Was muss bei der prophetischen Schau beachtet werden?

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Abschrift der Sammlung: Prophetische Traktate - Band 1
von Friedrich Malessa 1895-1981

Mit freundl. Genehmigung von Joh. Ullmann
Als Abschrift dort noch erhältlich.


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Inhaltsverzeichnis Band 1
Inhaltsverzeichnis Band 2

44. Was muss bei der prophetischen Schau beachtet werden?

Rätsel über Rätsel enthält das prophetische Wort. So meint man. Darum werden die falschen Deutungen mit der Meinung entschuldigt, die „End-Rätsel“ können nicht gelöst werden. Schließlich fertigt man die endgeschichtlichen Geschehnisses mit dem Sprüchlein ab: Das überlassen wir Gott. Gewiss wird Gott alles vollführen. Wird er uns aber im Unklaren lassen? Nein! Er gab uns sein Wort, das ein Licht ist auf unserem Wege (2Per 1:19). - Wenn die Endgeschehnisse so rätselhaft sind und immer rätselhafter werden, dann liegt es allein an uns! Wir „verrätseln“ die Weltgeschehnisse.

Zum Verständnis der Endgeschehnisse gehört die Erkenntnis, dass das prophetische Wort eine Total-Schau hat. Alle Heilszeiten werden gesehen und klar aufgewiesen. Beachten wir die Tatsache: Das prophetische Wort zeigt alle Heils-Zeiten in ihrer Sonderheit an. Wer das nicht beachtet, der wird die Heilszeiten nicht nur verworren sehen, sondern sie auch restlos vermengen. Kein Wunder, dass dann das gesamte Heilsbild keine Linie und keine Klarheit hat. Wenn der Eigencharakter der Zeiten durcheinandergewürfelt wird, dann kann wahrhaftig kein klares Zeiten-Bild erstehen.

Das gegenwärtige Heilsgeschehen

Welchen Charakter hat das gegenwärtige Heilsgeschehen? Paulus gibt uns auf diese Frage eine sonnenklare Antwort: „Mir, dem allergeringsten unter den Heiligen, ist gegeben diese Gnade, unter den Heiden (Nationen) zu verkünden den unausforschlichen Reichtum Christi, und zu erleuchten jedermann, welche da sei die Gemeinschaft des Geheimnisses, das von der Welt her in Gott verborgen gewesen ist, der alle Dinge geschaffen hat durch Jesum Christum, auf dass jetzt kund würde den Fürstentümern und Herrschaften im Himmel an der Gemeinde (Ekklesia) die manigfaltige Weisheit Gottes, nach dem Vorsatz von der Welt her, welche er bewiesen hat in Christo Jesu, unserm Herrn, durch welchen wir haben Freudigkeit und Zugang in aller Zuversicht durch den Glauben an ihn ... Das Geheimnis ist groß; ich sage aber von Christo und der Gemeine“ (Eph 3:3-12; Eph 5:32).

Wie heißt das gegenwärtige Heilsgeschehen? Ekklesia! Das ist die Herauswahl aus der Welt und die Hereinwahl in den Christus. Die Ekklesia kommt durch die zwei fundamentalen Geschehnisse zustande: Heraus - Hinein. - Dieses Doppelgeschehen wird leider mit den deutschen Benennungen: Gemeinde, Kirche, Versammlung ungenügend angezeigt. Noch mehr, mit den deutschen Namen hat man den gottgewollten Begriff stark entstellt. Wie schade, dass die Übersetzer den urtextlichen Ausdruck Ekklesia nicht belassen haben.

Erkennen wir genau: Gegenwärtig ist die Ekklesia im Werden. Die Gemeinde Jesu Christi wird auferbaut! Nichts anderes. - Unsachlich ist darum die weit verbreitete Rede vom „Bau des Reiches Gottes“. Jesus lehrt uns beten: „Dein Reich komme.“ Warum lässt man diese Tatsache nicht stehen? Auferbauung der Gemeinde Jesu Christi und Kommen des Reiches Gottes sind zwei separate Geschehnisses. Warum wirft man sie durcheinander? Würden wir diese Heilsgeschehnisse so getrennt halten, wie sie Gott getrennt hat, dann hätten wir für diese Vorgänge einen anderen Blick.

