine nicht ohne das andere. „Ich bin das Brot des Lebens", d. h. das Brot welches Leben erhält. „Das Brot Gottes ist er, der aus dem Himmel hernieder gekommen ist" (Joh 6:33.35.48-51).

So konnte Jeremia von dem geschriebenen Wort Gottes sagen: „Deine Worte waren vorhanden, und ich habe sie gegessen, und dein Wort war meines Herzens Freude und Wonne.“ (Jer 15:16)

Wenn ein Mann des alten Bundes sprechen konnte, wieviel mehr können es die, welche dem neuen Bund angehören und welche der „Göttlichen Natur“ teilhaftig sind.

Wenn das Manna vom Himmel „Brot der Engel“ genannt wird, wieviel mehr kann das Wort „das Brot Gottes“ genannt werden!

Nur durch die Nahrung aus dem Worte kann die neue Natur richtig unterhalten werden. Sie kann nicht gedeihen an den Worten der Menschen, noch an all seinen großen Gedanken. Dieselben sind in dem geistlichen Leben nutzlos. An der menschlichen Vernunft und der weltlichen Literatur würde die neue Natur verhungern. Alles das würde im besten Fall zu einem Idealmenschen führen. Wer sich aber mit der von Gott eingegebenen Schrift ernährt (2Tim 3:17), wird ein Mensch Gottes werden, durchaus gerüstet* für jedes Ereignis, jede Schwierigkeit und jeden Kampf, beschirmt gegen jede Gefahr, gewappnet gegen jede Versuchung, vorbereitet auf jede Prüfung.

* Das griechische Wort exartizo wurde von den Griechen zum Ausrüsten eines Schiffes für die See gebraucht. Ein solches Fahrzeug musste alles an Bord haben und auf jedes Ereignis vorbereitet sein, das sich aus der Erfahrung ergab. Der Mensch, und nur der, welche Gottes Wort in seinem Herzen hat, ist so ausgerüstet.

Als der Sohn Gottes versucht wurde, berief er sich auf das Wort Gottes. Seine ersten amtlichen Worte waren: „Es steht geschrieben“ und seine erste amtliche Äußerung geschah mit den Worten der Schrift aus 5Mo 8:3.

In seiner letzten amtlichen Äußerung bezieht er sich wiederum dreimal auf das Wort: "Dein Wort ist Wahrheit. Ich habe ihnen dein Wort gegeben.“ (Joh 17:17.14)

"Die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben.“ (Joh 17:8)

Hier haben wir wiederum „die Worte" und "das Wort“; denn das Wort ist aus Worten zusammengesetzt und es ist unmöglich, das eine ohne das andere zu besitzen. Wenn damit andere Worte vermengt werden, so wird das Wort als Ganzes verfälscht.

Kein Wunder, dass die Gläubigen so schwach und kraftlos sind, sowohl darin, dem Bösen zu widerstehen als auch das Gute hervorzubringen. So offenbar ist diese Schwäche, dass besondere Zusammenkünfte eingeführt worden sind zu dem ausdrücklichen Zweck der „Vertiefung des geistlichen Lebens.“ Diese bilden den Beweis des niedrigen Standes des geistlichen Lebens und des unbefriedigten Zustands sehr vieler Christen. Das sind auch die plausiblen Gründe dafür, dass solche besonderen Anstrengungen erforderlich sind. Der dafür gebräuchliche Ausdruck ist aber nicht biblisch. Wir wollen nicht sagen unbiblisch, weil das, was damit gemeint ist, richtig ist. Es beweist dies aber eine Vergesslichkeit gegenüber der Schrift, welche erklärt, dass diese neue Natur vollkommen und göttlich ist, und daher nicht vertieft oder vermehr werden kann.

Sie kann unterhalten, genährt und gekräftigt werden: aber dieses kann nur durch die Speise am Worte Gottes und nicht durch da Lauschen auf Menschenwort geschehen. Durch die Erklärung des Wortes und nicht durch Ermahnungen der Menschen kann die neue Natur gestärkt und in guter geistlicher Gesundheit erhalten werden, durch Sinnen auf das, was droben ist, nicht durch Aufmerken auf das, was auf Erden ist, durch Erforschung der Schriften und nicht durch etwas anderes.

Alle anderen und geringeren Mittel, welche angewandt werden, dienen nur dazu, das Fleisch zu weiden und aufzublasen; und die Schlinge ist umso feiner und gefährlicher, weil es so gut scheint und lautet, sowohl in der Sache als auch in der art und im Beweggrund.

