Das Zukunftsbild des Propheten Nahum

Aus Bibelwissen
Wechseln zu: Navigation, Suche

Aus dem Zweimonatsheft für gläubige Schriftforscher:
"Das prophetische Wort"
Begründet von Professor E. F. Ströter


Herausgegeben von Heinrich Schaedel
Maranatha-Verlag, Klosterlausnitz i. Thür.
XIX. Jahrgang 1928

Siehe weitere Abschriften
Weitere Referate: Die 12 kleinen Propheten

Das Zukunftsbild des Propheten Nahum

Von H. Hahn, Marburg

Geschichtliche Einordnung

„Und siehe, ich bin mit dir, und ich will dich behüten überall, wohin du gehst, und dich zurückbringen in dieses Land; denn ich werde dich nicht verlassen, bis ich getan, was ich zu dir geredet habe“ (1Mo 28:15). So ruft Jehova dort im Nachtgesicht dem Stammvater Israels oben von der Himmelsleiter herunter ins Herz. Weil nun Jehova „ICH BIN“ ist, das heißt, weil er gestern, heute und in alle Ewigkeiten derselbe ist, so kann er sich auch seinem abtrünnigen Volke Juda gegenüber, trotz all seiner Verschuldungen und Sünden, nicht ändern und verleugnen. So schenkt er demselben auch für die dunkelste Zeit seiner Geschichte diesen Propheten mit dem so schönen Namen Nahum „Tröster“ oder der „Trostreiche“ , und dem so schönen Beinamen „der Elkoschite“, das heißt „Gottes Härtigkeit“. Also schon die Bedeutung des Namens und Beinamens dieses Propheten sollte jedem Israeliten die herrliche Botschaft ins Herz legen: Gott hat trotz aller Gerichtshärtigkeit gegen sein Volk reiche Tröstung für dasselbe.

Geschichtsforscher nehmen an, weil im Buche des Propheten selbst jede Zeitangabe fehlt, dass er um die Zeit des Königs Manasse gelebt und gewirkt habe, also um das Jahr 686 (696). Mit schneidender Schärfe folgert er seine Schlüsse (Nah 1:1ff; Nah 3:5) aus der Strafgerechtigkeit des Heiligen und Allmächtigen, vor dem titanischen Trotz nicht bestehen kann. Er schildert mit blitzenden Lichtern einer packend anschaulichen Darstellung, welche ihn den ersten Meistern prophetischer Rede zur Seite stellt, die Katastrophe, wie sie durch die Belagerung feindlicher Kriegsheere und durch das unmittelbare göttliche Eingreifen, welches die Fluten des Stromes zur Niederreißung der Mauern aufbietet, wodurch die vom Getümmel erfüllte Stadt in den Staub geworfen, und für immer schändlicher Verachtung und steter Verödung hingegeben wird (Nah 2:4ff; Nah 3:2ff; Nah 2:7ff.; Nah 2:11; Nah 3:16-18).

Diese Katastrophe Ninive’s hat 606 durch die Eroberung der Babylonier und Meder stattgefunden, und die einzelnen Züge, welche über ihren geschichtlichen Vollzug überliefert sind, treffen mit den Schilderungen unseres Buches ziemlich genau zusammen; auch von dem Eingreifen der Überschwemmung des Tigris (Nah 1:8) weiß ein Geschichtsforscher (Ktesias) zu berichten. Doch darf man sich dadurch nicht bestimmen lassen, die Entstehung der Weissagung dieses Propheten im allzu nahe chronologische Verbindung mit diesem Ereignis zu setzten. Die Anspielung auf den Fall der oberägyptischen Stadt No-Ammon (Theben), die an den Strömen wohnte, trägt so deutlich den Stempel, unter dem noch ziemlich frischen Eindruck der Kunde dieses Ereignisses geschrieben zu sein, dass die Ansicht, Nahum habe um die Mitte des siebten Jahrhunderts geweissagt, und sei also ein Zeitgenosse des Königs Manasse gewesen, als die am besten gestützte und wahrscheinlichste gelten muss.

