Das neue Leibesleben

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Abschrift des Buches: Das Los der Toten
(gänzlich umgearbeitete Neuauflage von Auferstehung des Fleisches)

Verfasser: Pastor Samuel Keller
Verlag der Vaterländischen Verlags- und Kunstanstalt, Berlin 1913

Inhaltsverzeichnis
Kapitel davor:
10. Sittlicher Rückschlag der Leugnung

11. Das neue Leibesleben

1Kor 15:35-49

(35) Allein es möchte jemand sagen: Wie werden die Toten auferweckt? Mit welcherlei Leib kommen sie? (36) Unverständiger, was du säest, wird nicht lebendig, es sterbe denn. (37) Und was du säest, - du säest nicht den Leib, welcher werden soll, sondern ein nacktes Korn, sei es Weizen, sei es eins von den andern. (38) Gott aber gibt ihm einen Leib, gleichwie er es gewollt hat, und einem jeglichen Samen seinen eigenen Leib. (39) Nicht jedes Fleisch ist dasselbe Fleisch, sondern ein anderes das der Vögel, ein anderes der Fische (40) Und es gibt himmlische Körper und irdische Körper; aber anders ist die Herrlichkeit der himmlischen, anders die der irdischen. (41) Anders die Herrlichkeit der Sonne und anders die Herrlichkeit des Mondes und anders die Herrlichkeit der Sterne, denn ein Stern übertrifft den andern an Herrlichkeit. (42) So auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät in Verweslichkeit und auferweckt in Unverweslichkeit. (43) Es wird gesät in Unrehre und auferweckt in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit und auferweckt in Kraft. (44) Es wird gesät ein seelischer Leib und auferweckt ein geistlicher Leib. Gibt es einen seelischen Leib, so gibt es auch einen geistlichen Leib. (45) Wie es geschrieben steht: „Der erste Mensch, Adam, wurde zu einer lebendigen Seele“, der letzte Adam zum lebendigmachenden Geist. (46) Aber zuerst ist nicht der geistliche Leib, sondern der seelische; hernach der geistliche. (47) Der erste Mensch, von der Erde, ist erdig; der zweite Mensch ist vom Himmel. (48) Wie der Erdige, so sind auch die Erdigen, und wie der Himmlische, so sind auch die Himmlischen. (49) Und wie wir getragen haben das Bild des Erdigen, also werden wir auch tragen das Bild des Himmlischen.

Mit diesem Abschnitt tritt die Darlegung des Apostels in das Gebiet ein, welches die gläubigen und ungläubigen Laien mehr interessiert, als alles Bisherige: die Frage nach dem neuen Leib. D. h. eigentlich zerfällt die Frage in zwei:

  1. Wie stehen de Toten auf und
  2. mit was für einem Leib?’'’

Die erste richtet sich auf den geheimen Vorgang, die zweite auf sein fertiges Resultat. Auf die erste Frage antwortet Paulus nur in 1Kor 15:36, und der zweiten widmet er 1Kor 15:37-49.

Bei der Besteigung mancher Alpengipfel muss der Tourist einen schmalen Felsengrat passieren, wo ihm rechts oder links der Absturz droht. So wird es auch in der jetzt folgenden Besprechung wichtig sein, auf der schmalen Mittellinie zwischen zwei Irrtümern zu bleiben, weil beide Gegensätze uns von der biblisch geoffenbarten Wahrheit und dem Segen der echten Auferstehungshoffnung abbringen. Die eine Gefahr möchte ich die jüdisch-rabbinische nennen und die andere die modern-spiritualistische.

