Ich bin nicht mehr in der Welt

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Abschrift des Buches: Das Gemeine-Gebet (Joh 17)
Pfarrer Theodor Böhmerle (1870 - 1927)

Sonderabdruck für biblische Vertiefung „Die Gemeine"
Selbstverlag von Frau Pfarrer Böhmerle, Langensteinbach

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Inhaltsverzeichnis
Kapitel vorher:

I. Eine Auslegung von Johannes 17 (Joh 17:1-3)
II. Ich habe das Werk vollendet (Joh 17:4-10)

III. Ich bin nicht mehr in der Welt

Joh 17:11
Er war noch in der Welt, als Er betete; aber Er betet prophetisch. Er wusste, über ein Kleines würden sie Ihn nicht mehr sehen. Und wenn sie Ihn über ein Kleines auch wieder sahen, das war nur zerteilt und kurz. Für den kommenden Äon gilt: „Ich bin nicht mehr in der Welt“. Die Glaubensgemeine hat den beim Vater Erhöhten. Für sie heißt es: Die ihr Ihn nicht saht und doch lieb habt. Die allernächste Zeit, vom Gebete des Herrn an, war die schwerste. Da war Sein Gottheitsbild unter dem Kreuz, Schmach und Tod verdeckt. Da war Er kraft eigener Selbsterniedrigung völlig dahingegeben. Nach der Erhöhung haben wir in der Welt den Stellvertreter, den Geist; aber Er selbst persönlich ist auch in der Gemeine-Zeit nicht in der Welt. In der Welt ist Satan. Und dieser ist mit einer neuen Macht in ihr. Er hat einen großen Zorn, weil er weiß, dass er nur wenig Zeit mehr hat. In Gethsemane und Golgatha war eine Stunde der Finsternis - da waren die Gläubigen sehr gefährdet. Nach geschehener Erlösung bäumt sich Satan nun am gewaltigsten auf und darf es und soll es - dass er offenbar werde. Er treibt alles einer weiteren, furchtbaren Stunde der Finsternis entgegen. Damit aber ist auch eine neue Todesepoche heraufgeführt, und sein Gericht nähert sich immer mehr. In dieser Zeit ist der Herr nicht in der Welt - nämlich nicht sichtbar und fassbar, nicht in äußeren Machtoffenbarungen. Da haben die Gläubigen, in denen Er verklärt ist, in tiefer Niedrigkeit ihre Kämpfe und Überwindungen. Das ist die Signatur der Gemeine-Epoche, dass wir keinen sichtbaren Heiland haben. Wer Ihn irgendwie in Kirchen und Werken will sichtbar machen, geht einen Irrweg, und wird sein Ziel nicht erreichen. Es kommt noch eine Epoche Seiner Sichtbarkeit in Seinem Königreich; darum warten wir Seiner Wiederkunft. Und es kommt zuvor noch die Stunde Seiner Sichtbarkeit bei den Seinen; darum warten wir auf Seine Gegenwärtigmachtung.

Ich bin nicht mehr in der Welt - sie werden Ihn aus der Welt schaffen, und die Jünger werden erschrecken. Und während der ganzen Zeit Seines Sitzens beim Vater ist Er nicht mehr in der Welt. Er hat keine Gestalt noch Macht, auf keinem Gebiet. Nicht in den Staaten, nicht in den Völkern, nicht im Politischen und nicht im Sozialen, nicht im Wirtschaftlichen und nicht im Kulturellen, nicht im Religiösen und nicht im Sittlichen hat Er in der Zeit der Gemeine die Macht. Andere, dem unteren, dem Ich-Prinzip entsprungene Kräfte sind da maßgebend. Wir sehen trotz jahrhundertlanger Predigt nirgends im Leben die Herrschaft Christi. Er ist nicht mehr in der Welt.

Aber sie sind in der Welt

Ja, die Gläubigen haben ihre Aufgabe, Gottes Kinder zu werden, mitten in der Welt. Überall stehen die Heiligen Gottes unter satanischen Auswirkungen. Jene Jünger in den Kreuzestagen waren wie hin und her gewirbelt; so ging die losgelassene Finsternis mit ihnen um. Wahrlich, wenn der Heiland nicht gebetet, und wenn der Vater Ihn nicht erhört hätte, so hätten sie müssen zugrunde gehen. Die Erhaltung der gläubigen Gemeine durch die Karwoche hindurch ist nicht aus natürlichen Ursachen zu verstehen, sie ist ein komplettes Erhaltunsgswunder Gottes - innerlich und äußerlich gesehen. Und die Erhaltung der Gemeine Gottes durch die Jahrhunderte, sowohl nach der Seite der Wahrheit, als nach der Seite ihrer äußere Existenz, ist ein ebensolches Wunder. alle Mächte und Kräfte in der Welt - sowohl die der geistigen Verführung, wie die der Vernichtung, sind gegen sie angestürmt. Die Gemeine hat es wahrhaftig erfahren, dass sie in der Welt ist. Sie hat es aber auch erfahren, dass ihr Herr für sie gebetet hat, und dass Ihn der Vater erhört hat. Zwei große Wunder trägt die Welt in ihrem Schoß. Einmal die Erhaltung der Gemeine und dann die Erhaltung des jüdischen Volkes. Beide mal handelt es sich um ein erwähltes Volk. Ja, wir sind in der Welt, wir wissen es wohl. Unser Leib, den wir an uns tragen, ist die nächste Welt. Und die Welt ist offenbar, kräftig und machtvoll in allen Lebenskreisen, in denen wir uns bewegen. Und in unseren Tagen, des sich ausbildenden Anti-Christentums, spüren wir es immer mehr, dass das Stehen und Kämpfen in der Welt schwerer wird. Der Heiland war auch in der Welt, Er wusste es wohl, was es für die Seinen bedeutete, in der Welt zu sein. Die Gläubigen sind Satans Entronnene, sie sucht er auf jede Art zu zerbrechen. Darum hat es auch der Sohn so herzbewegend dem Vater vorgetragen: „Und ich bin nicht mehr in der Welt, und sie sind in der Welt.“ Und hat mit herzbewegender Wucht noch hinzugefügt:

Und Ich komme zu Dir!

