Nachtgesichte des Propheten Sacharja

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Abschrift einzelner Themen aus: Die Gemeine
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Auszüge aus dem Monatsblatt für biblische Vertiefung (1925-26)
Selbstverlag des Bibelheims „Bethanien", Langensteinbach

Zum gleichen Thema siehe auch hier:
Sacharjas Nachtgesichte
aus einem Bibelkursus in Langensteinbach von 21.-31. Januar 1924

weitere Abschriften hier:
Inhaltsverzeichnis:

Die Nachtgesichte des Propheten Sacharja - 1. Teil

Sacharja 1-7

Der Prophet Sacharja

Der Prophet Sacharja ist einer der wichtigsten Propheten. Er ist unter den kleinen Propheten der größte nach Umfang und Inhalt. Der Prophet Sacharja ist auch für unsere Tage ein durch und durch zeitgemäßer, man könnte fast sagen ein Gegenwartsprophet. Er hat viel Ähnliches mit dem größten aller Propheten, mit dem Propheten Daniel. Er hat mit seinen Gesichten viel Ähnliches mit der Offenbarung des Johannes. Er ist der gewaltigste Zeuge der gegenwärtigen Nacht, die über dem Judentum liegt, aber auch der Herrlichkeit danach. Der Prophet Sacharja kann in den Rat Gottes einführen, wie kaum ein anderer. An ihm und in ihm sehen wir, was dem jüdischen Volk verheißen ist und sich noch in keiner Weise erfüllt hat. An ihm und in ihm sehen wir aber auch, warum es sich noch nicht erfüllt hat, und wie die Erfüllung über eine lange Nacht- und Gerichtszeit sich hinauszieht.

Die Messiaserwartung im AT

Sacharja versetzt uns in eine der gewaltigsten Äonen-Wenden. Sein Leben und Wirken fällt, mit runder Zahl ausgedrückt etwa um 500 von Christi Geburt. Das ist die Zeit der Aufhebung der babylonischen Gefangenschaft. Diese Zeit in der Geschichte des jüdischen Volkes ist eine rechte messianische Zeit. Wir müssen ja stets festhalten, dass der gläubige Teil des Verheißungsvolkes seine großen Zeiten und Zeitenwenden stets als messianische Zeiten erlebt hat. So hofft schon ein Abraham, dass in Isaak die verheißene Zeit käme - und opferte ihn im Glauben an seine Auferweckung (Hebr 11). Der Gestorbene und Erstandene sollte der verheißene Weibessame und Segenssame sein. So hofft gewiss ein Jakob, dass Joseph der verheißene Same sei, den er schon in den Träumen der Jugend legitimiert sah. So hoffte die Mutter Mosis und Moses selbst auf die Heilszeit - und beide erwarteten sie in Moses. Hanna, die auf ihrer Stufe geistgewaltige Frau, sah gewiss in ihrer Unfruchtbarkeit, und dann in der Gabe des erflehten Sohnes das Heraufkommen des Reichs des Herrn. Und ein Elias glaubte auch seinen Anbruch vor der Tür. Darum brach ihm auch alles zusammen, als er die Unbußfertigkeit des Volkes sah. Als David, lange vor Elias, dem Herrn ein Haus bauen wollte, nachdem er Frieden hatte vor seinen Feinden, dachte er sicher auch ans Herrlichkeitsreich - und in Salomo leuchtet es in einem kurzen, äußeren Vorgeschmack auf.

So war die Aufhebung der babylonischen Gefangenschaft für alle Gläubigen in Israel eine Epoche der größten Erwartungen. Israel hatte Babylon zusammenstürzen sehen. Und an der Verachtung Jahwe-Jehovas war dies gewaltige Reich zerbrochen. Als Belsazar dem Offenbarungs-Gott Jehova Hohn sprach im gräulichen Missbrauch der heiligen Tempelgefäße, da hatte die Stunde für die Weltmonarchie geschlagen. Zwar kam eine zweite Weltmacht auf, stärker als die erste. Das medisch-persische Reich erhob sich. Aber der Herr wendete den Sinn seiner größten Herrscher, des Cyrus und Darius, dem Volke Gottes freundlich zu. Da stiegen die Hoffnungen der Gläubigen in Israel. Ein Buß- und Glaubensgebet, wie Dan 9, ist ein richtiges messianisches Gebet.

