Organismus und Organisation

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Abschrift der Sammlung: Prophetische Traktate - Band 1
von Friedrich Malessa 1895-1981

Mit freundl. Genehmigung von Joh. Ullmann
Als Abschrift dort noch erhältlich.

Siehe weitere Abschriften

Siehe: Inhaltsverzeichnis Band 1
und: Inhaltsverzeichnis Band 2

20. Organismus und Organisation

Es ist notwendig zu wissen, dass die organischen und die organisatorischen Verhältnisse der Gemeinde Jesu Christi in ihren Grenzen bleiben müssen. Grenzüberschreitungen, mögen sie noch so harmlos sein, können zum größten Verhängnis werden. - Und wie oft ist das wahr geworden.

Wenn wir die unverfälschte Existenz der Gemeinde sehen wollen, dann müssen wir zur Urgemeinde gehen. Nur sie ist durch den Geist Gottes gewirkt und frei von allen menschlichen Machenschaften. Die Gemeinde aus der Zeit der Kirchengeschichte ist mit großer Vorsicht zu beurteilen. Nicht etwa, weil sie sich verändern kann, oder verändert hat. Das ist nicht möglich! Sie bleibt wie ihr Christus: Gestern, heute und derselbe in alle Ewigkeit“. Es kommt nur darauf an, wie man sie sieht und wo man sie sieht. Man kann nämlich - wenn man an ihre „Wandlung“ glaubt - das Unechte mit dem Echten verwechseln. Was wird nicht alles als Gemeinde Jesu Christi angesehen, das aber nur den Anschein hat.

Die Urgemeinde

Wie war es mit der Urgemeinde bestellt? „Die nun sein Wort gerne annahmen, ließen sich taufen; und es wurden hinzugetan an dem Tage bei dreitausend Seelen“ (Apg 2:41). Höre: Am Pfingsttage zu Jerusalem wurden die Gläubigen hinzugetan! Wo hinzugetan? „...zu der Gemeine“ (Apg 2:47). Was war das für eine Gemeine? Man nehme diese Frage nicht so leicht, denn diese Gemeine ist nach menschlichen Begriffen ganz undefinierbar. Wir wissen nur, dass sich da Menschen gefunden und vereinigt haben, die zu bezeugen wussten, dass sie mit dem Heiligen Geist erfüllt seien. Das ist alles!

Und doch erstand mit ihnen etwas völlig Neues. Alle bisherigen Unterschiede schwanden. Verschiedenheiten wie: „Mann und Weib, Knecht und Freier, Grieche und Jude“ existierten nicht mehr (Gal 3:28). Von Stund an waren sie eins in Christus! Denn sie sind alle durch einen Geist zu einem Leibe getauft (1Kor 12:13). Organismus im wahrsten Sinne des Wortes. - Von einer menschlichen Organisation kann hier keine Rede sein.

Die Frage: „Ist die Urgemeinde nicht eine Reichsgemeinde aus Israel“, kann hier umgangen werden. Auf alle Fälle handelt es sich um eine Herauswahl. Zudem ist die Gemeinde „erbaut auf den Grund der Apostel“ (Eph 2:20). Ob es die Ekklesia aus Israel, oder die Ekklesia aus den Heiden ist, immer ist es Ekklesia, die keine Machenschaften des Organisatorischen an sich hat, im Gegenteil, mit Leben und Lehre das organische Prinzip einwandfrei darstellt. Diese Menschen die aus der Vielheit des irdischen Lebens kamen - man lese Apg 2:8-11 - „blieben beständig in der Apostellehre, und in der Gemeinschaft, und im Brotbrechen und im Gebet“ (Apg 2:42). Über allen natürlichen Verschiedenheiten und Gegensätzlichkeiten hinweg, waren sie „ein Herz und eine Seele“ (Apg 4:23). Ihr geistliches Leben, sogar ihr natürliches Leben, erwies auf der ganzen Linie klare organische Lebensverhältnisse. „Sie hielten alle Dinge gemein“ (Apg 2:44).