Die Auferbauung der Gemeinde Jesu Christi

Die Zeit der Auferbauung der Gemeinde Jesu Christi ist eine eigene Zeit. Sie begann - wie Paulus nach der ihm gegebenen Offenbarung ganz klar sagen darf - durch die Heilsverkündigung unter den Nationen. Also nach Pfingsten. - Pfingsten (mit der Geistesfülle) ist selbstverständlich die Voraussetzung. Denn das ekklesiale Geschehen ist absolutes Geistesgeschehen. Beachten wir aber die Tatsachen: Das Heilsgeschehen ist gegenwärtig unter den Nationen und betrifft die Ekklesia! Unter den Nationen begann und verläuft das Heilsgeschehen der Gemeinde Jesu Christi.

Der Abschluss der Gemeinde ist von dem Gemeindemann Paulus ebenfalls genauestens angezeigt: Wir sehen uns den Endvorgang kurz an:

a) Im Blick auf den Antichristen: „Denn es reget sich bereits das Geheimnis der Bosheit, allein der es jetzt aufhält, muss hinweggetan werden ...“ (2Thes 2:7.8). Einwandfrei zeigt Paulus an: Das Aufhaltende (Ekklesia) muss erst hinweggetan sein, alsdann kann der Boshaftige (Antichrist) offenbar werden. Nicht eher!
b) Im Blick auf Israel (das mit dem Antichristen einen festen Bund beschließt (Dan 9:27): „Ich will euch nicht verhalten, liebe Brüder, dieses Geheimnis, auf dass ihr nicht stolz seid. Blindheit ist Israel zum Teil wiederfahren, solange bis die Fülle der Heiden eingegangen sei, und also ganz Israel selig werde ....“ (Röm 11:25.26). Wiederum ganz klar: Israels Heilsgeschichte beginnt erst nach dem „Eingang“ der Ekklesia. Dann erst wird Israel der Heilsträger (beginnend mit den zwei Zeugen) in der Welt. Nicht eher.
c) Im Blick auf die himmlischen Örter: „Und es erhob sich ein Streit im Himmel: Michael und seine Engel stritten mit dem Drachen; und der Drache stritt und seine Engel, und siegten nicht, auch ward ihre Stätte nicht mehr gefunden im Himmel. Und es ward ausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt der Teufel und Satanas, der die ganze Welt verführet, und ward geworfen auf die Erde, und seine Engel wurden auch dahin geworfen“ (Offb 12:7-9). Beachten wir die Tatsache: Nach der Entrückung der Ekklesia müssen die „Geister, die in der Luft herrschen“, das Feld räumen. Da haben sie nichts mehr zu suchen. Aber auf der „entblößten“ Erde haben sie ihre Gipfeltätigkeit. Dahin werden sie allesamt geworfen.
d) Im Blick auf die Ekklesia selbst: „Von den Zeiten aber und Stunde, liebe Brüder, ist nicht not euch zu schreiben; denn ihr selbst wisset gewiss, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Denn wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr, so wird sie das Verderben schnell überfallen, gleich wie der Schmerz ein schwanger Weib, und werden nicht entfliehen. Ihr aber, liebe Brüder, seid nicht in der Finsternis, dass euch der Tag wie ein Dieb ergreife. Ihr seid allzumal Kinder des Lichts und Kinder des Tages; wir sind nicht von der Nacht, noch von der Finsternis ....“ (1Thes 5:1-9). Hören wir genau: Die Ekklesia hat es mit dem „Tag des Herrn“ nur als Entrückte zu tun. Wenn nämlich der „Tag des Herrn“ (der gleichzeitig die Jahrwoche ist, - über die wir noch reden werden) anbricht, dann ist die Ekklesia im „Licht“ und hat mit dem Boshaftigen, mit dem Menschen der Sünde, mit dem Kind des Verderbens, mit der gesamten „Finsternis“ nichts zu tun. Sie ist dann im „Tag Jesu Christi“ - Darüber sprechen wir noch.
e) Im Blick auf Christus: „Und hat alle Dinge unter seine Füße getan, und hat ihn gesetzt zum Haupt der Gemeinde über alles, welche da ist sein Leib, nämlich die Fülle des, der alles in allem erfüllt“ (Eph 1:22.23). Höre: Christus muss durch die Ekklesia seine Fülle (Pläroma) erlangen. Erst dann wird Er alles in allem vollführen. Nicht eher!

