Es folgt eine Zeit bleibender Gnade und göttlichen Schutzes für Israel - Jes 54:1-17

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aus HSA: Verkündiger von Gericht und Heil nach Jesaja (40-66) Bd.2


Es folgt eine Zeit bleibender Gnade und göttlichen Schutzes für Israel - Jes 54:1-17

Es ist, als habe der Blick auf den Golgathahügel (Jes 53) Jesaja dazu befähigt, Gottes Liebe und Gnade und Treue und Trost in diesen Versen ganz besonders lebendig und kräftig hervorzuheben. (Wir haben das Wort chäsad in den Versen Jes 53:8 und Jes 53:10 mit "Liebe und Gnade" übersetzt, weil es beides zusammen ausdrückt). Israel soll eine Zeit neuer Fruchtbarkeit und erweiterten Landbesitzes erleben; nach rechts und links (d.h. nach Süd und Nord) soll es sich ausdehnen; Reichtum und Herrlichkeit sollen Jerusalem auszeichen, Gerechtigkeit und Friede seinen Bewohnern zuteil werden; mögliche Angreifer sollen zu Fall kommen.

Hier wird nun, wie auch in anderen Texten des Alten Testaments, Jahwes Verhältnis zu Israel als ein Eheverhältnis dargestellt (Jes 54:5, vgl. Jes 62:4.5). Doch diese Ehe nahm einen dramatischen Verlauf: Die Frau ist ihrem Mann - Jahwe, dem Ewigseienden - wieder und wieder untreu geworden. Das Wunder aller Wunder aber ist: Gott bleibt Israel dennoch treu (Röm 3:3)! Diese spannungnreiche Ehe durchläuft verschiedene Phasen, in denen Israel bzw. Jerusalem in verschiedenen Rollen dargestllt wird: Israel ist Jahwes Jugendgeliebte (Jes 54:6 und Hes 16:7-14), doch es wurde zur Ehebrecherin und Hure, indem es sich Nationen und deren Religionen und Göttern hingab (Jes 54:4 spricht von der "Schande der Jugendzeit", vgl. Jer 2:14-28; Hes 16:15-34 - Hos 2:4-7); daraufhin hat Jahwe Israel verlassen, sich abgewandt und es dem Gericht preisgegeben, es wurde gleichsam zur Witwe, obwohl der Ehemann noch lebte (Jes 54:4 und Kla 1:1). Eines aber tat der gekränkte Ehemann nicht: Er stellte keine Scheidungsurkunde aus (Jes 50:1), denn er wollte und will sie wiedergewinnen! Die ehemalige Ehebrecherin soll erneut liebliche Braut und Ehegattin sein; dies geht neben Jes 54 auch aus den ergreifenden Texten Hes 16:53-63 und Hos 2:16-22 hervor. - Diese Linie setzt sch im Neuen Testament fort, hier ist Jesus der Bräutigam (vgl. Mt 22:1-10 - Mt 25:1-13 - Joh 3:29); sie setzt sich fort bis zur endzeitlichen "Hochzeit des Lammes" (Offb 19:7-9) und sogar bis auf die neue Erde, auf die das himmlische Jerusalem als "Braut udn Ehefrau des Lammes" herabkommt (Offb 21:9-14). (Man beachte, dass hier von Jerusalem, von den 12 Stämmen und überhaupt mehrfach von der Zahl 12 die Rede ist.)

In den Versen Jes 54:7 und Jes 54:8 unseres Kapitels betont Jahwe in Worten inniger Liebe, dass sein Erbarmen viel stärker sei als sein Zorn und dass gegenüber den Zeiträumen, in denen sein Auswahlvolk seine "ewige" (in die Äonen währende) Liebe und Gnade erfahren wird, die Zeit göttlichen Zorns nur wie ein "kleiner Augenblick" erscheinen wird. - Da Israel inzwischen nicht nur die assyrische und babylonische Wegführung, sondern die fast zweitausendjährige Zerstreuung unter die Nationen erdulden musste, kann Gott hier nicht nur die tausend Jahre des Messiasreiches auf Erden meinen (Offb 20); dann wären ja die Zorneszeiten viel länger als die Segenszeit! Nein, Gott wird "in die Äonen hinein" Israels Tröster und Erstatter sein, ja ohne Ende (Jes 54:10).

In immer neuen Bildern hebt die Heilige Schrift Gottes Treue zu Israel hervor: Würde auch ein Frau ihren Säugling vergessen - ich vergesse dich nicht (Jes 49:15). Mögen Berge weichen und Hügel wanken - meine Liebe und Gnade weichen nicht von dir (Jes 54:10). Eher würden Sonne und Mond und Sterne ihren Dienst versagen, als dass Israel aufhören würde, als Nation vor Gott zu existieren (Jer 31:35-37 - Jer 33:25.26). - Dieselbe Liebe, Gnade und Treue schenkt Gott auch heute den Gliedern seiner Gemeinde! Die neutestamentlichen Briefe sind voll davon.