Die rabbinische Auferstehungshoffnung

Aus manchen Stellen des Talmuds erhellt, dass die Rabbiner unter Auferstehung bloße Wiederherstellung der jetzigen irdischen Leiber durch Zusammenkommen ihrer einzelnen Bestandteile verstanden, ein plumpe, materialistische Vorstellung, unter der noch bis auf den heutigen Tag mancher schlichte Mensch leidet. Gegen solche Auffassung konnte sich in Korinth der Spott der Gegner richten, und mit Recht. Und er tut es heute noch in derber Weise! Natürlich ist das ein grobes Missverständnis. Die einzelnen Bestandteile unseres jetzigen Erdenleibes lösen sich nach dem Tode auf auf, gehen andere chemische Verbindungen ein, und können so und so viel anderen Körpern im Lauf der Jahrhunderte angehört haben, die dann alle ein Anrecht an sie für die Auferstehung haben müssten. Nein, es steht geschrieben: Was von der Erde genommen ist, soll wieder zur Erde werden. Wenn wir an dem Ausdruck Auferstehung des Fleisches*) im Glaubensbekenntnis festhalten, tun wir das, wie ich noch ausführen will in einem anderen Sinn. Unser Muskelfleisch, unsere Knochen, alles, was zur grobsinnlichen Leibeshülle hienieden gehört, haben wir für den Auferstehungsleib ebensowenig nötig, wie die im Laufe unseres Erdenlebens abgeschnittenen Haare und Nägel.

*) Im griechischen Urtext des Neuen Testaments kommen die Ausdrücke Auferstehung des Fleisches und Auferstehung des Leibes nie vor!

Die moderne Auferstehungshoffnung

Unter dem Einfluss platonischer und manichäischer Gedanken, die das Körperliche als Sitz des Bösen ansehen, hat sich nicht nur in nüchternen Gelehrtenstuben, sondern auch in manchen frommen Kreisen die entgegengesetzte Gefahr geltend gemacht, dass man froh war, „den Madensack“, den Leib, ganz und gar loszuwerden. Man meinte, die vom Stoff befreite Seele schwebe dem Himmel zu, und werde sich dann später einen ganz neuen Leib schaffen, der mit dem alten Erdenleib auch nicht das geringste zu tun habe. Dann dürfte man höchstens nur von einer Neuschöpfung, aber nicht von einer Auferstehung reden. Auch fiele dann jede Garantie für das Wiedererkennen fort, und wir wären dann nicht mehr dieselbe Persönlichkeit, wie auf Erden!

Das „Wie" der Auferstehung

Der Apostel vermeidet beide Irrtümer durch die Vorsicht, mit der er in diesem Abschnitt vorgeht: er will nichts beweisen, was sich nicht beweisen lässt, aber er will auch nicht die menschliche Neugier befriedigen durch detaillierte Schilderungen, von denen er als nüchterner Geistesmensch nichts Genaues wissen kann. Und doch gibt er uns wertvolle Hinweise!

Über das Wie der Auferstehung, das niemand an sich oder andern beobachtet hat*) - sagt Paulus eigentlich nichts, als dass es unverständig sei, mehr als Analogien aus dem Naturleben dafür verlangen zu wollen. Denn die wichtigsten Lebensprozesse in der uns umgebenden Natur sind auch in ein geheimnisvolles Dunkel gehüllt, und doch zweifelt deshalb kein Vernünftiger an ihrer Wirklichkeit. Hat der erste Teil der Darlegung des 15. Kapitels die Notwendigkeit und Wirklichkeit der Auferstehung für den übermächtig erwiesen, der mit dem Apostel auf dem gleichen Glaubensgrund steht, so wäre es vielleicht nicht weiter nötig gewesen, auf die näheren Fragen nach dem Wie und Was einzugehen. Denn was einmal wirklich gewesen ist, muss auch möglich sein, ob wir uns den Vorgang vorstellen und in unsere Denkrubriken einreihen können oder nicht. Immerhin haben Analogien, wo Beweise nicht am Platze sind, für unsere Vorstellungskraft etwas ungemein Anziehendes: denken wir ja doch überhaupt viel mehr in Bildern als ohne Bild.

*) Nur Jesus hätte darüber Aufschluss geben können, und er hat es nicht für nötig gehalten!