Von der Person des Propheten wissen wir kaum etwas Näheres. Eigenartigerweise wird von ihm sowohl seine Abstammung als auch sein Geburtstag und der Termin seiner Berufung verschwiegen. So wird uns auch weder in seinem Buche selbst, noch von der Schrift irgendeine sichere Zeitangabe über seine Wirksamkeit, noch über seine Herkunft gemacht, dadurch wird man unwillkürlich an Hebr 7:3 erinnert. Dieser Prophet lebte, wie schon gesagt in der dunkelsten Zeit, welche Judas Geschichte aufzeichnet. Das Reich Israel war im Jahre 734 in die Gefangenschaft geführt worden, und als Folge seines beharrlichen Ungehorsams erfolgte dann im Jahre 722 sein furchtbares Ende. Aber an allen diesen Strafgerichten über Israel lernte Juda nichts und tat nicht Buße über seine Bosheit, sondern sündigte vermessen weiter.

Gräueltaten des Königs Manasse

So lesen wir in 2Kö 21:1-8.16: „Manasse war 12 Jahre alt, als er König ward und regierte fünfundfünfzig Jahre lang zu Jerusalem. Seine Mutter hieß Ehzephziba. Und er tat, was böse war in den Augen des Herrn nach den Gräueln der Heiden, die der Herr vor den Kindern Israel vertrieben hatte. Er baute wieder die Höhen, die sein Vater Hiskia abgebrochen hatte, und richtete dem Baal Altäre auf und machte eine Astarte, wie Ahab, der König Israels, getan hatte und betete an alles Heer des Himmels und diente ihnen. Und er baute Altäre im Hause des Herrn, von welchem Jehova gesagt hatte: meinen Namen will ich Jerusalem geben! Er baute auch allem Heer des Himmels Altäre in beiden Vorhören am Hause des Herrn, und ließ seinen Sohn durchs Feuer gehen, und trieb Wolkendeuterei und Schlangenbeschwörung, und hielt Geisterbanner und Wahrsager, und tat viel von dem, was böse ist in den Augen des Herrn, wodurch er ihn kränkte. Er setzte das Bild der Astarte, das er gemacht hatte, in das Haus, von welchem der Herr zu David und zu seinem Sohne Salomo gesagt hatte: “In dieses Haus und nach Jerusalem, das ich aus allen Stämmen Israels erwählt habe, will ich meinen Namen setzen ewiglich. - Auch vergoss Manasse viel unschuldiges Blut, bis er Jerusalem desselbigen vollgemacht hatte von einem Ende bis zum andern, außer seiner Sünde, womit er Juda sündigen gemacht hatte, dass sie taten, was böse war in den Augen des Herrn.

Die Antwort Jehovas

Die Antwort Jehovas auf solch vermessenes Sündigen konnte keine andere sein, als sie im selben Kapitel 2Kö 21:10-15 gegeben wird. Wir lesen dort: „Und Jehova redete durch seine Knechte, die Propheten, und sprach: Weil Manasse, der König von Juda, diese Gräuel, welche die Amoriter getan haben, die vor ihm gewesen sind, und auch Juda mit seinen Götzen sündigen gemacht hat; darum spricht Jehova, der Gott Israels also: Siehe ich will Unglück über Jerusalem und über Juda bringen; dass allen, die es hören werden, beide Ohren gellen sollen; und ich will über Jerusalem die Messschnur Samarias ausspannen und das Senkblei des Hauses Ahabs; und will Jerusalem auswischen, wie man eine Schüssel auswischt und sie umkehrt. Und das Übergebliebene meines Erbteils will ich verwerfen und sie in die Hände ihrer Feinde geben, und sie sollen ihren Feinden zum Raub und zur Beute werden; weil sie getan, was böse ist in meinen Augen und mich erzürnt haben von dem Tage an, da ihre Väter aus Ägypten gezogen sind, bis auf diesen Tag.“

Nun waren alle diese Weissagungen über Judea und seinen König Geschichte geworden, d. h. sie hatten alle ihre pünktliche Erfüllung gefunden. Und wie es scheint, ging Nahum, der Prophet, mit seinem Volk in die assyrische Gefangenschaft und wohnte als Gefangener in dem Städchen Elkos, in der Nähe von Ninive. Von hier aus ergeht nun seine Weissagung gegen diese Blutstadt.

