Geheiligt werde dein Name

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Abschrift des Heftes: "Das Vaterunser"
von Friedrich Malessa, Samplatten (Ostpr.)

Philadelphia Buchhandlung August Fuhr, Reutlingen, 2. Aufl. 1952

Siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

Das „Vaterunser" in erbaulicher und prophetischer Deutung

2. Geheiligt werde dein Name

A. In erbaulicher Deutung

Nicht in Berichtsform legt Jesus die Heilswahrheiten hier nahe, sondern in Gebetsform. Bericht vermittelt Erkenntnis; Gebet spricht vermittelte Erkenntis aus. Bericht legt Ssachverhalt nahe; Gebet bringt den nahegelegten Sachverhalt zur Darstellung. Das ist mehr. Jesus will uns im Heilsleben in der aktiven Haltung haben, nicht nur in der passiven.

Die aktive Haltung soll wiederum nicht ohne der passiven sein. Denn absolut aktiv ist nur Gott. Der Mensch dagegen kann aktiv werden, sofern er zuerst in der gottgewollten Passivität gewesen ist. Er kann nur geben, was er empfangen hat; er kann nur sprechen, was ihm gesagt wird; er kann nur tun, was ihm befohlen wird. Darum legt Jesus uns die Heilswahrheiten nahe, indem er uns nicht nur beten, sondern ebenfalls dringlich auch bitten lehrt. Heilsverlangend sollen wir vor ihm stehen, dass wir heilsempfangend werden, schließlich heilsgebend.

Bitte ist immer Ausdruck der Leere, des Bedürfnisses. Der Bittende ist offen, erwartend und abwartend, also passiv. Das ist die grundlegende Haltung der Heilsträger. Werden sie erst Empfänger, dann können sie auch Geber werden, also aktiv. „Bitte sein viel, setze dem Geber kein Ziel, dann wirst du nehmen und geben."

Bei solcher Voraussetzung erstehen erhörliche Gebete. Das sind Gebete nach seinem Willen und in seinem Namen. Solche Gebete können von Gott nicht abgewiesen werden, denn sie sind von ihm gewollt. Gott will gebeten sein, damit er würdigen Empfängern geben kann seine Gaben, die er längst bereit hält. Das sind gottzentrische Gebete, denn in ihnen ist Gott.

Die erste Bitte

Gehen wir nun zur ersten Bitte: „Geheiligt werde dein Name“. Göttlich groß ist diese Bitte. Sie bringt zum Ausdruck, dass der Name des Vaters g e h e i l i g t werden soll. Und das durch uns! Das erscheint uns im Augenblick unmöglich. Sein Name, wie wir ihn erkannt haben in seiner unfassbaren Würde, in seiner unergründbaren Tiefe, in seiner unbegrenzbaren Weite, soll heiliger gemacht werden? Dazu noch durch uns? Wie kann das angehen? Wahrlich, das ist eine bitte, die uns Menschen nie einfallen würde. Sie geht über unser Verstehen und kann darum nur von ihm veranlasst sein. Wer sie nicht von ihm in den Mund gelegt erhält, der trage sie nicht vor.

Doch wollen wir zunächst nicht feststellen, wer so beten, sondern warum so gebetet werden soll. Sehen wir uns die Aufgabe der Heiligung des Namens an. Was ist Heiligung? Heiligung hat es mit Heiligkeit zu tun. Heiligkeit ist absolute Vollkommenheit der Wahrheit und Gerechtigkeit. Heiligkeit ist also Vollmaß, ist Ziel. Heiligung dagegen ist der Weg zum Ziel. Der Weg steht mit dem Ziel in wesenhafter Verbindung Der Weg hat zwar das Zeilwesen, aber nicht im Vollmaß, sondern im Wachstum, in der Ausreife. Heiligung ist werdene Heiligkeit.

Wie nun soll dieser höchste Name des Vaters in seinem Füllewesen erst heranwachsen und ausreifen? Hat der Vater sein Wesen nicht im Vollmaß? Ja, und abermals ja! „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig“ (3Mo 19:2). Und doch hat er sein Heiligkeits-Füllewesen nicht allenthalben, sondern wie wir bereits hören mussten, „in den Himmeln“. Sein Wille ist aber, dass sein Vatername in seinem Sohn Zeugung- und Geburtswehen offenbare im Reiche seiner Erlösung, d. h. im Lande der „Sünder“. Das ist ja gerade das Eigentümliche des Vater-Namens, dass er hier Kinder haben will, die ihm geboren werden „wie der Tau aus der Morgenröte“ (Ps 110:3). Und weil sein Vatername mit seinem Zeugungs- und Geburtswesen in dieser Welt noch sehr viel zu vollbringen hat, darum muss er da erlösungsmäßig im Wachstum und in der Ausreife, d. h. in der Heiligung stehen. Da werde sein Name geheiligt, solange geheiligt, bis auch das „irdische Reich“ dem Vollmaßwesen des himmlischen entspricht. Es soll ja schließlich sein Wille geschehen „auf Erden wie in den Himmeln". Der vollkommene Vater-Name soll darum geheiligt werden im Reiche der Unvollkommenheit.