Noch nicht!

Aber wie in allen vorausgehenden Epochen, kam auch in dieser das schwere und harte - „Noch nicht!“ Das Volk war noch nicht reif. Die babylonische Gefangenschaft hatte nicht den grundmäßigen inneren Sinneszerbruch und das grundmäßige Sehnen nach dem Heil gebracht. Darum hieß es - noch nicht!

Ein Teil des jüdischen Volkes hatte sich ganz eingelebt im Heidentum. Es hatte „Fleischtöpfe“ gefunden, die waren ihm lieb und wert. Dieser Teil dachte nicht im entferntesten an eine Heimkehr. Ein zweiter Teil war ebenfalls fest gebaut im fremden Lande. Zwar hatte er sich einen Zionssinn bewahrt, aber er begnügte sich, den Aufbau der heiligen Stadt und des Tempels mit Gaben zu fördern, die er aus seinem Reichtum gab. Wir lesen das Sach 6:9ff.

Ein kleiner Teil nur kehrte zurück. Aber auch unter den Zurückgekehrten sah es traurig aus. Der hoffnungsfreudigste Teil wurde bald schwer enttäuscht. Die auftauchenden Schwierigkeiten beim Bauen der Stadt und des Gotteshauses bedrückten ihn; das Elend und Niedrigkeit der Verhältnisse, auch nach der Erlaubnis zum Bau, raubten alle Freudigkeit. Das war ein gar verzagtes Häuflein.

Entwicklung der Ich-Entfaltung

Das Schlimmste aber war ein ganz anderes. Unter den Heimgekehrten war zwar durch die Strafe der babylonischen Gefangenschaft die Lust zum Götzendienst gebrochen, aber eine schwerere und tiefere Sünde wuchs auf, das w a r die S e l b s t g e r e c h t i g k e i t. Sie hielten sich an Gottes Wort und Gebot. Sie brachten Opfer, indem sie die in der Gefangenschaft zum Teil angenehm gewordenen Verhältnisse verließen und ins arme, elende Verheißungsland zurückkehrten, nun erwarteten sie als solch frommen und braven Leute auch die Heilszeit. Die zweite Epoche des natürlich-jüdischen Volkes brach an - die Epoche der Selbstgerechtigkeit. Die erste Epoche ist die des Götzendienstes. Da war das Ich-Wesen noch nicht so ausgebildet. Da gingen sie wenigstens noch u n t e r Götter, wenn auch unter heidnische, welche dem Fleische mehr Raum gaben, aber immerhin doch u n t e r Götter. Die Epoche der Selbstgerechtigkeit sah zwar heiliger aus, war aber schlimmer. In der Selbstgerechtigkeit stellt sich der Mensch nicht u n t e r Gott, sondern n e b e n Gott. Er stellt sich auch noch u n t e r, nämlich u n t e r s Gesetz - aber im Tun dieses Gesetzes, wie er meint, stellt er sich n e b e n Gott mit einem Rechtsanspruch. Diese Selbstgerechtigkeit wucherte auf unter den Heimgekehrten - damit war der letzte Teil des Volkes untüchtig gemacht zum Empfang von Gnade. Auf Gnade aber sollte sich das Heilsreich gründen. So wurde auch die Epoche der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft zu einem: „Noch nicht“ für das Heilsreich Gottes. Ja, es war klar, schwereren Gerichten musste das Volk entgegengehn, je schwerer die Sünde Selbstgerechtigkeit vor dem Götzendienst war.

