Wer andere richtet, wird gerichtet

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MP3-Vortrag über Römer 2.1-13 hier! (von D. Muhl)

Richten und Gerichtetwerden

In Röm 2 den Versen 1 - 4 lesen wir Folgendes:

  • Röm 2:1-4 - Deshalb bist du nicht zu entschuldigen, o Mensch, jeder, der da richtet; denn worin du den anderen richtest, verdammst du dich selbst; denn du, der du richtest, tust dasselbe. 2 Wir wissen aber, dass das Gericht Gottes der Wahrheit entsprechend über die ergeht, die so etwas tun. 3 Denkst du aber dies, o Mensch, der du die richtest, die so etwas tun, und dasselbe verübst, dass du dem Gericht Gottes entfliehen wirst? 4 Oder verachtest du den Reichtum seiner Gütigkeit und Geduld und Langmut und weißt nicht, dass die Güte Gottes dich zur Buße leitet?

Paulus macht deutlich, dass jeder Mensch irgendwann einmal seinen Nächsten verurteilt oder gerichtet hat, ohne dabei zu merken, dass er selbst das Gleiche auch schon getan hat. Vielleicht hat er es in abgeschwächter Form getan oder vielleicht hat er es auch nur in seinen Gedanken getan, aber es war einmal vorhanden. Wer in Gedanken einem Mitmenschen den Tod wünscht, ist in den Augen Gottes ein Mörder. Wer in Gedanken mit einer anderen Frau ins Bett steigt, ist in den Augen Gottes ein Ehebrecher. Wer hochmütig ist, schätzt andere dadurch gering ein und stuft sie deshalb als weniger wert ein usw. An dieser Stelle möchte ich eine Frage stellen: "Gibt es eine Seele, die weniger wert wäre, als eine andere?" Ich frage jetzt noch etwas provokativer: "Ist meine Seele mehr wert, als die Seele Adolf Hitlers?" So wie ich es sehe, sind in den Augen Gottes beide Seelen gleichviel wert! Beide Seelen bedürfen der Erlösung und für beide Seelen hat der Sohn Gottes sein Blut vergossen. Der einzige Unterschied besteht wahrscheinlich darin, dass die Herzenshärtigkeit von Adolf Hitler zu einer Inspiration des Bösen geführt hat und ein viel schwereres Gericht zur Folge haben dürfte; denn Paulus schreibt:

  • Röm 2:5 - Nach deiner Störrigkeit und deinem unbußfertigen Herzen aber häufst du dir selbst Zorn auf für den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes.

Es gibt Seelen, die ein viel schwereres und längeres Gericht zu tragen haben; aber sind sie deshalb weniger wert? Ich zweifle daran.
Eigenartig empfinde ich folgenden Umstand:

Je boshafter eine Seele ist, desto härter und unbarmherziger verurteilt sie andere Menschen!

Wie hat sich doch ein Adolf Hitler über die Alliierten empört, wie stark verurteilte er öffentlich alle Menschen, die seine Meinung nicht teilten? Die Juden, die Zigeuner, die Behinderten, die Bibelforscher und auch andere Menschengruppen hat er als "wertlose Untermenschen" bezeichnet. Wie oft verurteilte er irgendwelche Menschen und legte ihnen irgendwelche Vergehen zur Last, die nicht annähernd so schlimm waren, wie seine eigenen Sünden?
Ich weiß nicht, was Gott zu Adolf Hitler sagen wird, wenn dieser vor dem Gerichtsthron Gottes erscheinen muss, aber theoretisch würde es völlig ausreichen, ihn seine eigenen Urteilssprüche hören zu lassen und ihm dann anschließend zu zeigen, dass er selbst in allen Anklagepunkten schuldig geworden ist! Die Verdammungsurteile, die er selbst über andere ausgesprochen hat, würden dann ihn selbst treffen. So ähnlich wie auch der Prophet Hesekiel sagte:

  • Hes 22:31 - So gieße ich meinen Zorn über sie aus, im Feuer meines Grimms vernichte ich sie; ihren Weg bringe ich auf ihren Kopf, spricht der Herr, HERR.