Aufgabe der Kinder Gottes

Nun aber ergibt sich die so ganz ernste Frage: Wer ist für den Heiligungsdienst des Vater-Namens in dieser Welt berufen? Engel? Diener Gottes? Nein? Knechte Gottes? Nein! Diener Gottes? Nein! Sie alle haben ein Verhältnis, das für manche Dienste fähig ist, jedoch nicht für den Heiligungsdienst des Vater-Namens. Man beachte: Der Name des V a t e r s soll geheiligt werden. Für den Vater kommen nur Kinder infrage. Allein Kinder sind berechtigt, den Namen des Vaters zu heiligen. „Denn ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet, sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater! Derselbe Geist gibt Zeugnis unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind. Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi, so wir anders mit leiden, auf dass wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden“ (Röm 8:15-17).

Kinder sind mehr als Knechte, mehr als Diener, mehr als Untertanen, mehr als Leibeigene, mehr als Zugeschworene. Kinder sind Erben, also „Eigentümer“. Kinder sind nicht nur angeworben, nicht nur angekauft, nicht nur verpflichtet, nicht nur gerufen, sondern über alles hinaus wieder-geboren! Kinder sind Geborene des Vaters. Ihr Wesensanteil zum Vater ist lebensmäßig, nicht vertragsmäßig.

Darum sind nur „Kinder“ befähigt, den Vater-Namen in dieser Welt zu heiligen. Sie sind aber dazu nicht nur befähigt, sondern auch verpflichtet. Sie fallen sonst aus der Kindschaft, wo sie das Vaterwesen nicht mehr zur Darstellung, zur Bekundung bringen. „Denn welche der Geist Gottes treibet, die sind Gottes Kinder“ (Röm 8:14). Kinder haben nur die eine Lebensaufgabe: Mit dem Vater und für den Vater zu leben.

Diesen Heiligungsdienst können freilich nur Geheiligte tun. „Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung“ (1Thes 4:3). Kinder des himmlischen Vaters, die nicht in der Heiligung stehen, d. h. im Wachstümlichen, in der Ausreife, werden versagen. Es ist darum für sie das andere Gebet Jesu so wichtig: „Heilige sie in deiner Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit“ (Joh 17:17). Die Heiligung in der Wahrheit, im Wort, bedeutet Wachstum in Christus. Denn Christus ist die Wahrheit und das Wort (Joh 15:4-8).

Wir haben erkannt, warum, wo und wie der Name des himmlischen Vaters geheiligt werden soll. Wir haben auch begriffen, durch wen das geschehen soll. Und nun wollen wir danach trachten in den Vollbesitz der Kindschaft zu gelangen, damit der Name des Vaters durch unser Heiligungsleben geheiligt werden kann. „Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben. Welche nicht von dem Geblüt, noch von dem Willen des Fleisches, noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind“ (Joh 1:12.13).

B. In prophetischer Deutung

Einige „untergeordnete“ Dinge sind bei der prophetischen Schau zunächst zu berücksichtigen. Das Vaterunser enthält sieben Bitten. Das ist nicht von ungefähr. Die Zahlensymbolik der Bibel hat heilsgeschichtliche Bedeutung. Merkwürdigerweise werden die Zahlen immer nach ihrer Bedeutung genau angewandt. Es kann somit allein die Zahl die ganzen heilsgeschichtlichen Zusammenhänge anzeigen. Wer das beachtet, wird beim Schriftstudium viel Licht empfangen.

Die Sieben ist immer die Vollkommenheitszahl. Mit ihr wird die gottgewollte Heilsfülle angezeigt. Die Heilsfülle ist wiederum nur möglich durch den Zusammenschluss der Drei und Vier. Die Drei ist die Gottheitszahl. Die Vier ist die Menschheitszahl. Wo die Drei der Gottheit mit der Vier der Menschheit sich vereinigt, da ersteht Vollendungswesen, Vollmaßwesen. Wir sehen, wie schon die äußere Anordnung des Vaterunsers Göttlichkeit verrät.