Es lag ja diese Ich-Entfaltung im göttlichen Plan. Das erwählte Volk u n t e r das G e s e t z getan, sollte eben unter dem Gesetze zur Volloffenbarung der Sünde gebracht werden. Die erste Stufe dieser Sündenoffenbarung war das Ausweichen vor Gott und Seinem Gesetz, weg zu weniger strengen Religionen. Das war die Epoche des Götzendienstes. Die babylonische Gefangenschaft wirkte hier heilend. Aber nun wuchs in dem zu Gesetz zurückgekehrten Volk die zweite Sündenstufe heraus - die Stufe der Selbstgerechtigkeit. Diese vollendete sich zur Zeit der Erscheinung des Herrn im Fleisch und führte zur Ablehnung des Gekreuzigten und Erstanden, und damit in die zweitausendjährige Zerstreuung. Es ist nun ein großer Irrtum, wenn man damit die Sündenentwicklung des jüdischen Volkes für abgeschlossen hält. Im Gegenteil. Jetzt beginnt erst die dritte Stufe der Sündenentfaltung - die des absoluten Ich-Wesens, welche Gesetz und Prophetie verwirft und in sich selbst, und aus sich selbst das Heil schaffen will.

Die Rückkehr des jüdischen Volkes

Wir müssen das der Vollständigkeit halber hier kurz erwähnen, um dann wieder zu unserem Propheten zurückzukehren. Es gibt außer der Rückkehr des Volkes nach der babylonischen Gefangenschaft noch einmal eine Rückkehr, die sich unter ähnlichen Umständen wie jene vollzieht, und doch unter weiter ausgewachsenem Ich-Wesen. In dieser Epoche stehen wir in unsern Tagen. Ja, wir leben in einer Äonen-Wende, noch größer, noch gewaltiger, noch entscheidender, als die bei der Heimkehr aus Babylon war. Das jüdische Volk will wieder zurückkehren. Das heilige Land ist für Millionen Juden unserer Tage die S e h n s u c h t. Wieder sind es Weltmächte, wie damals, welche ihm seine Rückkehr garantieren. Waren es in der babylonischen Zeit die persisch-medischen Könige, so sind es jetzt die Weltmächte, hauptsächlich England. Ging nun in der babylonischen Epoche das Volk als ein gesetzliches heim, so geht es jetzt als ein von Gesetz und Prophetie gänzlich losgelöstes heim, als vollkommenes Ich-Volk. Kein Offenbarungsvolk will es sein, sondern eine Vollnation unter den Weltnationen - die erste unter ihnen. Mit eigenem Geld kauft es das Land, nach eigenen philosophischen Grundsätzen richtet es sich ein, zum guten Teil nach sozialistischen und kommunistischen Maßstäben. Sein hohes Ich macht alles selbst. Es ist sich s e l b s t Gesetz und Prophetie. Das ist das Antichristentum, welches keinen verheißenen Messias mehr braucht, welches sich selbst Messias ist. Das ist die dritte und letzte Epoche, auf welcher der Herr mit Seinem Kommen und mit Seinen Heiligen, und mit Seinem persönlichen Gericht antworten wird. Dann wird der Umschwung zu Seinem Messiasreich kommen.

Das ist schon eine große Bedeutung der Epoche des Sacharja, dass wir dort am Anfang des gesteigerten Ich-Wesens der Selbstgerechtigkeit stehen, und jetzt stehen wir am Anfang der letzten Epoche, des vollendeten Ich-Wesens. Auch heute haben wir wie damals die Juden, die unter den Nationen behaglich festsitzen, und von allem nichts wollen. Auch heute haben wir, wie damals, Juden, welche ebenfalls sitzenbleiben wollen, aber Geld geben. Endlich haben wir im Ich-Wesen heimkehrende - und, wie immer, eine kleine Schar von totbetrübten Gläubigen. Die waren zu Sacharjas Zeiten und sind heute.

