Nachwort zu Christi Schrei

Aus Bibelwissen
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"Christi Schrei am Kreuz - Sein herrlichster Lobpreis"
von M. Jaegle (1976)

Abschrift mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Groß, Balingen
Dort als Schrift noch erhältlich.

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Inhaltsverzeichnis

Christi Schrei am Kreuz

8. Nachwort

Unser Dank

Zum Abschluss drängt es uns, dem Herrn nochmals für Seinen wahren Schrei von Herzen zu danken; denn überreichlich hat Er uns damit die schon geschenkten Erkenntnisse Seiner Herrlichkeit vermehrt.

Nachdem wir schon zuvor erklärt haben wie wir zur Erkenntnis des wahren Schreies geführt wurden, wollen wir einen dazu passenden Ausspruch des Herrn anführen: "Ein anderer ist, der da säet, und ein anderer, der da erntet" (Joh 4:37).

Und in der Tat haben wir ja nur schon vorhandenes eingesammelt und zu einem Ganzen zusammengefasst, was verschiedenen Gottesmännern stückweise geschenkt worden war, wozu wir die entsprechenden Erklärungen gaben. Da wir aber in allem Gottes Hand sehen, erkennen wir auch Seinen Willen, nun den wahren Schrei allen Gläubigen bekannt zu machen. Das gibt uns die Freiheit alle Leser mit einem Aufruf zu bitten, an der Verbreitung dieser Schrift mitzuhelfen. Hierzu zitieren wir Eph 2:10: "Denn Sein Tatwerk sind wir, erschaffen in Christo Jesu für gute Werke, die Gott vorher bereit macht, auf dass wir in ihnen sollten wandeln."

In voller Gewissheit sagen wir, dass die Verbreitung des wahren Schreies Christi ein von Gott zuvor bereitgemachtes gutes Werk ist (Eph 2:10), darinnen wir nun aufgefordert sind zu wandeln, d.h. es auszuführen. Gilt es nichz, einen Gott und Christus verunehrenden Ausspruch am Kreuz auszumerzen und mit dem rechten, die volle Erlösung enthaltenden, zu ersetzen:

"Mein Gott! Mein Gott! Wozu Du Mich übriggelassen hast!"

Wer sollte von einem solchen Werk zurückstehen?

Leider führen bis heute die meisten Bibeln den falschen Schrei an, während wenige den richtigen nur teilweise wiedergeben. deshalb haben wir den Entschluss gefasst, jedem Bibelleser Gelegenheit zu geben, den wahren schrei in seine Bibel aufzunehmen. Wir legen dazu jedem Exemplar dieser Schrift den berichtigten Ausruf auf einem Doppelzettel beim mit der Empfehlung ihn in den Seiten der beiden Schriftvorkommen von Mt 27:46 und Mk 15:34 am inneren Seitenrand aufzukleben. Wenn dadurch der in den Bibeln stehende, ganz oder teilweise unrichtge Wortlaut berichtigt wird, ist dem Leser die Wahrheit des Schreies in der göttlichen Harmonie des Urtextes wieder vor Augen gestellt. Die Notwendigkeit dieser Durchführung und das ihr entsprungene gesegnete Ergebnis sollten für jeden von dieser Wahrheit überzeugten Leser ein freudiger Akt der Dankbarkeit zu Gott für den wahren Schrei Seines Sohnes sein!

Weshalb der Schrei in aramäisch?

Wir verweisen nochmals auf die eigenartige und bedeutungsvolle Tatsache, dass der Schrei Christi von den beiden Schreibern Matthäus und Markus weder hebräisch noch griechisch, sondern aramäisch überliefert wurde, d.h. in der Sprache, in der ihn der Herr ausrief! Darauf ergab sich nach Gottes Willen eine lebensvoll fortlaufende Tat, eine durch Gottes Geist in Bewegung gesetzte Handlung. Denn in allen Landen auf dem weiten Erdenrund, in welcher Sprache auch immer die dort aufliegenden Bibeln übersetzt sind, können alle den Schrei Christi auch auf aramäisch, d.h. in seinem wahren Urlaut lesen, so, wie ihn der Herr am Kreuz ausrief. Das ist wahrlich etwas ganz Bedeutungsvolles und Erhebendes!

Gleicherweise verhält es sich auch mit dem aramäischen Wort "Abba" = "Vater". Auch dieses Wort bestimmte Gottes geist zur mehrfachen Aufnahme in alle Bibelübersetzungen. Mit "Abba" = "Vater" redete Christus Seinen Vater im Graten Gethsemane an (Mk 14:36). Auch der Klang diese vertrautesten Anrede muss des himmlischen Vaters Herz erfreut haben; denn Sein geist gab sie dem Apostel Paulus noch zweimal in die Feder. So bekommt Gott "Abba" in Röm 8:15 und Gal 4:6 durch den von Gott in unsere Herzen ausgeschickten Geist Christi öfters zu hören.

Dies bewunderungswürdige Tatsache lässt uns erkennen, wie wertvoll und erquickend für Gott der herrlichste, am Kreuz zu Ihm gesandte Lobpreis Seines Sohnes sein muss! Sein Herz ist so verlangend nach diesen Worten Seines Sohnes, dass Er in Seiner Weisheit den Schrei Christi aramäisch niederschreiben ließ, so dass Er seither ohne Unterlass diesen Lobpreis von den Gläubigen so zu hören bekommt, wie der Sohn ihn zu Ihm rief! Denn auch das unausgesprochene Lesen der Bibel hört Er.

Gott wohlgefällige Taten

So erfreulich es nun für Gott ist, den wahrheitsgetreuen Schrei Seines Sohnes in der aramäischen Sprache zu hören, so betrübend muss Ihn die Übersetzung berühren: "Mein Gott! Mein Gott! Warum hast Du Mich verlassen?" (Mt 27:46 und Mk 15:34). Der Unterschied zwischen diesem verfehlten und dem rechten Wortlaut des Schreies wurde bereits deutlich herausgestellt. das ist leider eines der betrüblichsten Vorkommen von Fehlern in den meisten Bibelübersetzungen! So wird Gott wohl den aramäisch verfassten Schrei stets mit tiefer Freude anhören, doch wird Er durch die falsch übersetzte Wiedergabe immer wieder tief betrübt sein.

