Nachtrag zu 1Mo 1:27

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Abschrift des Heftes: Jesus Christus im Alten Testament
Friedrich Malessa

Selbstverlag des Verfassers, 2. Aufl.

Siehe weitere Abschriften
Inhaltsverzeichnis

Jesus Christus im Alten Testament

11. Nachtrag zu 1Mo 1:27

Zum leichteren Verständnis setzen wir die drei einschlägigen Schriftstellen in ihrer wörtlichen Übersetzung (aus der Miniaturbibel) hierher:

1Mo 1:27.28:

“Und Gott schuf den Menschen in seinem Bilde, im Bilde Gottes schuf er ihn, männlich und weiblich schuf er sie. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde.“

1Mo 2:7.8:

“Da bildete Gott Jehova den Menschen, Staub von der Erde, und blies den Odem des Lebens in seine Nase, und also ward der Mensch eine lebendige Seele. Und Gott Jehova pflanzte einen Garten in Eden gegen Morgen und setzte den Menschen darein, den er gemacht hatte.“

1Mo 2:21-23:

“Da ließ Gott Jehova einen tiefen Schlaf auf den Menschen fallen; und während er schlief, nahm er eine seiner Rippen und verschloss deren Stelle mit Fleisch. Und Gott Jehova baute aus der Rippe, die er von dem Menschen genommen hatte, ein Weib und brachte sie zu ihm. Da sprach der Mensch: Das ist nun einmal Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch! Die soll Männin heißen, denn sie ist dem Manne entnommen!"

In meiner Abhandlung „Jesus Christus im Alten Testament“ ist die Stelle 1Mo 1:27 sehr kurz behandelt worden. Ich beabsichtigte da zur Hauptsache, die beiden Eigenschaftswörter „männlich-weiblich“ herauszustellen, um damit die Tatsache zu begründen, dass im Ursprung nur ein Mensch geschaffen wurde, der das männliche und weibliche Prinzip vereinigt in sich trug. Diese Feststellung genügt aber denjenigen nicht, die die Meinung vertreten, es sei schon im Ursprung eine „Mann und Weib“-Schöpfung erfolgt. Sie berufen sich auf die etwas „unsichere“ Fassung des Urtextes: „männlich und weiblich schuf er sie“. Die Betonung wird auf das „sie“ gelegt, darum meint man den Menschen in der Mehrzahl sehen zu müssen. Auch soll das „und“ beweisen, dass es sich um zwei getrennte Wesen handle. Wenn man dann auch sich nicht erklären kann, warum an Stelle der Hauptwörter die Eigenschaftswörter „männlich-weiblich“ gebraucht werden, und warum da überhaupt solche Verwirrung besteht zwischen der Einzahl und der Mehrzahl, so bleibt man doch bei dem „sie“ und „und“, weil es ja offenbar mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Man tröstet sich mit der „Erkenntnis“: es ist halt doch nicht alles in der Bibel zu erklären. - Wahrlich, wer die Heilslinie der Schrift nicht kennt, der steht oft vor unerklärlichen Ausdrücken und vor manchen unlösbaren Problemen.

Verschiedene Schöpfungsberichte

Sehen wir uns zunächst das unbedeutende Wort „und“ kurz an. Muss das „und“ hier tatsächlich beweisen, dass es sich um zwei getrennte Wesen handelt? Wie ist es z.B. mit 1Mo 1:2? Da heißt es auch „wüst und leer“. Da sind die beiden Wörter ebenfalls durch ein „und“ verbunden und es zeigte doch keine getrennte Sache an, im Gegenteil an dieser Stelle beweist es gerade den konzentrierten, einheitlichen Zustand! Wenn wir im heutigen Sprachgebrauch „gang und gebe“ sagen, meinen wir doch auch nicht zweierlei. Sollte das bei unserer fraglichen Stelle nicht ebenfalls sein können?

Für das „sie“ muss ich etwas weiter ausholen. Ich bitte den lieben Leser, jetzt bei dem oben angeführten Urtext auf Folgendes zu achten: Dreimal steht von der Schöpfung des Menschen geschrieben, zuerst 1Mo 1:27, dann 1Mo 2:7 und schließlich 1Mo 2:21-23. Warum ist von der Schöpfung des Menschen dreimal die Rede, dazu jedesmal in neuer Fassung? Hat das nicht etwas auf sich?