Haggai, Sacharja, Maleachi

Unter dieses Volk, wie es also zur Zeit der Rückkehr aus Babylon war, schickte nun der Herr seine Propheten. Ein heiliges Dreigestirn sandte Er: Haggai, Sacharja, Maleachi. Ein jeglicher hatte seine besondere Aufgabe. Haggai ist ein machtvoller Tröster und Anreger. Er ermuntert die Verzagten und Betrübten. Er redet von dem letzten Haus, dessen Herrlichkeit größer wird, als des ersten. Er lässt die ganze Schönheit des messianischen Reiches aufleuchten. Und er hat das heimgekehrte Volk zu neuem Wirken entflammt. Auch Sacharja ist ein großer Tröster. Auch er stellte die gewisse Hinausführung des Rates Gottes mit dem erwählten jüdischen Volk in herrlicher Klarheit hinein. Er sieht die mangelnde Buße. Gleich sein Eingang zeugt davon. Darum sieht er auch die Hinausschiebung des Rates Gottes durch eine schwere Gerichtszeit hindurch. Sacharja hat unter den Propheten den Namen: „der Dunkle“. Er beginnt auch gleich in der Nacht und sieht Nachtgesichte. Acht Gesichte schaut er in einer Nacht. Fürwahr er ist der Dunkle. Er hat den schweren Auftrag, die dunkle Zeit des Gerichtes und der Hinausschiebung der Herrlichkeit zu offenbaren.

Und weil er das Gericht sieht, wird ihm auch die Versöhnung und Erlösung durchs Kreuz hindurch so klar. Er ist ein rechter Kreuzes-Prophet. Er sieht bis in die Einzelheiten des Kreuzes Christi hinein, wie kaum ein anderer Prophet. Und nach dem Kreuz, da offenbart er dann die Rettung und die Herrlichkeit. Dieser dunkle Gerichtsweg und dieser schwere Kreuzesweg war dem Volk seiner Zeitgenossen natürlich dunkel, und er ist es jetzt dem Volk nach bald 2000 Jahren noch. Einer der größten, jüdischen Schriftausleger sagt: „Wir erstehen Sacharja nicht, bis gekommen sein wird der Lehrer der Gerechtigkeit.“ Das ist wahr; wenn Er wird erschienen sein, dann wird sich über die ganze Gerichtszeit und über das Kreuz Christi das rechte Licht breiten. -

Auch in der christlichen Theologie steht Sacharja als ein Dunkler. Die christliche Theologie hat in ihrer überwiegenden Mehrheit den Blick in den Rat Gottes mit dem erwählten jüdischen Volk verloren. Und damit hat sie auch den Blick in das Herrlichkeitsreich von Zion verloren. Dann muss Sacharja dunkel bleiben. Erst wenn wir im Rate Gottes, sonderlich mit Israel stehen: Gericht und Kreuz - aber dies Dunkel ward hell in dem Licht des Gnadenrates Gottes. So ist Sacharja, so stark er tröstet, Gerichts- und Kreuz-Prediger und damit ein dunkler Prediger für unerleuchtete Sinne. Uns aber ist die prophetische Verkündigung dieses Dunkels der Gerichts-Jahrhunderte und des rettenden Kreuzes von allergrößter Bedeutung. Sie bringt uns wunderbares Licht. Auf dem Grunde dieser Verkündigung erstrahlt wieder in großer Klarheit die Stellung und Bedeutung der Gemeine.

Prophetisch-geschichtliche Sicht

Die prophetischen Worte und die Gesichte Sacharjas dürfen nicht nur in geistlicher Weise und in geistlichen Zügen für die Gemeine ausgelegt werden, dabei bleibt die Hauptsache unausgelegt. Sie müssen prophetisch und geschichtlich gefasst werden, dann öffnet sich ihr Grund und dann kriegen wir das hellste Licht auch über den Gang des Rates Gottes in unseren Tagen. -

Der Dritte im Dreigestirn, Maleachi, ist der jüngste der drei, der letzte und späteste. Zu seiner Zeit ist die Selbstgerechtigkeit schon viel stärker entwickelt, darum sieht er auch in großer Klarheit das Gericht, welches zur Heraufführung des Königreichs noch kommen muss. Maleachi ist ein voller und ganzer Gerichtsprediger. Er ist dies natürlich nicht ohne Ausblick in die triumphierende Gnade. Mit seiner klaren Schilderung Johannes des Täufers und des kommenden Herrn, schlägt er als der letzte des Alten Bundes mit starker Faust an die Pforten des Neuen Testaments.