Damit ist auch die Tatsache angezeigt, das das Vaterunser mit seiner umfassenden Sinngebung nicht auf ein, oder einige Gotteshaushaltungen zu begrenzen ist. Manche Bibelausleger - die ich sonst sehr achte - wollen den Umfang des Vaterunsers genau auf Israel bemessen. Das ist meines Erachtens zu eng gefasst. Zwar ist die Tatsache, dass in der Heilsgeschichte Israels die Sieben zumeist angewandt wird. Damit ist aber noch nicht bewiesen, dass sie nur für Israel in Betracht kommt. Denn die Drei der Gottheit ist wahrhaftig nicht allein auf Israel zu begrenzen, und mit der Vier der Menschheit ist ebenfalls nicht nur Israel gemeint. Bei der Heilsfülle der Sieben geht es über Israel weit hinaus und erfasst das Ganze. Da ist Israel zwar einbegriffen, aber nicht allein ausfüllend. In der Heilsfülle ist die Haushaltung Israels wohl vorhanden, aber es sind auch noch andere Haushaltungen da.

Allein die erste Bitte ist so umfassend und so tiefgreifend, dass sie über Israels Grenzen weit hinausragt. Die erste Bitte führt zurück in eine Zeit, in der Israel noch nicht bestand.

Wenn der Vater-Name geheiligt, d. h. wachstümlich zum Vollmaß geführt werden soll, dann doch da, wo das Vollmaßwesesn fehlt. Wo ist das Fehlen seines Vollmaßwesens festzustellen? Im Zeitalter der ersten Schöpfungen. Nach dem Fall Luzifers mit seinem Anhang erlitt das Vaterwesen, das sich durch seinen Sohn in den Schöpfungen offenbarte, eine für uns unbegreifliche Einbuße. Schon da war die Heiligung seines ewigen Vater-Namens nötig, und setzte auch durch seinen ewigen Sohn ein. Wie genau wird dieser Vorgang beschrieben mit den ersten Versen der Bibel: „... und der Geist Gottes (Gottheiten) brütete über den Wassern.“ Welchen Zweck hatte das Brüten des „Vater-Sohn-Geistes“? Um neues Leben, Wieder-Geburts-Leben zu wecken durch die Erlösungen. Freilich geschah das alles stufenmäßig. Erlösung ist die erste Stufe, Versöhnung die zweite, Geburten die dritte. In den Anfängen war das Vollmaß noch nicht da, aber es waren die Anfänge für das Vollmaß vorhanden. Im Anfang ist das Ende begründet.*

*Eingehender sind diese Wahrheit behandelt in meiner Schrift: „Jesus Christus im Alten Testament“.

Wer fing mit der Heiligung des Vater-Namens an? Der ewige Sohn Jesus Christus! In ihm ist und bleibt die Möglichkeit der Durchführung der Heiligungsaufgabe begründet und besiegelt. Kein Geringerer als der Sohn des ewigen Vaters steht in diesem Heiligungsdienst. Er bleibt hierin auch nicht allein. Er sucht und findet seine Brüder (= Mitarbeiter). Er ist das Haupt geworden seines „Leibes“, welchen er nach sich zieht und ihn befähigt zum gleichen Dienst. „Und hat alle Dinge unter seine Füße getan, und hat ihn gesetzt zum Haupt der Gemeine über alles, welche da ist sein Leib, nämlich die Fülle des, der alles in allen erfüllet“ (Eph 1:22.23).

So hat der ewige Sohn für diesen Heiliungsdienst des Vater-Namens sich eingesetzt und seine Brüder und Mitarbeiter gesucht von Anfang. Schon der erste Mensch war dafür ersehen. Er war darum „ihm zum Bilde erschaffen“ mit der Bestimmung: Herrsche! Seth sollte es werden; darum erhielt er den Namen: Seth = Stellvertreter. Alle Glaubensmänner der alten Zeit sollten es werden. Sie sind es im gewissen Sinne geworden. Ganz Israel sollte es werden. Darum wurde es auf die Sohnschaft und Vaterschaft dringend aufmerksam gemacht. - Lies 2Mo 4:22.23; 5Mo 32:6. Leider lebte Israel im „Fleisch“ und beurteilte die Vaterschaft und Kindschaft nach dem Fleisch. Israel berief sich nicht auf den „himmlischen Vater“, sondern auf den Vater Abraham. Israel hat darum zufolge des verzerrten Vaterbewusstseins den Namen des himmlichen Vaters nicht ertragen können, auch nicht nennen können; hat ihn gemieden, wahrscheinlich meiden müssen.

Bis der ewige Sohn ins sündige Fleisch kam und aus demselben „Erstling“ wurde, ist von da ab die endgültige Möglichkeit gegeben, in der Wieder-Geburt sein S o h n e s - L e b e n zu erlangen, um mit ihm, dem Haupt, den großen Heiligungsdienst zu verrichten. Die Schar der Söhne wird immer größer, darum wird auch der Heiligungsdienst immer dringender. Bald kommt die Zeit wo dem Wiedergeburtsleben und dem Heiligungsdienst keine Schranken gesetzt werden. Dann wird umfassend geheiligt werden sein Name. Dann kommt auch das Vollmaßwesen des herrlichen Vater-Namens.

Lies weiter:
3. Es komme dein Reich