Unsere Berufung

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Vom würdigen Wandel in der Körperschaft Christi
aus der Reihe „Christi unausspürbarer Reichtum“
von G. Groß 1987

Abschrift mit freundlicher Genehmigung von Gerhard Groß
Als Schrift leider vergriffen.

siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

Von würdigen Wandel in der Körperschaft Christi

2. Teil

Unsere Berufung

Einleitung

Nachdem wir nun grundlegende Vorkenntnisse im Hinblick auf einen würdigen Wandel gewonnen haben (die groben Grundlinien des göttlichen Heilsplanes, die absolute Untauglichkeit unseres Fleisches, die Gnade als tragende Säule und dazu der sie ergreifende Glaube und letztendlich das Wissen, dass Gott immer der zuerst Gebende ist), gilt es als nächstes, unsere Berufung zu untersuchen.

Wandelt würdig gemäß eurer Berufung, mit der ihr berufen wurdet, spricht uns Paulus in Eph 4:1 zu. Dieser Zuspruch lässt uns erkennen, dass ein richtiger Wandel in engster Beziehung zu der Berufung steht, er lässt weiter die Konsequenz zu, dass bei Missachtung dieser Berufung auch unwürdig gewandelt werden kann. Der Berufung kommt also von Anfang an eine wichtige Weichenfunktion zu.

Inhalt und Ziel der Berufung

In dem Wort Berufung finden wir zwei einfache Worte enthalten, die recht aufschlussreich in unserer Zielfindung sein können. Es sind dies einmal das Wort
Beruf = Arbeit, Aufgabe
und das zweite Wort
Rufen= jemanden ansprechen, ihm etwas mitteilen wollen.

Zusammen ergibt sich hieraus eine einfache Aussage: Gott ruft uns, spricht uns an, um uns unsere Arbeit oder Aufgabe mitzuteilen. Er will uns Menschen Seinen wunderbaren Ratschluss nicht nur bekanntmachen, mehr noch, Er will uns aktiv daran teilnehmen lassen als Seine Mitwerker.

Im Brief an die Kolosser lesen wir: "Das All ist durch Ihn (Christus) und zu Ihm hin erschaffen" (Kol 1:6). Dieses Hinbewegen des gesamten Alls zu dem Christus wird uns als ein Geheimnis in Eph 1:9 bekanntgemacht: "...Aufzuhaupten das All in dem Christus." Hier dürfen wir die großen Züge unserer Mitarbeit erkennen. Inhalt der Berufung ist also die gewaltige Tatsache, dass Gott uns zu Seinen Mitarbeitern beruft, und Arbeitsziel ist die völlige Aufhaltung des Alls in dem Christus.

Zwei getrennte Bereiche

Nun lässt Gott zwar alle Seine Berufenen auf ein Ziel hinarbeiten, aber Er hat für sie verschiedene Arbeitsbereiche geschaffen. Zwei große Bereiche standen schon von Anfang der Schöpfung fest. Hören wir hierzu Gottes Wort: "Im Anfang: Erschaffen hat Alueim die Himmel und die Erde (1Mo 1:1), und in Vers 6 wird weiter berichtet, dass Alueim die beiden Bereiche Himmel und Erde strikt durch eine "Luftschicht" voneinander schied.

Auch Paulus lehrt uns im Hinblick auf das Ziel der Berufung - die Aufhaltung des Alls in dem Christus -, dass dies von zwei verschiedenen Ebenen aus geschieht: ".... aufzuhaupten das All in dem Christus, beides, das in den Himmeln und das auf der Erde, in Ihm" (Eph 1:10).

Da Gott also schon zu Beginn zwei abgegrenzte Bereiche geschaffen hat, hat Er dazu auch zwei Arbeitsgruppen berufen, die jeweils in dem für sie bestimmten Bereich gemäß dem göttlichen Willen arbeiten sollen. Es ist dies einmal Israel als Gesamtvolk mit der Erwartung eines irdischen Aufgabenbereiches, und zum andern ist es eine Auswahl einzelner aus allen Nationen (einschließlich einzelner aus Israel) mit der Erwartung eines himmlischen Aufgabenbereiches.

Entsprechend diesen doch recht unterschiedlichen Aufgabenbereichen ist nun auch schon jetzt die Arbeit und die dafür notwendige Ausbildung und Vorbereitung.