Jes 54:9 betont: So wie sich die Sintflut der Tage Noahs nach Gottes Schwur nicht wiederholen soll (1Mo 8:21.22), so will Gott nicht noch einmal Israel zürnen oder drohen. - Delitzsch zitiert in seinem Jesajkommentar einen Ausleger seiner Zeit, der dazu die "krittelnde Bemerkung" gemacht habe: "Was von dem Vergleich mit der Sintflut zu halten sei, zeigt die spätere Geschichte, nach der das neue Jerusalem und der wiederhergestellte Staat dem Zorngerichte Gottes nur zu bald wieder erlag." Delitzsch antwortete darauf: "Erstens: Es ist ja das bekehrte Israel der Endzeit gemeint, dessen Jerusalem nicht wieder zerstört werden wird; diese Endzeit aber schaut der Prophet dem Charakter aller Prophetie gemäß mit dem Ende des Exls zusammen. Zweitens: Das Israel, welches durch die Römer in das gegenwärtige jahrtausendelange Exil geraten ist, ist derjenige Teil (Röm 11:25) des Volkes, welcher die ewige Gnade und den unwandelbaren Friedensbund von sich gestoßen; diese Zurückstoßung aber hat die volle Verwirklichung des Heiils an Israel als Volk nicht aufgehoben, sondern nur hinausgeschoben."

Auch die Verse Jes 54:11.12 blicken aufs Ende - nicht auf das "neue Jerusalem" nach der baylonischen Gefangenschaft, das so nicht aussah, sondern auf das mit Edelsteinen aller Art geschmückte neue, himmlische Jerusalem von Offb 21. (Die Schönheit des heutigen, irdischen Jerusalems kann bestenfalls einen kleinen Vorgeschmack davon geben.). Die Steine sollen nach Offb 21:11 "wie schwarzumränderte Frauenaugen (2Kö 9:30) prächtig hervorstrahlen" (König); denn als Mörtel soll ein "schwarzes, metallisch glänzendes Pulver" dienen, "womit die orientalischen Frauen ihre Augenlider färbten" (Delitzsch). Die Beschreibung hebt wie in Offb 21 Reichtum, Schönheit und Herrlichkeit hervor.

Doch wichtiger noch als die äußeren Vorzüge sind die inneren: das Geborgensein in Gottes Erbarmen, Friede und Gerechtigkeit und Freisein von Angst (Jes 54:7.8.10 - Jes 54:13.14) Es mag noch Angriffe von Feinden geben, doch Jahwe steht nicht auf ihrer Seite, deshalb müssen sie letzendlich zu Fall kommen (Jes 54:15). Jerusalem wird unbesiegbar sein, denn ihr Schutzherr ist Jahwe selbst. - Heute ist dieser Zeitpunkt noch nicht erreicht, doch Israel bewegt sich trotz aller noch ausstehenden Dransale darauf zu. Einmal wird auch der letzte Angriff auf das irdische Jerusalem abgewehrt sein (Offb 20:7-9). Weitere Angriffe gibt es dann nicht mehr, denn das himmlische Jerusalem ist unangreifbar.

Die Verse Jes 54:16.17 erinnern an Jes 45:7. (Man vergleiche die Erklärung dazu.) Delitzsch erläutert Jes 54:16 folgendermaßen: "Wenn Jahwe den Waffenschmied geschaffen hat, der gemäß seinem Handwerk eine Waffe schmiedet, die im feindlichen Heer gegen Jerusalem gebraucht werden soll, so hat er zugleich auch scchon einen Verderber geschaffen, um zugrunde zu richten; eben dieselbe Schöpfermacht, auf welche als letzte Ursache die Entstehung der Waffe zurückgeht, hat dieser auch schon im voraus einen Verteidiger Jerusalems entgegengestellt.." - So gilt auch hier was D. Schneider zu Jes 45:7 geschrieben hat: "Es geht dem Propheten darum zu erweisen, dass Gottes Schöpferarm überall hineinragt, auch in den dunklen, negativen Bereich der Schöpfung... Nicht, was geschieht, steht etwa nur unter seiner 'Zulassung', bei der Gott ruhend oder als Zuschauer gedacht ist... Damit wird Gott aber nicht in geradliniger Logik zum Urheber des Bösen."

Er hält alles Geschehen, auch das Böse, von der Planung bis zur Durchführung in seiner Allmachtshand. Unheil und Heil für Israel und für die Völker werden von ihm genehmigt, aber auch begrenzt. Wo die Freiheit zum Bösen endet, bestimmt er, seine Gnadenerweise aber haben kein Ende (Eph 2:7). Darm können wir ihm völlig vertrauen.