Das erste Mal ist der Bericht sehr „unklar“. Da geht es zuerst in der Einzahl und gleich ganz unvermittelt auch in der Mehrzahl. Der zweite Bericht sollte doch wohl eine Erweiterung und Erklärung bringen, spricht aber zu unserem Erstaunen nur von dem Einheitsmenschen. Das dritte Mal sagt sogar der Bericht, dass der Mensch schon da war, als das Weib aus ihm genommen und danebengestellt wurde. Der dreimalige Bericht hat also, anstatt Klarheit zu schaffen, erst recht Verwirrung gebracht! - Jawohl, es bleibt der Schöpfungsbericht uns ein Rätsel, solange wir Mann und Weib von vornherein suchen.

Um Klarheit zu erlangen, ist Folgendes streng zu berücksichtigen. Drei Berichte sind es, aber nicht drei sich berichtigende, d. h. sich erklärende und ergänzende Berichte; denn jeder von ihnen zeigt neue Umstände und neue Verhältnisse an.

Sehen wir uns die immer neuen Umstände an. Der erste Bericht endet im siebenten Gottestage, d. h. im angebrochenen „Tag des Herrn“, im Reich Gottes, wo Gott die absolute Herrschaft erlangen soll. Der zweite Bericht zeigt schon eine ganz neue Linie und endet im Paradies, wo Gebote und Gesetze zur Bewahrung des Menschen notwendig waren. Dass die Zielsetzung des zweiten Berichtes von der Zielsetzung des ersten ganz wesentlich abweicht, brauche ich wohl nicht erst zu erwähnen. Der Ruhetagscharakter (= Reichgottescharakter) des ersten Berichtes wird im zweiten wesentlich abgeändert. Und der dritte Bericht, endet wo? Im Sündenfall! Ein Stufengang ist klar aufgezeigt, aber ja nicht aufwärts, sondern abwärts in den Abgrund! Merken wir uns: Um der sündlichen (d. h. auf die Sünde hinauslaufenden) Entwicklung willen waren nimmer neue Berichte erforderlich.

Der erste Bericht

Nachdem wir diesen Blick gewonnen haben, können wir leicht die Berichte im einzelnen erkennen. Der erste Bericht sollte der ideale sein, weil er den „Tag des Herrn“ zum Ziel und zur Abgrenzung hat. Im ersten sollten wir darum die ursprüngliche Absicht des Schöpfers suchen. Sehen wir ihn uns an.

„Und Gott schuf den Menschen in seinem Bilde, im Bilde Gottes schuf er ihn“. Soweit geht es genau in der Einzahl. Weiter wird es aber unsicher und es geht scheinbar in der Mehrzahl: "männlich und weiblich schuf er sie“. Offenbar deutet das „sie“ die Mehrzahl an, aber nicht, wie viele annehmen, in der Zweiheit: Mann und Weib, sondern in der Einheit: männlich und weiblich. Wenn wir dieses verstehen wollen, so müssen wir notwendig an das Ziel der Schöpfung denken. Im Zielpunkt sehen wir den vollendeten Anfang. Was war das Ziel der Schöpfung des Menschen? „Tag des Herrn“, Reich Gottes, aufs Ganze gesehen, Erlösung, Versöhnung! Was sollte denn am „Tage des Herrn“ durchgeführt werden? Das, was durch den zweiten Adam durchgeführt wird, weil der erste Adam versagte: „... und alles durch ihn versöhnt würde zu ihm selbst, es sei auf Erden oder im Himmel ...“ (Kol 1:19.20). Dieses Versöhnungswerk Christi ist aber nur in der Geistleiblichkeit nach der Überwindung der Fleischleiblichkeit möglich. Nur durch die geistige Geburt (Wieder-Geburt) ist Erlösung möglich. Es geht darum durch Christus um die geistliche Geburt, um das sieghafte geistliche Leben, um die Geistleiblichkeit! Darum werden aus ihm „Kinder geboren wie der Tau aus der Morgenröte“. Durch das geistliche Leben, nach der Überwindung des fleischlichen Lebens wird der zweite Adam das Reich Gottes aufrichten!