Welch eine Gnade ist deshalb die uns geschenkte Gelegenheit eine vollkommen harmonische Übereinstimmung zwischen dem aramäischen und dem verdolmetschten Wortlaut wiederherstellen zu können. Das darf nun jeder Bibelleser mit unseren Berichtungszetteln auch praktisch durchführen und damit etwas aus Gottes Augen wegtun, was Ihn schon so lange aufs tiefste betrügte. Deshalb wird Er auch allen, die den rechten Schrei in ihre Bibel aufnehmen und folglich zu dessen Verbreitung mithelfen, einen besonderen geistlichen Segen schenken!

Un d noch etwas anderes haben wir nachzuholen. Gott und Seinem Sohn werden von den Seinen für alle Heilstaten ununterbrochen Dankgebete dargebracht. Doch wie viel mehr überfließender Dank für das ganze Kreuzgeschehen wurde Ihnen vorenthalten durch die falsche Übersetzung des Schreies Christi und die vermeintliche Verlassenheit des Sohnes vom Vater am Kreuz!

Aber nun gehören des Vaters Verbleiben beim Sohn und Dessen Sich darauf gründender Lobpreis zu den überragendsten Kreuzeswahrheiten. Es sollte deshalb unser Herzen aus Liebe zum vatr und zum Sohne drängen, Ihnen für diese beiden Heilstaten innigsten und immerwährenden Dank darzubringen. Sie dafür zu preisen ist doch eine Huldigung für die Volloffenbarung der Liebe Gottes und für den Höhepunkt des vom Sohn so schwer erkämpften "Sieges am Kreuz von Golgatha"!

Da ein solcher (nachgeholter) Dank dem Vater und dem Sohn zu außerordentlicher Erquickung und Verherrlichung gereichen, werden gewiss alle Leser dieser Abhandlung unserem Vorschlag freudig zustimmen

Die menschlichen Beschattungen

Wenn wir nun nochmals die sieben kostbaren Worte unseres Herrn am Kreuz überblicken, so ist es sehr schmerzlich, feststellen zu müssen, dass nicht nur Christi Schrei, sondern auch andere Seiner am Kreuz gemachten Aussprüche unter menschliche Beschattungen gerieten. Das geschah schon mit Seinem ersten Ausspruch, Seiner bitte zum Vater, "Seinen Mördern zu vergeben". Diese ist zwar richtig übersetzt, doch wird - durch Unglaube - ihre restlose Erfüllung nicht anerkannt. Denn würde man vorbehaltlos glauben, dass Gott denen Vergebung schenkt, welche mit der Verwerfung und nachfolgenden Ermordung seines eigenen Sohnes die größte aller Sünden begingen, so hätte man schon längst den Weg zu dem Gott verherrlichenden Glauben zurückgefunden, dass Er der Retter aller Menschen ist (1Tim 4:9-11). Wenn doch die schlimmsten aller Sünder Vergebung erhalten und diese dadurch gerettet werden, wieviel mehr dürfen alle anderen Menschen, deren Sünden längst nicht an diejenigen der Mörder des Sohnes Gottes heranreichen, Vergebung und damit Errettung erwarten! Bedenken wir wir doch, dass der Herr Selbst an die Erhörung dieser Seiner bitte geglaubt hat, indem Er sie am Kreuz Seinem Vater zur Erhörung vorlegte und uns damit auch tatsächlich am Kreuz den weg für den Glauben an die Errettung aller Menschen eröffnete und ausdrücklich bestätigte. Paulus war sich auch der überragenden Bedeutung dieser ihm vom auferstandenen Herrn geschenkten Offenbarung voll bewusst, weshalb er sie mit den Worten einleitete (1Tim 4:9): "Glaubwürdig ist das Wort und jeder Annahme wert...", und sie abschloss mit (1Tim 4:11): "Dieses weise an und lehre. " Aber den Widerstand gegen diese Wahrheit schon damals erfahrend, umkleidet er sie mit seiner betrüblichen Erfahrung (1Tim 4:10a): "...(den dazu mühen wir uns und werden geschmäht), dass wir uns verlassen auf Gott, den Lebendigen, der da ist der Retter aller Menschen!" Von dieser Warte aus ist leicht zu erkennen, dass schon damals Christi erster Ausspruch am Kreuz unter menschliche Beschattung geriet - durch Unglauben.

Das Gespräch mit dem Verbrecher

Darauf folgt das Gespräch des Herrn mit dem Verbrecher. In diesem ist die Bitte des des Verbrechers sehr oft falsch übersetzt, die Antwort des Herrn fast ausnahmslos unrichtig interpunktiert und das "heute" verstellt und mit "noch" irreführend ergänzt, (wie dies schon zuvor aufgezeigt wurde). Wie Christi Lobpreis wurde auch dieser Ausspruch in etwas verkehrt, das Er gar nicht sagte. Ja, was man Ihn unwahres aussprechen ließ, wurde zu einem Pfeiler der unbiblischen Lehre, nach welcher dem Todes ofort der Eintritt in das Leben der Unsterblichkeit folgen soll.

Der dritte Fall ist der laute, voll tiefster Ehrfurcht zu. Seinem Gott gerufene Lobpreis Christi, der an den verhängnisvollsten Fehl-Übersetzungen aus dem Urtext leidet! Diesen den sieg Christi krönenden Lobpreis in einen Not- und Zweifelsschrei eines zusammenbrechenden Siegers zu verkehren, ist doch einer der größten Schäden im Worte Gottes. Und unserem hochgelobten Herrn Worte in den Mund zu legen, die Er gar nie in diesem Sinne ausgesprochen hat, ist ein Von-der-Wahrheit-Abschweifen. Doch kommt noch eine weitere üble Folge dieses grundlegenden Irrtums hinzu. Dafür, dass Gott Seinen Sohn nicht verlassen hatte und Ihm der Herr nicht einen Notschrei, sondern den siegesgewissen Lobpreis zurief, sollte doch Vater und Sohn innigste Danksagung dargebracht werden. Aber ach, da Seinen Kindern diese überaus herrlichen Heilswahrheit verdeckt blieben, blieb auch jahrhundertelang die Danksagung dafür aus. Das gehört ohne Zweifel zu den bedauerlichsten Folgen der falschen Übersetzung des Schreies Christi.

