Gott redet durch Paulus

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Abschrift des Buches: Heilsgeschichtliche Entfaltung im Neuen Testament
Verfasser: E. W. Bullinger (1874)

Herausgeber:
Manfred Mössinger, 76307 Karlsbad, Eigenverlag (1993)
In englischer Sprache:
The Foundation of Dispensational Truth

Weitere Bücher unter: Abschriften

Kapitel davor:
V. Gott redet durch den Geist der Wahrheit

VI. Gott redet durch Paulus

Gott redet durch Paulus, den Gefangenen Jesu Christi:

"Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin" (2Tim 1:8).

Diese Worte bringen uns zur letzten Frage darüber, wie und wo und wann die Verheißung Christi in Joh 16:12-15 erfüllt wurde.

Wir haben gesehen, dass sie durch den Geist der Wahrheit für uns niedergeschrieben wurden. Wir sind nicht den Gedanken oder Einsichten von Menschen ausgeliefert, oder den "Traditionen der Väter"; wir sind insgesamt von Menschen befreit alten und modernen. Wir sind in einen geistlichen Bereich gekommen, wo der Mensch keinen Platz, keinen Standpunkt und keine Autorität hat; wo auf seine Stimme nicht gehört werden soll, wenn er uns nicht hilft, besser zu verstehen, was Gott geredet hat.

Wir sind in eine neue heilsgeschichtliche Phase gekommen, wo die alten Dinge vergangen sind, wo alles neu geworden ist, wo alles von Gott ist. Das Vollkommene ist gekommen (vgl. 1Kor 1:10). "Zeichen und Wunder und mancherlei Machttaten und geistliche Gaben" haben hier keinen Platz. Die Gabe der prophetischen Rede hat aufgehört, wie in 1Kor 13:8 geweissagt ist.

Das Vollkommene ist gekommen

Die Gabe der Zungenrede hat aufgehört; Erkenntnis (gnosis) der Geheimnisse hat keinen Platz (1Kor 13:8; vgl. 1Kor 13:2 u. 1Kor 14:2). Was Stückwerk war und unvollkommen, ist abgetan.

Diesen allen war in der Phase, zu der sie gehörten, Platz und Aufgabe zugewiesen. Sie sollten erstrebt, angewandt und geprüft werden; aber wir sind jetzt in einer Phase, in der alles vollendet ist. Das Wort "vollendet" heißt, dass wir zu einem Ende oder zu der letzten Phase gekommen sind. Die Griechen schrieben das Wort Telos am Ende ihrer Bücher, die Lateiner schrieben Finis, und wir schreiben Ende. Wir blättern um, und dann hört Offenbarung auf.

Ebenso ist es in der Phase, in der der Geist der Wahrheit die Dinge Christi offenbart hat. Deshalb ist "das Vollkommene" gekommen. Über Christus können wir nicht hinaus gelangen. Wir haben ein unverletztes Gewissen, denn wir haben ihn als vollendetes Opfer (Hebr 10:1.2). Wir sind zum Ende allen Sehnens des Herzens gelangt, denn wir haben Christus (Phil 3:10). Unser einziges Sehnen ist es jetzt, ihn zu erkennen.

Anstatt uns anzustrengen, die Vollkommenheit zu erlangen, wissen wir, dass wir in Christus Jesus schon vollkommen sind (Kol 1:28), und im Fleisch nie Vollkommenheit erreichen können (Gal 3:3). Anstatt uns anzustrengen, in die Gegenwart Gottes zu gelangen, hören wir nicht auf zu danken, denn er hat selbst schon alles getan. Er hat uns mit seiner Tüchtigkeit tüchtig gemacht hat in Christus zu dem Erbteil der Heiligen im Licht (Kol 1:12). Wir sind nicht in Anspruch genommen von endlosen Auseinandersetzungen über Verordnungen, weil wir "vollkommen sind in ihm" und wissen, dass nichts, das von Hand gemacht ist, dem hinzugefügt werden kann, was schon vollkommen ist (Kol 2:10-20).

Das alles sind die "Dinge Christi" die der Geist der Wahrheit verkündigen sollte (Joh 16:15). Das sind die "zukünftigen Dinge," die er offenbaren sollte, denn sie waren in der Zeit des Menschensohns und in der Zeit der Apostelgeschichte noch nicht gekommen. Aber - Gott sei Dank! - unser Los ist in eine Zeit gefallen, in der "das Vollkommene" gekommen ist. Aber wie hat er das gezeigt? Wo sollen wir es sehen?

Diese Fragen sind zum Teil bereits in den oben angeführten Schriftstellen beantwortet. Sie stammen alle aus diesen Briefen, die der Apostel Paulus in der Gefangenschaft in Rom geschrieben hat. Er war der Gefangene Jesu Christi für uns Heiden, denen die gute Nachricht von Gottes Erlösung gesandt wurde, nachdem sie von Israel formell verworfen worden war. (Apg 28:17-28).

