Nachtgesichte des Propheten Sacharja - 2. Teil

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Abschrift einzelner Themen aus: Die Gemeine
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Auszüge aus dem Monatsblatt für biblische Vertiefung (1925-26)
Selbstverlag des Bibelheims „Bethanien", Langensteinbach

Zum gleichen Thema siehe auch hier:
Sacharjas Nachtgesichte
aus einem Bibelkursus in Langensteinbach von 21.-31. Januar 1924

weitere Abschriften hier:

Inhaltsverzeichnis:
Kapitel davor:
Die Nachtgesichte des Propheten Sacharja - 1. Teil (1926)

Die Nachtgesichte des Propheten Sacharja - 2. Teil

  • Sach 1:1-6 ELB (1) Im achten Monat, im zweiten Jahr des Darius, geschah das Wort des HERRN zum Propheten Sacharja, dem Sohn Berechjas, des Sohnes Iddos (2) Der HERR ist heftig erzürnt gewesen über eure Väter. (3) Und du sollst zu ihnen sagen: So spricht der HERR der Heerscharen: Kehrt um zu mir! spricht der HERR der Heerscharen, und ich werde mich zu euch umkehren, spricht der HERR der Heerscharen. (4) Seid nicht wie eure Väter, denen die früheren Propheten zuriefen: «So spricht der HERR der Heerscharen: Kehrt doch um von euren bösen Wegen und von euren bösen Taten!» Aber sie hörten nicht und merkten nicht auf mich, spricht der HERR. (5) Eure Väter, wo sind sie? Und die Propheten, leben sie ewig ? (6) Doch meine Worte und meine Vorhaben, die ich meinen Knechten, den Propheten, gebot, haben sie eure Väter nicht erreicht ? Und sie kehrten um und sagten: Wie der HERR der Heerscharen vorhatte, nach unseren Wegen und nach unseren Taten an uns zu handeln, so hat er mit uns gehandelt.

In den Geschichtsverlauf gestellt

Heute wollen wir zuerst die Überschrift des ganzen prophetischen Buches des Sacharja und die besondere Überschrift der Nachtgesichte betrachten. Das ganze Buch ist überschrieben: „Im achten Monat des zweiten Jahres des Königs Darius..“ Und die Nachtgesichte, insonderheit sind überschrieben: „Am 24. Tag des elften Monats, welcher ist der Monat Sebat, im zweiten Jahre des Königs Darius.“ Mit diesen Überschriften sind wir zunächst hineingestellt in den Geschichtsverlauf. Ein Weltmachtkönig ist genannt. Das jüdische Volk hat seine Aufgabe unter den Nationen. Es ist in den Geschichtsverlauf hineingegeben. Es muss im Geschichtsverlauf mit allen Nationen in Berührung kommen und von ihnen gekannt werden, gleichwie es selbst dieselben kennenlernen muss. Und alle Geschicke des erwählten jüdischen Volkes sind in das Nationen-Geschehen hineingewickelt. Die Nationen bestimmen das Ergehen des jüdischen Volkes, so leitet und bestimmt es Gott; und das jüdische Volk wirkt in Gericht und Gnade aufs allertiefste in die Nationen hinein. Darum ist auch bei der Geburt Christi, soweit sie das jüdische Volk und das Königreich angeht, eine Nationen-Überschrift: Kaiser Augustus, der Landpfleger Cyrenius, der Vierfürst Herodes, sie sind alle genannt. Soweit die Geburt des Heilandes die Gemeine angeht, haben wir keine geschichtliche Überschrift.

Im vierten Evangelium werden wir sofort echt gemeinemäßig in die Ewigkeiten versetzt. „Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott.“ So wird auch jetzt die Befreiung des jüdischen Volkes aus seiner zweitausendjährigen Völker-Verhaftung durch große Nationen-Ereignise vollbracht. Weltkrieg und Weltrevolution mussten eintreten. Das jüdische Volk hat seine Aufgabe an den Nationen-Massen. Die gläubige Gemeine hat eine ewige Geistesaufgabe. Darum ist sie den Nationen entnommen und ins Geisteswesen und Ewigkeitswesen hineingestellt. So weisen uns die beiden Überschriften in den Geschichtsverlauf.