Achten wir nun einmal in besonderer Weise darauf, dass die Assyrer und die Chaldäer, ebenso wie auch alle übrigen Völker durch ihre Plastik, das heißt, durch ihre Bildhauerkunst, zum Ausdruck brachten, wer und was sie waren, so wird uns hier an der Weissagung Nahums auch ein Hinweis auf die Gerichts- und Retterpläne Gottes mit der Geisterwelt gegeben. In den riesigen Löwengestalten mit Menschenhäuptern und den adlerköpfigen Menschengestalten brachten die Assyrer und Chaldäer diese Titanen zur Darstellung, genau so, wie auch die Philister durch ihren Fischgott Dagon zum Ausdruck brachten, dass diese grausige Mischwesen seien. Wenn wir dies im Auge behalten bei der Betrachtung des Zukunftsbildes des Propheten Nahums, dann fällt von seiner Weissagung aus helles Licht in eine Welt, die uns im anderen Falle so fremd wäre wie der Mars. Dann belehrt uns die Schrift darüber, dass der ganze gegenwärtige Zeitlauf Engeln (starken, gewaltigen Geisteswesen) unterstellt ist (Eph 2:2; Hebr 2:5). Diese „Starken und Gewaltigen“ treiben ihr unheimliches Wesen und haben sich zum Ziel gesetzt, das Volk Gottes zu verderben und die Pläne Jehovas zum Scheitern zu bringen. Etwas Großes und Erhabenes ist es nun zu sehen, wie ihnen hierzu von Jehova gleichsam alle Trümpfe in die Hände gespielt werden, und wie ihnen dann, trotz all ihrer Intelligenz, jede Fähigkeit abgeht, dieselben zu ihren Gunsten zu verwerten. Bedenkt man nun wieder, wie diese gewaltigen Tierreiche, Babel, Assyrien, Ägypten und die anderen, sich gegenseitig zerfleischen und auffressen, so wird man unwillkürlich an das Herrenwort in Lk 11:17 erinnert, wo er spricht: Ein jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, fällt, also auch, wenn der Satan mit sich selbst uneins ist, wie kann sein Reich bestehen?

Prophetische Bildersprache

Welche Beruhigung dürfte doch das rechte Schauen der Weissagung in den Herzen der Gotteskinder auslösen betreffs des Endausgangs der Gedanken Gottes gegenüber den Mächten und Gewalten der Finsternis. Greifen wir nun noch einen besonderen Ausspruch aus der Weissagung Nahums heraus, und zwar die erste Hälfte des vierten Verses Nah 1:4 und lesen dort: „Er schilt das Meer und trocknet es aus und lässt alle Ströme versiegen“. Wir müssen da fragen: Was soll wohl ein solcher Ausspruch in einer Weissagung über Ninive (Assur) bedeuten? Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir uns anhand der Schrift darüber im Klaren werden, was dieselbe denn eigentlich unter dem Meer versteht? Nach der Bildersprache von Jes 57:20 und Jer 6:23 versteht dieselbe unter dem „Meer“ die gottlosen Völker und Nationen. Ströme hingegen sind das Land durchflutende, oft überschwemmende und verheerende Völkermassen und Heere (Jes 43:2 und Offb 12:15-16). Jehova schilt das Meer und trocknet es aus und lässt alle Ströme versiegen. Diese Weissagung eröffnet uns einen Blick in die Zeit und noch weit darüber hinaus, von der geschrieben steht: Und das Meer wird nicht mehr sein Offb 21:1; dann wird alles „Bitterwasser“ (alle Gottlosigkeit und alles gottlose Wesen) endgültig verschwunden, und somit die Erzeugerin aller Stürme und Orkane ein für allemal beseitigt sein. Wer kann das fassen? Dann versiegen auch, auf das Wort Gottes, alle Ströme. Keinen neuen Zufluss wird das Meer hinfort erhalten. Was das nach dem Schriftzusammenhang in sich birgt, können wir heute kaum ermessen.