Diese Briefe (Epheser, Philipper, Kolosser und 2. Timotheus) gehören in besonderer Weise zu dieser gegenwärtigen Phase der Heilsgeschichte, der Phase des Geheimnisses. Sie enthalten "alle Wahrheit," in die der "Geist der Wahrheit" leiten sollte. Es gibt nichts von diesen "Dingen Christi" "das Meine"' aus Joh 16:15: "von dem Meinen wird er's nehmen" in den vier Evangelien oder in der Apostelgeschichte. Der Herr hat selber erklärt, dass er damals nicht davon sprechen konnte. Hier und nur hier werden sie uns gezeigt.

Offenbart durch den Heiligen Geist

Sie sind offenbart, nicht durch Propheten des Alten Testaments, nicht durch den Sohn, nicht durch die, "die es gehört haben" und seine Worte bekräftigten, sondern durch den Geist der Wahrheit und durch sein besonderes Instrument, das Gott dazu berufen hatte, eben den gefangenen Paulus, den Gott "durch Offenbarung" das Geheimnis und die Phase der Gnade Gottes wissen ließ, die ihm für uns gegeben waren (Eph 3:2.3).

Ihm und den Propheten des Neuen Testaments (eine Ordnung, die speziell zu diesem Zweck eingesetzt wurde Eph 4:11 Diese waren nach seiner Auferstehung eingesetzt worden Eph 4:8) offenbarte der Heilige Geist diese "Dinge Christi," und durch ihn wurden sie niedergeschrieben für uns zur Lehre.

Der Apostel Paulus mag von dem großen Geheimnis vorher gewusst haben. Er mag es sogar "im Geheimnis" (1Kor 2:7, griech.: en musterio) erwähnt haben, aber es war noch ein Geheimnis, und unter denen, die eingeweiht waren (denn das ist die Bedeutung des Wortes "Vollkommene" in 1Kor 2:6), aber er war noch nicht formell beauftragt, es zu schreiben und bekanntzumachen, um "den Gehorsam des Glaubens aufzurichten unter allen Heiden" (Röm 16:26; 1Tim 3:16).

Er übergab den Dienst an Timotheus, seinen eigenen Sohn im Glauben. Er vertraute ihm an, wie ihn dieser Dienst in große Nöte gebracht hatte mit denen, die das Geheimnis nicht empfangen hatten, das er ihnen zu verkünden beauftragt war. Daher warnt er Timotheus, sich nicht zu schämen, keine "Menschenfurcht" (denn das ist die Bedeutung des Wortes deilia, Ängstlichkeit, die sich aus der Furcht vor Menschen ergibt (2Tim 1:7) zu haben in dieser Sache, denn "ich schäme mich dessen nicht" sagt er (2Tim 1:12).

In diesem Kontext stellt Paulus nachdrücklich fest, dass er als Prediger und Apostel und Lehrer der Heiden (einige Manuskripte lassen das Wort "der Heiden" aus. So Tischendorf, Westcott und Hort, auch die R.V.) bestellt ist. Und noch einmal sagt er ausdrücklich, "aus diesem Grund leide ich dies alles" (2Tim 1:11). Aber der wichtigste Teil dieser Aussage ist im Vers (2Tim 1:8), wo er sein eigenes Zeugnis auf dieselbe Stufe stellt, wie das Zeugnis unseres Herrn, wenn es hieße: "... noch meines Zeugnisses." aber so stehen hier nebeneinander: Verkündigung und Person des Paulus. Er sagt: "Darum schäme dich nicht des Zeugnisses unseres Herrn

noch meiner, der ich sein Gefangener bin."

Er konnte das sagen, weil derselbe Gott, der durch seinen Sohn sprach, "durch den Geist der Wahrheit" auch durch Paulus sprach. Ihr Zeugnis hat dieselbe göttliche Quelle, und beide kommen zu uns mit derselben göttlichen Autorität. Christus konnte sagen: "Meine Lehre ist nicht von mir, sondern von dem, der mich gesandt hat" (Joh 7:16). Und Paulus konnte genau dasselbe sagen.

Diese Tatsache ist es, die diesen paulinischen Briefen ihre große Bedeutung gibt. Einige, die es ablehnen, die Phase des Geheimnisses anzuerkennen, verdunkeln das Licht, das aus den Briefen leuchtet. Tatsächlich ist das der eigentliche Grund, warum der große Feind diese besondere Wahrheit hasst. Er liegt in der Grundlage des "Evangeliums (oder der guten Nachricht) von der Herrlichkeit Christi." Diese Feindseligkeit zeigt sich in der neuen Bewegung der modernen religiösen Welt, die sich anstrengt, herauszuheben, was sie "die Lehre Jesu" nennt unter Ausschluss alles übrigen. Nicht der Wunsch, diese Lehre zu kennen ist falsch, aber dass sie pflücken und auswählen, was sie selber herausnehmen können (ohne den Kontext), und was sie verwerfen. Das hat den gleichen Grund, aus dem die Juden ihn zu steinigen suchten, und aus dem viele seiner Jünger sich von ihm abwandten.