Ist das Freude oder Schmerz, wenn der Heiland so weiter betet? Es kommt einem vor, wie ein Aufschnaufen. Für den Sohn war es entsetzlich, in der Welt zu sein. Sündlos in der Welt sein, das ist ein für uns ganz unbegreiflicher Hochdruck von Last und Beschwerde. Und dann solch ein Ende, wie es dem Herrn jetzt bevorstand. Als Er im Geiste die Seinen in der Welt kämpfend und leidend sah, da fuhr es aus Seiner gepressten Seele heraus: „Und Ich komme zu Dir". Als Er Sein fürchterliches Ende vor Sich sah, und Sein Hinabsteigen in die Totenwelt, da rang es sich wie ein Aufschrei aus Seinem Herzen: „Und Ich komme zu Dir.“ Wahrlich, wenn Er diesen Durchblick nicht gehabt hätte, Er hätte Seinen Weg nicht vollenden können.

Und doch, war es Ihm nicht vielleicht auch schwer, dass Er zum Vater ging nach wenigen Tagen und musste die Seinen da lassen? Das ließ Ihn ganz gewiss nicht unbewegt. Das war eine Passion für Ihn. Aber er wusste, es m u s s t e so sein. Die Seinen mussten durch die Welt, wie Er selbst durch die Welt gegangen war. Er konnte und durfte sie nicht heraus wünschen, noch weniger herausnehmen. Da war es für Ihn ein leidvolles Eingehen in den Willen des Vaters „Ich komme zu Dir!“

Doch mag es Ihn auch mit Freude erfüllt haben, dass Er von dort aus, wenn Er beim Vater ist, doch durch den Heiligen Geist den Seinen einwohnen, und sie zu Überwindern machen darf.

Das ist auch unser starker Trost, die wir noch in der Welt sind: wir kommen zu Dir. Zu allem, was wir erfahren und durchmachen in dieser Welt, dürfen wir sagen: Es ist doch nur ein Weg. Wir können mit dem Dichter sprechen:

Und ist der Weg auch dunkel
Der heim mich führen soll...
Den Führer kenn’ ich wohl!

Und dieser Führer ist auch unser Ziel. Der Weg kürzt immer ab, - und an seinem Ende steht: „Ich komme zu Dir!“

Wenn der Heiland zum Vater kommt, wird Er doch nicht zu einem Vater kommen, der Ihm die Seinen inzwischen hat verderben lassen. Das ist ganz ausgeschlossen. Wenn Er zum Vater kommt, wird Ihm der Vater die Seinen bewahrt übergeben. Das ist Seine unumstößliche Zuversicht. Wenn Sie wieder beisammen sind, Vater und Sohn - dann werden Sie sich miteinander der bewahrten Gläubigen freuen. Darauf freut sich der Sohn jetzt schon - darum sagt Er zum Vater, wie wenn Er bitten wollte: Du wirst Mir doch eine freudige Heimkehr schenken: „Und Ich komme zu Dir.“

Heiliger V a t e r

so redet der Herr von neuem den Vater an. Die Bitte kommt, die Er für die Seinen hat; daher die neue Anrede. Wir reden in jedem Gebet den Herrn mehrmals an. Die Anreden sind die Abschnitte, wo der Geist ausschnauft. Die Anreden bringen ein neues Eindringen in Gott. Die Anreden wollen Gott erwecken, doch ja Seine Ohren, Sein Herz herzuneigen. Kein Kind redet die Mutter bei einer richtigen Bitte nur einmal an. Und es häuft die Worte bei der Anrede. Auch der Herr sagt hier nicht nur „Vater“, sondern „heiliger Vater!“

Je nachdem das Anliegen, je nachdem auch die Anrede. Ein geistgeborener Mensch betet in der Zucht des Geistes. Man hat bei manchen Betenden oft den Eindruck einer sinnlosen Verschwendung der Anreden, und einer ungeistlichen Anwendung der Anreden. Je gereifter und klarer ein Geist in Gottes Geist ist, unterscheidet er auch die Anreden. Er redet den Vater oder den Sohn an, einen jeden, wie es Ihm gebührt. Er redet auch Gott an, wo die ewige Majestät und Gottheit in Betracht kommt. Auch die Beiworte sind je nach dem Verlangen. Bald braucht man den Allmächtigen, bald den Allwissenden, bald den Heiligen, bald den Gnädigen. In der Schrift ist die Zucht des Geistes hierin groß. Nichts ist da bei den Anreden der Gebete willkürlich. Wir sollen uns nun durch solche Erkenntnis nicht in ein gemachtes oder manieriertes Beten treiben lassen. Nicht auf Stelzen soll unser Gebet einhergehen. Immer natürlich, immer kindlich, immer lebensmäßig soll es sein. Aber wir sollen wachsen in der inneren Zucht des Geistes, dann wird auch unser Anreden im Gebet von dieser Zucht Zeugnis ablegen. Ein erzogenes Kind wird seine Mutter, wenn es mehrmals zu bitten hat, stets anders anreden als ein unerzogenes.

Heiliger V a t e r
sagt der Herr. Es handelt sich um den Schluss der Apostel in der Zeit, da der Sohn durch Tod, Grab und Hölle geht. Satan ist entfesselt in den Kreuzesstunden Jesu, da Er sich freiwillig in desselben Hände liefert. Vor Satans Gewalt soll der Vater die Schutzlosen bewahren. Haben sie den Sohn nicht mehr bei sich, dann haben sie gegen den Satan keine Deckung. Der Heilige Geist war ja noch nicht da. Erst nach der Erhöhung des Herrn kann dieser sein heiliges Schutzamt ausüben. So muss jetzt in den Stunden der Ausschaltung des Sohnes der Vater eintreten. Und da betet der Sohn: „Heiliger Vater“. Heiliger Vater, d. h. Vater der Überwindung über alles Finsterniswesen. Wir haben schon oft gesagt, dass der Begriff „heilig“ in der Schrift ein Sieges- und Überwindungsbegriff ist. Er bedeutet das allen Tod überwindende Leben, das alle Finsternis überwindende Licht. Darum ist nun Gott, darum ist der Vater heilig, weil Sein Wesen lauter Lebens-, Lichtes-, Liebes-Überwindung ist. Darum ist auch der Sohn heilig, weil Er der große Sieger ist des Lebens über den Tod. Darum sind die Gläubigen heilig, weil in ihnen das sieghafte Leben Jesu im Heiligen Geist einen Anfang genommen hat. Wenn nun der Herr betet: „Heiliger Vater“, so will Er sagen: „Du großer Überwinder, in dem lauter Lichtessieg ist, schütze in dieser Deiner Macht die verlassene Jüngerschar. Hilf ihr in den finstern Satanszeiten, die jetzt kommen, zum Durchsiegen.“ Das hat der Vater getan. Er hat die Elenden überwindend durchgetragen, wie es bis heute bei der Gemeine allezeit geschieht in der Kraft des Heiligen Geistes, in welchem Christus die Seinen wieder selber schützt. Um diesen überwindenden Schutz bittet der Herr:

Erhalte sie in Deinem Namen

Erhalte sie in Deinem Namen, die Du Mir gegeben hast.
In Seinem Namen soll Er sie erhalten. Er soll sie also tragen und stützen innerlich, dass ihnen der Vater und der Sohn nicht verloren gehen. Die Jünger haben in das Geheimnis hineingeblickt, dass der Vater den Sohn zur Hinausführung Seines Rates auf die Erde geschickt hat. Die Jünger haben die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit gesehen. Dass dieser Glaubensblick und Glaubensstand ihnen nicht verloren gehe, solange Satan den Sohn unter Kreuz und Tod haben durfte, um das betet der Herr. Die Elfe und die Übrigen, die Jesu gegeben waren, sollten den Glauben an Sohn und Vater durchtragen durch die Tage des über den Sohn ergehenden Gerichts. Den natürlichen Menschen, welche dem Herrn nicht gegeben waren, ging über diese Zeit der Blick in Seine Sohnschaft, in Sein wahrhaftiges Messiastum verloren, so sehr sie vielleicht vorher begeistert waren. Sie hielten Ihn jetzt für einen Verführer und Betrüger. Davor sollte der Vater die Jünger bewahren. Darum die Bitte:

Erhalte sie in Deinem Namen, die Du Mir gegeben hast.
Das ist eine selige Bewahrung, welche jetzt durch den erhöhten Herrn in der Kraft des Geistes geschieht, dass die Kinder Gottes in allen satanischen Heimsuchungen, Anfechtungen und Kämpfen den Glaubensblick in dem Sohn, und in dem Vater behalten dürfen. Kindern Gottes kann alles entschwinden; der Sohn und der Vater bleiben. In Ihnen dringen sie durch und stehen sie wieder auf. Deswegen sagt der Heiland: „Erhalte sie in Deinem Namen, die D u Mir g e g e b e n hast.“ Alles, was nicht aus Gott ist, verliert in schweren Kämpfen und Nöten den Vater- und den Sohnesblick. Sie erschrecken vor den anstürmenden, feindlichen Gewalten, der Vater und der Sohn werden ihnen verdeckt. Sie zweifeln, ob Gott Gott ist, ob der Sohn Sohn ist. Sie zweifeln, ob Vater und Sohn f ü r s i e sind. Unter den Feuerflammen des Gerichtes ruft der Sohn noch: „M e i n Gott, M e i n Gott.“ Und Er rief es, wiewohl Er in der Gottverlassenheit stand. „Vater“, bricht es auch am Kreuze immer wieder durch. Die Kinder können geschlagen und zerschlagen, ganz gedemütigt und gebeugt sein, sie können vor die Tür gestellt worden sein vom Vater - aber sie wissen, dass drinnen der Vater ist. Der verlorene Sohn bei den Säuen hat gesagt: Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: „V a t e r“. Das konnte ihm niemand rauben, dass er der Sohn seines Vaters, und dass der Vater des Sohnes Vater war. Dem Gerechten muss das Licht immer wieder aufgehen, und Freude sein den frommen Herzen, so hat es schon unter dem Gesetz geheißen. Unter der Gnade bleiben viel mehr bei allen Kämpfen Vater und Sohn. Die „Gegebenen“, die „Geborenen“ sind auch stets die Bewahrten. Und darin sind sie bewahrt, dass sie einen Heiland haben, und im Heiland den Vater. Hier ist wieder ein großer Unterschied zwischen Erweckten, Erleuchteten und Bekehrten einerseits und zwischen Kindern Gottes andererseits. In den ersten Ständen können in schweren und satanischen Läufen Vater und Sohn verloren gehen; einem Kinde geht das nicht verloren, da müsste ihm ja die Kindschaft verlorenen gehen. Einem Knechte kann die Gnaden- und Liebes-Gesinnung seines Herrn unter Umständen ganz entschwinden. Das aus Vater und Mutter gezeugte und geborene Leben hat Vater und Mutter in ihrem Grund-Liebes-Sinn wesentlich.

So tritt der Herr für die Seinen ein, die der Vater Ihm gegeben hat, dass der Vater sie bewahre in Seinem Namen. Warum ist der Heiland nicht auch für die andern eingetreten? Hätte Er nicht auch beten können, bewahre das ganze Volk, dass es Meinem und Deinem Namen gläubig bleibt über Gethsemane und Golgatha hinaus? Nein, so hätte der Herr nicht beten können. Wo nichts ist, kann man auch nichts bewahren. Bei den dem Herrn Gegebenen war doch der Zug des Vaters zum Sohne da in Buße und Glauben, wenn auch der eigentliche Wiedergeburtsgeist noch nicht wirksam war. Dieses keimartig sprossende Leben, das konnte behütet werden. Die Ihn nicht innerlich wahrhaftig angenommen hatten, was auf jener Stufe anzunehmen war, die konnten auch nicht bewahrt werden. Wo nichts Köstliches zu schützen ist, braucht man keinen Wächter.

So konnte der Heiland nur beten für die, welche Ihm gegeben waren. Und das war des Herrn Flehen und Beten, dass sie in des Vaters Namen bewahrt würden - also eben in der heilsamen, seligen Erkenntnis des Vaters und des Sohnes. Er hat um nichts Äußeres gebetet. Er hat nicht die Angst und nicht die Furcht, Er hat nicht ihr Zerstreutwerden und ihr in Todestiefen Versenktwerden weggebetet. Das hat Er ihnen alles gelassen, das brauchten sie. Nur dass sie Ihn und den Vater nicht verloren. Christum haben, heißt in den schwersten Gängen alles haben. Wem der Sohn und der Vater bleiben, der ist geborgen. Wo die inneren Kräfte nicht versagen, da ist Zerbruch unmöglich. Das innere Gottwesen trägt durch und bricht immer wieder durch alles hindurch. Bleiben sie nun im Vaternamen und im Sohnesnamen, dann ging es auch weiter. Wenn Gott uns alles gäbe - aber Seinen Sohn uns nicht offenbarte, dann hätten wir nichts. Wenn Gott uns alles nähme, aber den Glauben an den Sohn, und in Ihm an Ihn, den Vater, ließe, dann gingen wir nicht unter. Es führte durch zum Segen.