Bevor wir aber auf diese Unterschiede näher eingehen, möge uns noch ein einfaches Beispiel zum besseren Verständnis hilfreich sein, dass hier keine unbiblische Trennung oder ein Zerrissenwerden aufgezeigt werden soll.

Ein einfaches Beispiel

Wenn ein Haus gebaut wird, sind dazu vielerlei Handwerker notwendig. Da arbeiten z.B. die Maurer unten an den Fundamenten und ziehen danach die Wände hoch. Dann gibt es die Zimmerleute, die oben im luftigen Dachgebälk werken. Wir würden nun als Bauherr mit Erstaunen, ja Verständnislosigkeit reagieren, wenn diese beiden Handwerker einfach ihre Arbeiten vertauschen würden. Die Sicherheit des Hauses stände auf dem Spiel, wenn der Zimmermann, der den Umgang mit Holz erlernt hat, plötzlich mit Speiseölen im Keller hantieren würde und im umgekehrten Sinne der Maurer sich mit zittrigen Knien über die Dachlatten hinbewegen würde.

Wir anerkennen hier selbstverständlich, dass jeder Handwerker bei der von ihm erlernten Tätigkeit bleiben muss.

Um nun das Beispiel zu vervollständigen: Alle Handwerker auf dem Bau arbeiten für denselben Bauherrn, und alle arbeiten auf das gleiche Ziel hin, nämlich die Fertigstellung des Hauses. Aber, sie haben jeder ihren zugewiesenen und erlernten Arbeitsbereich, in welchem sie gute und taugliche Arbeit zu verrichten vermögen.

Was nun kein Handwerker tun würde, weil jeder um seine Aufgaben weiß, unter Gläubigen wird dies munter praktiziert! Man mischt und vertauscht seine Berufung, ja drängt gar den anders Berufenen (Israel) einfach beiseite und entfaltet eine rege Betriebsamkeit. Da bei der Arbeitsübernahme des für Israel bestimmten Arbeitsbereichs naturgemäß Schwierigkeiten auftreten müssen, weil diese Arbeit entweder noch gar nicht an der Reihe ist oder sie fremd erscheint, lässt man dann einfach das, was schwierig und unverständlich erscheint, liegen und befasst sich mit den leichten und einfachen Dingen.

Das Ergebnis ist dementsprechend!

Anstatt sich an die eigene Berufung, die Pläne und Anweisungen im Worte Gottes zu halten, werden Wände und Mauern nach Gutdünken und eigenem Geschmack gezogen. Man ändert hier und ändert da und ist am Ende noch recht stolz auf die eigene geleistete Arbeit. Beschämend ist es, dass diese Eigenwerker über alles hinaus dann noch jene Mitarbeiter geringschätzig abtun, die sich mühen, den richtigen Bereich einzuhalten, und sich eng an ihre Arbeitsanweisungen halten.

Paulus, Lehrer der Nationen

"Mir, dem geringsten aller Heiligen, wurde diese Gnade gegeben, den Nationen den unausspürbaren Reichtum des Christus als Evangelium zu verkünden...." (Eph 3:8).

Während Israel als Volk schon früh im Alten Testament von Gott berufen wurde und sich seither in der göttlichen Schule und Ausbildung befindet, blieb die zweite Arbeitsgruppe, die den himmlischen Arbeitsbereich übernehmen sollte, bis zur Berufung des Paulus ein in Gott verborgenes Geheimnis (Eph 3:9-10).

Es ist nun für jene Arbeitsgruppe äußerst wichtig zu wissen, wo der entsprechende Lehrstoff zu holen ist. Da sich der Apostel Paulus selbst als vom erhöhten Herrn berufener Lehrer der Nationen vorstellt und unmissverständlich klarmacht, dass sein Evangelium nicht dem Menschen gemäß ist, er es weder von diesen erhielt noch von diesen gelehrt wurde (Gal 1:11-12), sondern es ihm durch eine Enthüllung Jesu Christi bekannt gemacht wurde, ist unser Lehrstoff eigentlich klar umrissen.

Während Israel durch die Propheten des Alten Bundes und darauf durch den Mensch gewordenen Herrn persönlich belehrt wurde und danach diese Aufgabe den zwölf Aposteln übertragen wurde, steht Paulus als Lehrer der Nationen fest. Vermischung dieser beiden Lehraufträge führt zu Verdunklung und verhindert ein gesundes Wachstum des einzelnen Gläubigen. Auch kann er so nie seine klare Berufung erkennen und sich danach ausrichten.