Die Entrückung der Ekklesia

Welche unergründliche Bedeutung hat doch die Entrückung der Ekklesia. Wir zeigen sie nochmals (in anderer Reihenfolge) an: Sie ist die Besiegelung der „Vollzahl der Nationen“, sie beschließt „die Fülle des Christus“, sie gibt die Möglichkeit zur „Fülle des Antichristus“, sie zieht nach sich die „Heilsfülle Israel“, sie veranlasst die „Reinigung der himmlischen Örter“. Das sind Geschehnisse, die Himmel und Erde umfassen und ein plötzliches und umfangreiches Endgeschehen aufbrechen lassen. - Wer die Entrückung der Ekklesia bagatellisiert, der verneint die ganze Dynamik im Endgeschehen. Denn die Entrückung hat es mit dem Fülle-Christus zu tun.

Es steht fest, dass die Aufbauungszeit der Gemeinde eine eigene (richtiger: ureigene Eph 1:4), Zeit ist, die mit keiner anderen Zeit verwechselt werden darf. Eindeutig wird von der Gemeinde bezeugt, dass sie vollendet sein muss, wenn die Antichristen-Jahrwoche offenbar werden soll. Auch der „Tag des Herrn“ kann erst anbrechen, wenn das Aufhaltende hinweggetan, und der Boshaftige am Wirken ist. Jahrwoche und Tag des Herrn sind zu gleicher Zeit, und haben die gleiche Wesenhaftigkeit. - Unterschiedlich ist der „Tag Jesu Christi“, denn er hat es mit der Fülle des Christus zu tun (Phil 1:6.10; Phil 2:16; 2Thes 2:1-3). Der „Tag Jesu Christi“ geht dem „Tag des Herrn“ voraus. Der erste „Tag“ hat es mit der Verklärung zu tun, der nächste mit dem Gericht.

Der Tag des Herrn

Keinesfalls dürfen die Geschehnisse der Jahrwoche und des Tages des Herrn in der Gemeindezeit gesehen werden. Wer diese Geschehnisse vermengt, der hat ein unsagbares Gemenge. Achten wir auf die Tatsache: Der Seher Johannes bezeugt den Tag des Herrn. „Ich war im Geist an des Herren Tag“ (Offb 1:10). An diesem Tag sieht er auch den Ablauf der Jahrwoche, indem er mehrfach, und in verschiedener Weise, auf die dreienhalb Jahre zu sprechen kommt.

Weiter ist zu beachten, dass Johannes durch eine „Posaunenstimme“ den Auftrag erhält, das Gehörte den sieben Gemeinden zu schreiben, damit sie ihre Werde-Geschichte überprüfen. Man sehe sich diesbezüglich sonderlich Laodica an (Offb 3:14-22). Nachdem die Gemeinde-Geschichte angezeigt ist, geht er (Johannes) nach dem Geheiß des Herrn über zur Darstellung der Geschehnisse am „Tag des Herrn“: „Danach sah ich, und siehe, eine Tür war aufgetan im Himmel; und die erste Stimme, die ich gehört hatte mit mir reden als eine Posaune, die sprach: Steig her, ich will dir zeigen, was nach diesem geschehen soll“ (Offb 4:1). Beachten wir den Hinweis: „...was nach diesem geschehen soll“. Was ist mit „nach diesem“ gemeint? Die Zeit am Tag des Herrn und der letzten Jahrwoche. - Dass es sich hierbei auch um die letzte Jahrwoche, sei nochmals hingewiesen auf die Zeitangaben von 42 Monden, oder tausendzweihundertsechzig Tagen, oder eine Zeit, Zeiten und eine halbe Zeit. Es geht hier um die Darstellung der Geschehnisse in der Jahrwoche mit den zweimal dreieinhalb Jahren, d.h. mit der ersten und zweiten Hälfte der Jahrwoche In der ersten Hälfte der Jahrwoche treten die zwei Zeugen auf. Sie haben eine Wirkungszeit von tausendzweihundertsechzig Tagen (Offb 11:3). Mitten in der Jahrwoche werden sie getötet von dem „Tier aus dem Abgrund“, dessen Tötungs-Regiment sich anschließt mit 42 Monden (Offb 13:4; Offb 11:2). So werden die zweimal dreieinhalb Jahre genauestens angezeigt.

Wenn die Offenbarung des Johannes mit solcher Klarheit vom Tag des Herrn, und von der letzten Jahrwoche spricht, wie können wir uns da erdreisten, diese Geschehnisse auf die Aufbauungszeit der Gemeinde anzuwenden? Leider wird das immer wieder getan. Wundern wir uns nicht über die Widersprüche in den Deutungen. Denn wenn Zeiten verwechselt werden, wie sollen dann ihre Deutungen stimmen? - Man beachte die Tatsache, dass die Gemeinde-Zeit mit dem „Tag Jesu Christi“, d.h. mit der Entrückung zum Preisrichterstuhl Christi beschließt (2Kor 5:10).