Und wie war ihre Lehre - sagen wir ihr Glaubensbekenntnis - ausgerichtet? „Lasset uns rechtschaffen sein in der Liebe, und wachsen in allen Stücken zu dem, der das Haupt ist, Christus! Von welchem auch der ganze Leib zusammengefügt ist, und ein Glied am anderen hanget durch alle Gelenke, dadurch eins dem anderen Handreichung tut, nach dem Werk eines jeglichen Gliedes in seinem Maße, und machet, dass der Leib wächst zu seiner selbst Besserung; und das alles in der Liebe“. (Eph 4:15.16). Nicht nur Paulus hat solchen Lehrauftrag, sondern auch die anderen Apostel. Man denke nur an den Ausspruch des Petrus: „Zu welchem ihr kommen seid als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen, aber bei Gott ist er auserwählt und köstlich. Und auch ihr, als die lebendigen Steine, bauet euch zum geistlichen Hause und zum heiligen Priestertum, zu opfern geistliche Opfer, die Gott angenehm sind durch Jesum Christum“ (1Petr 2:4.5). Auch Petrus spricht von einem kompakten Körperschaftsverhältnis. Johannes hat sich die Worte Jesu gemerkt: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt, und ich in ihm, der bringt viel Frucht“ (Joh 15:5). Also Organismus in der ganzen Ur-Dogmatik.

Was ist ein Organismus?

Was muss aber unter dem organischen Verhältnis der Gemeinde grundsätzlich verstanden werden? „Und alles ordnet Er ihm unter, unter Seine Füße, und gibt ihn als Haupt über alles der herausgerufenen Gemeinde, die da ist sein Körper, die Vervollständigung des, der das All in allem vervollständigt“ (Eph 1:22.23). Hier ist klare Prinzipiendarstellung. Beachten wir: Die Ekklesia ist nicht wie ein Körper, sondern sie ist Sein Körper! Sie ist die Vervollständigung (Pläroma), die ihm der Vater vor Grundlegung der Welt zugedacht hat. Paulus weiß auch zu sagen, warum diese Vervollständigung des Christus sein muss: „...die Vervollständigung des, der das All in allem vervollständigt“. Damit ist angezeigt, dass zu allen Heilsvollführungen der Füllechristus vorhanden sein muss. Diese Füllevollführungen durch den Füllechristus (Haupt-Leib-Glieder) sieht Paulus so: „Wisset ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden?“ (1Kor 6:2.3). - Nach diesen paulinischen Aussagen darf also die Gemeinde nicht nur körperhaft, symbolisch oder idealistisch gesehen werden, sondern höchst real. Hier kann man nicht sagen, dass die Gemeinde eine Lebensbindung hat, wie man sie etwa an einem Körper feststellen kann, sondern sie ist Christi Körper! Er braucht diese absolute Körperschaft für die äonische Heilsvollführung.

Ist die heute sichtbare Gemeinde - es fragt sich nur was wir sehen - in dieser Verfassung? Nein! Woran liegt’s? Was hat die Urhaltung der Gemeinde verdorben? Die organisatorischen Machenschaften. Das organisatorische Vorhaben zerstört den Organismus. Stellen wir uns kurz diese Vorgänge vor.

Organisatorische Bestrebungen

Schon in der Urgemeinde ging der Kampf gegen die organische Haltung durch organisatorische Bestrebungen los. „Ich ermahne euch aber, liebe Brüder, durch den Namen unseres Herrn Jesu Christi, dass ihr allzumal einerlei Rede führet, und lasset nicht Spaltungen unter euch sein, sondern haltet fest aneinander in einem Sinne und in einerlei Meinung. Denn mir ist vorkommen, liebe Brüder, durch die aus Chloes Gesinde von euch, dass Zank unter euch sei. Ich sage aber davon, dass unter euch einer spricht: Ich bin paulinisch; andere sagen ich bin apollisch; der dritte: ich bin kephisch, der vierte: ich bin christisch. Wie? Ist Christus nun zertrennt? Ist denn Paulus für euch gekreuzigt worden? Oder seid ihr auf des Paulus Namen getauft?“ (1Kor 1:10-13). Entsetzlich! Diese ichbezogenen Machenschaften haben immer neue Christenkreise „organisiert“. Was der fromme Egoismus alles vermag. Dabei hat man ganz ernst und treu alles mit der „höheren Erkenntnis“ begründet. „So wie ich es verstehe, ist es allein richtig. Nein, wie ich es verstehe!“ So entstanden eine Menge neuer „Verstehenskreise“. Und wurde nicht vieles anders verstanden? Das Wort vom Kreuz war bald Klugheit und auch Torheit. Die Auferstehung Jesu Christi erschien dem einen als Grund des Heils, dem anderen als lächerliche Phantasie. Das „ewige Gesetz Gottes“ wurde zum Anlass tiefer Spaltungen.