Darum betet der Herr, der Vater möge die Jünger in Seinem Namen erhalten:

Dass sie E i n s seien, wie Wir

Das geht nun gewiss nicht auf irgend eine äußere Einheit der Gemeine Gottes. Das geht nicht auf eine Lehreinheit oder Verfassungseinheit oder Verbandseinheit. Das geht auch nicht auf das, was wir Allianz nennen, was ja im Grund gesehen nichts anderes ist als eine vereinigte Bibelsunde, welche durchaus nicht garantiert, dass alle Versammelten innerlich eins sind. Wir müssen bei der Gemeine auf äußere Einheit, und auf irgendwelche Darstellung einer äußeren Einheit, vor der Ankunft und vor dem Offenbarwerden des Herrn endgültig und völlig verzichten. Der Heiland betet, der Vater möchte die Ihm Gegebenen so bewahren, dass sie „Eins seien, g l e i c h w i e W i r“ Ja, wie sind denn Vater und Sohn in jenen Stunden E i n s gewesen? Da hat der Sohn in den tiefsten Verleugnungs- und Kreuzeswegen am Willen des Vaters, in einfältigem Sohnesgehorsam, festgehalten. Der Teufel wollte den Willen des Vaters und des Sohnes spalten in Gethsemane. Es ist ihm aber nicht gelungen. Der Sohn ist mit dem Vater in Willenseinheit geblieben. Er hat fest geglaubt, dass der Heilsweg und der Herrlichkeitsweg der Offenbarung für Ihn, den Sohn, durch diese Tiefen ging - und darum ist Er in Sohneseinheit mit dem Vater hindurchgedrungen.

Dass sie E i n s seien, gleich wie Wir
d. h. dass sie hängen blieben am Vater und Sohn - und fest glaubten, dass des Vaters Heils- und Liebesweg durch diese Tiefen gehen musste, auch wenn sie es noch nicht verstanden. Das will der Heiland, dass die Glaubenseinheit und Gehorsamseinheit mit dem Vater aufrecht bleibe. Ein Festhalten, ein Hangenbleiben, ein Einsbleiben mit Ihm und dem Vater soll erhalten werden. Vor Losreißen, vor Wegwerfen, vor Von-Ihm-Gehen sollen sie bewahrt bleiben. Das ist die Einheit, welche der Herr wünscht, dass wir in allen, auch den uns für den Augenblick befremdlichsten Wegen, den Willen des Vaters, den rechten, den heiligen, den Liebeswillen verehren und annehmen. Sind die Jünger darin Eins, dann sind sie auch in Wirklichkeit Eins. Verloren die Jünger in damaler Stunde den Vater nicht, blieben sie in Seinem Willen und Weg als einem guten bewahrt, dann verloren sie auch einander nicht, dann kommen sie nach aller Zerstreuung wieder zusammen. Die Gemeine i s t eine Einheit in Christo, und sie w i r d eine. Und die Einheitsmenschen, welche sich durch nichts vom Vater und Sohn trennen lassen, welche eins bleiben im Glauben, wie der Sohn mit dem Vater, die finden sich überall, wo sie sich treffen, und sind Eins. Ja, wenn sie sich nie sehen hienieden, sind sie doch Eins - im Vater und im Sohn.

In dieser inneren Einheit hat sie bis in Seine Leidenstage hinein der Sohn selbst erhalten:

Dieweil Ich mit ihnen war, bewahrte Ich sie

Joh 17:12
Dieweil Ich mit ihnen war, bewahrte Ich sie in Deinem Namen, die Du Mir gegeben hast
Der Heiland war der lebendige Einheitspunkt der Jünger. In Ihm waren sie zusammengehalten. In Ihm sahen sie die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes; darum sahen sie auch den Vater. So anfänglich, samenmäßig alles noch war, aber Vater und Sohn hatten sie doch. Als Petrus bekennt: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“, da sagt der Heiland: „Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern Mein Vater im Himmel.“ So standen sie, wie schwach auch noch, im Vater- und Sohnes-Namen. „Unser Vater in den Himmeln“ konnten sie alle beten, wenn auch mit geringem Verständnis. Und in diesem Glaubensstand des Sohnes und des Vaters hat sie der Herr bewahrt, als Er mit ihnen war. Mochte es auf und ab gehen in ihrem Glaubensleben, in diesen Vorzeiten der Erweckung, in welchen die Jünger lebten, der Herr erhielt sie immer wieder bei Sich und damit beim Vater. Natürlich konnte Er dieses bewahrende Amt nur üben bei denen „Die D u Mir g e g e b e n hast."

Der Vater- und Sohneszug musste im Herzen sein. Die Ewigkeit und der Ewigkeitshunger mussten erwacht sein. Heilsverlangen musste erweckt sein. Messiassehnsucht musste die Herzen erfüllen. Dann konnte der Vater zum Sohne ziehen, und der Sohn konnte Seine Herrlichkeit offenbaren. Wahrheitsleute mussten sie sein, welche gegen den inneren, göttlichen Naturgrund wahrhaftig waren. Leute mussten sie sein, in welchen das Schuldbewusstsein erwacht und innerlich anerkannt war. Solche Leute aus der Wahrheit hörten des Sohnes Stimme als die Wahrheit. Diese Gegebenen, die hat der Herr bewahrt, solange Er mit ihnen war. Die hat Er in Eines gebracht durch Sich selbst. Und die hat Er auch beschützt.

Und Ich habe sie beschützt

Satan suchte, wie den Herrn selbst, so diese Schar zu sichten und zu vernichten. Solange der Herr bei ihnen war, gelang dies nicht. Der Herr ist Sieger über Satans Macht und List. Am Herrn hat Satan den überlegenen Partner. Wo der Herr Seine Hand schützend hält, kann der Feind versuchen, anfechten, zu Fall bringen, aber nicht vernichten. Die Pforten der Hölle haben an der kleinen Herde keine Macht. Schon v o r Golgatha und Ostern hat der Herr die Seinen beschützt. Wieviel mehr wird Er es jetzt Seinen geborenen Kindern tun. Niemand wird sie Ihm aus Seiner Hand reißen. Gottes Kinder sind um und um und für und für beschützt. Mag der Feind wüten, mag er Kreuz und Leiden schaffen, mag er Anfechtungen, ja Sündenfälle hervorbringen, töten kann er ein Gotteskind nicht. Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein? Wer will beschuldigen, wer will verdammen? Wer will umbringen? In dem allem überwinden wir weit um dessen willen, der uns geliebt hat. Diesen Schutz übt der Herr jetzt durch den Heiligen Geist aus. Damals nun, als der Herr sich frei dem Tode übergab, und als der Heilige Geist noch nicht gegeben werden konnte, da musste der Vater einspringen und diesen Schutz ausüben. Und der Vater hat’s getan. Es ist nicht nur zu des Heilands Lebzeiten, sondern auch in der Zeit des Leidens und Sterbens des Heilandes keiner ins Verderben hineingerissen worden, außer der Sohn des Verderbens, auf dass die Schrift erfüllet würde.

