Von der Disziplin des Schweigens - Spr 17:27-28

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203. Von der Disziplin des Schweigens - Spr 17:27-28

Wer seine Worte zurückhält, besitzt Erkenntnis; und wer kühlen Geistes ist, ist ein verständiger Mann. - Auch ein Narr, der schweigt, wird für weise gehalten, für verständig, wer seine Lippen verschließt.

In der Aussage: Wer seine Worte zurückhält, besitzt Erkenntnis... wird der disziplinierte Geist gewürdigt, sowie der aus hohem Selbstbewusstsein hervorgehende, würdige Ernst dessen, der in der Wahrheit ruht. Er verzichtet auf unüberlegte Rede und wartet auf den Zeitpunkt Gottes, da er reden soll. "Schweigen hat seine Zeit und Reden hat seine Zeit" sagt uns Pred 3:7. Die zweite Zeile fügt ergänzend hinzu: Wer kühlen Geistes ist, ist ein verständiger Mann! und wendet sich damit gegen die affektgeladene, leidenschaftliche Hitze des Erregten Wortes. "Ein verständiger Mann schwiegt still" sagt Spr 11:12 und setzt es in Gegensatz zu dem, der "seine Verachtung über den Nächsten" zum Ausdruck bringt, Freilich ist der Mann kühlen Geistes nicht der Gefühllose und allezeit Reservierte! In den heißen Gegenden des Orients bedeute Kühle Erquickung; so sind die Israel verheißenen "Zeiten der Erquickung" im Messiasreich nach dem Grundtext eigentlich "Zeiten der Kühle, der Erfrischung" (Apg 3:19). Solch kühler Geist ist zugleich ein vor Gott kostbarer Geist, wie eine Lesart de hebräischen Textes die Wendung wiedergibt.

Spr 10:19 fügt noch einen Gedanken hinzu: "Bei der Menge der Worte fehlt die Übertretung nicht; wer aber seine Lippen zurückhält, ist einsichtsvoll!" Wir leben in einer Zeit der Wörterflut, nicht aber der gehaltvollen, vollmächtigen Rede. Oft ist es nur inhaltsloser "Wortmüll", der über die Hörer ausgeschüttet wird, leere Verpackungen mit schönen Etiketten, aber ohne Gehalt und ohne eine Möglichkeit der "Wiederverwertung". Dies mag darin begründet sein, dass vollmächtiges Wort nur aus einem heiligen Hörschweigen herausgeboren wird, in dem es heranreift. Wir haben schon mehrfach auf das wichtige Wort in Jes 50:4-5 hingewiesen, wo das Hören mit dem geöffneten Ohr erst "die Zunge des Belehrten" verleiht, der "den Müden durch ein Wort aufrichten" kann. Wie nötig ist solches Hörschweigen gerade für Verkündiger des Wortes Gottes, die von "Dienst zu Dienst" von Vortrag zu Vortrag reisen! Wenn wir uns nicht im Schweigen vor Gott erfüllen lassen, produzieren wir nur Wortgeräusch! Dann mögen wir zwar "Rede haben beim Auftun des Mundes", aber keine "Freimütigkeit, das Geheimnis des Evangeliums kundzutun" (Eph 6:19-20). Dann wäre es besser, das Rezept zu befolgen, das Hiob seinen "theologisch begabten Freunden" gab: "O dass ihr doch stille schwieget! Das würde euch zur Weisheit gereichen!" (Hi 13:5). Das wesenhafte, wirkungsvolle Wort wird durch eine Zeugung des Gottesgeistes in unserem Geiste aus dem schweigen geboren, wie wir auch in Hi 33:32-33 erkennen können: "Wenn du Worte hast, so antworte mir; rede, denn ich wünsche dich zu rechtfertigen. Wenn nicht, dann höre mir zu; schweige, und ich werde dich Weisheit lehren!"

Spr 17:28 redet von einem anderen Schweigen, das nur scheinbar auf einen Weisen hindeutet: Auch ein Narr, der schweigt, wird für weise gehalten, für verständig, wer seine Lippen verschließt (BUB: zustopft; BA: verrammelt). Der Narr hat nicht des Weisen Zurückhaltung in der Disziplin des Geistes, sondern er muss die drängende Wortflut zustopfen; denn wenn er seine Lippen öffnete und redete, würde seine ganze Hohlheit und Dummheit offenbar! Die Araber sagen: "Das Schweigen ist die Decke des Dummen" (nach DEL). Und wir alle kennen die Mahnung an den Toren: "Wenn du geschwiegen hättest, wärest du ein Philosoph geblieben" - nämlich in den Augen der Unwissenden, die deine Torheit nicht kennen.

Der schweigende Narr gleicht dem Taubstummen aus Mk 7:32-37; nachdem Jesus ihn geheilt hatte, "wurden seine Ohren aufgetan, das Band seiner Zunge wurde gelöst und - er redete recht!" Möge dies auch uns widerfahren!


204. Der Sektierer - Spr 18:1-2