Die Verwandlung des Samenkorns

1Kor 15:36: Das Samenkorn fällt in die Erde und macht einen Zersetzungsprozess durch; aber gerade dadurch wird der in ihm schlummernde Lebenskeim freigemacht: das scheinbare Hindernis für eine weiter Existenz wird das beste, gottgewollte Mittel, zum Ziel kommen. Zwischen dem ausgestreuten Samen und der später daraus wachsenden Pflanze ist für den, der den Zusammenhang nicht ahnt, wenig oder gar keine Ähnlichkeit. -

1Kor 15:38: Das nackte Korn ist nicht der Leib der Pflanze, die sich daraus entwickeln soll, aber jeder Same erhält beim Keimen und Wachsen seinen besonderen, eigenen Leib, - er bewahrt also unter allen Umständen seine Eigentümlichkeit. Das Weizenkorn wird sich nie zur Gerstenähre entwickeln, sondern stets nur eine Weizenähre tragen. Gott hat es so gewollt, sagt der Apostel und denkt dabei vielleicht an 1Mo 1:11-12, und unsere Naturforscher folgen suchend und tastend den Spuren der Gottesabsichten, und wenn sie die betreffenden Tatsachen gefunden haben, nennen sie sie Naturgesetze und rufen ihren Genossen, wie das Weib Lk 15, und sagen es glücklich: „Ich habe meinen Groschen gefunden, den ich verloren hatte!“

Professor Reinke macht darauf aufmerksam, dass jedes Samenkorn außer seinen sichtbaren, wägbaren Elementen, geistige ihm eigentümliche Prinzipien und Kräfte haben müsse, - er nennt sie „Dominanten“ - die dafür sorgen, dass die besondere, charakteristische Art der Gattung erhalten bleibt. Nimmt man etwas Ähnliches für unsern Leib an, so erklärt es sich in etwas, dass trotz des unaufhörlichen Stoffwechsels (in sieben Jahren sind alle Bestandteile des Körpers ausgewechselt, erneuert) immer die bestimmte Gestalt geblieben ist. Wenn nun diese Dominanten mit der Seele im Tod den Stoff verlassen, können sie dafür sorgen, dass bei der neuen, sonst ganz anders gearteten Bildung des Auferstehungsleibes, doch wieder die Ähnlichkeit mit der früheren Erscheinungsform bewahrt bleibt.

Das weist mich auf das Gebiet, das ich im Apostolikum gern mit dem alten Ausdruck Auferstehung des Fleisches festgehalten sehen möchte. Zu unserer ganzen Persönlichkeit gehört doch nicht nur der stoffliche Teil, das Muskelfleisch usw. und nicht der Hauch aus Gott, der geistige Teil; sondern auf der Grenze zwischen beiden, hundertfach durcheinander wirkend, liegen eigentümliche Besonderheiten unseres Wesens, die gerade das Originelle, Besondere, das gerade unsere Persönlichkeit von allen andern Unterscheidende bilden. Dazu gehört der besondere Gang, die Klangfarbe der Stimme, die Aussprache und Betonung beim Sprechen, der Stil beim Schreiben, Handbewegungen, deren wir uns gar nicht bewusst zu sein brauchen, die Temperamentsmischung, die Art, wie wir Neues auffassen, die Wiedergabe von Erfahrenem und ähnliches mehr. Wir wären nicht wir selbst, wenn diese Züge fehlten. Auf diesem Gebiet vollzieht sich auch alles, was in sittlich-religiöser Hinsicht beim Umgang mit anderen Menschen in die Erscheinung tritt, und dadurch kann die gleiche sittliche Handlung bei verschiedenen Menschen so ganz anders aussehen: sie setzen überall etwas von dem Eigensten ihrer Art hinzu. (Dass diese Persönlichkeitsart bei Jesus nach der Auferstehung trotz der Auferstehung erhalten geblieben war, sehen wir daraus, dass ihn die Jünger von Emmaus beim Brotbrechen erkannten: die Handbewegung hatten sie sonst noch bei niemand gesehen als bei ihm.) Das ist Fleisch und Blut, wenn Jesus zu Petrus sagt: „Fleisch und Blut hat dir das nicht geoffenbart.“ (Mt 17:17). Deine ganze Art wäre nie auf die Erfassung dieses Rätsels gekommen, wenn nicht mein Vater im Himmel dir das geoffenbart hätte. Oder wenn Paulus Gal 1:16 sagt: Ich besprach mich nicht mit Fleisch und Blut.