Und keiner aus ihnen verdarb

Und keiner aus ihnen verdarb, als der Sohn des Verderbens, auf dass die Schrift erfüllet würde
Hier stehen wir vor einem der wunderbarsten Verse aus unserem Gemeine-Gebet. Der Herr erwähnt in dieser letzten, gewaltigen Fürbitte auch Judas.

Was ist mit J u d a s ?

Er nennt ihn zunächst „ S o h n des V e r d e r b e n s“. Das können wir nicht als Ziel seines Weges ansehen. Es soll wohl nicht heißen, dass er der Sohn sei, welchen das Verderben verschlungen habe. Es scheint uns vielmehr, dass ein Sohn des Verderbens der sei, welcher aus dem Verderben heraus geboren ist. Das Judas-Wesen wurzelte im satanischen Prinzip, im Ich-Prinzip, und das wuchs in ihm aus unter dem Einfluss Jesu. Judas hatte das seinem Volke verheißene Heil mit seinem großen, starken Ich-Wesen erfasst. Er erwartet von der Heraufführung des messianischen Reiches für sich Gewaltiges. Ganz besonders waren seine Hoffnungen auf dem Gebiet des irdischen Besitzes, des Reichwerdens, gerichtet. Judas muss ein über alle Maßen starker Ich-Charakter gewesen sein. Er muss durchdrungen gewesen sein vom Geiste des Reichwerden-Wollens. Er war eine wirkliche, wahrhaftige Persönlichkeit, ein von seinem Geisteswesen völlig Durchdrungener. Sonst hätte er nicht in dreijähriger Gemeinschaft mit dem Heiland sein Eigenwesen durchsetzen und aufrecht erhalten können. Sonst hätte er nicht im ganzen Jüngerkreis allein und für sich stehen bleiben können. Das ist ein Gewaltiger im Geiste. Uns scheint, er mochte wohl nach der Natur der Riesigste unter den Zwölfen gewesen sein. Er wurzelte und blieb in Ehrsucht und Habsucht, welche beide durch die Verquickung mit der messianischen Hoffnung einen religiösen Charakter gewonnen hatten.

Wenn das Ich-Wesen und wenn die Ich-Sünden religiös werden, dann werden sie am zähesten, dann sind sie im Innersten des Menschen verankert. Dann täuscht sich auch der Mensch am meisten über sich selbst. Dann hat all sein Ich-Wesen frommen Charakter. Ja, das war eine Einheitspersönlichkeit auf dem satanischen Boden. Er hatte geistglühenden Messiasglauben und kalte Habsucht in einem. Und sein ganzes Hoffnungsbild vom Messias und vom Messiasreich war nach diesem seinem Wesen eingestellt. Darin wankte und wich er nicht. Darin ließ er sich auch vom Herrn nicht zerbrechen; lieber zerbrach er selbst. Dann blieb er doch - er selbst. In diesem wurzelmäßigen Ich-Wesen, das in der Wurzel der Sünde, der Habsucht ankerte, stand sein Wesen. Er war einer der g a n z e n Ich-Charaktere. Darum war er ein Kind des Verderbens, auch zum Verderben geboren. Deshalb ist er auch zu vergleichen mit dem Antichristen. Dieser heißt 2Thes 2 auch „Sohn des Verderbens“. Im Antichristen ist ja das Ich-Wesen bis zum Höhepunkt gesteigert. Er macht sich selbst zu Gott. Auf diesem Wege zum Antichristen war Judas eine Etappen-Figur. Er machte sich aber nicht selbst zu Gott, soweit ging er noch nicht. Er anerkannte noch den Messiaskönig. Aber dieser musste sich ganz nach ihm gestalten; er ließ sich nicht vom Messias umgestalten. Als nun der Her sich nicht nach seinem Wollen gestaltete, entstand der Konflikt.

Diesen aus dem Ich-Wesen stammenden Menschen erwählte der Herr. Er wusste schon bei seiner Erwählung, was in ihm war. Der Herr wusste, dass Sein eigener Tod in Judas beschlossen war. Der Herr erwählte Judas im Gehorsam dem Vater und dem, in der Heiligen Schrift niedergelegten, Willen des Vaters gegenüber. Die Wahl des Judas vonseiten des Herrn war der Entschluss zum Sterben. Darum betet der Herr in unserem Gemeine-Gebet, dass die Schrift erfüllet würde. Der Herr wollte sterben, dazu war Er Mensch geworden, dazu erwählte Er Judas.

So erwählen auch Kinder Gottes in Christo je und je solche ihnen vorgelegten Wegen frei, von denen sie wissen, dass sie ihnen viel Kreuz bringen. Sie könnten nach dem Fleisch ausweichen, aber, haben sie des Herrn Weg erkannt, so wollen sie nicht ausweichen, sondern erwählen das Kreuzesteil zum Wachstum im geistlichen Leben.

Dieses Kind des Verderbens nun - den Judas - konnte der Herr nicht schützen und bewahren vor Satan, weil er nicht beschützt und bewahrt sein wollte. Was nicht will, kann der Herr nicht retten. Darum gewann Satan in Judas je länger, je mehr Einfluss - und schließlich heißt es von ihm: „Der Satan für in ihm“ (Joh 13:27). Diesen Judas hat der Herr verloren, und Judas ging verloren. Verlorengehen heißt: in die satanischen Gericht fallen. In dem Begriff „verlorengehen“ liegt keine Zeitbestimmung, welche die meisten in ihn hineinlegen. Gerade so liegt auch in dem Begriff „ewiges Leben“ keine Zeitbestimmung. Beides sind A r t b e g r i f f e. Ewiges Leben ist das von Gott ausgehende Leben. Ewigkeit ist seine göttliche Art. Ewiges Leben geht nicht von der Kreatur aus, nicht vom Ich-Menschen, nicht vom Satan, nur von Gott. So ist auch die ewige Pein - keine Zeitbestimmung. Die ewige Pein ist vielmehr die von Gott ausgehende, von Seinem Mund ausgesprochene Pein. So bedeutet auch die V e r l o r e n h e i t nichts U n e n d l i c h e s. Verlorenheit ist vielmehr das aus dem Finsterniswesen in Gerichten hervorquillende Verderben. Der Begriff kann sehr verschiedene Stufen dieses Verderbens zeichnen, und bezeichnet auch in der Bibel verschiedene Verderbensstufen.