Mit diesen Ausführungen ist leider die unheilvolle Kette der. zum Unguten umgeänderten Aussprüche Christi am Kreuz noch nicht abgeschlossen. Seinem Siegesausruf: "Es ist vollbracht!" erging es wie Seinem ersten Ausspruch. Nicht falscher Übersetzung fiel dieser anheim, aber zweifelnder Unglaube an den Vollsieg Christi hat dem "Vollbracht" schädigend an die Wurzel gegriffen.

Dass Jesus damit bezeugte, das Heil für die gesamte Schöpfung bewirkt zu haben, wird von keinem Gläubigen bezweifelt. Dennoch wird die Erreichung dieses hehren Zieles für unmöglich gehalten! Einige Jahrzehnte nach Seinem Sieg offenbarte der Herr dem Apostel Paulus, was Er mit dem: "Es ist vollbracht" bewirkt hatte und auch schon am Kreuz vollgewiss glaubte: Die überragende Wahrheit, dass aufgrund "Seines Vollbringens" am Kreuz (nach 1Tim 4:10) "Gott der Retter aller Menschen ist". Gott hat sogar mit dem dahin gegebenen Blut und Leben des Sohnes das All mit Sich Selbst ausgesöhnt, also nicht nur die Menschen auf Erden, sondern auch alle himmlischen Wesen, so wie es der Herr durch Paulus in Kol 1:20 bezeugt!

Mit Christus und Paulus haben wir die zwei Hauptzeugen für diese Doppelwahrheit. der Herr, der sie vollbrachte und Paulus, der sie als erster uneingeschränkt verkündigte. Sie waren daher auch die ersten, welche sie von Herzen glaubten. Das wird bestimmt kein Gläubiger bezweifeln. Um seines Glaubens und um der Verkündigung willen, dass Gott der Retter aller Menschen ist, ließ sich Paulus nach 1Tim 4:9-11 schmähen! Aber wen trifft diese Schmähung letztlich? Doch den Herrn Selbst, der Paulus den Auftrag gab, anzuweisen und zu lehren, dass Gott der Retter aller Menschen ist (1Tim 4:11). Und weil diese Wahrheit über die glorreiche Vollendung in Christi Ausruf: "Es ist vollbracht!" enthalten ist, so wird dieser Siegesausruf Christi von der Ablehnung und Bekämpfung der Allaussöhnung direkt getroffen. Ja, er wird durch die Lehre von der endlosen Qual der meisten Geschöpfe in die größte Katastrophe in Gottes Heilsvorsatz umgewandelt!

In Ps 22 ist ergreifend geschildert, wie Christus am Kreuz von feindlichen Mächten umlagert wurde. Man könnte fast sagen, dass es "Seinen Aussprüchen" ähnlich erging. Denn sie fielen einer Auslegung zum Opfer, die sie ihres wahren Inhalts entleerte und sie in "der Schrift fremde Lehren" umkehrte. Diese verdunkeln seither das im Kreuz hell aufstrahlende Heil. Für Satan war das ein großer Triumph, weil er damit Gottes Wesen und Charakter verfinstern konnte, wie er es schon von Urbeginn der Menschheit angestrebt hatte. Wieviel Herrlichkeit ging aber damit Seiner Herausgerufenen, ja der Menschheit überhaupt, verloren! Welch unergründliche Langmut, welche Geduld und Tragkraft Gottes wird auch hier offenbar!

Auch möchten wir darauf hinweisen, dass Ihm diese Widersprüche nicht von einer ungläubigen Welt, sondern aus dem Kreis der Gläubigen widerfahren sind! Lasst uns daher allen Gottes Vaterherz kränkenden Widerstand gegen die Wahrheit fliehen und vielmehr gemeinsam mit allem Fleiß Gottes Willen in allen Seinen Aussprüchen ernstlicher als bisher und ohne Vorurteil prüfen (1Thes 5:21) und damit Gott und Christus ehren und verherrlichen mit einem Gottes Zusagen dankbar und frohlockend bejahenden Glauben. Denn wir leben im Glauben, nicht in unserem alleinigen, sondern in dem triumphierenden Glauben des Sohne Gottes (Gal 2:20).

Auslegungen als Prüfstäbe

Nach allen bisherigen Darlegungen über den Wortlaut des Schreies Christi wenden wir uns zuletzt noch verschiedenen Auslegungen zu. Diese zeigen uns auch wieder die Haltlosigkeit eines Notschreies und die sich ebenfalls aus dieser Sachlage ergebende, zwingend Notwendigkeit eines anders lautenden Schreies. Im folgenden betrachten wir auszugsweise acht solcher Auslegungen von verschiedenen Gottesmännern:

1. Hören wir den ersten Ausleger:

"...Die größte Zerreißprobe war das Kreuz. Ich möchte nichts Falsches sagen oder etwas behaupten, das nicht der Ehre Gottes dient. Aber ich glaube, dass die Verbindung Jesu zu Seinem Vater in dieser schrecklichen Prüfung, durch die Er hindurchging, vielleicht, nicht mehr auf die gleiche Weise bestand wie vorher. Die unsagbaren Leiden der Kreuzigung, die Seine Sinne betäubten, ließen Ihn sogar ausrufen: "Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen? (Mk 15:34). Hatte Ihn Gott in Wirklichkeit verlassen? Gott ist überall und hat gesehen und erlebt, was da am Kreuz geschah; denn: Gott war in Christo, die Welt Sich Selber versöhnend..., als sich die Sonne verfinsterte. Welch eine Zerreißprobe, doch brachte das "Dein Wille geschehe" (in Gethsemane) dann die Entlastung der Probe."

Mit dieser Deutung wird einmal mehr offenbar, welche Mühe ein Notschrei den Gläubigen machen kann, die sich ernsthaft in einen solchen hineindenken. So erkennt auch dieser Ausleger "im überlieferten Wortlaut" ein versagen Christi in Seiner schwersten Prüfung. Selbst ohne Kenntnis des wahren Wortlautes des Schreies zweifelt er aber - sicher auch aufgrund von 2Kor 5:19 - an der Richtigkeit der Annahme des Verlassenseins des Sohnes vom Vater. Damit wurde in diesem Falle die Glaubwürdigkeit der herkömmlichen Wiedergabe des Schreies als fragwürdig hingestellt.