Auferstehung des Fleisches

Unsere Persönlichkeit wird bei dem neuen Stoff des geistlichen Leibes (1Kor 15:38ff.) nicht dadurch erhalten, dass der im Grabe liegende, resp. verweste Körper wieder erneuert, und aufs Neue mit dem aus ihm entwichenen Geist vereinigt wird, (wie es bei Lazarus geschah, - was wir keine Auferstehung nennen!), sondern dadurch, dass jene Fleisch und Blut' bildendenden Elemente erneuert, erweckt, belebt’ werden, und trotz des herrlichen und neuen Stoffes, den Gott gibt, wieder dafür sorgen, dass die Identität mit der früheren Persönlichkeit sich herausstellt. Darin liegt für die Auferstehungsleiber die Garantie, dass man sich wieder erkennen wird. (Jesus macht darin eine Ausnahme. Sein irdischer Leib hat die Verwesung nicht gesehen, weil er sündlos war). Fleisch und Blut, wie es jetzt auf Erden unter der Einwirkung der Sünde geworden ist (das Gesetz in den Gliedern, Röm 7:23), kann nicht so teilhaben an dem Reich der Vollendung; aber es kann ebensowenig ausgelöscht, weggeworfen werden wie tote Muskeln und Gebeine! Darin liegt unsere Sonderart! Sie muss entsündigt, verklärt auferstehen! Darum glaube ich bei dem Ausdruck bleiben zu müssen: Auferstehung des Fleisches. „Es gibt nämlich allerdings eine gewisse Zuständigkeit des auferstandenen Menschen, welche durchaus vorhanden sein muss, wenn der Auferstehungsglaube einen realen Inhalt haben soll; ich meine nämlich die in diesem Leben durch den Leib*) vermittelte Selbstunterscheidung von anderen Individuen derselben Art.“ (Krauß Komm. 151).

*) Leib fasst hier doch das alles zusammen, was ich soeben als die Kennzeichen der Individualität bezeichnet habe. Ohne dieselben wäre Muskelfleisch und Bein keine Persönlichkeit!

Unterschiede in der Natur

1Kor 15:39ff.: „Was wollen hier die Hinweise auf die Natur? Zweierlei. Zuerst erinnert Paulus an den wunderbaren Reichtum Gottes in Gestalten, Formen und Farben, der so unberechenbar ist, und so über alles Menschengedenken hinausgeht, dass wir ihm wohl zutrauen können, dass er auch nach dieser Seite für unseren Auferstehungsleib über Bitten und Verstehen wird sorgen können. Nicht zwei Blätter unter Millionen von Kameraden im Wald sind nach allen Seiten hin einander ganz gleich! Wenn ein begabter Porträtmaler eingesperrt würde, so dass er kein Modell von außen mehr zu sehen bekäme, und müsste jahrelang täglich aus dem Kopf zehn neue Porträts entwerfen, würde seine Schaffenskraft bald erschöpft sein, und er müsste sich wiederholen! Und Gott schafft mit den gleichen stofflichen Mitteln Milliarden von Menschen, und in jedem Gesicht ist etwas ganz Besonderes: sei es die Stellung oder Neigung der Nase oder der Ausdruck, immer Originale! Sollte Gott da jemand zu kurz kommen, wenn es sich bei den neuen Leibern um neue Wunder seiner Weisheit und Kraft handelt? Da wird Johannes nicht dem Thomas und Petrus, nicht dem Paulus ähnlich sehen, sondern die Individuen sind trotz Verwesung des Stofflichen, und trotz des Hinzutritts von neuem, verklärten Stoff doch erhalten. - Weiter mag in dieser Aufzählung liegen, dass wesentlich Gleiches verschiedenen Veränderungen und Abstufungen unterliegen kann, ohne die Gattungseinheit deshalb einzubüßen. „Damit will er nur die Einheit im Unterschied, und den Unterschied in der Einheit zwischen dem jetzigen und dem einstigen Leib feststellen!

Außerdem könnte man vielleicht, auch wenn der Zusammenhang dieser Worte nicht zu solcher Deutung zwingt, mit manchen Auslegern hier noch heraushören, dass es zwischen den Auferstandenen große Unterschiede in der Herrlichkeit und Schönheit ihrer Leiber geben werde. (1Kor 15:41). Der wie ein Brand aus dem Feuer gerettete Schächer dürfte nicht so hell und strahlend sein, wie Paulus, der sein Leben in schweren Leiden jahrzehntelang dem Herrn geopfert hat: Die Lehrer werden leuchten wie die Sterne! Selig sind sie alle, die würdig geworden sind (Lk 20:35-36), jene Welt zu erlangen, - sterben können sie hinfort alle nicht mehr -, aber zwischen ihnen werden nicht nur jene Sonderarten der Individuen, sondern auch der Grad ihrer Nähe und die Art ihres Lebenswerkes (1Kor 3:13-15) für mannigfaltige Unterschiede und Abstufungen sorgen.