Überdies liegen diese Zusammenkünfte weit auseinander. Wenn man von ihnen abhängt, ist es gerade so, als wenn jemand eine Zeitlang vor sehr wenig Speise leben und dann durch ein großes Mahl alles nachholen würde. Das ist aber im besten Fall eine sehr regellose, um nicht zu sagen ungesunde Lebensweise.

Es gab Heilige Gottes und eine edle Armee von Märtyrern, auch Riesen im Dienste des Wortes Gottes und ein Heer wahrer treuer Zeugen schon lange vor der Zeit, da man solche Veranstaltung und Vertiefung des geistlichen Lebens traf. Das waren die Gläubigen, welche unsere großen und unschätzbaren Freiheiten errangen, lange vor den Tagen unserer modernen evangelischen Gesellschaften, welche nur zu dem Zweck erfunden wurden, zu verteidigen und zu bewahren, was andere für uns errungen hatten.

Alle diese modernen Empfindungen sind ein Bekenntnis und zugleich ein Beweis des Tiefstandes, in den wir hineingeraten sind.

Folgen falscher Ernährung

Viele Gläubige ziehen, anstatt sich selbst am Worte zu nähren, es vor, die Ereignisse der Studien anderer über dasselbe zu hören. Das ist gerade so, wie wenn jemand Vorträge über Diät besuchen und die Chemie der Nahrungsmittel studieren wollte, anstatt dieselben zu essen und zu verdauen, um dadurch Kraft und Stärke für seine täglichen Pflichten zu sammeln.

Von einer anregenden Literatur zu leben, ob sie nun geistlich oder weltlich ist, das wäre dasselbe, als wenn jemand von Kuchen, Süßigkeiten und Nebengerichten leben wollte, statt von einer kräftigenden, belebenden, gesunden und zuträglichen Speise.

Daher kommt es, dass so viele den Anforderungen und Pflichten des christlichen Lebens nicht gewachsen sind. Darum stehen so viele machtlos vor den Versuchungen. Sie geben ihrer neuen Natur so wenig Nahrung. Sie genießen die ungesunde Speise ihrer eigenen Erfahrungen oder der Erlebnisse und Lebensbeschreibungen anderer. Sie lesen „gute“ Bücher, Bücher von Menschen und Liederbücher, welche nur Gärung statt Verdauung erzeugen, weil eine solche Speise sich mit der neuen Natur nicht verträgt.

Ist es da zu verwundern, dass man bei dieser Art von Diät und dem unregelmäßigen, nur in Zwischenräumen oder überhaupt selten gepflegten Genuss des Wortes Gottes an so vielen Christen eine wirklich hohe Auffassung des Geistes der Kindschaft, der hohen und wunderbaren Vorrechte der Söhne Gottes vermisst, und sie ein wirkliches Gefühl ihrer Verantwortung in der Welt, in welche sie hineingestellt sind, nicht empfinden?

Seien wir dessen eingedenk, dass, um das Vorrecht der Gotteskindschaft zu verwirklichen, das Wort Christi „reichlich in aller Weisheit in uns wohnen“ muss. Das geschriebene Wort und das lebendige Wort sind die einzige Speise der neuen Natur, und der Gebrauch derselben darf nicht unregelmäßig oder dem Zufall überlassen sein, indem hin und wieder ein Mund davon genommen wird. Unseren Leib behandeln wir nicht so, noch genießen wir so unsere tägliche Speise; denn wir alle wissen ganz gut, dass die richtigen Mahlzeiten in regelmäßigen Abständen genossen, langsam gekaut und vollständig verdaut werden müssen, um uns ganz einverleibt zu werden. Gerade so muss es im geistlichen Leben sein, welches wir in der Gabe der neuen Natur bekommen haben.

Wenn unser geistlicher Zustand infolge mangelhafter Ernährung schwach ist, dann sind wir versucht, zu allen Arten von Heilmitteln unsere Zuflucht zu nehmen, um die nötige Kraft und Gesundheit zu erlangen. Viele suchen Hilfe bei marktschreierischen Heilmitteln, welche in der religiösen Welt in demselben Überfluss vorhanden sind wie in der natürlichen. Alle Arten neumodischer „Behandlungs“-Methoden werden empfohlen und alle Arten von „Nahrungsmitteln“ werden als die besten angepriesen.