Diese Aufgabe hatte der erste Adam! Reich Gottes sollte er gewinnen in der Geistleiblichkeit nach der Überwindung der Fleischlichkeit. In der Geistleiblichkeit sollte er die „Herrschaft“ (1Mo 1:28) aufrichten durch neues Geistesleben, d. h. durch Zeugung der „Kinder des Geistes“. Nicht etwa in der Fleischleiblichkeit, in die der Mensch ursprünglich wachstümlich hineingetan wurde, sollte die Vermehrung geschehen, das geschah nämlich auch gar nicht! Wachstümlich und überwindermäßig war der erste Mensch veranlagt. Erst wenn er die „Herrschaft im Fleisch“ überwunden hätte, d. h. wenn er zum vollkommenen Mannesalter herangereift wäre, zum Menschen des Geistes, dann wäre die Zeugungsfähigkeit vorhanden.

Und nun ist Folgendes zu beachten. Wo volles Leben ist, sind auch Geburten. Geistliches Leben hat geistliche Geburten. Wo Leben und Geburten sind, da sind auch die beiden Prinzipien vorhanden: männlich-weiblich. So lagen im ersten Menschen anlagemäßig beide Prinzipien, die zur Zeugungs- und Geburtengeltung kommen sollte in der Geistleiblicheit nach der Überwindung der Fleischleiblichkeit.

Weil der erste Mensch beide Prinzipien in sich hatte, ja haben musste - um zur geistlichen Lebensgewinnung und Lebensherrschaft zu gelangen -, hat Gott, den beiden Prinzipien Rechnung tragend, den Menschen mit dem „sie“ d.h. in der Mehrzahl angesprochen. Wohlgemerkt, im Blick auf das Ziel hat der Schöpfer angefangen, den Menschen in der Mehrzahl anzusprechen. Ganz deutlich wird uns das in 1Mo 1:28, wo der Mensch auf die gottgewollte Bestimmung hin in der Mehrzahl benannt wird. Wo das Männliche und Weibliche im Menschen zielgemäß und bestimmungsgemäß bewertet sind, kann, ja muss das „sie“ angewandt werden, weil es sich dann eben um den endgültigen Erfolg, um die Anwendung der beiden Prinzipien handelt. Das „sie“ für den Einheitsmenschen ist eine göttliche Bestätigung seiner geistlichen Bestimmung. So besagt die Mehrzahlform nicht die Zweiheit des Menschen im Fleisch, sondern die geistliche Bedeutung des „männlich-weiblich“ im Einheitsmenschen.

Der zweite Bericht

Der zweite Bericht zeigt an, dass es mit dem Menschen nicht auf der gottgewollten Linie blieb. Da ist auch nicht die geringste Andeutung mehr von dem „sie“. Es kann auch nicht sein, weil das ursprüngliche Ziel verrückt ist. Der Mensch hat vor sich nicht mehr „Reich Gottes“, sondern „Paradies“. Im Blick auf das „Reich Gottes“ war das „sie“ angebracht, ja notwendig, dagegen im Blick auf das Paradies nicht mehr, weil der Mensch nicht auf der letzten Überwindungsstufe stand, sondern auf der vorletzten. Im zweiten Bericht ist auch der Umstand erkenntlich, dass der Mensch bei der Schaffung des Paradieses noch in der Einheit war. Als Einheitsmensch kam er ins Paradies (1Mo 2:8).

Der Garten ist eine Bewahrungsmaßnahme, die schwere Versuchungen ahnen lässt, in denen der Mensch mehr und mehr ins Hintertreffen gerät und von Gott mit besonderer Sorgfalt bewahrt werden muss. Der Mensch bleibt aber trotz der Paradiesbewahrung auf der abschüssigen Bahn, weil Gott ihn nach den Versen 1Mo 2:16.17 unter Gebote, d. h. unter besondere Verordnungsmaßnahmen stellen muss. (Es ist bemerkenswert, dass Gott diese Gebote dem Menschen gab zu der Zeit, als er noch eine Einheit war. - Dass aber das Weib nach 1Mo 3:2-3 von diesen Geboten wusste und auch als ihr gegeben annahm, beweist die Richtigkeit unserer These - denn es darf wohl angenommen werden, dass sie, sowohl bei der Unterhaltung mit der Schlange vor dem Essen der Frucht, als auch bei der Gerichtsverhandlung Gottes nach dem Fall, ihr Nichtwissen als Entschuldigung ins Feld geführt hätte.)