2. Ähnlich schreibt ein anderer Ausleger über Christi Schrei:

"Vielleicht wirkte Jesus darum so unerhört frei, so herrlich gelöst von allen menschlichen Vorschriften und Meinungen, weil _Seine Bindung an den Vater so stark war, ja weil Er gleichsam immer aus ihr heraus wirkte. Er ist ohne den Vater undenkbar.
Es ist ergreifend, wie große Heilige klagen über ihr Alleinsein, und das geht hin bis. zu dem schrecklichen Wort Christi am Kreuz; 'Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen?' Auch Er ist da hindurchgegangen. Ab er der Vater hat Ihn nicht allein gelassen. Es schien nur so!"

Die Äußerung dieses Gedankens setzt voraus, dass Christus während der Durchführung seines Erlösungswerkes etwas Unwahres zum Vater geschrieen habe. Das aber käme einer - gewiss ungewollten - Erniedrigung des Herrn gleich! Wie der vorhergehende so ist auch dieser Ausleger im tiefsten Grunde seines Herzens der Überzeugung, dass Gott Seinen Sohn am Kreuz nicht verlassen hat! Diese Erkenntnis entspricht zwar der Wahrheit, doch fehlt ihr die Beweisführung aus der Heiligen Schrift. Somit verlangt auch diese Auslegung entschieden einen völlig anders ausgerichteten Schrei, einen, der Christus jeden, auch nur scheinbaren Makels enthebt.

Hier haben wir nun die Ausleger gehört, welche Christi Notschrei zwar als den rechten annehmen, aber nicht glauben, der Vater habe Ihn tatsächlich verlassen. Jetzt folgen sechs andere Ausleger, die wohl auch dazu stehen, dass Christus einen Notschrei ausgestoßen haben, aber daraus schließen, der Vater habe Ihn wirklich verlassen.

Vernehmen wir, wie sie versuchen, ihr Annahmen mit den sich aus ihnen ergebenden Auswirkungen zu vereinbaren.

3. Einer längeren Ausführung über Christi Schrei am Kreuz des einen Auslegers entnehmen wir folgende Auszüge:

"Warum diese absolute Gottverlassenheit? Warum diese Gottesferne? .. Er fragt auch nicht: "Warum lässest Du Mich sterben?" sondern: "Warum hast Du Mich verlassen?" wohl in dem Sinne: Wenn Ich schon sterben muss zur Versöhnung der Welt, muss dabei auch noch dieses Schrecklichste, das Verlassensein von Dir, Meinem Gott, über Mich kommen? Warum auch noch dies?
Es war etwas völlig Neues, das hier den Sohn urplötzlich überfiel. Nie zuvor hatte es zwischen dem Vater und Ihm auch nur die geringste Trübung gegeben, von den Uranfängen an, als der Sohn vor der Zeit der Welt beim Vater war und von Ihm geliebt wurde (Joh 1:1-3 und Joh 1:17-24), bis zu Seinem Leben und Wirken auf dieser Erde. Immer waren des Vaters Liebe, Wegweisung, Trost und Zuspruch Ihm nahe, und nie tat der Sohn etwas ohne den Wink und die Weisung des Vaters (Joh 5:19.30; vergl. Joh 2:4). Und nun plötzlich ein so totales und völliges Verlassensein von Seinem Gott und Vater, wie es nicht einmal einem verdammten in der "Hölle" dem "feurigen Pfuhl", dem Feuermeer widerfuhr. Warum? Wieso? - Das Neue Testament gibt uns die Antwort: Auf dem Gekreuzigten lag die Sünde der Welt, des Kosmos ... Gott aber kann da nicht sein, wo Sünde ist. Deshalb musste Er den Sohn am Kreuz verlassen...
Hatte der Sohn eine solche Situation am Kreuz erwartet? Aufgrund von Joh 16:32 müssen wir diese Frage wohl verneinen. Dort sagt Jesus: "Siehe, es kommt die Stunde und ist gekommen, dass ihr zerstreut sein werdet, ein jeder in das Seinige, und Mich allein lassen werdet; und Ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei Mir!"
Und auf Sein Stöhnen, Schreien, ja Brüllen hin (so der genaue Wortlaut) erfährt Er, was Er nie erfuhr: Der Vater antwortet nicht! Das ist für Ihn, den Sohn der Liebe, das Schrecklichste. Alles, alles kann ein Wesen ertragen und überwinden solange Gott ihm nahe ist, tröstend, helfend, durchtragend. Dass aber zur körperlichen Not, zum Spott der Umgebung, zum Umringtsein von Finsternismächten noch dieses Furchtbarste hinzukommt: Gott verlässt Ihn, Gott ist fern, Gott antwortet nicht, das ist eine selbst für den Sohn Gottes auf die Dauer unerträgliche, unmögliche Situation..."

Dieser Ausleger nimmt also bestimmt an, Gott habe wirklich Seinen Sohn verlassen und Christi Warum- und Notschrei entspräche einer solchen Tatsache. Er führt sogar zur Beweisführung Jesu bestimmte Aussage an (Joh 16:32b): "... Ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei Mir." Mit dem Ihm vom Vater gegebenen Versprechen sagt Er doch deutlich;: "Der Vater ist bei Mir und wird Mich nie verlassen". Dieser Ausleger will also mit dem Zitat des Ausspruchs Christi nur sagen, der Herr habe eine solche Situation nicht erwartet, weil Er ja von einer Gottverlassenheit gar nichts gewusst hätte. Damit wird aber dem Herrn Unwissenheit zur Last gelegt, und dazu Gottes Wort wahrheitswidriger Aussprüche bezichtigt!

Dieser Ansicht stehen auch noch andere Gottesworte entgegen; denn wiederum steht geschrieben (Joh 18:4): "Jesus nun, da Er alles wusste, was über Ihn kommt..." Nach diesem Wort, das der Geist dem Johannes in die Feder gab, hätte der Herr bestimmt um Seine Verlassenheit gewusst. Also bleibt auch mit dieser Auffassung das Problem ungelöst stehen.

4. Ein vierter Ausleger sucht das Problem des Notschreies auf einem anderen Weg zu lösen. Wie die übrigen drängt auch in das so notvolle Problem des Schreies Christi zu einer Stellungnahme. Er beschränkt sich dabe auf die nun folgende "vermutende Äußerung":

"... Jesus sei erst in Gethsemane die ganze Tiefe des vor Ihm liegenden Leidensweges enthüllt worden - bis hin zum Abgeschnittensein von Seinem Vater für eine gewisse Zeit - und eben dies sei der Kelch gewesen, um dessen mögliches Vorübergehen der Sohn gefleht haben: das Verbanntsein aus der Liebesgemeinschaft mit dem Vater, der Tod in letzter und absoluter Form..."