Manche werden nicht zufrieden sein, dass Paulus nicht mehr sagt, als er es tut. Er lässt sich wirklich „an der Gnade genügen“, ohne der dichterischen Phantasie zu gestatten, etwaige Fragen der Neugier zu befriedigen. „Bei aller Bestimmtheit in der Aussage eines persönlichen und individuellen Lebens, sind die Ausdrücke doch so farb- und gestaltlos, dass wir mit dem besten Willen nicht imstande sind, eine anschauliche Vorstellung von der Beschaffenheit dieses künftigen Lebens uns zu bilden. (Krauß, S 153). Und dabei wusste Paulus von dem Leben der Geister doch schon mehr als wir, wenn wir 2Kor 12 auf uns wirken lassen! -

Viermaliges Säen

1Kor 15:42: Man hat das viermalige Säen auf das Begrabenwerden bezogen, wurde aber damit den einzelnen Ausdrücken nicht ganz gerecht. Darum schlagen andere vor, vier Stufen anzunehmen, bei denen der Begriff säen sich ändert. Es wird gesät verweslich - bezöge sich dann allein aufs Begräbnis; in Unehre mahnte, an all das Unterworfensein unter das Elend dieses Lebens zu denken; in Schwachheit träfe buchstäblich zu auf die Gebundenheit und Hilflosigkeit des schwachen, neugeborenen Kindes, und die letzte Stufe zurück würde dann der Augenblick sein, wo sich die Seele mit dem materiellen Keim verbindet. Alle vier Ausdrücke wollen den Unterschied hervorheben zwischen dem Samen und dem, was aus ihm wird.

Paulus zielt mit all diesen Ausdrücken noch auf einen ihm wichtigen Lehrpunkt hin: den Unterschied zwischen dem seelischen und geistlichen Leib. (1Kor 15:44-49). Einen Leib aus Seele gibt es ebensowenig, wie einen aus Geist. Hier auf Erden ist unser materieller Körper für die Seele gebildet, und vielleicht hat sie unbewusst, naturhaft, schon vor der Geburt desselben einen Einfluss auf seine Sonderheiten gehabt. Wir lernen doch bisweilen solche Menschen kennen, bei denen wir den Eindruck haben: diese Seele konnte keinen andern Leib haben! Allerdings auch oft genug scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Auch schämt man sich gewisser körperlicher Hässlichkeiten wegen, als wäre man irgendwie dafür verantwortlich! Jedenfalls ist hier die Beziehung zwischen der materiellen Hülle und dem seelischen Bewohner sehr reich und mannigfaltig. Der seelische Leib ist der Seele Spiegelbild, Werkzeug, Kampfplatz, Hemmschuh, Grenze, Diener und Despot!

Eine ähnliche Stellung, wie die Seele dem Erdenleib gegenüber hatte, soll der Geist dem künftigen geistlichen Leib gegenüber haben. Ähnlich, wie die Seele den Stoff des seelischen Leibes nicht erzeugt, sondern der Geist bemächtigt sich eines vom irdischen Leib losgelösten Keimes*), um unter Hinzunahme von neuem Stoff aus der verklärten Umgebung den Leib zu gestalten, der jetzt sein ihm ganz entsprechendes, gefügiges Werkzeug werden soll. Auch dann wird der Leib ein Spiegelbild des Geistes sein. Dafür gibt’s jetzt schon im seelischen Leib einige vorausweisende Beispiele. Wie beseelt ist jetzt die Hand oder Stimme manches Künstlers! Oder was wäre ein Menschenauge ohne Seele? Ein Löffelchen voll toter, kalter Flüssigkeit! Und jetzt können wir in ihm die tiefsten Bewegungen der Seele beobachten! Wieviel vollkommener wird der neue Leib seinem Gebieter und Bewohner, dem Geist, gehorchen und angepasst sein, wenn alles Stückwerk sündiger Befangenheit aus dem Mittel getan sein wird!