Das Lebensbrot Gottes, das er für uns bereitet hat, enthält alles, was wir brauchen. Wir behandeln es aber wie Korn Gottes, das er für unser natürliches Leben bestimmt hat. Bei dem Mahlen dieses Korns hat der Mensch seine Mühlen so eingerichtet, dass er automatisch fast alles ausscheidet, was Gott in das Korn hineingelegt hat.* Was übrig gelassen wird, ist größtenteils Stärke (um nicht zu reden von den schädlichen Stoffen, welche hinzugetan werden); und da diese Stärke im Verhältnis zu der Diastase steht, einem Teil des Speichels, der sie allein verdauen kann, so gärt sie im Magen, statt zu verdauen, bleibt daher zurück und wird eine Quelle vieler Übel. Mittlerweile daher wir unser Organismus so schwach ernährt, dass unsere Gesundheit darunter leidet; wir klagen über allerlei Übelstände; wir fühlen uns häufig „unpässlich“ und so kommt es, dass wir zu den hoch gepriesenen „Heil- und Nährmitteln“ unsere Zuflucht nehmen, bis viele in einen Zustand kommen, in welchem sie ohne solche Hilfsmittel für ihr leibliches Leben nicht mehr fertig werden können. Zwar haben viele diese Missstände erkannt und trachten dann auch, dem Fehler abzuhelfen. Wie tun sie es aber? Anstatt die naheliegenden Mittel anzuwenden und zu dem zurückzukehren, was Gott in dem Weizenkorn gegeben hat, welches alles Nötige enthält, und zwar im richtigen Verhältnis, hat man verschiedene Arten vorn „Broten“ mit wunderbaren Namen, erfunden. Die Unachtsamen versuchen es mit diesen neumodischen Broten, und obwohl ihre Nahrung mehr kostet, erlangen sie die erhofften Ergebnisse doch nicht.

* Die ausgeschiedenen Bestandteile werden an die Getreidehändler besonders verkauft und haben ihre eigenen Bezeichnungen. In Ungarn ist dies in einem so ausgedehnten Maße der Fall, dass das Mehl in nicht weniger als elf besondere Teile gesondert wird, welche mit Nummern bezeichnet werden.

Vernachlässigung des Wortes Gottes

Das alles geht tatsächlich vor unseren Augen vor sich und hat sein Gegenstück im Geistlichen. Das Wort Gottes wird vernachlässigt; die Menschen gehen auf die verschiedenste Weise damit um. Die Milch des Wortes wird in einen „Separator“ getan; und was nicht von dieser oder jener Partei geglaubt wird, wird sorgfältig ausgeschieden oder umgangen. Menschliche Ersatzmittel werden genossen, und wenn wir merken, dass wir schwach oder nicht gesund sind, dann kehren wir nicht zu der Ursache alles Unheils (der Unterernährung an der einfachen Speise des Wortes Gottes) zurück. Wir setzen vielmehr dasselbe System fort, welches alle diese traurigen Wirkungen hervorgebracht hat. Dann suchen wir sie zu heilen, indem wir zu den Vorschriften der Menschen Zuflucht nehmen und ihren Empfehlungen glauben. Die einen empfehlen eine neue „Behandlungs“-Art, andere verlegen sich auf „Reizmittel“, und während sie sorgfältig diejenigen der materiellen Welt vermeiden, finden sie Gefallen an geistlichen Genüssen bei Konferenzen usw. Wieder andere tun so, als ob das fortgesetzte Bekennen ihrer Sünden, welche sie bejammern, sie beseitigen oder heilen könnte. Manche meinen auch, eine gemeinsame Besprechung dieser Dinge würde die erwünschte Abhilfe bringen.

Dabei wird gerade von den Anhängern dieser modernen Methoden offen zugegeben, dass sich das Glaubensleben und die evangelische Kraft auf einem sehr niedrigen Standpunkt befinden. Wie ein schlecht genährtes Pferd beständig durch die Peitsche angetrieben werden muss, so peitschen sich diese schlecht genährten Gläubigern selbst oder lassen sich von anderen zu ihren Pflichten antreiben, statt einem gut genährten Pferd zu gleichen, welches keine Peitsche nötig hat und das nur der Leitung und des Zügels bedarf.

Noch weit schlimmer ist es, wenn wir in dem Zustand geistlicher Ohnmacht in dem Werk des Herrn tätig und dabei genötigt sind, dasselbe in der Kraft der alten Natur, des Fleisches, zu tun (Joh 6:63) Das bringt dann natürlich noch größere Not, bis schließlich viele „zusammenbrechen“ und „fortgeschickt“ werden; oder sie geben es selbst auf.

O, dass wir sie dahin bringen könnten, die einzige und einfache Ursache all dieser Übelstände zu erkennen, welche allgemein anerkannt, zugegeben und beklagt werden. Dass diese vorhanden sind, ergibt sich ja aus den Anstrengungen, die man von allen Seiten macht, um sie abzustellen.