Es ist eine bedauerliche Tatsache, dass viel zu wenig Lehrer hier klare und kompromisslose Linie in ihren Aussagen einhalten.

Unterschiede der beiden Berufungen

Eine Auswahl von Schriftworten (im Rahmen dieser Schrift auf ein Minimum verkürzt) soll uns nun hilfreich sein, die Unterschiede der beiden Berufungen besser erkennen zu können.


Israel Herausgerufene aus den Nationen
Stellung "...und ihr, ihr sollt für Mich ein königliches Priestertum und eine heilige Nation werden" (2Mo 19:6) "Ihr aber seid der Körper des Christus, und als Teil gesehen, Glieder...." (1Kor 12:27).
Segnungen Alle Segnungen Israel betreffend sind irdischer Natur (vgl. 5Mo 28) Alle Segnungen sind geistlicher Natur inmitten der Überhimmlischen in Christus (Eph 1:3 ff)
Heimat a) Das Land, fließend von Milch und Honig, ein Kleinod ist es unter allen Landen (Hes 20:6) und ... es ist der Mittelpunkt (wörtlich "Nabel") der Erde (Hes 38:12).

b) ... 40 Tage belehrte der auferstandene Herr Seine 12 auserwählten Apostel über das zukünftige (irdische) Königreich (Apg 1:1-4)
c) das auf die neue Erde herabkommende himmlische Jerusalem (Offb 11)

"Unser Bürgertum jedoch ist in den Himmeln..." (Phil 3:20)
"...suchet das droben, wo Christus ist (Kol 3:1)
"Auf das droben sinnet, nicht auf das auf Erden!" (Kol 3:2)
Erwartung des Herrn Auf dem Ölberg als König (Sach 14:4+9) In der Luft als Haupt bei der Entrückung (1Thes 4:17)



Aus diesen wenigen Beispielen ist für uns gut ersichtlich, dass die beiden Berufungen doch sehr unterschiedlich sind. Sollte es nicht unser Bestreben sein, frei von Tradition und eigener Vorstellung, nur geleitet vom Wort Gottes, die uns angehende Berufung zu erkennen?

In besonderer Weise betet Paulus (und wir dürfen es gleich ihm) zu Gott um geistliche Weisheit und Enthüllung zur Erkenntnis Seiner Selbst "...damit ihr wisset, was das Erwartungsgut Seiner Berufung ist..." (Eph 1:17-18). Das Erwartungsgut beider Berufungen ist trotz der verschiedenen Bereiche immer Segen; wir werden gesegnet, indem (oder damit) wir andere segnen.

Das Törichte der Welt

"Sehet doch nur eure Berufung an, Brüder; da sind nicht viele dem Fleische nach, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme; sondern das Törichte der Welt erwählt Gott, damit Er die Weisen zuschanden mache; und das Schwache der Welt erwählt Gott, damit Er das Starke zuschanden mache..." (1Kor 1:26-29).

Eine gewaltige Wahrheit soll uns noch aus dem obigen Wort aufleuchten, dass nämlich Gottes Auswahl und Berufung nie die Starken, Mächtigen und Selbstsicheren trifft, sondern stets die Schwachen und Törichten, das, was nichts ist vor der Welt. Diese gerade sind für Gott die geeigneten Werkzeuge, um heute schon Seine Weisheit (Eph 3:10-11) und in den herankommenden Äonen den alles übersteigenden Reichtum Seiner Gnade zur Schau zu stellen (Eph 2:7). Der Schwache und Bedürftige streckt sich nach Hilfe aus, er ergreift die ausgestreckte Hand Gottes dankbar und voll Freude und anerkennt schnell, dass Gott der alles Bewirkende ist. Sein eigenes Versagen und Unvermögen vor Augen, weiß er sich aber gleich Paulus mächtig in dem, der ihn mächtig macht, Christus (Phil 4:13b).

"Gott ist getreu, durch den ihr auch zur Gemeinschaft mit Seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn, berufen wurdet" (1Kor 1:9).