Unser Sacharja aber ist der Herzprophet der drei. Ihm vertraut der Herr den ganzen Gang Seines Rates an. Er hat darum auch für uns, die Glieder der Gemeine, die allergrößte Bedeutung. Sacharja ist aus priesterlichem Geschlecht. Sein Vater hieß Berechja, sein Großvater Iddo. Dieser, sein Großvater, wird in Neh 12:4 unter den heimkehrenden Priestern genannt. Dass Sacharja in Esr 5:1 und Esr 6:14 der Sohn Iddos genannt wird, hat nichts Auffallendes. Offenbar ist Sacharja im Priesterdienst der Nachfolger seines Großvaters geworden, und Berechja, der Vater, scheint aus irgendeinem Grund gar nicht in den Priesterdienst eingetreten zu sein. Dann aber wird das Wort „Sohn“ im Alten Testament oft auch im weiteren Sinn wie Enkel angewandt. Wunderbar für Sacharjas Beruf sind die Namen der drei Männer. Iddo heißt: „Zu seiner Zeit“ - Berechja heißt: „Der Herr wird segnen“ - und Sacharja heißt: „Der Herr denkt daran“.

Also der Herr denkt gewiss daran, Seine Segensverheißung zu halten - aber zu S e i n e r Zeit. Das war ja, kurz zusammengefasst, Sacharjas Propheten-Auftrag. Aus Sach 2:8 ersehen wir, dass der Prophet bei seiner Berufung noch jung war. Warum der Herr zu solch schwerem, Jahrtausende umspannenden Auftrag gerade den jungen Priester nahm, werden wir anders nicht verstehen, als wenn wir sagen: „Also ist es wohlgefällig gewesen vor I h m.“ Dass er besondere innere und äußere Gaben gehabt hat, leuchtet ein bei der Art, wie Gott beruft. Er beruft schon im Mutterleib, das heißt, er gibt denen, welche Er zu besonderen Aufgaben heranziehen will, schon schöpfungsmäßig die nötigen Gaben. Sacharja trägt in diesem Sinn die Merkmale der Auserwählten. -

Die Nachtgesichte

Das Geheimnis des Rates Gottes vertraute der Herr dem Propheten zunächst in Gesichten an. Acht Gesichte hat der Prophet in e i n e r Nacht. Dass er sie in der Nacht bekommt, liegt ebenso im Wesen der Gesichte, wie im Wesen dessen, was er geoffenbart bekommt. Ein Gesicht ist eine Offenbarungs-Art Gottes, bei welcher der Mensch nach außen abgeschlossen, und nach innen und oben geöffnet ist, darum eben geschehen Gesichte meist in der Nacht, weil da der Mensch im Schlaf nach außen zugeschlossen ist. Wenn Petrus nach Apg 10 ein Gesicht am Tage empfängt, so ist es Mittags 12 Uhr, also zur Zeit der größten Hitze. Dazu hatte er Hunger und wartete auf das Essen. Da können wir uns den Abschluss nach außen wohl vorstellen - er fiel in eine Art Schlummerzustand. In solchem Zustand kann der Herr durch besondere Geisteserweckung bei geistlichen Menschen den inneren Sinn in außerordentlicher Weise in Tätigkeit versetzen. Die ins Himmlische Entrückten und fürs Himmlische Fähiggemachten sehen dann Bilder. Es ziehen Ereignisse und Geschehnisse lebendig und eindrücklich gestaltet an ihnen vorüber. Das Geschaute erleben sie lebhaft mit. Oft verstehen sie nicht, was sie sehen. Das erweckt sie dann noch mehr. Sie fragen und erhalten Aufschlüsse meist von Engeln, von den Dienern der unsichtbaren Welt. - Ein solches Gesicht hat immer etwas Dunkles. Er geht ja in dem, was es offenbart, weit über das direkte Verständnis dessen hinaus, der es empfängt. Gesichte gehören zu den niedrigeren Offenbarungsformen. Das Fleisch, die Natur ist mit darin verwoben. Wo der Heilige Geist in gläubigen Herzen in die Wahrheit leitet, das ist viel mehr. Die Leitung des Geistes geschieht hell am Tage bei klaren Sinnen. Gesichte sind Gotteseindrücke bei äußerer Ausschaltunng. Darum also in der Nacht.