Die Wurzel aller Not ist die Vernachlässigung der göttlich verordneten Mittel, der Nahrung aus dem Wort Gottes.

Dies ist das Werkzeug, wodurch die neue Natur eingepflanzt wurde und es ist das einzige Mittel, durch welches sie unterhalten, ernährt und gekräftigt werden kann.

Dieses Wort Gottes hat nur so viel Wert, als wir uns selbst daraus nähren und wie wir es wirklich in uns aufnehmen. Niemand kann da für uns tun. Denkt darum nicht, dass wir leben können, indem wir andere Leute essen sehen, oder dass wir etwas lernen können, wenn wir nur auf deren Werk blicken und es nachahmen. Wir müssen unsere eigenen Forschungen im Wort anstellen und in unseren eigenen Bibeln anstreichen und unsere eigenen Verzeichnisse und Notizen machen. Gewiss, wir können darin von anderen angeleitet und unterwiesen werden (Joh 5:39); jeder einzelne muss aber für sich selbst forschen (Apg 17:11) und jeder muss selbst davon essen, damit er stark werde, nachdem er von anderen gehört und gelernt hat, wie sie sich aus dem Worte ernähren.

Alles, was wir für unsere geistliche Gesundheit und Kraft brauchen, ist im Wort Gottes enthalten; und der Heilige Geist, welcher es eingegeben hat, ist bei uns wirksam, um uns zu lehren und es unseren Herzen einzugeben. Wir wollen unser ganzes Vertrauen auf ihn setzten. Lasst uns ihn nicht betrüben, indem wir uns auf Menschen verlassen. Verlasst euch nicht auf unsere Schriften. Horcht auf sie nur, soweit sie Christus verherrlichen und sein Wort groß machen. Alles, was wir tun können, ist, dass wir Wegweiser sind, die euch sagen, wo Speise zu finden ist und wo die „grünen Auen“ liegen; und die euch auf die Nützlichkeit, die Süßigkeit, die Macht, die Wahrheit und den Gewinn dieser himmlischen Speise hinweisen und euch sagen, wo ihr das finden könnt, was eure Bedürfnisse befriedigt. Auch für unsere eigene Nahrung brauchen wir dasselbe Wort. Wir können die Speise vorbereiten und sie für euch zerlegen, aber wir können nicht für euch essen; das müsst ihr selbst tun.

Demnach ist es einfach eine Frage der Diät im geistlichen Leben, wie so oft auch im leiblichen, und die Gesundheit beider kann dadurch festgestellt werden, dass „Appetit“ vorhanden ist. In der natürlichen Welt ist der Appetit das Zeichen von Gesundheit. Wenn er fehlt, ist es ein Zeichen des Krankseins. Ebenso ist es auf dem geistlichen Gebiet. Unser Appetit oder Verlangen nach dem Wort Gotte ist der Gradmesser unserer geistlichen Gesundheit. An diesem Gradmesser können wir uns selbst prüfen. Er ist das Thermometer für unser geistliches Befinden.

In unserer geistlichen Entwicklung hängt alles ab von unserem Appetit nach dem Worte Gottes, das die einzige geistliche Nahrung ist. Es wird uns in dem Maße nützlich sein, in dem wir nicht nur von dem Wort essen, sondern es auch verdauen und es völlig in uns aufnehmen.

Wie das Geld, so hat auch das Wort nur so viel Wert, als wir Freude, Nutzen und wahres Glück daraus bekommen. Was nützt uns ein Bankguthaben von einer Million, wenn wir nie unser Scheckbuch gebrauchen oder das Geld ausgeben (2Kor 3:6)? Es ist für uns dann nur ein Buch mit vielen Zahlen; das Geld, als bloße Münzen, hat für uns nicht mehr Wert als ebenso viele Spielmarken!

Gott verhüte, dass es so bei uns stehen sollte mit seinem Wort. Wir haben in demselben alles, was uns befähigen kann, in Neuheit des Lebens zu wandeln. Hier finden wir die ganze Waffenrüstung für jeden Kampf, die ganze Kraft für jeden Dienst, den ganzen Trost für jede Sorge, alle Hilfsquellen für jedes Bedürfnis.

O möchte dieses kostbare Wort nicht allein unsere Rüstkammer oder unser Vorratslager sein, sondern auch unser Tisch! O dass wir durch Gottes Gnade wirklich sagen können:

“Du bereitest vor mir einen Tisch
Im Angesicht meiner Feinde;
Du salbest mein Haupt mit Öl,
Und schenkest mir voll ein.“

Lies weiter:
VIII. Praktische Schlussfolgerungen