Diese Deutung wird uns als Vermutung nahegelegt. Um dem Notschrei mit Joh 16:32a gerecht zu werden, hält dieser Ausleger es für möglich, Gott habe dem Sohn erst in Gethsemane enthüllt, Er werde Ihm am Kreuz verlassen. Weiter wird vermutet, die Gottverlassenheit wäre der Kelch gewesen, um dessen Hinwegnahme Er den Vater inbrünstig angefleht hätte.

Nun aber hat der Herr doch eingewilligt, diesen Kelch zu trinken (Lk 22:42; Joh 18:11)! Er wäre also auch bereit gewesenen, die Gottverlassenheit zu tragen und hätte bestimmt auch dieses Schwere überwunden. Niemals hätte Er aber dann einen Warum - und Zweifelsschrei zum Vater gesandt, nachdem Ihm Sein Vater die Verlassenheit am Kreuz im voraus zu wissen gegeben hätte! Da also auch diese Vermutung nur wieder ein neues Problem hervorruft, ist auch sie nicht annehmbar, sondern abzulehnen.

5. Hören wir, wie der fünfte Ausleger Christum in Seinem Notschrei sieht. Er überschreibt seine Darlegung: "Der Schrei der nie erstirbt". Damit will er sagen, dass der fürchterliche Notschrei die ganze, herrliche Harmonie des Erlösungswerkes Christi für alle Zeiten mit einem schrillen Misston übertönen und beschatten wird. der nie in Vergessenheit geraten kann!

Vernehmen wir nun einen Satz dieser Auslegung:

"... Und als Er dann im unendlichen Leid litt, wurde Er, erfuhr Er, empfand und litt Er den endlos langen Todeskampf und schrie wie ein Unsinniger! den schrecklichen Angstschrei: Mein Gott! Mein Gott! Warum hast du Mich verlassen?"

Dieser Ausleger hat durch den Notschrei den Sohn Gottes in einer solche hilflosen und verzweifelten Lage gesehen, dass es ihn bis ins tiefste Innerste seiner Seele erschütterte und ihn zu einer Benennung Christi drängte, vor der man erschrickt! Denn er stellt den Herrn als einen Menschen hin, der anfängt, den verstand zu verlieren. Damit bestärkt er wohl bei den meisten Gläubigen in ihrer Empfindsamkeit auch den Eindruck, dass dem überlieferten Schrei eine Unsinnigkeit zugrunde liegt.

6. Nach dem folgenden sechsten Ausleger wäre der Schrei von einem in völlig verzweifelte Ratlosigkeit gefallenen Herrn ausgestoßen worden; denn er schreibt:

"Der ohnmächtige Verzweiflungsschrei der Gottverlassenheit am Kreuz."

Auch das ist wieder ein den Herrn verunehrende und herabwürdigende Auslegung. Welche Erniedrigung, ja sogar Schmach hat doch der vermeintliche Notschrei dem Herrn schon eingebracht!

Zu diesen Gott und Seinen Sohn entehrenden Urteilen gehört auch der von einem Diener am Wort gemachte Ausspruch, Christus habe ob des Verlassenseins von Seinem Vater eine große Enttäuschung erlebt!

7. Hören wir noch einen siebten Bibelausleger. Auch dieser befasst sich mit dem Schrei in Verbindung mit Joh 16:32b. Doch weicht er von allen anderen Ausleger ab; denn er legt den Schrei gar nicht aus und sucht auch keine Lösung des Problems. Unumwunden bekennt er:

"...Auch ist das ganze Kreuzesgeschehen so unendlich tief, dass wir nicht verstehen können - unsere Möglichkeiten und Fähigkeiten hören hier auf - wie der Herr einerseits sagen kann: Der Vater ist bei Mir (Joh 16:32b) und dann am Kreuz ausrufen musste: Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen? (Mt 27:46). Wir kennen die diesbezüglichen Auslegungen, aber sie vermögen uns alle nicht zu überzeugen."

Hier hören wir erstmals ein Urteil, das durchaus der Wahrheit entspricht. Mit Recht sieht der Schreibe, dass Christi Schrei nach der landläufigen Überlieferung mit Joh 16:32b in schärfsten , unvereinbarstem Gegensatz steht und es deshalb völlig unmöglich ist, beide Auslegungen harmonisch zusammenzubringen. Deshalb unternimmt er auch keinen Versuch, die beiden Aussprüche aus ihrer Zwiespältigkeit zu befreien, weil er zu dem berechtigten Schluss kommt, dass es unmöglich ist, eine Übereinstimmung zu erreichen! (Das gilt auch für die Fassung des Schreies, die anstelle eines Frage- ein Ausrufezeichen setzt). Denn solange an der Gottverlassenheit festgehalten wird, bleiben unvereinbare Gegensätze zu anderen Gottesworten bestehen, wie: Joh 14:10; Joh 16:32b; 2Kor 5:19. Ebenso berechtigt ist sein anderes Urteil, dass "die diesbezüglichen Auslegungen alle nicht zu überzeugen vermögen". Das wird auch durch die hier überprüften, sämtlich sich widersprechenden Erklärungen bestätigt. Mit einem solchen Urteil tut der Beurteiler der Wahrheit einen doppelten Dienst. Zunächst eröffnet er damit den Weg zur Annahme des wahren Schreies Christi. Darauf verschließt er den bisher beschrittenen Weg denen, welche meinten, den Notschrei mit der Aussage von Joh 16:32b trotz allen offensichtlichen Schwierigkeiten in Einklang bringen zu können.

8. Und nun lassen wir noch einen letzten Gottesmann zu Worte kommen, der auf den Schrei Christi eingeht. Er tut dies in Verbindung mit der Auslegungen des Buches Hiob wie folgt:

"Nun hat der "biblische Hiob" am Kreuz in echter menschlicher Todesangst eine Frage an Seinen Gott und Vater gerichtet, die ohne Kenntnis der Richterpersönlichkeit Gottes und des vorhin betrachteten Hiob-Prozesses nicht zufriedenstellend beantwortet werden kann. Zu ihrer Beantwortung oder Entkräftung sind schon viele menschliche Hilfsmittel versucht worden, falls man es nicht für besser fand, ganz darüber zu schweigen, Mt 27:46 und Mk 15:34: "Mein Gott! Mein Gott! Warum hast Du Mich verlassen?"