Aber in der Nacht auch deswegen, weil ihr Inhalt viel Nacht enthielt. Gerichte über das jüdische Volk; eine lange, lange Nachtzeit des erwählten Volkes. Aber Nacht auch über die Nationen und ihre Reiche. Und all das Schwere, das aber immer wieder zum Licht durchbricht, sieht der Prophet in e i n e r Nacht. Es ist ein fortlaufender Geschichtsgang. Es ist ein Verlauf zusammenhängender Ereignisse. Und es wird e i n e Nacht sein. Es werden keine Lichtblicke dazwischen sein. Erst am Ende dieser Nacht bricht das Heil an.

Kein Heil ohne Buße

Dieses Anbrechen des Heils zeigt die Zahl „8“. Acht ist 7 und 1. Da fängt mit der Eins ein neuer Tag an. Es geht durch ein ganzen Siebent hindurch. Es geht durch eine schwere, unruhige Sechs. Es geht dann hinaus auf eine Sabbat-Sieben, auf die längst verheißene Sabbat-Sieben. Und dann geht es in eine neue Eins auf der neuen Erde. Die Unruhe = Sechs: das ist die Gerichtszeit. Sie endet mit einer zehnfach und hundertfach gesteigerten Sechs: mit 666. Dann kommt die Sieben des Königreichs; dann die Eins der neuen Erde. All das umfasst die Weissagung des Propheten Sacharja - darum sieht er acht Nachtgesichte im ersten Teil seines prophetischen Buches (Sach 1-6) und sieht das Ganze, was er da gesehen, in Sach 7-14 noch einmal, aber in einzelnen Teilen genauer und weiter ausgeführt. Der zweite Teil des Propheten ist der ohne Gesicht ausgeführte erste Teil, aber nur in einzelnen Stücken erweitert.

Gehen wir nun auf die acht Nachtgesichte zuerst im großen und ganzen in einer allgemeinen Übersicht ein, so finden wir, dass der Prophet im Geiste denselben eine Einleitung gibt. Diese Einleitung geht Sach 1:1-7. Es ist eine B u ß e i n l e i t u n g. Das ist der göttliche Grundgedanke in Seiner Führung mit Israel und in Seiner Führung der Heiden. Zur Buße will Gott führen. Die Buße, der Selbstzerbruch ist die Voraussetzung aller göttlichen Heilswege. Der ganze Geschichtsverlauf der Nationen und der Juden ist ein Bußerziehungsverlauf. Die ersten Verse des Propheten Sacharja zeigen nun deutlich an, dass diese Buße auch bei der Rückkehr aus der jüdischen Gefangenschaft im Volke nicht vorhanden war. Darum geht auch der gerichtliche, bußerzieherische Verlauf weiter, darum muss der Prophet die Nachtgesichte sehen. -

Inhalt der Gesichte

Auf die Bußeinleitung kommen die Nachtgesichte (Sach 1:7 bis Sach 6:15).

Das erste Gesicht: (Sach 1:7-17) führt uns den Reiter unter den Myrthen vor Augen inmitten von vielen Reitern. Das Gesicht zeigt an, dass der Herr über die ganze Zeit, da die Heiden stolz und hoch sind, und wo das Eigentumsvolk im Elend geht, bei Seinem Volke ist und bleibt. Das erste Gesicht will sagen: Der Herr hält Seinem Volke auch über die Gerichtszeiten die Treue. Seine gaben und Berufung werden Ihn nicht gereuen. Mit dem ersten Gesicht spricht der Herr prophetisch-bildlisch zu Seinem Volk, was Er nach erfolgter Versöhnung und Erlösung klar und deutlich - Mt 28 ausspricht: „Siehe, Ich bin bei euch alle tage, bis an des Gottzeitalters Ende“ - d. h. bis an Ende des Äons der Gemeine, welcher für das jüdische Volk der Gerichtsäon ist. -

Das zweite Gesicht: (Sach 1:1-4) ist das Gesicht von den vier Hörnern und den vier Schmieden. Die großen, stolzen Heidenreiche oder Nationen-Reiche werden sicher zertrümmert werden und werden dann nach ihrer Zertrümmerung eine offene Bahn für Israels Heilsauftrag bilden.