Nein! Es ist Satans Plan, das zu schmälern, was sie dann die Lehre des Paulus nennen. Sie geben vor, anzunehmen, was Gott durch den Sohn redete, während sie leugnen, dass derselbe Gott durch Paulus redete. Dieser Vers (2Tim 2:8) ist insofern von größter Bedeutung, als er uns hilft, die verschiedenen Phasen zu unterscheiden.

Zeugnis des Paulus verworfen

Man möge beachten, dass die sogenannten "Pastoralbriefe" Teile von beiden Phasen behandeln. Während der Apostelgeschichte entstanden an verschiedenen Orten Gemeinden, die Anweisungen über die Ämter, die Mitarbeiter, sowie deren Charakter, Qualifikation und Aufgaben brauchten. Niemand kann sagen, wie sich das alles entwickelt hätte, wenn das Zeugnis derer, die den Herrn reden gehört hatten, angenommen, und das wunderbare Zeugnis des Heiligen Geistes beachtet worden wäre. Wir haben festzuhalten: So wie die Juden das Zeugnis des Heiligen Geistes verworfen haben, ebenso haben die Heiden das Zeugnis des Paulus von dem Geheimnis verworfen.

Innerhalb der Lebenszeit des Apostels hat sich die Gemeinde, die am stärksten geistlich ausgerichtet war (Ephesus) "von ihm abgewandt." Manche wollen uns raten, zu den ersten drei Jahrhunderten zurückzukehren, um das reine Christentum wiederzufinden. In unsern Tagen nennt man "die ersten sechs Jahrhunderte," so steil ist das Gefälle! Aber unsere Antwort ist, dass wir nicht zum ersten Jahrhundert zurückkehren können, denn gerade die Gemeinde, in der Paulus am längsten gedient hat (drei Jahre), "so dass alle, die in der Provinz Asien wohnten, das Wort des Herrn hörten" (Apg 19:10), war die erste, die sich von ihm und seiner Lehre abwandte.

Es ist nicht zu verwundern, dass er von seinem Leiden spricht und davon, dass er "für das Evangelium" leidet (2Tim 1:8), und von der Gnade, die Menschenfurcht überwindet und ihn zu einem untadeligen Arbeiter Gottes macht. (2Tim 2:15).

All das zeigt uns, wie wichtig es ist, das Wort der Wahrheit recht zu teilen. Es ist in der "Schrift der Wahrheit" gegeben, und ohne dem Gebot zu gehorchen, werden wir die Wahrheit nicht sehen, die Gott uns zeigt. Wir dürfen die Briefe, die in der Phase der Apostelgeschichte geschrieben wurden (1. u. 2. Thessalonicher, 1. u. 2. Korinther, Galater und Römer), nicht nehmen und in die gegenwärtige Phase hineininterpretieren, jedenfalls nicht mit ihren Gesetzen und Vorschriften, wo Juden und Heiden als getrennt betrachtet werden.

In der gegenwärtigen Phase des Geheimnisses ist die Trennwand niedergerissen und fortgenommen und Juden und Heiden sind eins in Christus Jesus. Wahr ist, dass der Römerbrief unmittelbar vor den Ereignissen von Apg 28 geschrieben wurde, am Ende jener Phase, deshalb finden wir darin die Grundlage der Lehre des Geheimnisses gut und getreulich geschaffen, während die Schlussverse uns geradewegs zu den Briefen hinführen, wo uns dann die Offenbarung durch den "Geist der Wahrheit" ausführlich und deutlich dargelegt wird.

So wie wir die Briefe aus der Phase der Apostelgeschichte nicht in die gegenwärtige Phase des Geheimnisses hineinlesen dürfen, sowenig dürfen wir auch die Gefangenschaftsbriefe in jene oder eine noch frühere Phase hinein übertragen. Zumindest können wir das nicht ohne unlösbare Verwirrung tun. Wir würden wie jene, die immer lernen, aber die Wahrheit nie erkennen können. Wir würden zur Beute neuer Lehren aller Richtungen, die aufkommen, oder würden von jedem Anschlag, uns von der Wahrheit abzulenken, aus der Bahn geworfen. Wir kämen in andauernde Widersprüche über Gemeinden oder Einrichtungen oder Menschen und ihre verschiedenen oder widersprüchlichen Lehren.

Andererseits, wenn wir Klarheit haben über die großartigen Fundamente der heilsgeschichtlichen Wahrheit und Lehre, werden unsere Füße wie auf einem Felsen stehen, und wir werden sicher und gewiss sein und standhaft gegen all die Veränderungen, die um uns stattfinden. Ja, wir werden leiden, wie Paulus zu leiden hatte; wir werden etwas vom Leiden um das Evangelium erfahren; aber gleich ihm werden wir nicht zuschanden, den wir kennen den, an den wir glauben, und sind gewiss er wird den herrlichen "Schatz", den er unserm Glauben anvertraut hat, sicher bewahren.

(Quelle: "Heilsgeschichtliche Entfaltung im Neuen Testament" von E. W. Bullinger;
aus dem Englischen übertragen; Herausgeber: Manfred Mössinger)

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