Jüdische Zeremonie, Nationalfragen, Missionsfragen, Charismafragen, Apostolatsfragen, Dogmen, Ehtiken, und wieviel andere Dinge bewirkten neue Gruppen. Mit den Jahren kamen immer neue grundlegende „Heilswahrheiten“ auf: Sakramentalismus, Sakralismus, Hierarchie, zusätzliche Prophetie, alleiniges Erbe des Apostolats, alleiniger Geistesbesitz, „wir haben; wir allein, wir allein“ usw. Gründe, immer wieder neue Gründe als Triebmittel für das organisatorische „Gewächs“. Jede Andersartigkeit führte natur-notwendig zu immer neuen Kirchenbildungen. Alle diese organisatorischen Bestrebungen hatten aber nicht die zentrale, sondern die dezentrale Ausrichtung. Nicht zu Christus hin, sondern von Christus weg, hinein ins religiöse Menschentum, in die Religions-Vielfalt. Aus dem Christenstand wurde ein Religionsstand! Die Frage wurde bestimmend: „Welche Religion hast du?“

Eine weitere „allmächtige“ Organisationsserie ergab sich auf dem Gebiet der Säkularisierung. Die Gemeinde (Kirche) musste organisiert werden, um von den Weltmächten anerkannt zu werden. Oft auch, um unter den Schutz der Weltmacht zu gelangen. Nicht selten, um die Weltmacht zu erlangen. Die Macht beansprucht die Organisation; und die Organisation führt zur Macht. Dazu gehört nun eben das Zählen, die Zusammenfassung, die Verfassung. Da muss erschlossen und beschlossen werden, da muss eingestimmt und ausgestimmt werden, da muss gefügt und verfügt werden, ja da muss vieles getan werden. - Übrigens, diese Riesentätigkeit nennt man auch Leben. Reiche Organisation bringt reiches Leben. Wie großartig ist dann das Leben!

Die dritte Organisationsnotwendigkeit sei noch wenigstens angedeutet. Sie liegt auf den Gebiet der Mission und trägt den Namen Missionsaktivität. Die „innere“ und „äußere“ Mission hat eine Unmenge Gesellschaften, Vereine, Männergruppen, Frauengruppen, Mannschaften, Frauenschaften, Jungmannschaften, Scharen usw. Alles ist organisiert, auch autorisiert, hat eigene Befugnisse, Satzungen, Erlasse, Rechte, Pflichten, Zeit- und Raumerfordernisse usw.. Auch auf diesem Gebiet ist eine Organisation, die kaum zu übersehen ist. Und - das muss gesagt werden - sie ist auch nicht zu entbehren.

Weitere Organisationsgebiete könnten leicht aufgezählt werden. Es kommt aber bei dieser Abhandlung nicht darauf an, die Summe der Organisationen aufzuzählen, sondern auf ihre Nützlichkeit und Nutzlosigkeit aufmerksam zu machen. Bis dahin ist uns der Wert der Organisation, in Anbetracht des organischen Werdens der Gemeinde Jesu Christi, sehr nachteilig erschienen. Sollte man da nicht die ganze Organisation verdammen? Nein, denn sie ist tatsächlich nötig für den Bestand der Gemeinde. Irgendwie muss auch gezählt, gesammelt und beschlossen werden. Irgendwie muss man sich mit der Gemeinde befassen, und sie erfassen; und wenn es für eine Glaubenskonferenz ist. Schon da sind Merkmale der Organisation. Sie sind nicht nur für den Bestand, sondern auch für die Erbauung der Gemeinde nötig. Aber wehe, wenn sie der Auferbauung hinderlich sind. Die organisatorische Funktion muss begrenzt sein, d.h. sie muss in Grenzen bleiben. Die Grenze muss unbedingt beachtet werden. Wo ist sie? Wie heißt sie?