Zusammenfassung

Wenn wir das bisher Gesagte nun bejahen können und unser Blickfeld frei geworden ist für unsere überhimmlische Berufung, so erkennen wir auch leicht, dass dieses Wissen für unser Thema von großer Bedeutung ist. Alles, was uns vorher dunkel und unverständlich war, wird nun hell und verständlich. Wenn wir erkennen, dass im Hinblick auf unsere eigene Berufung der Blick nach oben gerichtet werden muss, so haben wir auch betreffs des Wandels schon die richtige Blickrichtung erhalten.

Aber noch einen Gewinn haben wir zu verbuchen: Unsere Schau für Israel! Dieses Volk, das vom Propheten Sacharja als "Sein Augapfel" bezeichnet wird (Sach 2:9), wird von den meisten Gläubigen in seiner göttlichen Stellung kaum erkannt. Es (Israel) passt nicht in die eigene Glaubensschau, weil man sich keck dessen Berufung bemächtig hat und sich (erfolglos) darin breitmacht. So sehen sich viele Gläubige selbst als Priester und Könige auf Erden, ihre Gebete kreisen überwiegend um irdische Dinge, ihre obere Heimat ist ihnen, wenn überhaupt, nur vage bekannt unter dem Pauschalbegriff "im Himmel", ihr Hauptaugenmerk ist auf das Königreich der Himmel gerichtet, wobei naturgemäß dann auch die Evangelien die wichtigste Lehrfunktion übernehmen. Von dem herrlichen Erwartungsgut der Entrückung wissen sie kaum etwas, dafür lehren sie, dass der gestorbene Gläubige sofort beim Herrn sei. Solche Lehre entwertet natürlich die paulinischen Aussagen von 1Kor 1:15 und 1Thes 4:13-18 oder macht sie ganz überflüssig! Genauso überflüssig wie Israel.

Aber welch eine tiefe Liebe und welch ein herrliches Gefühl der Zusammengehörigkeit darf gerade von uns aus zu diesem Volk fließen, wenn wir um die jeweilige Berufung wissen und erkennen dürfen, dass Gott jeder Berufung seinen festen und unabänderlichen Platz zugewiesen hat. So wie wir im Glauben unsere Berufung nach oben fest im Herzen haben, so klar dürfen wir auch das heute noch mit Blindheit geschlagene Israel sehen, wie es einst geisterfüllt in aufopfernder Liebe zu seinem Messias im Königreich einen gesegneten Dienst an den Nationen ausüben wird.

Sind Werturteile schicklich?

"Die Liebe ist geduldig, sie ist gütig, die Liebe ist nicht eifersüchtig, die Liebe ist nicht ruhmredig und nicht aufgeblasen. Sie ist nicht unschicklich und sucht nicht das Ihre." (1Kor 13:4-5).

Eine ernste Mahnung soll hier noch ihren Platz finden. Im Überschwang der Freude und im Dank für unser überhimmlisches Losteil werden immer wieder Äußerungen in Wort und Schrift abgegeben, dass unsere Berufung, die nach oben zielt, derjenigen von Israel weit überlegen sei, da letztere eben nur irdisch ist. Solche Aussagen, welche die Körperschaft Christi über Israels Berufung erhebt, klingen im wahrsten Sinn des Wortes überheblich. Wir haben bei Paulus nicht den geringsten Hinweis, Wertabschätzungen zwischen beiden Berufungen vorzunehmen, im Gegenteil: Unser Lehrstoff über das, was schicklich ist, kann in obigen Versen von 1Kor 13 nachgelesen werden.

Wir sollen und dürfen uns wohl in unserem herrlichen Stand freuen und dieser Freude auch in vielfältiger Weise Ausdruck verleihen; aber: wir haben keine Anweisung, Werturteile über die verschiedenartigen Berufungen abzugeben. Bedenken wir doch: Jeder Israeli, der heute oder in späteren Zeiten solche von uns abgegebene Urteile liest oder hört, wird sich abgestoßen fühlen. Dies ist aber eine denkbar schlechte Grundlage für eine gemeinsame Arbeit.

Wie stünde es um einen Hausbau, wenn sich die verschiedenen Handwerker ständig darüber unterhalten würden, welche Zunft denn die besser angesehene oder bedeutsamere Arbeit verrichten würde? Der Hausbau würde darunter leiden. Wie dienlich aber ist es, wenn gegenseitige Handreichung und Wertschätzung des anderen vorhanden ist.

"Die Liebe ist nicht ruhmerdig und nicht aufgeblasen. Sie ist nicht unschicklich und sucht nicht das Ihre!"

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