*) Unser immaterielles Ich mit jenen oben angedeuteten „Dominanten“, die für die Identität der Persönlichkeit sorgen müssen!

Lebende Seele und lebendig machender Geist

„Ist ein seelischer Leib, so ist auch ein geistlicher Leib.“ Durch alle diese und ähnliche festgefügte Schlüsse zieht sich von 1Kor 15:20 an stets entweder der Gedanke der Wiederbringung, die letztliche Beseligung aller, oder Paulus hat geflissentlich die Erwägung ausgeschaltet, dass Sünde und Unglaube eine schreckliche Ausnahme von diesen großen und guten Gottesordnungen schaffen müssen.

1Kor 15:45: Vernunft, Wille, Herz, menschlicher Geist, - alle solche Fähigkeiten des unkörperlichen, aber auf Erden an den Körper gefesselten Teils sind hier auf der natürlichen Stufe unter dem Ausdruck lebendige Seele zusammengefasst. Der Unterschied zum Tier ist damit gemeint. Anderswo wird das alles „Fleisch“ genannt, im Gegensatz zum „Pneuma“ (Geist), so z. B. Gal 5:16-25. Gemeint ist also die natürliche, allen Menschen gemeinsame vorläufige Stufe, an der sie durch ihre Blutsverwandtschaft mit Adam teilhaben. Mir scheint, der Apostel denkt an den ersten Menschen vor dem Sündenfall. Wir dürfen uns diesen Urzustand nicht übertrieben herrlich und reif vorstellen: ein unbeschriebenes Blatt! Keinesfalls eignete ihm als rein natürlicher Besitz ewiges Fortexistieren, wie 1Mo 3:22 angedeutet: es wäre entsetzlich gewesen, wenn der in Sünde gefallene Mensch, ohne Erlösung zu erfahren, seine Hand ausgestreckt, und gegessen hätte vom Baum des Lebens, und lebte ewiglich! - Lebende Seele und lebendig machender Geist sind Gegensätze, nicht nur Gradunterschiede; das erste bezeichnet ein Seelenleben, eine für sich beseelte Persönlichkeit, die sich weder allein gegen den Tod behaupten kann, noch auch von sich aus andere beleben kann, die sonst tot verfallen wären. Der lebendig machende Geist geht nicht nur als Neuschöpfung über das bloß zur „Seele“ gehörige Gebiet hinaus, sondern er schafft Leben gegen den Tod! Das ist erst durch Christus geschehen, weil es zuerst an ihm geschah. Den drei Lebensstufen, die Christus durch diesen Geist erreicht hat -

  1. die sittlich-religiöse Einwohnung des Geistes,
  2. die Auferstehung
  3. letzte Verklärungsstufe seit Himmelfahrt -

entsprechen beim Gläubigen auch die drei:

  1. Bekehrung und Heiligung auf Erden,
  2. Auferstehung,
  3. Ewige Verklärung.

Solches Leben des Geistes konnte dem Menschen nicht angeschaffen werden, - wie der Heliotropismus den Pflanzen! Naturhafter Drang der unbeseelten Geschöpfe ist eine Naturordnung ohne jeden sittlichen Faktor. Es musste beim Menschen eine Sache der freiwilligen Herzenshingabe werden, ob er sich solcher Geistesentwicklung erschließen, und sich heiligen lassen wolle oder nicht. Adam war vor dem Sündenfall nicht heilig, nicht geistlich, sondern „erdig“ (1Kor 15:47). Hätte er, statt die Entwicklung ins Irdische zu wählen, sich ganz für Gott entschieden, so hätte die Arbeit des Geistes bei ihm, ähnlich wie bei Jesus eingesetzt, und die ganze Menschheitsentwicklung wäre anders verlaufen. So aber kam das Gegenteil; darum musste der „letzte“ Adam (nach ihm gibt’s keine neuen Erlösungsunternehmungen!) eine neue Stufe, einen neuen Ansatz bringen, damit die Menschheit nicht am „totmachenden“ bösen Geist zugrunde ginge, sondern durch den lebendig machenden aufwärts geführt würde.