Sie verweisen aber auch in den Gerichtsverlauf. Vor der babylonischen Gefangenschaft haben die Propheten in ihren Überschriften die Namen jüdischer und israelischer Könige. Da war das jüdische Volk noch verhältnismäßig frei. Es war auch unter Königen - das war nicht der ganz richtige Stand - aber es war doch noch unter eingeborenen Königen. Mit der babylonischen Gefangenschaft hörte das auf. Der Gerichtsweg begann. Das heilige und erwählte Volk kam unter Weltmachtherrscher, und unter diesen ist es nicht hervorgekommen bis heute. Nach den persischen Weltmachtherrschern kamen die griechischen, dann die römischen, dann die germanischen und andere. Dass Sacharja den König Darius beide Male erwähnt und nach ihm die Zeit berechnet, zeigt den Versklavungsstand des Volkes der Wahl an. Das jüdische Volk ist nicht heimgekehrt nach der Aufhebung der babylonischen Gefangenschaft. So blieb es unter den Weltmächten und kam immer tiefer unter dieselben.

Und heute noch läuft es unter den Weltmacht-Staaten, wiewohl gerade in unseren Tagen - und das ist die große Bedeutung dieser Tage - die Befreiung des jüdischen Volkes aus den Nationen-Banden sich anhebt zu vollziehen. So deutet die Überschrift: „König Darius“ auf die Verhaftungszeit in den Kulturstaaten der Nationen. Wie müssen uns da die Nachtgesichte wichtig sein, wenn sie das Ergehen unter der Obmacht der Nationen schildern und die Befreiung aus dieser Obmacht. Nicht nur für das jüdische Volk sind diese Nachtgesichte von der hervorragendsten Bedeutung, sondern auch für uns Nationen. Das Heil der Nationen hängt am Heil der Juden. Wir als Deutsche können für unser Volk keine wahre und lebendige Hoffnung fassen, außer in Zusammenhang mit den Juden. Die Gemeine der Gläubigen, ja das ist etwas Höheres, denn die Juden. In ihr sind Juden und Heiden völlig gleichberechtigt. Und nach dieser Seite hin lernen wir viel von den acht Nachtgesichten des Propheten Sacharja.

Der Zorn Gottes

Nach der Überschrift haben die Nachtgesichte noch einen Eingang. Er umfasst Sach 1:2-7. Diesen Eingang knüpft er an an den Zorn Gottes über die Väter. „Der Herr ist zornig gewesen über eure Väter“. Der Prophet des jahrtausendelangen Zornes übers Judenvolk knüpft an an die eben abgelaufene Zornesperiode. Das ist ja die schwere Aufgabe des Propheten Sacharja, zu verkünden, dass dieser Zorn weiterlaufe. Wohl trat in gewissem Sinne eine Erleichterungspause ein, aber dahingegeben unter die Nationen war und blieb das erwählte Volk. Da kamen schwere Zorneszeiten und endlich, nach der Verwerfung Jesu die eigentliche Nachtzeit. Es ging beim Volke der Wahl aus Zorn in Zorn.

Warum? Die Väter achteten nicht auf der Propheten Buße verkündendes Wort. Sie bekehrten sich nicht zu dem Herrn, ihrem Gott; darum traf sie der Zorn. Ins Feuer mussten sie hinein. Haargenau ist alles Wort Gottes in Erfüllung gegangen. Die Väter mussten bekennen: „Gleichwie der Herr Zebaoth vorhatte uns zu tun, entsprechend unserem Gehen und Tun, so hat Er uns auch getan.

Das Volk war auch jetzt bei der Rückkehr aus Babylon im innersten Grunde kein bußfertiges. Ja, der Herr sah schon die Keim-Ansätze der Selbtgerechtigkeit. Das war ein noch schwererer Sündenausbruch, als der Götzendienst der vorausgehenden Zeiten. Darum muss der Prophet, gleich im Eingang seines prophetischen Buches, erneut das Gerichtsschwert übers Haupt des Volkes hängen. Und er schärft es am Ergehen der Väter. So gewiss wie damals alles Wort Gottes eingetreten ist, so gewiss das Väter-Gerichtswort sich ausgewirkt hat, ob auch die Väter-Generation samt den Propheten dahinstarb (Vers 5), so gewiss wird auch das gegenwärtige Wort sich auswirken, wenn auch die Propheten, die es verkündigten, und wenn Generationen über Generationen vorher sterben wird. Menschen, auch Gottesmenschen und Propheten sterben - aber das Wort Gottes bleibt. Das war der Ernst, welchen der Prophet seinen Nachtgesichten voranstellte: „Das von mir verkündigte Wort kommt und wird kommen. Es wird nicht eines an ihm fehlen.“ Das ist auch uns wichtig, die wir wohl sehen, dass auch in unseren Tagen sich noch nicht alles erfüllt hat. Es wird gewiss vollends kommen, wie es bis heute gekommen ist.

