Israel ist taub und blind und dennoch Gottes Knecht - Jes 42:18-25

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aus HSA: Verkündiger von Gericht und Heil nach Jesaja (40-66) Bd.2


Israel ist taub und blind und dennoch Gottes Knecht - Jes 42:18-25

Wir sind überrascht zu hören, dass der Knecht Jahwes, über den wir doch in Jes 42:1-4 - Jes 42:6-7 so überaus Kostbares lasen, nun auf einmal als blind und taub und ungehorsam dargestellt wird. Ist das nicht ein Widerspruch? Einerseits von Gott erwählt, ergriffen, behütet, mit Gottes Geist beschenkt und dazu berufen, blinde Augen aufzutun und Gefangene aus dem Kerker herauszuführen - und nun selber blind und gefangen und Gottes Gericht preisgegeben?

Nun, erstens gab und gibt es - wie es auch Paulus schreibt (Röm 9-11) - nebeneinander einen gläubigen und gehorsamen Teil Israels und einen widerspenstigen, verstockten gerichtsreifen Teil. Zum Zweite besteht bei Israel wie auch bei der Gemeinde Gottes der Unterschied zwischen der herrlichen Berufung einerseits und dem praktischen Zustand der Erwählten andererseits, zwischen dem alten und dem neuen Wesen, zwischen "Jakob" und "Israel". "Der Knecht Jahwes wird gescholten und gerügt wegen des schroffen Gegensatzes, in welchem sich sein Verhalten zu seinem Beruf, seine Wirklichkeit zu seiner Idee befindet" (Delitzsch). Wenn Israel immer wieder auf Gottes durch Gesetz und Propheten ergangenes Wort nicht mehr hört (obwohl es hören könnte) und auf sein Tun nicht achtet (obwohl es so viele Gnadenerweise des Ewigen erlebt hat), so kann das Gericht nicht ausbleiben. Doch das alles hebt Gottes Treue und Israels Berufung nicht auf (vgl. Röm 11:28.29). Israels bleibt auch in unserem Text Jahwes Knecht. "Wer ist blind, wenn nicht mein Knecht?"

Den Gegensatz zwischen einer hohen und herrlichen Berufung und einem unvollkommenen Lebenswandel zeigt im Neuen Testament besonders deutlich der Epheserbrief. Die Kapitel Eph 1 und Eph 2 rühmen die Herrlichkeit des Leibes Christi. Seine Glieder wurden von Gott auserwählt, erlangen durch den Glauben Sündervergebung, Sohnschaft und Heiligen Geist, wurden mit christus zu einem neuen Leben auferweckt und sollen erfüllt werden zur ganzen Fülle Gottes (Eph 1:3-7 - Eph 1:13.14 - Eph 2:1 - Eph 2:6 - Eph 3:19). Dann aber folgt in den Kapiteln Eph 4-6 die Praxis, und die so reich beschenkten Gläubigen werden ermahtn, doch bitte nicht zu lgen und zu sthen und überhaupt den Heiigen Geist nicht zu betrüben (Eph 4:25-32). Den Gegensatz zwischen Berufung und Lebenspraxis gibt es also bei der Gemeinde Gottes ebenso wie bei Israel, doch bei beiden Heilskörperschaften behalten Gottes Gnade und Treue das letzte Wort.

Zu unserem Text ist noch zu bemerken: Der plötzliche Übergang von der 2. zur 3. Peron (Jes 42:20) oder von der 1. zur 3. Person (Jes 42:24b) ist in den Texten des Alten Testaments nichts Außergewöhnliches. Zum Wechsel von "wir" zu "sie" in Jes 42:24b ist zu sagen: Jesaja selbst erklärt sich solidarisch mit den Sündern ("wir"). "Der Prophet fasst sich mit den Exulanten zusammen, in deren Sünde er sich wirklich verflochten weiß und fühlt (Jes 6:5-7)" (Delitzsch). Doch zugleich distanziert er sich von jenen, die Gottes Wege nicht gehen und seiner Weisung nicht gehorchen wollen.