1Kor 15:46: Wie in der ganzen Natur eine Zielstrebigkeit vom Niedern zum Höheren abgeschattet ist, so muss auch hier der seelische Leib zuerst da sein und seine Aufgaben erfüllen, bis das Gesetz des Heilsplanes Gottes: Erziehung zur Heiligkeit ihn ergreifen kann. Das ist auch ein Wink für religiöse Kindererziehung! Wir sollen aus unserer Kinderstube kein Treibbeet machten, wo durch künstliche Temperaturerhöhung ungesundes Wachstum gefordert und gefördert wird. Zuerst lasset uns für die normale Entwicklung des seelischen Leibes sorgen, und dann kommt die Entscheidung: willst du dein Leben lang bloß in der Sphäre der erdigen Menschen und Sachen bleiben, oder aus dem Bann dieser Schalenkultur eine neue Stufe hinaufsteigen, wo der Geist dich erzieht und bildet zum Ewigkeitsmenschen?

Der erste Mensch erdig, der zweite himmlisch

Man wird über diesem und dem nächsten Vers (1Kor 15:47: „Der erste Mensch von der Erde und erdig, der andere Mensch vom Himmel“) noch nicht umhin können, einen gewaltigen Unterschied zwischen diesen beiden Gattungstypen zu machen. Jesus bekam, was ihn zum Haupt einer neuen Menschheitsreihe und Gottesgesalbten machte, vom Himmel, weil der Geist ihn überzeugt hatte, und ihn dann lebenslang, in bis dahin unerhörter Weise, durchglühen und erfüllen konnte. Wir sind alle von Natur erdig, und da macht keine künstlerische, dichterische oder andere Begabung einen so sehr großen Unterschied: Die Herrlichkeit des Fleisches ist wie des Grases Blume. Das einfältigste Hottentottenweib und der bedeutendste Gelehrte sind nur graduell verschieden: erdig bleiben sie beide, wenn sie nicht durch die im Glauben ergriffene Erlösung auf die pneumatische Stufe des zweiten Adam hinaufkommen. Wenn aber jenes Hottentottenweib eine wahrhaftige Bekehrung durchmacht und Jesus gehorsam wird, dann ist sie aus ihrer natürlichen Erdigkeit herausgehoben, und das himmlische Wesen hat in ihr begonnen. Und wenn jener Professor Jesu Heilskräfte leugnet und ablehnt, dann bleibt er in der unteren Klasse der erdigen Menschen. Und doch muss eine Anlage und eine Möglichkeit für das himmlische Wesen in jedem nach dem Bild Gottes geschaffenen Menschen vorhanden sein, sonst könnte Christus ihn nicht ergreifen.

1Kor 15:48: Jede Gattung trägt die Merkmale und charakteristischen Besonderheiten an sich gemäß der Beschaffenheit dessen, von dem sie stammt.

1Kor 15:49: Dabei kann das neue Jesusleben jetzt auf Erden bei uns verborgen bleiben; erst Jesu Wiederkunft scheidet scharf und deutlich, und für immer die adamitische Vergangenheit von der neuen der himmlischen Zukunft. Was bis zu jenem Offenbarwerden nur im sittlich-religiösen Leben sich durchsetzte, das tritt dann auch körperlich und massiv in Erscheinung. „Wir haben getragen“ - versetzt den Leser schon in die Zeit, da wir das Erdenwesen abgelegt haben werden.

Ich kann nun nicht verhehlen, dass mir hier ein leises Bedenken aufgestiegen ist, das ich nicht glatt heben kann! Wie nun, wenn einer auf Erden noch gar nicht die neue Hilfsstufe erreicht, und stets nur unter den „Erdigen“ gehört hat, und dann wird er erst im Sterbestündlein gerettet (wie der Schächer), oder gar erst zwischen Tod und jüngstem Gericht noch nachträglich bekehrt, weil er auf Erden noch nie ein Wort zum Leben richtig zu einer bewussten Willensentscheidung gehört hat, - wird er dann nicht „deswegen Schaden leiden“? Wird er nicht am geistlichen Leibe ärmer, kleiner, schlechter dran sein, als die hier schon in der Heiligung Fortschritte gemacht haben? 1Kor 3:15 scheint auch darauf hinzuweisen. -

Lies weiter:
12. Folgen des Auferstehungs-Glaubens