Aber an dieser Stelle will ich etwas genau nicht machen; mit meinem Finger auf solche zu zeigen, die nachweislich Böseres getan haben! In diesem Text geht es darum, das zu erkennen, was uns betrifft! Paulus zeigt uns unzweifelhaft auf, dass wir alle von Natur aus, andere verurteilen, über andere richten und gleichzeitig dieselben Fehler begehen! Das muss jedem Menschen bewusst werden. Wenn ein Mensch diese Erkenntnis ablehnt, dann verweigert er sich auch der Wahrheit und macht Gott indirekt zum Lügner!

Wo wir andere verurteilen und selbst schuldig werden

Kennen wir die folgenden Beispiele nicht zur Genüge?

  • Wir ärgern uns über Menschen, die uns keine Beachtung schenken und die uns gering schätzen; gleichzeitig verachten wir andere, die ihr Leben nicht so gut "im Griff" haben wie wir.
  • Wir regen uns über Solche auf, die uns "über den Tisch ziehen" und gleichzeitig freuen wir uns über ein gutes Geschäft, weil der andere so dumm war und nicht bemerkte, dass seine "Ware" eigentlich mehr wert war.
  • Wir sind darüber verärgert, weil ein anderer Verkehrsteilnehmer unser Vortrittsrecht missachtet und parallel dazu haben wir schon so manchen Rechtsvortritt übersehen (ist mir gerade kürzlich wieder passiert).
  • Wir wünschen uns sehr, von unseren Mitmenschen nicht angelogen zu werden, aber gleichzeitig sagen wir unseren Freunden oft nicht die Wahrheit.
  • Wir wünschen uns, dass jeder die Produkte bezahlt, die er bei uns "genommen" hat (schließlich wollen wir ja auch von etwas leben) und zur selben Zeit, laden wir illegal Musiktitel aus dem Internet herunter.
  • Es schmerzt uns, wenn wir bemerken, wie andere hochmütig auf uns herunterschauen und gleichzeitig schauen wir auf andere herunter, indem wir sie verachten.
  • Wir sind tief enttäuscht, wenn wir merken, wie Freunde ohne jegliche Verbindlichkeit uns links liegen lassen und merken aber nicht, dass unsere Verbindlichkeit auch zu wünschen übrig lässt.
  • Von unserem Ehepartner (heute ist es oft nur noch der Lebensabschnittspartner) wünschen wir uns Treue und gleichzeitig denken wir darüber nach, wie es wohl mit einem anderen wäre?
  • usw.

Auch wenn nicht alle Beispiele auf uns zutreffen, so gibt es dutzende andere Fälle, die uns betreffen und deshalb sage ich noch einmal: "Wer die Tatsache abstreitet, dass wir irgendwann einmal andere verurteilten (ob verbal oder im Herzen spielt keine Rolle), obwohl wir selbst auch schuldig geworden sind, ist nicht in der Wahrheit und macht Gott zum Lügner!" Alle diese Menschen versperren sich selbst den Zugang zur Rettung und zum ewigen Leben. Wir finden die Wahrheit nur dann, wenn wir selbst wahr werden und zugeben, dass wir den vollkommenen Anforderungen Gottes niemals genügen können. Das wiederum tun wir erst dann, wenn wir uns demütigen und somit demütig werden wollen. Demut ist die unabdingbare Grundlage, um die Gnade Gottes zu empfangen (Jak 4:6). Bevor ein Mensch das ewige Leben finden, sowie die Gnade und die Erlösung für sich in Anspruch nehmen kann, muss er Römer 2 zustimmen und in seinem Herzen zutiefst erkennen, dass er schuldig geworden ist!