Das prophetische Wort

Die Väter haben einst das prophetische Wort gering geachtet. „Sie gehorchten nicht und achteten nicht auf mich, spricht der Herr.“ (V. 4) Mögen Judenvolk und Nationen auch jetzt nicht auf das prophetische Wort achten - es kommt doch und läuft voll. Die Massen schießen an dem prophetischen Wort vorbei - darum fehlt ihnen der Blick in der Zeiten Ernst und Bedeutung. Aber dies Wort wird durch Missachtung nicht gemindert, im Gegenteil es wird gewichtiger. Unbeirrt von aller Beachtung läuft das Wort seinen Weg zu seiner Fülle und Erfüllung. Wir tun wohl, wenn wir darauf achten.

Der Eingang des Propheten ist ein aufgehobener Finger. Er redet nicht Menschenwort. Er, der Prophet mag dahinsinken, und sterben; die Generation, die sein Wort gehört, mag dahinsinken und sterben - das Wort selbst läuft und wird laufen. Es ist Gottes Wort. Es ist göttlichen Lebens voll. Das ist der große Ernst der Nachtgesichte. Wir stehen in ihnen vor göttlichen, in Jahrtausenden sich auswirkenden Tatsachen.

Das sind zunächst und vor allem Gerichtstatsachen, das sind aber auch große, gewaltige Heils- und Rettungs-Tatsachen. Und wie der Zorn nicht ausbleiben wird, so wird auch das Heil nicht ausbleiben. Der Zorn ist und bleibt Weg und Wegbereiter. Es treibt alles zur Buße und Umkehr. Schon der alten Propheten Wort hat zur Buße und Umkehr getrieben (V. 4.) Sind beide auch nicht eingetreten, muss darum Zorn und Gericht weiter beugen - sie kommen doch. Der Zerbruch kommt. Sacharja erzählt ihn am Schluss seines Buches (Sach 12 u. 14). Nach Abend kommt Morgen, nach Nacht kommt Licht. Nachtgesichte sind auch Gnaden. Sie zeigen den Weg voraus. Auch die Nachtgesichte haben Licht in sich und Licht vor sich. Gottes Wort aber ist gewiss. Sacharja versiegelt's im Eingang seines Buches. Er versiegelt's durch den Geschichtsverlauf. Der Väter Geschichte ist das Siegel des göttlichen Wortes. So wird auch die kommende Geschichte in Nacht und Licht Gottes geoffenbarte Wahrheit bestätigen. Und diese geoffenbarte Wahrheit soll uns nun anleuchten und erleuchten in den kommenden Nachtgesichten. Wir aber wollen dieser Wahrheit das Herz öffnen, dass wir sehen, wie Gottes Wort läuft. In Nacht und Licht wollen wir des Herrn Schritte sehen. Selig, wer sich nicht weigert des göttlichen Wortes. Sein Gang geht in Licht und in Kraft, durch Zorneszeiten und durch Erquickungszeiten.

Des Propheten Eingangswort ist ein gewaltiges „Aufgepasst!“ Aufgepasst - es kommt Wahrheit; es kommt Wirklichkeit. Es kommt wahrhaftig sich Auswirkendes, und wenn es durch Jahrtausende geht. Des Herrn Wort ist wahrhaftig, und was Er zusagt, das hält Er gewiss. „Und am 24. Tage des 11. Monats, welch ist der Monat Sebat, im zweiten Jahre des Königs Darius, g e s c h a h das W o r t des H e r r n zu S a c h a r j a, dem Sohne Berechjas, des Sohnes I d d o s , dem Propheten und sprach: „Ich sah bei der Nacht."