Dagegen der „Tag des Herrn" hat es mit den Gerichten zu tun, die in der letzten Jahrwoche in einer unübersehbaren Mannigifaltigkeit zur Ausführung gelangen. Am Schluss dieser Zeit kommt der Fülle-Christus (mit seinen Heiligen) und wird die gegen ihn ziehende antichristliche Welt scharf richten, und dann sein Reich (das tausendjährige Reich) herrichten. Seine „Heiligen“ sind dann die Richter: 1Kor 6:2.3. Zu dem Her-Richten gehört auch die Hochzeit des Lammes.

Die Zeiten Gottes

Wie bedauerlich ist es, dass man die Apokalypse in den Jahrhunderten (oder sogar Jahrtausenden) mit ihren Geschehnissen in die verkehrte Zeit gedeutet hat. Und je mehr sich die Deuter widersprachen, umso eifriger haben sie „gedeutet“. Waggonweise könnte man die „exakten exegetischen Bücher“ zusammentragen, die gerade mit ihrer Menge und in ihrem Widersprüchen die Fehldeutungen beweisen. Staunen muss man, wie man nach purer Willkür die apokalyptischen Siegel, Posaunen, Wehen, Donner, Zeugen, Tiere, Hure, Braut, die Zahl 666, usw. auf die Jahrhunderte aufzuteilen wusste. Alle möglichen und unmöglichen Napoleons, Päpste, Hitlers usw. wurden in den Jahrhunderten hineingedeutet oder herausgedeutet. Eine Weissagerei (Wahrsagerei), die himmelschreiend ist. Nur deswegen, weil man das Buch der Offenbarung nicht am rechten Platz belässt, nämlich am Tag des Herrn, der gleichzeitig die Antichristen-Jahrwoche ist. - Man achte auch auf den Schaden, der durch die Fehldeutungen erstanden ist. Zunächst steht fest, dass man allen Bibelfreunden die Freudigkeit am prophetischen Wort genommen hat. Gerade in den gläubigen Kreisen sagt man ganz offen: „Bleib’ mir weg mit deiner prophetischen Phantasie“. Hinzu kommt, dass man durch die „geistreichen“ Fehldeutungen sich ins Märchenhafte gesteigert hat, und nicht nur das prophetische Wort, sondern auch die ganze Bibel zum „Buch der Märchen“ gemacht hat.

Wenn die Zeiten Gottes genau beachtet werden, dann ersteht nicht nur für die Deutung der Offenbarung des Johannes eine tadellose Klarheit, sondern auch für die ganze Prophetie des Neuen und Alten Testamentes. Dann schwinden nicht nur alle Probleme, sondern dann wird auch das prophetische Wort so einfach, so verständlich, so glaubhaft, so klar, dass es jedes Kind fassen kann. Dann ist die Prophetie „ein Licht auf unserem Wege“ (2Petr 2:19). Bleiben wir doch bei den Heils-Zeiten Gottes. Denn Gott vollführt sein Heil in den Zeiten. Jede Zeit hat ihren eigenen Charakter. Eben deswegen, weil es Zeiten sind. Gegenwärtig stehen wir in der Zeit der Auferbauung der Gemeinde Jesu Christi. Hier offenbart sich das Heilsgeschehen in der Herauswahl aus der Welt, und in der Hereinwahl in den Christus. Diese Einsicht gibt z.B. für die gegenwärtige Weltmission einen anderen Blick. Da wird man nicht mit aller „Macht“ missionieren, um die Welt zu christianisieren, sondern man wird unter allen Nationen das ekklesiale Evangelium verkündigen. Da wird man auch nicht erschrecken vor dem riesengroßen Misserfolg der heutigen Verkündigung, sondern man wird sich freuen über die „Vollzahl der Heiden“. Das Ziel der heutigen Weltmission heißt Ekklesia! Nicht „Reich Gottes“!

Wenn wir die Gemeinde-Zeit in ihrer Art erkennen, dann verstehen wir auch, was das prophetische Wort für die Gemeinde zu sagen hat. Dann unterscheiden wir, nein, dann müssen wir unterscheiden zwischen der Gemeindezeit und der Weltzeit. Dann unterscheiden wir auch zwischen Endzeit dieses Äons und jenes Äons. Dann sind uns alle Zeiten klar. Hüten wir uns ernstlich vor der Verwechslung der Zeiten.

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45. Das Zahlenbild der letzten Jahrwoche