Er kann rein diesseitige Verderbens-Stufen bezeichnen, aber auch vom Angesicht Gottes ausgehende Gerichte; dann ist es ewiges Verderben. In unserem Vers ist jedenfalls beides zusammen, nämlich dass Judas in dieser Welt und in der kommenden im satanischen Verderbensbereich war und ist. Ob dies Verderben in Christo nicht auch noch ein Ende findet? Unsere Stelle enthält nichts dem Widersprechendes. Im Gegenteil, es ist doch sehr bedeutsam, dass der Herr gerade auch in Seinem Gemeine-Gebet des Judas gedenkt. Er muss freilich so an ihn gedenken, wie es nach der Wahrheit ist. Judas ist im Verderbenszustand. Aber Jesus hat ihn doch noch in Seinem erbarmenden Herzen. Und wenn nach den klaren Gemeine-Schriften der Rat Gottes noch ganz hinausgeführt wird, so ist Judas auch dabei, wenn auch durch schwere Gerichte hindurch. Der Herr aber hat ihn erwählt, dass die Schrift erfüllet würde. Der Herr war schriftgehorsam, ob dieser Gehorsam Im Leid oder Freud brachte. So soll es auch bei den Gläubigen sein. Wir wollen in den Wegen der Schrift gehen, ob ihre Wahrheiten in der Praxis uns Kreuz oder Trost, ob sie uns Ehre oder Schande bringen. Endlich bringen sie alle Herrlichkeit.

Den Sohn der Verlorenheit hat der Herr nicht schützen können. Hier im Ich-Wesen hat der Herr insofern eine Schranke, als Sein Wirken ihm gegenüber zunächst kein heilsmäßiges sein kann, sondern ein gerichtliches ist. Gewirkt hat der Herr auch an Judas. Dieser ist an Ihm, in seinem Ich-Wesen ausgereift, ins Verderben gesunken. Hier im Verderben wird auch ein Judas zugerichtet zum Zerbruch - und dann wird der Herr auch heilsmäßig an ihm wirken können. Das geht natürlich durch Äonen. Aber des Judas Verhalten nach dem Verrat lässt doch auf Zerbruch hoffen. Ja, der Gottlosen Wesen steigert sich erst am Herrn, da kann Er nicht direkt heilsmäßig wirken. Da kommen erst die gerichtlichen Läufe. So ist es auch mit den großen Volksmassen unserer Tage. Sie entfalten unter dem ihnen verkündigten Evangelium das Antichristentum und rennen in demselben ins Verderben. Dann werden sie in größtem Maße, wenn auch noch nicht voll und ganz, heilsreif.

Die Schrift-Erfüllung schwebt dem Herrn im Gedenken an Judas vor. Ja, im Schriftgehorsam ging Er jetzt nach Gethsemane, und durch Gethsemane hindurch. Die Schrift war am Kreuze noch Sein Halt. Schriftworte sind die meisten Seiner Worte am Kreuz. Schriftgemäßer Kreuzesgang ist, im Innersten bei allem Weh, Seligkeit. So wird auch am Kreuze der Gemeine die Schrift erfüllt. Darum lassen wir uns nicht befremden durch dieses Kreuz. Der Heiland sieht dies schriftgemäße und damit heilsratsmäßige Kreuz immer nur als Durchgang in unserem Gebet. Das ist der Siegescharakter dieses Gebetes, dass es überall über das Kreuz hinaus in die Herrlichkeit sieht. Der Heiland hat in Gethsemane auch noch einmal tief, tief ins Kreuz und in den Tod selbst hineinblicken müssen, aber hier im Gemeine-Gebet hat Er überall die Gnade, durchs Kreuz hindurch, in die Herrlichkeit danach zu blicken. Das gibt der Herr auch uns, den Seinen. Wir dürfen auch oft und viel durch’s Kreuz hindurch in die daraus und danach kommende Herrlichkeit sehen. Das hebt und trägt. Wir wollen solche Gnaden festhalten. Gleich nach dem Judasblick, nach diesem Blick ins Verderben, schaut er wieder hinaus.

Nun aber komme Ich zu D i r

Joh 17:13
Das erfüllt Sein ganzes Herz. O, große Liebe zwischen Vater und Sohn! Zu Dir, zu Dir, so klingt es im Herzen des Sohnes. Ich komme zu Dir. Dass wir doch davon auch etwas hätten. Schon hienieden dürfte Kinder Gottes oft noch viel größere Freude erfüllen, dass sie zum Vater und zum Sohne kommen dürfen. O, des eröffneten Zugangs! O, der erlaubten Gemeinschaft im Geiste! Es ist eine Freude über alle Freude für arme Sünder, Gott begegnen zu dürfen in Christo. Wir sind oft so abgestumpft. Mehr lebendige Freude im Geiste dürfte unser Teil sein.

I c h komme zu D i r
Sein Hinkommen hat unser Hinkommen ermöglicht. Der Erhöhte ist der Geistesspender. Bei uns heißt es noch tiefer: „Du kommst zu mir.“ Wir kommen ja weniger zum Herrn, als der Herr zu uns kommt. In Seiner Menschwerdung ist Er zu uns gekommen. In Seinem Todes- und Höllenweg ist Er zu uns herabgestiegen. Im Heiligen Geist kommt Er zu uns ins Herz. Und unser Warten geht auf Seine Wiederkunft. Er ging hin. Ja freilich, Er der Sohn, nach vollbrachter Erlösung, Er konnte hingehen. Wir Armen, wir brauchen immer den Herkommenden. Aber wir lernen doch auch das Hingehen. Wir gehen zum Wort, wir gehen ins Gebet, wir gehen in die Gemeinschaft, wir gehen zum Sakrament. Er hat’s in uns geschaffen, dass wir gehen, dass wir gerne gehen, dass wir freudig gehen. Wir bringen Ihm, was Er uns Selbst gegeben - nämlich Geist und Kraft und Licht der Ewigkeit, wenn wir zu Ihm sagen:0 „Nun aber komme ich zu Dir."