Dieser Ausleger fällt ein treffendes Urteil über die Fehlauslegungen des Schreies Christi. Er nennt sie: Versuche mit menschlichen Hilfsmitteln. Auch darin hat er recht, wenn er nahelegt, diese Versuche besser unterbleiben zu lassen.

Doch unzählbar sind die mündlichen und schriftlichen Auslegungen über Christi Schrei, die ohne weiteres annehmen: Der Herr war vom Vater verlassen und habe deshalb einen Not- und Zweifelsschrei zu Ihm ausgestoßen.

Wenn man diese Auffassungen und Deutungen zusammenstellt und sie untereinander vergleicht, so ergibt sich nur ein Herumrätseln an Christi Notschrei, das die Lösung des bestehenden Problems offen lässt. Im Gegenteil, je mehr Erklärungen darüber gegeben werden, desto undurchsichtiger und verschwommener wird die ganze Sache. Wenn aber heutige Bibelkritiker und liberale Theologen dieses uneinheitliche und zum Teil sich widersprechende Erklären eines einzigen Ausspruchs Christi inne werden, so können sie diesen Diener am Wort (Urhebern oben stehende Zitate und mancher anderer ähnlicher Aussage) entgegenhalten: "Was tadelt ihr uns noch wegen unserer an manchen Bibelstellen geübten Kritik. Ihr seid ja selbst untereinander uneinig und widersprecht euch sogar in den Erklärungen über einen einzigen, so fundamentalen Ausspruch! Wenn ihr euch aber über einen einzelnen Ausspruch in der Bibel nicht zurechtfindet, solltet ihr aufhören, andere deswegen zu tadeln." - Wie demütigend ist es aber für uns Gläubige, dass manche besonders durch Auslegungen über Gottes Endziel den Bibelkritikern noch weiteren Anlass gaben, die Gläubigen des Mangels an Folgerichtigkeit zu bezichtigen. Im Blick auf die diesbezüglichen Verheißungen könnte vielen gar der berechtigte Vorwurf des Unglaubens gemacht werden.

So verwirrend nun auch alle Auslegungen über Christi Schrei sind, so haben sie doch einen Nutzen;: Durch ihre mannigfaltige Verschiedenheit weisen sie darauf hin, dass Christi Schrei anders gelautet haben muss! Sie bezeugen damit auf ihre Art Seinen schrei als herrlichsten Lobpreis. Denn alle durch die erwähnten Auslegungen aufgeworfenen Problem e sind allein mit einem Lobpreis aufgrund des Nichtverlassenseins restlos gelöst und umgewandelt zu einem Gott und Seinem Christus verherrlichenden, gnadenvollen Aufleuchten des ganzen Kreuzesgeschehens!

Schließlich ist sehr bedeutungsvoll, dass Phil 2:5-8, wo Paulus den Abstieg des Sohnes Gottes beschreibt, er mit keinem Wort das Verlassensein des Herrn von Seinem Gott erwähnt, das in den diesbezüglichen Auslegungen als das Furchtbarste und Schwerste hervorgehoben wird. Selbst in den an die Beschneidung gerichteten apostolischen briefen findet sich kein solcher Hinweis. Paulus nennt als letzte und allertiefste Stufe von Christi Selbstentäußerung den schmachvollen Tod des Kreuzes. Dieser - und nicht die unmögliche Verlassenheit des Herrn während Seines Sterbens - ist die tiefste Tiefe, die der Sohn Gottes als der Lebensfürst voll Gotteskraft um Seiner Geschöpfe willen auskosten musste. So erwähnt denn auch der Hebräerbrief nicht die Verlassenheit Jesu wohl aber, dass Er "in der Gnade Totes für alle den Tod schmeckte" (Hebr 2:9b). Denn ein größerer Gegensatz als der zwischen dem Leben verleihenden Sohn Gottes und dem zu Tode gebrachten Menschensohn, ist überhaupt nicht ausdenkbar.

Auch liegt der Grund unserer Errettung niemals in Christi Verlassensein am Kreuz, sondern in Seinem im Sterben vergossenen Blut zu unserer Rechtfertigung, Seinem Tod zur Versöhnung und Beseitigung der Feindschaft und sEiner Auferstehung aus den Toten (Röm 5:8-10; 1Kor 15:1-19).

Persönliche Erlebnisse mit Christi Schrei

Sollten nun nach allen Darlegungen meinen Lesern noch Bedenken verbleiben, ob der Schrei Christi doch anders lauten könnte, so darf ich Ihnen zwei Erlebnisse zur weiteren Prüfung ans Herz legen. Das erste machte ich bei der Vorbereitung eines der nächsten Hefte der lautenden Artikelserie: "Wer ist Satan?", und zwar durch die Betrachtung des Sieges Christi am Kreuz.

Hindernislos ging die Beschreibung Seines Siegs bis zu Seinem Schrei. Dieser "Warum-, Not und Zweifelsschrei" verdeckt mir, ob der Gottverlassenheit, gleich einer dunklen Wolke den bis dahin hell aufleuchtenden Sieg. Von welcher Seite ich den Schrei auch betrachtete, es starrte mich nur immer Niederlage an, und ich sah mich unentrinnbar vor die verheerenden Folgen in Gottes Erlösungswerk gestellt. ES war mir unmöglich, hier noch Sieg zu sehen und zu beschreiben. Denn unseren siegreichen Herrn inmitten Seines Siegeslaufes plötzlich im Zusammenbrechen sehen zu müssen, wirkte auf mich - wie wohl auch auf jeden darüber nachsinnenden Gläubigen - wie ein furchtbarer Schlag, der lähmend auf meinem Glaubensleben lag. Darauf legte ich notgedrungen bekümmerten Herzens die Beschreibung dieser Siegesproklamation unvollendet zur Seite! Doch hat sie nun durch das göttliche Geschenk der Erkenntnis über Christi wahren Schrei ihre Fortsetzung gefunden.