Aus Dan 7:2 ist nun zu ersehen, dass das Meer das Element und Betätigungsgebiet der vier Winde unter dem Himmel ist, und nach Offb 7:1-3 werden diese Winde (Engel) von vier noch stärkeren Engeln im Schach gehaltene. (Siehe auch Ps 104.). Wenn wir nun nach dieser Stelle diese Winde als „Engel“ oder „Geisteswesen“ ansprechen dürfen, dann ist uns hier ein wertvoller Schlüssel zum weiteren Verständnis der Weissagung Nahums gegeben. Aus allen diesen Schriftstellen ergibt sich nun folgendes Bild, dass nämlich Jehova mit allen seinen Gerichten an Ninive, an Babel, am Meer und an den Strömen nicht nur die sichtbare, materielle Welt treffen wollte und getroffen hat; nein, er trifft beide, die materielle und die geistige Welt und zwar die letztere als die Verursacherin alles Weltgeschehens. Genau so, wie er durch das Gericht der Flut nicht nur Nachkommen Adams getroffen hat, sondern „Geister“, welchen dann der dem Geiste nach lebendig gemachte Christus nach äonenlanger Gefangenschaft die Freiheit predigte (vergl. 1Petr 3:18-19 mit Jes 61:1).

Trostreicher Ausblick

So gab nun Jehova seinem Volke, uns, seinen Kindern, und den Gläubigen aller Zeiten an den Aussprüchen dieses Propheten mit seinem trostreichen Namen, Einblick und Durchblick in den Endausgang aller seiner Pläne und Absichten, in Gericht und Gnade mit Israel, Juda, Ninive und Babel, Menschheit und Geisterwelt. Jehova legt das Meer trocken, und die Ströme lässt er versiegen, und die Erde wird voll der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn sein, wie (heute) die Wasser den Meeresgrund bedecken (Hab 3:8-10). Dann ist alles Bitterwasser verschwunden, keine verheerenden Ströme und Orkane ziehen mehr über die Erde, aber auch keine durch Ströme verursachten Überschwemmungen gibt es dann mehr. Dann erübrigt es sich, dass die Menschen mit viel Kosten- und Kraftaufwand Schutz- und Trutzdämme gegen solche Überschwemmungen bauen; denn dann sind alle diese „Schutz- und Trutz-Dämme“ und Bündnisse überflüssig. Wer kann das ermessen und ausdenken, wie und was das einmal sein wird, wenn den Bosheitsmächten einmal all ihr Betätigungsgebiet genommen wird, nur noch vom Stuhle Gottes ausgehendes Wasser des Lebens in die Lande fließt und alles befruchtet (Offb 22:1-2). So belehren uns die Aussuprüche dieses Propheten nicht bloß über den Endausgang der Gerichte Jehovas über Ninive samt ihren Herrschern und Bewohnern, sondern in erhabener, Jehova geziemender Weise weist sein Wort hier weit über alles Fleischliche, Sichtbare, Menschliche hinaus in die Welt der Geister, in die Welt der „Ursachen“. So leuchtet nun die Weissagung dieses Propheten hinein in die Zeit, von welcher geschrieben steht: Zu derselben Zeit wird sich Israel als Drittes zu Ägypten und Assur gesellen und ein Segen sein inmitten der Länder zu welchem es der Herr der Heerscharen setzt, indem er sagen wird:

  • Jes 19:24-25: „Gesegnet bist du Ägypten, mein Volk, und du Assur, meiner Hände Werk, und du Israel, mein Erbteil."

Ja, er leuchtet hinein in die herrliche Welt der „Süßwasser“, wo kein Leid und kein Geschei, keine Sünde und kein Tod mehr sein wird, wo keine Träne mehr geweint wird, wo kein saurer Schweiß mehr rinnt, in die herrliche Weltzeit der „Harmonie“ des „Lichtes“ und der „Liebe“!

Denn von IHM und durch IHN und zu IHM ist alles. IHM sei die Ehre in die Zeitalter der Zeitalter. Amen!