Schließlich ist die Entwicklung so weit, dass Gott sich entschließt, das Weibliche aus dem Menschen neben ihn zu stellen. Der Mensch fühlt einen Mangel, weil er „allein“ ist und keine Gehilfin „um sich“ hat. Das „in sich“, das Gott für „sehr gut“, d. h. zweckmäßig (1Mo 1:31) befand, genügt ihm nicht mehr. Welche Abwärtsentwicklung!

Der dritte Bericht

Der dritte Bericht über die Schöpfung des Weibes aus dem vereinigten Menschen heraus weist auf neue Umstände hin. Ein „tiefer Schlaf“ befällt den Menschen. Das, was Gott jetzt tun muss, kann nicht mehr „mit ihm“ geschehen, sondern „ohne ihn“, ja sogar „aus ihm“, d. h. aus der Kraft der Einsheit in die Schwäche der Getrenntheit. Der Ausdruck „tiefer Schlaf“ ist besorgniserregend. Zum ersten Mal nach langer Zeit handelt Gott nicht „durch den Menschen“ sondern „ohne den Menschen“, und der Mensch ist - „abwesend“.

Nun stehen „sie“ beide da; hier ist aber ein anderes „sie“, nämlich Mann und Weib. Doch haben sie auch noch das Bewusstsein, dass sie eigentlich und grundsätzlich „ein Fleisch“ sind (1Mo 2:23). Wenn auch schon getrennt, aber doch leben sie im Einheitsbewusstsein.

Sehr beachtlich ist hier auch der Umstand, dass die Menschen, obgleich sie geschlechtlich nebeneinander standen, wer will auch feststellen wie lange, dennoch keine Kinder zeugten, weil sie zeugungsunfähig waren. Zeugen sollte der Mensch, wann denn? Im Geistleib! Gottes Absicht war ursprünglich nicht die Vermehrung ins Fleisch, sondern die Überwindung des Fleisches. - Und doch hat Gott hernach die Vermehrung im Fleisch ermöglicht, weil dadurch die Erlösung durch den zweiten Adam möglich wurde.

Beachten wir aber sehr, dass die Fleischlichkeit eine Übergangsstufe geworden ist. Die Fleischlichkeit an sich hat für das Reich gar keine Bedeutung. Bedeutung gewinnt sie nur in der Verbindung mit der Erlösung! Die Heilslinie muss hier erkannt werden. Wer sie nicht erkannt, lebt aus dem Fleisch, im Fleisch und hat zum Ziel das Fleisch.

Gesetzt IHM zum Bilde

So besagen die drei Berichte, einer deutlicher als der andere: Gott hat im Ursprung gesetzt einen Menschen, „ihm zum Bilde“, in sich tragend das „männlich-weibliche“ Prinzip, d. h. das Zeugungs- und Geburtsmäßige, damit „sie“ zur gegebenen Stunde sich vermehren und dadurch die Herrschaft gewinnen, d. h. Geistesleben bringen, und durch dasselbe das Todeswesen überwinden. Der erste Adam war in der Zielbestimmung genau das (darum „ihm zum Bilde“), was der zweite Adam wurde: Von Gott gesetzter wahrer Mensch, der da war gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn Gott erhöhet und hat ihm einen Namen gegeben, der über allen Namen ist. Der Name bedeutet nichts weniger als: Erlöser (nach Jes 9:5) „Ewig-Vater“, „der in diesem Geistesäon Kinder zeugt“ (Jak 1:18; 1Kor 4:5) und dem „Kinder geboren werden, wie der Tau aus der Morgenröte“ (Ps 110:3). Der erste Adam versagte. Sein Versagen liegt in der getrennten Geschlechtlichkeit begründet. Darum „schämte“ er sich dieses Übelstandes. Gott sei gedankt, er wusste diesen Übelstand für das Heil zu verwenden. Menschliche Verlegenheiten sind göttliche Gelegenheiten. Und nun geht es durch Christus heraus aus der Fleischlichkeit. Heraus, heraus, wer will noch hinein? Arme Menschen, die das wollen!