Und nun mögen die lieben Leser dieselbe Prüfung des "unechten Schreis Christi" vornehmen und versuchen, ob sie darin noch Sieg zu sehen vermögen. Jeder, der aufrichtig prüft, wird bestimmt zum selben Ergebnis gelangen. Doch darf ich nun bekennen: In innere Not und Betrübnis zu geraten ist die bester Vorbereitung zur Annahme des wahren Wortlautes. So hat auch dieses bittere Erlebnis mir und meinen Mitarbeitern offene Augen und aufnahmewillige Herzen gegeben für die rechte Übersetzung des Schreies, die der Herr uns durch eine Anzahl Seiner Diener schenkte.

Die tiefe Freude an dieser glaubensstärkenden Erkenntnis der erst teilweise richtigen Übersetzung drängte uns schon damals, diese auch weiter bekannt zu machen, was dann auch geschah mit der hektographierten Abhandlung "Christi Schrei, sein herrlichster Lobpreis".

Darauf führt mich der Herr einen Leidensweg, auf dem Er mich diese Wahrheit als reiche Segensquelle erfahren ließ. Ich wurde so schwer krank, dass ich mich auf des Herrn Abruf aus diesem Leben vorbereitete. In den so leidensvollen Nächten mit ihren Kämpfen ging ich dann, um mich zu stärken, im Geist mit dem Herrn Seinen Leidens- und Sterbensweg von Seiner Gefangennahme bis zu Seinem Tode. Durch dieses Hineinversenken in Christi Leiden erfuhr ich Zuspruch und Kraft. zum willigen Ausharren. Wenn ich aber dann auf diesem Weg zu Christi Schrei kam und mir denselben in der alten Fassung vorstellte, fühlte ich, dass mir dieser zu einer dunklen Anfechtung in meiner schweren Lage geworden wäre. Statt einer solchen wurde ich sogar durch die erst teilweise rechte Übersetzung wunderbar gestärkt und innerlich aufrecht erhalten. Ja, ich durfte erfahren und erleben, dass wir in Christi Vollsieg, den Er mit einem Lobpreis zu Gott körnte, in schwersten Lebenslagen auch Sieg haben können, und dass es aufgrund desselben dem Geiste Gottes möglich gemacht ist, in tiefsten körperlichen und seelischen Nöten. und Schmerzen auch in unseren Herzen einen Lobpreis zu Gott zu bewirken.

Dieses glaubensstärkende Erleben bewirkte sogar die erste, nur zum Teil richtige Übersetzung des Schreies Christi; denn damals sahen wir Christus immer noch als den vom Vater verlassenen Sohn. Jetzt müssen wir beschämt bekennen, dass wir uns mit der Annahme der Verlassenheit des Sohnes mit der allgemeinen Erklärung genügen ließen, dass Er eben der Verfluchte und der von Gott zur Sünde Gemachte war. Heute ist uns die Ungereimtheit dieser Erklärung klar; denn, sollte der Grund der Verlassenheit dem Sohn verschlossen gewesen sein, während wir diesen als gegenstandslos und unbegründet erkannt hätten? Dies wäre ja das Widersinnigste, das es geben würde.

Aber darauf wurde uns durch Gottes Gnade auch noch der tiefere Einblick in Christi Schrei geschenkt, und wir durften Ihn als den Nicht-von-Gott-Verlassenen erkennen. Jetzt leuchtete uns Christi Sieg im hellsten Lichte und als völlig makelloser Lobpreis auf. Und nun geben wir die erhaltene Erkenntnis mit noch tieferem Dank und größerer Freude mit dieser Schrift weiter.

In dem sechsstündigen Ringen Christi zur Errettung aus Aussöhnung des Alls ist noch die bedeutsame Wahrheit hervorzuheben, dass Sein Wille und Sein Verhalten während Seines schweren Kampfe wesensmäßig in Sein Erlösungswerk eingegangen sind. Da der Herr dasselbe heldenhaft und siegreich, in verdunkeltem Wissen und ungebrochenem Gehorsam zu Vater vollbrachte, ja in höchster Todesnot Ihm noch einen Lobpreis darbrachte, deshalb beinhaltet Sein Erlösungswerk auch ungeschmälert Seinen vollkommenen Sieg am Kreuz auf Golgatha. Dieser Triumph mit seiner alles überwindenden Kraft ist sowohl in Christi Geist als auch im Wort vom Kreuz enthalten.

Und damit kommen wir zur beglückenden Wahrheit: Durch den Empfang des uns lebendigmachenden Geistes Christi (Gal 4:6), der uns zur gläubigen Aufnahme der Heilsbotschaft im Worte des Kreuzes befähigt, ist uns ebenso ungeschmälert der volle Sieg Christi geschenkt, so wie Er ihn am Kreuz ausgefochten und erkämpft hat. Dort stieg Er zum Übersieger empor, und in Ihm vermögen nun auch wir solche zu sein, wie das Paulus in Röm 8:37 bezeugt: "Jedoch in diesem allen sind wir mehr als Sieger (wörtlich: Übersieger) durch Den, der uns liebt."

Ein solcher Übersieger wurde Paulus durch die allgenugsame Gnade, welche ihm der Herr in 2Kor 12:9 verhieß. Da nun Paulus den Gläubigen bezeugt (Phil 1:7b): "Ihr seid alle Mitteilnehmer an (dieser) meiner Gnade", so ist auch uns damit die Möglichkeit für ein solches "Siegesleben" gegeben.

Nun mag es nach unseren Darlegungen doch noch Leser geben, denen es schwer ankommt, den neuen Wortlaut des Schreies Christi anzunehmen, so dass sie dadurch notgedrungen den Notschrei beibehalten. Diesen möchten wir unsere volle Bereitschaft kundtun, ihre Einwände gegen unsere Erforschung entgegenzunehmen. Doch müssen wir sie bitten, uns dabei die folgenden vier Fragen zu beantworten:

  1. Wie ist der Notschrei oder Ausruf der Gottverlassenheit in seiner bis heute allein bekannten Form mit den Aussagen in Joh 14:10b; Joh 16:32b; Joh 18:4 und 2Kor 5:19 widerspruchslos in Einklang zu bringen?
  2. Wie kann der Sieg Christi ebenso überzeugend und ungeschmälert mit dem Notschrei der Gottverlassenheit vereinbart und verkündet werden wie mit dem aufgezeigten Lobpreis?
  3. Wie können aufgrund des Notschreies und der Gottverlassenheit des Sohnes ebenso freudige Danksagung und lückenlose Huldigung Gott dargebracht werden, wie dieses mit dem ununterbrochenen verbleiben des Vaters beim Sohn und Dessen Lobpreis möglich ist?
  4. Wie sind alle übrigen aufgezeigten Probleme mit einem Notschrei oder Ausruf der Gottverlasenheit ebenso befriedigend zu lösen zur Verherrlichung Gottes und zur Ehre Seines Sohnes wie mit dem Lopbpreis?