Richten und Gerichtetwerden

Das Wort Gottes macht uns an mehreren Stellen klar, dass zwischen unserem Richten und unserem Gerichtetwerden ein klarer Zusammenhang besteht. Wer andere verurteilt und richtet, hat dadurch auch immer sein eigenes Urteil gesprochen. Nicht zuletzt deshalb sagt Jesus:

  • Mt 7:1-5 - Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! 2 Denn mit welchem Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden, und mit welchem Maß ihr messt, wird euch zugemessen werden. 3 Was aber siehst du den Splitter, der in deines Bruders Auge ist, den Balken aber in deinem Auge nimmst du nicht wahr? 4 Oder wie wirst du zu deinem Bruder sagen: Erlaube, ich will den Splitter aus deinem Auge ziehen; und siehe, der Balken ist in deinem Auge? 5 Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge! Und dann wirst du klar sehen, um den Splitter aus deines Bruders Auge zu ziehen.

Paulus erklärt uns, dass wir die Welt und die Engel richten werden (1Kor 6:2-3), aber erst wenn wir mit Christus auf seinem Thron sitzen. Bevor es soweit ist, haben wir auch auf das zu achten, was Jesus in Mt 7 gesagt hat, denn auch Paulus schreibt:

  • 1Kor 4:5 - So verurteilt (o. richtet) nichts vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Absichten der Herzen offenbaren wird! Und dann wird jedem sein Lob werden von Gott.

Wir können doch unmöglich die Gnade für uns in Anspruch nehmen und gleichzeitig andere verurteilen. Wenn wir gelernt haben, nicht mehr zu richten, dann werden auch wir nicht mehr gerichtet.
Die Aussage Jesu macht nicht nur deutlich, dass wir andere nicht (vor der Zeit) richten sollen, sondern sie zeigt uns auch, dass wir die eigenen Fehler viel schlechter wahrnahmen. Wir sehen den Splitter im Auge des Nächsten, aber nicht den Balken im eigenen Auge. Den Balken im eigenen Auge können wir nur dann wahrnehmen, wenn wir uns vom Bruder korrigieren lassen können oder wenn wir in den Spiegel des Wortes Gottes schauen (Jak 1:22-26). Eigenartigerweise ist es auch so: Je grösser der Balken im eigenen Auge ist, desto weniger hat man in der Regel auch die Demut, sich vom anderen etwas sagen zu lassen. Menschen, die sich darauf spezialisiert haben, die Fehler der anderen zu entdecken, begehen selbst den Fehler des Hochmuts und stehen in der Gefahr, aus der Gnade zu fallen! Andere wiederum haben viele persönliche Fehler; sie bemühen sich jedoch, aus der Liebe zu leben und andere nicht zu verurteilen! Sie werden mit Gnade gekrönt. Vielfach sieht man ihre Fehler besser, als die Fehler derer, die nur bei anderen die Fehler suchen, aber ihnen wird vergeben, weil sie viel geliebt haben!
Jesus sagt uns allen auch, dass Gott uns alles vergibt und weil er das gemacht hat, haben wir nicht das Recht unserem Bruder nicht zu vergeben. Wir kennen die Geschichte, die er uns dazu erzählt:

  • Mt 18:24-35 - Als er aber anfing, abzurechnen, wurde einer zu ihm gebracht, der zehntausend Talente schuldete. 25 Da er aber nicht zahlen konnte, befahl der Herr, ihn und seine Frau und die Kinder und alles, was er hatte, zu verkaufen und damit zu bezahlen. 26 Der Knecht nun fiel nieder, bat ihn kniefällig und sprach: Herr, habe Geduld mit mir, und ich will dir alles bezahlen. 27 Der Herr jenes Knechtes aber wurde innerlich bewegt, gab ihn los und erließ ihm das Darlehen. 28 Jener Knecht aber ging hinaus und fand einen seiner Mitknechte, der ihm hundert Denare schuldig war. Und er ergriff und würgte ihn und sprach: Bezahle, wenn du etwas schuldig bist! 29 Sein Mitknecht nun fiel nieder und bat ihn und sprach: Habe Geduld mit mir, und ich will dir bezahlen. 30 Er aber wollte nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis er die Schuld bezahlt habe. 31 Als aber seine Mitknechte sahen, was geschehen war, wurden sie sehr betrübt und gingen und berichteten ihrem Herrn alles, was geschehen war. 32 Da rief ihn sein Herr herbei und spricht zu ihm: Böser Knecht! Jene ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich batest. 33 Solltest nicht auch du dich deines Mitknechtes erbarmt haben, wie auch ich mich deiner erbarmt habe? 34 Und sein Herr wurde zornig und überlieferte ihn den Folterknechten, bis er alles bezahlt habe, was er ihm schuldig war. 35 So wird auch mein himmlischer Vater euch tun, wenn ihr nicht ein jeder seinem Bruder von Herzen vergebt.

Das Richten und das Verachten der Güte Gottes

In Röm 2:3-4 schreibt Paulus:

  • GTÜ Röm 2:3-4 - Rechnest du aber o Mensch, der du die beurteilst (richtest), die solche Dinge praktizieren und dieselben Dinge tust, dass du entfliehen wirst, dem Urteil Gottes? 4 Oder verachtest du den Reichtum Seiner Milde (o. Gütigkeit) und Zurückhaltung und Langmut indem du nicht erkennst, dass das milde Handeln Gottes dich zum Umdenken führt?

Der Zusammenhang, den Paulus hier aufzeigt, ist sehr aufschlussreich! Jeder, der den anderen richtet und selbst verwerflich handelt, verachtet den Reichtum der Güte Gottes! Wo besteht hier die Kausalität?
Beispiel: Der himmlische Vater erbarmt sich über einen Sünder und vergibt ihm die Schuld. Der betrügerische Zöllner Zachäus erlebt die Vergebung Jesu (Lk 19:2-10), währenddessen der Pharisäer an einer anderen Stelle dafür dankt, dass er nicht so schlimm ist wie die Zöllner (Lk 18:11-12). Der verlorene Sohn (ein Hurer und Sünder) erfährt die Vergebung seines Vaters und der daheimgebliebene Sohn, der "kein Gebot" des Vaters übertreten hat, kann das gütige Verhalten des Vaters nicht verstehen. Er verurteilt seinen Bruder (weil er ja nicht so schlimm ist, wie der Bruder) und merkt nicht, wie er das höchste Gebot - "liebe Gott und liebe deinen Nächsten" - mit Füssen tritt. Er liebt den Vater zu wenig, um sich mit ihm zu freuen und er liebt seinen Bruder nicht im göttlichen Sinne, sonst würde er ihm vergeben! Er wurde durch sein Verhalten auch zu einem Übertreter des höchsten Gebotes! Gleichzeitig verachtet er die Güte und Gnade seines Vaters! Sein Verhalten macht deutlich, was in ihm vorgeht: "Wie kann man einem solchen Hurer, der das halbe Vermögen seines Vaters verprasst hat, einfach vergeben? Das ist doch ungerecht!" Der daheimgebliebene Sohn verachtet die Güte des Vaters und merkt nicht, dass gerade auch er diese Güte, Milde und Langmut braucht, die aus der Liebe fließt! Denn was wäre das Himmelreich ohne die Liebe des Vaters? Was wäre das Paradies ohne die Güte und Gnade unseres Gottes?
Wie kann ein Geschöpf die Güte Gottes verachten, die es doch selbst braucht und die uns die Liebe des Vaters groß macht? Gerade die Güte Gottes führt uns in das richtige Umdenken, weil sie uns die Liebe Gottes erkennen lässt und auch aus uns Wesen der Liebe macht, indem wir mit den Gedanken Gottes mitdenken.