Das erstes Nachtgesicht

Der Herr steht zum erwählten Volke Israel durch alle Tiefen hindurch

  • Sach 1:7-17 ELB (7) Am 24. Tag, im elften Monat, das ist der Monat Schebat, im zweiten Jahr des Darius, geschah das Wort des HERRN zum Propheten Sacharja, (8) Ich schaute des Nachts, und siehe, ein Mann, der auf einem roten Pferd ritt! Und er hielt zwischen den Myrten, die im Talgrund waren, und hinter ihm waren rote, hellrote und weiße Pferde. (9) Und ich sagte: Was bedeuten diese, mein Herr? Und der Engel, der mit mir redete, sprach zu mir: Ich selbst will dir zeigen, wer diese sind. (10) Und der Mann, der zwischen den Myrten hielt, antwortete und sprach: Das sind die, welche der HERR ausgesandt hat, auf Erden umherzuziehen. (11) Und sie antworteten dem Engel des HERRN, der zwischen den Myrten hielt, und sprachen: Wir sind auf Erden umhergezogen, und siehe, die ganze Erde sitzt still und verhält sich ruhig. (12) Aber der Engel des HERRN antwortete und sprach: HERR der Heerscharen, wie lange willst du dich nicht über Jerusalem und die Städte Judas erbarmen, die du verwünscht hast diese siebzig Jahre ? (13) Und der HERR antwortete dem Engel, der mit mir redete, gütige Worte, tröstliche Worte. (14) Und der Engel, der mit mir redete, sprach zu mir: Rufe aus: So spricht der HERR der Heerscharen: Ich eifere mit großem Eifer für Jerusalem und für Zion, (15) und mit großem Zorn zürne ich über die sicheren Nationen. Sie, nämlich als [ich] [nur] wenig zürnte, [da] haben sie zum Unheil geholfen. (16) Darum, so spricht der HERR: Ich habe mich Jerusalem in Erbarmen wieder zugewandt. Mein Haus soll darin gebaut werden, spricht der HERR der Heerscharen, und die Meßschnur soll über Jerusalem ausgespannt werden. (17) Rufe weiter aus: So spricht der HERR der Heerscharen: Meine Städte sollen noch überfließen von Gutem; und der HERR wird Zion noch trösten und Jerusalem noch erwählen.

Der Reiter auf dem roten Pferd

Die markanteste Person in unserem Nachtgesicht ist der Mann a u f dem r o t e n P f e r d. Er hat drei Namen in unserem Gesicht: M a n n (V. 8 u. 10); E n g e l des H e r r n (V. 10 u. 12), H e r r (V. 13). Der Mann ist also der J a h w e , wie wir im Deutschen oft sagen: Jehova. Der Jahwe ist der Gott Israels, Er ist sein Erwähler und ständiger Offenbarer. Der Jahwe ist der Sohn Gottes, der Schöpfer der Welten und ihr bestimmter Erlöser. Er heißt an vielen Stellen des Alten Bundes: „E n g e l des H e r r n,“ weil Er der Gesandte Gottes ist an die Menschheit und sonderlich an Israel. Der Sohn Gottes ist d e r Bote, ist der E n g e l in ganz besonderem, herausgenommenen Sinn. Und dieser Jahwe, dieser Engel des Herrn, oder Engel des Bundes, heißt an vielen Orten, sonderlich bei Daniel, d e r M a n n. Er ist der männliche Sohn, der Eingeborene, der Erzeuger und Samengeber - d e r S a m e. So haben wir in diesem ersten Nachtgesicht den Sohn Gottes vor uns. Der Sohn Gottes ist nie von seiner Kreatur geschieden. Durch die ganze Menschheitsgeschichte lebt Er und webt Er, im Rahmen des Offenbarungsrates Gottes mit den Geschöpfen. Seine Menschwerdung ist nur e i n Akt von vielen Akten, allerdings der t i e f s t e. Der Sohn Gottes verkehrt nach dem Fall mit den Menschen. Er verkehrt selbst mit Kain. Er erscheint Noah. Er ist mit Abraham und den Vätern. Er verkehrt mit Mose wie ein Freund mit dem Freunde usf.. Er ist der Erlöser - diese Erlösung bereitet Er ständig weiter vor. Mit allen Propheten war Er lebendig verbunden, Er erscheint auch hier bei Sacharja. An so gewaltiger Wende der Gottzeiten, da muss Er weiterleitend eingreifen.

Wir Gläubigen freuen uns dieses erscheinenden Sohnes Gottes. Wie eng sind wir doch mit Ihm verbunden. Durch Seinen Heiligen Geist gezeugte Söhne. Brüder nennt Er uns, und Er soll sein und werden der Erstgeborene unter vielen Brüdern. Wir freuen uns Seiner. Ja, Er ist der Ewige, der Wahrhaftige, der Lebendige. Der Jesus Christus, in dem wir glaubend stehen - das ist der Mann, der Engel des Bundes, der Herr. Wir sehen in dem Mann auf dem Pferd in unserem Gesicht den „Jesus Christus gestern“.