Die Gnade sei mit allen, die da lieben unseren Herrn Jesum Christus in Unverderblichkeit! Amen! (Eph 6:24).

Nachtrag

Kurz vor Drucklegung wurden uns noch folgende wichtige Beiträge in die Hand gelegt.

So schreibt der Bibelkritiker R. Bultmann über den Tod Jesu: "Wir dürfen uns nicht verschleiern, dass Jesus am Kreuz zusammengebrochen ist." Eine ähnliche Stellungnahme zum falsch übersetzten Schrei Christi nimmt der Dichter Camus ein, denn er sagt: "Damit der Gott ein Mensch sei, muss er verzweifeln." Weiter folgert er: "Jesus schreit den Schrei der gequälten Kreatur in das leere Universum."

Betroffen stellen wir fest, dass Bibelkritiker und Leugner göttlicher Wahrheiten den vermeintlichen Verzweiflungsschrei Christi. zugunsten ihrer ungöttlichen Schlussfolgerungen aufgreifen.

Aber noch bestürzter wird uns folgender Zeitungsartikel (Rheinischer Merkur) machen, den wir hiermit vollständig zitieren:

"Jesus-Welle" in Israel

"Eine regelrechte "Jesus-Welle" mit einer Flut von Publikationen hat der jüdische Professor Pinchas Lapide, Ex-Diplomat. und profunder Kenner des Neuen Testaments, in Israel registriert. Bei einem Gespräch mit christlichen Theologen in der Lutherischen Volkshochshule Alexanderbad deutete Lapide dieses Phänomen als "Wiederentdeckung des verschollenen Rabbis von Nazareth". Er meinte: "1900 Jahre lang ist es den Christen gelungen, den größten Sohn Israels den Juden wirksam zu verekeln. Heute ist es klar, dass Jesus und Judentum zusammen gehören." Lapide hält jetzt sogar die Voraussetzungen eine "Bibel-Ökumene" zwischen Christen und Juden für gegeben.
Das Gespräch in Alexanderbad, an dem von evangelischer Seite der Neuendettelsauer Theologieprofessor Dr August Strobel und als katholischer Theologe Dr Paul Müller (Regensburg) teilnahem, ließ jedoch bei aller atmosphärischer Freundlichkeit die Grenzen zwischen den Konfessionen deutlich spürbar werden. Zu sehr klafft das Jesusverständnis auseinander: Die Anerkennung Christi als zweite Person der göttlichen Dreieinigkeit kann von Juden nicht vollzogen werden, sie ist für sie nach den Worten Lapides sogar "ganz und gar unverständlich". Als jüdischer Messias sei Jesus in den Augen der Juden gescheitert: "Das beweist sowohl sein Verrzweiflungsschrei am Kreuz wie auch die offensichtliche Unerlöstheit der Welt." Für Juden sei es unbegreiflich und bibelwidrig, dass Gott eines Menschen Opfer bedürfe, um seine Schöpfung mit sich selbst zu versöhnen, argumentiert Lapide. Seine Jesus-Deutung gipfelte in dem Satz, dass der Nazarener gleichsam die Personifizierung der jüdischen Leidensgeschichte und die Inkarnation des nationalen Israels sei.
Jesus als Juden zu begreifen ist nach Meinung von Drd. Paul Müller, Assistent am Lehrstuhl für Neutestamentliche Theologie in Regensburg, eine Aufgabe der chrstilichen Kirchen im Dialog mit Juden. Christologie können nicht ohne blick auf das Volk Jesu betrieben werden. Das Judentum hingegen müsse sich um "die Heimhlung des Paulus u nd des Paulinischen Zeugentums "bemühen".

Es ist erschütternd zu sehen, wie zu allem auch noch ein jüdischer Professor aufsteht und gerade mit dem falsch verdolmetschten Schrei sein Volk darin bestärkt, Jesus sei weder ihr Messias noch der Sohn Gottes gewesen. Zudem soll der Verzweiflungsschrei ein bEweis dafür sein, dass Jesus und Sein Werk gescheitert seien!

Diese drei angeführten Leugner des Erlösungswerkes Christi machen es uns erschreckend klar, wie trefflich sich der falsch übersetzte Schrei Christi als vorzügliche Grundlage zur Leugnung herrlichster göttlicher Wahrheiten eignet! Damit hätten alle drei Kritiker darin recht, dass Christus ein Zusammengebrochener, ein Verzweifelter und ein Gescheiterter sei.

Wenn solch vernichtende Urteil über Christus und sein herrlichstes Werk gefällt werden, so muss man den Widerwirker Gottes dahinter sehen! Mit Entsetzen stellen wir fest, wie dessen menschliche Werkzeuge den falschen Schrei zu einem Bollwerk Satans ausbauen, um dem Herrn Seinen glorreichen Sieg streitig zu machen.

Dennoch durfte Stan dieser Triumph nach Gottes Ratschluss nicht bis zur Wiederkunft Christi verbleiben. Der Herr Selbst hat alles so geführt, dass sein lauter Ausruf als Sein herrlichster Lobpreis und damit Sein Vollsieg offenbart wurde. Mit diesem, Seinem wahren Schrei, wird Satans Machenschaften Einhalt geboten und sein Bollwerk gegen die Wahrheit noch vollständig niedergerissen werden! Möchte doch jeder Leser dieser Zeilen uns darin tatkräftig unterstützen, überein mit dem Wort des Apostels Paulus in 2Kor 10:4-5.

Nachdem wir nun unseren geschätzten und lieben Lesern zum Abschluss noch zeigen konnten, wie Bekämpfer des Wortes Gottes mit dem falschen Schrei unseres hochgelobten Herrn in Seinem Sieg schmähen und verächtlich machen, wird es gewiss allen leicht fallen, nun den lauten Ausruf als überragendsten Lobpreis dankbar in ihr Glaubensleben aufzunehmen, und zu bezeugen, zur Herrlichkeit Gottes des Vaters und Seines Sohnes, Christus Jesus!