Und dieses rede Ich in der Welt

Im Geiste ist der Heiland im Gemeine-Gebet schon über der Welt und außerhalb der Welt. Er ist beim Vater. Er ist in der Herrlichkeit. Sein „In-der-Welt-Sein“ steht v o r dem Abschluss, und hier im Gemeine-Gebet hat Er schon abgeschlossen. Zwar macht über ein Kleines die Welt ihre Ansprüche nochmals an Ihn geltend. Das Fleisch wird schwach; Er sinkt zitternd und zagend zu Boden. Aber im Gemeine-Gebet ist der Herr aufrecht; da ragen Herz und Haupt ins Himmlische hinein, und eine tiefe Freudigkeit, bald beim Vater zu sein, erfüllt das Sohnes-Herz. „Ich komme zu Dir“, so hat es vor unsern obigen Worten geheißen, und in diesem „Ich-komme-zu-Dir“ lag die ganze Seligkeit der Sohnesfreude am Vater. Je mehr Er aber schon drüben lebt, umso tiefer wird der Gegensatz der umgebenden Wirklichkeit und Welt. War Er geistlich im Himmel - da wo Seine Füße standen, da war die Hölle. Schon umschwebten Ihn höllische Geister in falschem Triumph, auf Sieg hoffend. Er stand in einer Stunde der Finsternis. Die Welt - der Kosmos - offenbarte den ganzen, einwohnenden satanischen Charakter. Und Seine Jünger standen da mit drin. Für sie zitterte Sein Herz. Für sie redet er diese Gebetsworte in der Welt. Für sie betet Er laut - ja Er betet laut für den ganzen Kosmos. Der Fürst dieser Welt soll es laut hören in dieser ihm noch gehörenden Welt, dass ein Neues anhob, er soll es laut hören, wie der Sohn die Seinen auch durch die Stunde der Finsternis hindurch schützt und bewahrt im Vater.

Und dieses rede Ich in der Welt
Das Gemeine-Gebet ist Fürbitte-Gebet durch und durch. Auch Seinen innersten Herzensstand, Sein geheimstes Verhältnis zum Vater, offenbart der Herr hier für die Jünger. Es geht eine heilige, große Liebe durch dieses Gebet. Es ist in ihm eine Herzens-Liebes-Offenbarung. Er gibt Sich betend hin für die Jünger. “In der Welt“, das ist der Stand der Jünger. Mit unterworfen sind sie der Stunde der Finsternis. Nie war der Kosmos mehr Kosmos, als in dieser Stunde vor Gethsemane und in Gethsemane. Da trat sein Satans und Todes-Charakter in ganzer Fülle heraus. Und in dieser Kosmosstunde standen die Jünger mit drin. Darum legt nun auch der Herr Sich hinein. „Und Ich rede dieses in der Welt.“ Mitten in der Finsternisoffenbarung steht der Sohn der Ewigkeiten, steht der Wahrhaftige und Ewige und betet. Und Er betet, wie nie gebetet worden ist. Das Licht erscheint in wunderbarer Herrlichkeit in der Finsternis. „Und die Finsternis hat es nicht a u f g e h a l t e n.“ (So übersetzen wir Joh 1:5) Als der Teufel auf's Gewaltigste Macht und Todesgewalt offenbart, steht auf dem Boden seiner Finsterniswelt der Lichtesbeter. „Ich rede solches in der Welt.“

Und Sein Gebet und Seine Fürbitte hat eine heilig großes Liebesabsicht. „Ich rede solches in der Welt“,

...damit, oder auf dass...
Klaren Zweck und Ziel verfolgt Er mit Seinem Gebet. Alles Göttliche ist bewusst bezweckt. Nichts ist zwecklos oder ziellos beim ewigen Gott, darum auch nicht bei dem Sohn. Ja, alles dient dem einen, großen Zweck der Herausführung des Liebesrates Gottes. Dieser Grundzweck gibt Allem in Licht und Finsternis die Grundrichtung. Auch das Gemeine-Gebet ist diesem Grundzweck dienstbar. Der göttliche Grundzweck verläuft natürlich in unendlich vielen Einzelzwecken. So haben wir auch im Gemeine-Gebet im großen Grundzweck die Einzelzwecke. Ein Geschöpf mit Selbstbewusstsein soll nichts zweck- und ziellos tun. Die Sünde, das leere, törichte Ich-Leben, hat viel Zweck- und Ziellosigkeit in die Welt gebracht. Gotteskinder sind wieder Zweck- und Zielgesetzte. Darum heißt es für sie: Lasset euch durch nichts und niemanden das Ziel verrücken! Gottes Kinder haben in Christo Jesu ein vorgestecktes Ziel. Auf dieses sind sie eingestellt. Ihr Alles wird je länger je mehr zielmäßig. Auch alle Gebete sind diesem Ziel dienstbar, ob sie uns selbst, ob sie andere betreffen, sie haben ihre Zielabsicht. Zweckloses und zielloses Gebet ist Sünde. Es gibt viel solches. Das ist ein Jammer. Kinder der Wahrheit haben bei jedem Gebet einen ganz bestimmten Zweck, ein Ziel. Auch dies, ob wir laut vor anderen oder leise für uns beten, hat Zweck und Ziel. Gewiss hat der Heiland aus innerstem Geistes- und Lebenstrieb gebetet. Das schließt aber den Zweck und die Absicht nicht aus, sondern ein. Das göttliche Leben, das Geistesleben ist eben immer zweckvoll und und zielvoll, und so ist überall, wo es wirkt, auch ein Zweck und Ziel gesetzt. Der Heiland redet solches in der Welt: „Damit“. Solche Zweck- und Zielsetzung macht das Gebet nicht etwa kalt oder berechnend. Die göttlichen Ziele und Zwecke sind lauter Liebeszwecke. Und die Liebeszwecke füllen das ganze Herz und kommen aus vollem Herzen. Nur „Ich-Zwecke“ sind kalt; göttliche Lebenszwecke sind wie die Sonne, deren Strahlen wärmen und erwecken. So wollen auch wir im Geiste beten und immer besser beten lernen das „damit“ oder „auf dass“. Die besondere Absicht des Heilands-Gebetes war nun die:

Dass Meine Freude gefüllt in ihnen sei

Wir haben schon mehrmals erwähnt, dass das Gemeine-Gebet Ausfluss allerhöchster Freudigkeit sei. Es ist ein Überwinder- und Siegesgebet. Dem Herrn liegen hier Kreuz, Grab und Tod unter den Füßen. Er schreitet einher in den Höhen der oberen Heimat. Eine tiefe Sohnesfreude am Vater bricht auf Schritt und Tritt durch. Eine tiefe Freude, hineinzukommen in Kürze; eine tiefe Freude, die Herrlichkeit wieder zu haben, die vor Grundlegung der Welten der Vater gab. Mit innerem Freudenblick sieht der Herr nicht nur die Seinen vom Vater bewahrt; nein - Er sieht den ganzen Gang der Gemeinde; ja sieht sogar schon die W e l t glauben an Ihn, den gesandten Sohn (Joh 17:23). Mit tiefer, seliger Freude sieht Er das innerste Ratsgeheimnis Gottes durchgeführt, dass eine Gemeine in Ihm Eins sei, wie Er im Vater und dem Vater in Ihm. All diese Freude wohnt im Herzen des Herrn und durchwogt das ganze Gebet. Die Elfe, welche den Herrn bei diesem Gebet umringten, mussten einen gewaltigen Freundeneindruck an der Person des Herrn, und vom Wort des Herrn empfangen haben. Solche tiefe, selige, heilige Geistesfreude ergreift und erfasst - wie ja Freude und Leid immer erfassen, anstecken. Das gab einen innerste Geistesergreifung. Ein gehobener, starker, freudiger Gottesgeist erfüllte die Herzen der Jüngerschar. Die Freude des Herrn - Seine Freude wurde gefüllt in sie. Die Lichtstrahlen dieser erhabenen Freudenstunde werden gewiss ihre Wirkungen in den kommenden schweren Finsternisstunden getan haben. Diese erlebte Freude hat sie mit durchgetragen.

Dann aber trat ihnen im Gemeine-Gebet noch eine besondere Freudenmacht entgegen. Der Vater und der Sohn, und beide in Ihrer wunderbaren Einheitsliebe und Einheitsgemeinschaft, traten ihnen in solcher Wirklichkeit und Wahrheit entgegen, wie noch nie. Die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes war hier greifbar. In einer Lebenswirklichkeit stehen in diesem Gebete Vater und Sohn da, wie nie zuvor. Da war nicht der geringste Zweifel mehr, hier stand der aus den Ewigkeiten gekommene, ins Fleisch eingetretene Grund, frei wieder hinübergehende Sohn. In der Stunde des Gemeine-Gebetes fiel die letzte Hülle des Eingeborenen, und frei und hell erstrahlte aus dem Fleisch und durch das Fleisch hindurch - der Herr. In der Stunde des Gemeine-Gebetes, da fiel die Hülle von Zeit und Ewigkeit. Da trat im betenden Sohn der Vater hervor, da erfüllt sich voll und ganz das Wort: „Wer Mich sieht, der sieht den Vater.“ Welche heilige Geistesfreude musste der Jünger Herzen erfüllen bei solchem Erlebnis! Das war ein innerstes Geistes- und Herzenserlebnis. Das war etwas Unauslöschliches. Das war eine bleibende Freude. „M e i n e F r e u d e“, das ist die „F r e u d e an M i r“. Die Freude, in diesem Menschen Jesus den ewigen, Mensch gewordenen Gottessohn vor sich zu sehen, wurde „voll“, erfüllt während des Gemeine-Gebet. Und das wollte der Heiland. Das war Seines Herzens Zweckabsicht. War in größter Freudigkeit das Innere der Jünger wieder gewiss gemacht über den Sohn Gottes und über den Vater, dann hatten sie darin eine ewige Überwinderkraft für die kommenden schweren Stunden. Auch unser Herz erfüllt eine tiefe Freude, im Gemeine-Gebet, in majestätischer Größe den Sohn und den Vater und, beide in Ihrer wunderbaren Lebenseinhait zu sehen. Eine selige Gewissheit des Glaubens erfüllt uns, und die ist kräftig, auch durch schwere Stunden hindurchzutragen. Der ewige Gottessohn ist unser und in Ihm der Vater - wie sollte solche Klarheit nicht eine Freudenfülle schaffen?

Und zur Vertiefung dieser Freude spricht es der Herr ausdrücklich aus, Er rede solches in der Welt, damit ihre Freude voll werde. Indem der Heiland es nicht nur dem Geiste überlässt, diese in Ihm Selbst wohnende Freudigkeit in die Herzen der Jünger auszugießen, sondern es ausdrücklich im Gebet ausspricht - Er betet, damit diese Freude voll werden - erhebt Er die freudige Herzensstimmung der Jünger zum Selbstbewusstsein. Sie sollten nicht nur innerlich diese Freude stimmungsmäßig übernehmen, sie sollten sich klar bewusst werden, dass sie sich freuten, und worüber sie sich freuten. Dadurch wurde ihre Freude erst recht voll und nachhaltig. Und das ist so recht, was der Herr bezeichnet mit: „M e i n e F r e u d e“. Beim Herrn ist nichts nur stimmungsmäßig, da ist alles willensmäßig. Und eine klar bewusste, willensmäßige Freude brauchten die Jünger, wenn dieselbe sie durchtragen sollte durch die kommende Leidenstaufe. Der Heilige Geist gibt solche klare Bewusstseins- und Willensfreude, welche unter den widersprechenden Traurigkeitsumständen stichhält. Kinder Gottes haben in den tiefsten Traurigkeitsgängen einen innerlichen Freudigkeitsgrundzug. Diesen in die Herzen der Jünger hineinzusetzen, darum hat der Herr es ausgesprochen: „Ich rede solches in der Welt, auf dass Meine Freude in ihnen vollgefüllt werde“. Die Jünger sollten bei diesen Gebetsworten innerlich denken: Ja, ja wir freuen uns - Du bist der Sohn - und wir sehen in Dir und durch Dich den Vater.

Die Jünger brauchten für die kommenden Zeiten die Fülle solcher Freude. Der Stand aller Gläubigen ist ja ein schwerer in der Welt. Der Heiland trägt dem Vater diese Lage vor.

Lies weiter:
IV. Ich habe ihnen Dein Wort gegeben (Joh 17:14-26)