Aber allerdings, wir sehen Ihn in Seinem Verhältnis zum erwählten jüdischen Volke. Er sitzt auf einem r o t e n P f e r d. Das Pferd ist das Zeichen des Streites und des Krieges. Das Pferd ist das Zeichen der Weltmächte. Und wenn der Herr, der Mann, auf einem Pferd sitzt, und wenn Scharen von Engeln auf Pferden Ihn umgeben, so sehen wir Ihn, in Seinem der Weltmacht, den Nationen zugewandten Walten. Davon zeugt auch das ganze Gesicht. Es handelt sich um das Volk Gottes in seinem Verhältnis zu den Nationen. Das jüdische Volk hat von Anfang seiner Wahl an einen Nationen-Beruf. Für die Nationen, sie zu segnen, ist es in Abraham erwählt. Dieser Segens-Beruf an die Nationen kann aber nur durch viele Kämpfe hindurch zum Ziel gelangen. Darum sitzt der Heiland, wenn Seine Stellung zum jüdischen Volk und im jüdischen Volke zu den Nationen soll gezeichnet werden, auf einem Pferd. Und weil es durch viele Kriege und Revolutionen und blutige Gerichte geht zum Ziel hin, so sitzt der Heiland auf einem roten Pferd. Wenn einst der letzte Sieg errungen wird, kommt Er mit Seinen Heiligen auf weißen Pferden. (Offb 19). Rot ist der Kampf, weiß ist der Sieg. Darum bezieht sich jene Stelle Offb 19 auch auf das jüdische Volk. Es sind dort die letzten Nationen-Niederwerfungen vor dem Beginn des 1000jährigen Reiches gezeichnet.

Für die Gemeine

Für Seine Gemeine sitzt der Heiland auf k e i n e m P f e r d. Wir haben im Glauben den zum Haupt, welcher, verklärt zur Rechten des Vaters der Geist ist, welcher lebendig macht. Bei der Gemeine geht alles geistesmäßig. Sie wird geistesmäßig und kreuzesmäßig und verklärungsmäßig herausgebildet auf ihren Tag. Die Gemeine hat direkt mit den großen Nationengeschehnissen nichts zu tun. Die Gemeine der Gläubigen ist die Herausgenommene. Das Judenvolk ist und bleibt das Hineingetane, obwohl es zum erstgeborenen Sohn unter den Nationen erwählt ist. Das jüdische Volk hängt ab von der Nationengeschichte, und hängt drin in der Nationengeschichte. Dass unsere großen Kirchen auch mit hinein verflochten sind in den Geschichtsverlauf, hängt von ihrem Abweichen vom Gemeineweg ab. Wenn die Kirche selbst schon sich aufs r o t e Pferd gesetzt hat, so ist das eine durch und durch falschhprophetische Gestalt.

Der Heiland der Gemeine sitzt auf keinem Pferd, und die Gemeine selbst noch weniger. Die Gemeineglieder gehen als die Gehassten den frei übernommenen Kreuzesweg, und erringen in Christo innere Glaubenssiege und einst auch leibliche Verklärungs-Siege. So sehen wir gleich im ersten Nachtgesicht und gleich beim ersten Wort: „M a n n auf dem roten Pferd,“ den tiefen Unterschied zwischen Gemeine und jüdischem Volk. Das jüdische Volk ist in alle Nationen hineingetan, und verlangt seine zentrale Gott-Welt-Stellung nach der Niederwerfung aller Nationen. - Hier gibt’s schwere Kämpfe, hier müssen Rosse und Wagen in Meere gestürzt werden - hier sitzt der Heiland, so lange die Kämpfe währen, auf rotem Pferd; wenn sie vollendet sind, auf weißem Pferd. Bei der Gemeine geht alles aus Geist und in Geist. Großer Unterschied! Selig, wer ihn fasst! Ja, wer jetzt in der Gemeine-Zeit unter den Nationen will Einfluss gewinnen, der muss sich auf den Gaul setzen, der muss Macht und Gewalt haben und brauchen. Die Gemeine schreitet wie ihr Herr, als die V e r g e w a l t i g t e zum Geistessieg.

Die anderen Pferde

So werden wir mit dem Manne, mit dem Sohne Gottes auf dem roten Pferd, und mit den Engeln um Ihn herum auf den roten, brauen und weißen Pferden sofort an die Königreichslinie und ihren Kampfesgang hineinversetzt.