Das dritte Gesicht: (Sach 2:5-9) bringt zu dem Negativen der Zertrümmerung der Nationen-Weltreiche das Positive des Wiederaufbaus von Jerusalem. Zion wird wieder gebaut werden und in seine Weltmission unter den Nationen eintreten.

Aber da muss Zion zuerst von seiner Sünde errettet sein. Das sagt das vierte Gesicht von der Reinigung und Neueinkleidung des Hohenpriesters Josua (Sach 3:1-5). Von Sünde, Tod und Teufel muss das Volk des Höchsten erst befreit sein, dann kann es seinen heiligen Beruf antreten. Diese Erlösung und Befreiung wird gewiss geschehen.

Ja, Gesetz und Prophetie müssen erst aus ihrer Schattenlinie herausgehoben und in die Füllelinie hineingesetzt werden. Das sagt das fünfte Gesicht (Sach 4:1-14). Nur ein geisterleuchtetes, geisternährtes und geistgeheiligtes Volk kann seinen Auftrag unter den Nationen ausführen. Diese Geistesfüllezeit muss darum zuerst kommen und sie wird kommen.

Ist aber das Volk zugerichtet und ist die Füllezeit angebrochen, dann wird diese Füllezeit auch eine heilige Gerichtszeit sein. Wo der Herr herrscht, da herrscht Er nach Gericht und Gnade. Im Königreich Christi herrscht noch die Sünde, wenn auch Satan gebunden ist, diese Sünde wird durch schnelles Gericht abgetan werden. Die täglich vorkommenden Fälle von Übertretungen wird der fliegende Brief bestrafen (Sach 5:1-4). Das ist das sechste Gesicht.

Die gröberen und schwereren Sünden werden durch Verbannung bestraft. Dies sagt das siebte Gesicht vom Weib im Epha (Sach 5:5-11). Am Schluss des tausendjährigen Reiches werden große Massen der Nationen noch einmal aufstehen.

Das Königreich Christi wird auch noch einmal Aufstände sehen. Diese werden endgültig niedergeworfen. Das ist das Gesicht von dem Wagen mit den Rossen. Danach wird der Herr in vollendeter Weise Königspriester sein. Dies erzählt uns das achte Gesicht (Sach 6:1-8). Dies vollendete Königspriesterum des Herrn wird dann der Neuanfang sein, die Acht.

So leiten diese acht Gesichte durch die ganze Gerichtszeit des jüdischen Volkes und der Nationen hindurch. Sie umschließen die 2000 Jahre der Gemeine. Sie zeigen uns den Zerbruch der Nationenwelt vor dem tausendjährigen Reich; sie erzählen vom Wiederaufbau Jerusalems, von der Reinigung und Heiligung des Volkes Israel. Sie offenbaren den Lauf des Königreiches bis zum triumphierenden Abschluss des Königspriesterums Christi. Wir sehen, die Nachtgesichte enthalten eine gewaltige und hochwichtige Offenbarung. Sie entfalten vor uns den Rat und Plan Gottes in mächtigen Linien.

Von der Gemeine reden sie nicht. Das Geheimnis der Gemeine ist, nach Epheser- und Kolosser-Brief, den vorigen Propheten und Gottzeitaltern verborgen geblieben. Erst nach der Erhöhung des Herrn, nachdem die Fluchzeit Israels wurzelmäßig angebrochen war, wuchs das Geheimnis der Gemeine heraus. Die Glaubens-Gemeine gewinnt aber an solchen Offenbarungen, wie sie die Nachtgesichte geben, einen klareren Stand. Während der Zeit dieser Nachtgesichte wird, einerseits die Gemeine zubereitet, andererseits herrscht sie schon mit dem Herrn - so vorbereitet wollen wir dann näher in die Betrachtung der Nachtgesichte hineintreten.

Lies weiter:
Die Nachtgesichte des Propheten Sacharja - 2. Teil