Der Reiter auf dem roten Pferd hält in einem tiefen Tale. Der Erlösungs-und Befreiungsweg der Menschheit führt den Sohn Gottes tief herab. Sein Weg ist ein Entäußerungs- und Erniedrigungs-Weg bis zum errungenen Sieg hin. Wenn Er seine Werkzeuge sich herrichten will, muss Er tief herabsteigen. Sie stehen und gehen alle im Schattental des Todes, die Er retten und herrlich machen und brauchen will. Wie tief muss Er herab bei der Erwählung der Gemeine. Zu den Vornehmsten unter den Sündern muss Er sich neigen. In ihren Todesleib hinein muss Er den Heiligen Geist geben und selbst drin Wohnung machen. Durch Fehler, Sünden und Schwächen muss Er mit seinen Gläubigen gehen und so Sein Werk in ihnen hinausführen. Durch Verachtung, Niedrigkeit und Elend muss Er mit ihnen laufen und daraus sie erhöhen.

So muss der Sohn Gottes auch mit Seinem jüdischen Volke tief herab. Es ist die verachteste, die verfolgteste, die äußerlich niedrigste unter den Nationen. Es steht im Schattental unter den Völkern. Und durch seinen Ungehorsam hat es sich vollends hinaus- und herabgestoßen. Ohne Heimamt, ohne Tempel, ohne Ruhe muss es laufen unter den Nationen. Und wenn Sacharja in seinem Nachtgesicht den Sohn Gottes im Schattental auf rotem Rosse sieht, so soll das heißen: Dein Schattenweg, Volk der Wahl, hört noch nicht auf. Es geht jetzt, wo du Jerusalem wieder baust, in kümmerlicher Zeit - es geht nicht in die Höhe. Es bleibt dir noch lange der Tiefenweg.

Bei der Myrte in der Tiefe

Es ist ja dort in der Tiefe, wo der Herr steht - ein Myrtenstrauch. Dieser Myrtenstrauch ist das j ü d i s c h e V o l k. Es ist ja die Myrte der Brautstrauch. Sie deutet auf die Dirne, die sich der Herr erwählt hat. Sie deutet auf die Braut, auf das Weib - sie deutet auf Verlobung und Hochzeit. - Das ganze innige Erwählungsverhältnis des Herrn gegenüber dem jüdischen Volke kommt in der Myrte zum Ausdruck. Und das Weibliche tritt wieder hervor, weil die Myrte , sie ist ein niedriger Strauch. Und die Myrte, sie wächst im tiefen, feuchten Tal. Den kleinsten unter den Samen hat Gott sich erwählt. Zu einer nierdrigen Pflanze hat Er sich getan. Aber ihre Zweige schmücken den Sieger in schneeweißer Blütenpracht. Der Herr bringt’s mit dem jüdischen Volk noch zum Siege. - Und die Myrte ist, so tief sie steht, i m m e r g r ü n. Das jüdische Volk hat tiefe Wurzeln in quelligem Grund. Es ist das Volk der Wahl. Nichts kann es ertöten. In den tiefsten Tiefen bleibt es frisch. Die Existenz des jüdischen Volkes bis heute, sein immer noch Grünsein, ist das größte Wunder der Welt. Wir erleben es in unseren Tagen, wie es nach Jahrhunderten unerhörter Bedrücktheit frisch und grün unter den Nationen ersteht. Und wenn auch immer noch verachtet - in der Tiefe ist es Myrte.

Es ist Braut, es ist gotterwählt, es steht an Wasserbächen, es ist die Sieges-Pflanze. Und zu dieser Myrte im Schattental stellt sich der Herr auf rotem Pferd mit den Engeln Seiner Macht hoch zu Pferde. Und die Farben der Pferde gehen von tiefrot bis scheckig und zu weiß. Der Herr bleibt Seinem Volke treu und führt es zum Sieg. Die Stellung des Herrn zur Myrte im Schattental sagt uns ohne Bild: „Meine Gaben und Berufung gereuen Mich nicht“. (an des Fluch-Äons) Ende.“ Fürwahr, das jüdsche Volk ist, was äußere Macht angeht, heute noch das elendste unter den Völkern, und dennoch ist es das vorderste, ist überall herrschend. Das sagt Sacharja im ersten Nachtgesicht; das sagt der Mann auf dem roten Pferd im Schattental bei der Myrte.

Die Völkerwarte

Und da im tiefen Tal beim Myrtenbusch, da ist die V ö l k e r w a r t e, da laufen die Fäden der ganzen Völkerwelt zusammen. Von da gehen die Engel auf ihren Pferden durch die ganze Welt und erkunden den Stand der Nationen. Dahin kehren sie zurück und bringen Botschaft. Und da im tiefen Tale bei Myrtenbusch, da redet der eingeborene Sohn mit dem Vater über die Weiterführung des Rates Gottes (Sach 1:10-12). Das jüdische Volk ist die Zentrale der Menschheit. Bei ihm laufen alle Fäden zusammen und von ihm gehen alle Fäden aus. Für die Nationen wird das jüdische Volk zugerichtet - und die Nationen werden reif gemacht in Gerichten für den Segen von Zion. Es ist ergreifend, zu sehen wie im Schattental bei der Myrte das Urteil über die Nationen gefällt wird. Die Nationen laufen zum Judenvolk, zum verklärten Israel hinan und der verklärte Israel zu ihnen. Das Zentralvolk der Welt ist Israel; die Zentralstadt der Welt ist Jerusalem. Das sagt Sacharjas' erstes Nachtgesicht. Höre es Israel! Höret es, ihr Nationen! Wie blind läuft das Judenvolk, wie blind rennen die Nationen! Und hier ist Licht in der Nacht!

Die Gemeine ist etwas ganz anderes. Die Gemeine der Gläubigen aus Heiden und Juden zusammengezogen ist der Leib Christi. Sie hat nach ihrer Vollendung die Fülle Christi in sich. Von ihr geht der Erlösungs- und Herrlichkeits-Segen in alle Kreatur. Durch sie wird in Christo auch Israel erneuert und ergreift, von Christus durch die Gemeine ertüchtigt, seinen Beruf. Die Gemeine ist innere Gottzentrale; der Israel Gottes ist die äußere Gottzentrale, von der inneren gefüllt.

Israel und die Nationen

Ganz deutlich zeugt hier unser erstes Nachtgesicht vom göttlichen Plan. Die Nationen hängen an Israel. Israels Zeit des Niedrig-Seins ist der Nationen Zeit der Ich-Hoheit. Israels Zeit der Erhöhung ist der Nationen Zeit der Niederwerfung in ihrer Ich-Hoheit und ihre Heimsuchung für den Herrn. Unser Prophet, als er das Gesicht sieht, ist verwirrt. Der Herr, die Myrte, das Tal, die vielen Reiter, das verwirrt ihn. Er fragt nach der Bedeutung der Reiter - eine geheimnisvolle Macht hält ihn offenbar zurück, nach dem E i n e n und nach der Myrte zu fragen. Er erhält aber Gesamtaufschluss im ganzen Verlauf des Gesichtes. Ein dem schauenden Propheten sonderlich beigegebener Aufschlussengel hat die Mittlerrolle. Der Sohn Gottes macht sich selber auf, dem Propheten Antwort zu geben: „Dieses sind es, welche der Herr ausgesandt hat, alle Lande zu durchziehen.“ Also von der Myrte aus, von Israel aus werden die Völker betrachtet. Und die Reiter sagen zum Engel des Herrn, zum Sohn, so dass der Prophet es hört: „Wir haben die Erde umzogen und siehe alle Länder sitzen still.“ Den Nationen geht es gut. Sie bauen ihre Kulturreiche und weiden sich an ihren Gütern. Das Volk Gottes im Schattental, die Nationen auf Kulturhöhen. Das ist’s was wir sagten: Solange die Juden ihren Niedrigkeits- und Fluchweg gehen müssen - bauen die Nationen ihre Kulturen und Reiche. Wenn aber einst das zerbrochene, jüdische Volk aufgerichtet wird, zerbricht alle Nationen-Herrlichkeit - und dann kann Christus herrschen.

Inzwischen tritt der Sohn für Sein armes, erniedrigtes Volk ein. Es ist die ergreifendste Stelle in diesem ersten Nachtgesicht, die hohepriesterliche Bitte des Sohnes Gottes an den Vater zu hören. Der Herr schreit zum Vater: „Herr Zebaoth, wie lange willst Du Dich nicht erbarmen über Jerusalem und über die Städte Judas, über welche Du zornig bist gewesen diese siebzig Jahre?“ Auf Grund der damaligen Zeitlage betet der Herr. Wir merken aber an den, in den folgenden Versen unseres Gesichtes kommenden Verheißungen, dass der Herr im Geiste viel weiter hinausgeschaut hat. Noch immer liegt ja Jerusalem, und liegen die Städte Judas wüst. Noch immer gilt die priesterliche Frage des Herrn.

Wie lange willst du nicht? Wie lange kannst du nicht - weil Buße fehlt? Von Jerusalems Erneuerung hängt der Nationen Heil ab. Das wollen wir Nationenleute uns wohl merken. Hier muss sich die Hoffnung für die Kulturreiche orientieren. Jede andere Orientierung ist falsch.

Der Herr und das jüdische Volk

Und für das jüdische, das erwählte Volk, tritt der Herr, als ewiger Hohepriester selber ein, gerade wenn das Volk durch die tiefsten Gerichtstiefen geht. Wir sehen aus dem priesterlichen Eintreten des Herrn: an Zion hängt Sein Herz. Mit Zions Aufrichtung ist zu viel verbunden. Erst nach Zions Aufrichtung kann in großzügigster Ausdehnung die Rettung sich entfalten. Zwar ist die jetzt gebaute Gemeine mehr, tiefer, herrlicher, denn alles anderes im Rate Gottes. Aber sie bleibt eben auf eine Auswahl beschränkt. Nach der Gewinnung des erwählten Israel aber beginnt die große Rettungsentscheidung für alle Welt Darum sehnt sich der Herr nach dieser Stunde. - Das: „Wie lange willst Du Dich nicht erbarmen?“ klingt dem Vater noch im Herzen, ja noch mehr, wenn es jetzt der durch Kreuz und Tod gegangene noch vertieft.

Da, als der Herr diese priesterlich für Israel eintretenden Worte gesprochen hat, gibt Er dem Propheten durch Seinen Auslegungsengel „köstliche und freundliche Worte“. Die Gnade ist von Israel, trotz allen Gerichtsfluches, nicht abgewendet. Die Gnade ist unabänderlich, auch wenn sie durch tiefe Gerichte geht. Über Israel steht der Erwählungsstern. Und Gott ist treu, Er ändert sich nicht! -

Gott brennt das Herz wenn Er Israel leiden sieht. Es entbrennt Ihm in heiligen Liebeseifer, wenn Er Sein Volk leiden sieht. Und dieser Liebeseifer für Sein Volk wird zum Zorneseifer an den stolzen Nationen. Die Nationengeschichte endet mit Gericht, endet mit Zerfall. Aus der Tiefe der endlichen Nationengerschichte kommt dann das Heilsverlangen. Die ganze Menschheitsgeschichte ist negativ, sie endet mit M i n u s. Sie geht aus in Verderben. Das ist ihr Weg, seit sie läuft.

Der Herr hat Sein Volk den Nationen dahingegeben, damit es unter ihnen geläutet werde. Er war mit Maßen zornig. Sein Zorn war und ist l i e b e - b e d i n g t. Die Nationen aber haben ü b e r die Maßen die Juden geplagt. Es ist wahrhaftig wahr, was der Herr durch den Propheten Jesajas sagt: „Du hast zwiefältiges empfangen für alle deine Missetat.“ Das fällt als Fluch auf die Nationen zurück. Der Antisemitismus ist der Gerichtsträger für die Nationen. Das gilt vom Turm zu Babel und von Ägypten an bis ans Ende der Tage. Das sagt uns auch unser Sacharja (Sach 1:15). Das große, vor dem tausendjährigen Reich kommenden Nationengericht, von welchem auch die Offenbarung (Offb 19) sagt, ist verbunden mit der Rettung des gläubigen Israel.

Darum kommt jetzt in unserem Nachtgesicht (Sach 1:16) das gewaltige, umwendende: „Darum, so spricht der Herr.“ Und in gewaltigem zwiefältigem Anlauf (Sach 1:16.17) wird der Wiederaufbau Jerusalems und die Wiederherstellung des ganzen Landes - die Tröstung und Wiedererwähung Israels - verheißen. Doppelt läuft die Verheißung. Zur Zeit des Propheten fing ein Aufbau an - aber ein gewaltigerer, größerer, bleibenderer steht noch bevor. Was unsere Verse 16 und 17 sagen, ist noch nicht erfüllt. So wenig, wie die Nationen schon bis zur Buße zerbrochen sind, so wenig das jüdische Volk den ganzen Zorn der Nationenwelt schon getragen hat, so wenig ist Zion und Kanaan so herrlich gebaut, wie es verheißen ist. Das steht alles noch aus, aber es steht vor der Tür. Es läuft mächtig in unseren Tagen. Wir als Glieder der Gemeine verfolgen mit tiefstem Lebens- und Liebesinteresse dieses prophetische Wort und seinen Lauf. Vor seiner Erfüllung kommt unsere Fülle. Und seine Erfüllung dürfen wir mit heraufführen. Herr, wir warten Dein!

Lies weiter:
Die Nachtgesichte des Propheten Sacharja - 3. Teil