Begrenzung der Organisation

Paulus sieht die Begrenzung so: „Und hat etliche zu Aposteln gesetzt, etliche aber zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten und Lehrern, dass die Heiligen zugerichtet werden zum Werk des Dienstes, dadurch der Leib Christi erbauet werde“ (Eph 4:11.12). Wie heißt die Begrenzung? „Dadurch der Leib Christi erbauet werde!“ Alle organisatorischen Momente haben diesen Zweck. Organisation ist Mittel zum Zweck. Sobald sie aber der Auferbauung, oder der Einheit des Leibes Christi hinderlich ist, trägt sie Fluchwesen.

Schauen wir uns bitte die gesamte Kirchengeschichte diesbezüglich an. Sind da alle organisatorischen Regungen und Bewegungen ausgerichtet allein auf die Einheit des Leibes Jesu Christi?. Wer wagt hier Ja zu sagen? Haben wir nicht eine unsagbare Zerrissenheit innerhalb des Christentums gerade zufolge der buntscheckigen Organisationen? Kann man angesichts dieser Tatsache vom vorhandenen Leib Jesu Christi sprechen? Wo ist er denn? Jesus hat im Blick auf das Ende ein sehr ernstes Wort zu sagen: „Es werden viele an jenem Tage zu mir sagen: Herr, Herr, haben wir nicht... Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie erkannt; weichet alle von mir, ihr Übeltäter“ (Mt 7:22.23). Ob Jesus hier die “Organisationschristen“ meint? Das könnte sein. Fest steht jedenfalls, dass er die Glieder seines Leibes hier nicht meint. Die stehen unter dem gegenteiligen Spruch: „Kommet her ihr Gesegneten meines Vaters.“

Christen der Gemeinde Jesu Christi

Wo sind die Christen der Gemeinde Jesu Christi heute? Nicht zuerst in einer Organisation, sondern in Christus! Da ist ihre Begrenzung. Da ist ihre Behausung. Da ist ihre Lebensgestaltung und ihre Lebensverwaltung. Alles andere ist Beiwerk, das dem Grundsätzlichen nicht im Wege stehen darf. Ihre gesamte Ausrichtung steht unter der Devise: „...und wachsen in allen Stücken an dem, der das Haupt ist, Christus“ (Eph 4:15). Sie wachsen aber nicht nur zum Haupt hin, sondern auch vom Haupt her: „Von welchem aus der ganze Leib zusammengefügt ist, und ein Glied am anderen hanget durch alle Gelenke, dadurch eins dem anderen Handreichung tut nach dem Werk eines jeglichen Gliedes in seinem Maße, und machet, dass der Leib wächst zu seiner selbst Besserung; und das alles in der Liebe“ (Eph 4:16). Ist diese Gemeinde Jesu Christi heute da? Ja, aber nicht in der organisatorischen Zerrissenheit, sondern in der organischen Einheit. Diese Glieder des Leibes Christi mögen aus rein äußeren Gründen irgendeiner Organisation angehören. Aber nicht die menschliche Organisation ist ihre Lebensbindung, sondern der Organismus des Christus, der über den Organisationen steht, oder durch alle Organisationen geht. Ihre Mitgliedschaft und ihre Bruderschaft ist nicht organisatorisch, sondern organisch bedingt. Ihre Brüder sind die, die in Christus sind. Namen und Benennungen sind ihnen restlos untergeordnet.

Christus ist die Mitte des Heilsgeschehens. Christus ist die Mitte des Heilserlebens. Christus ist die Mitte des Heilsauslebens. Diese Mitte ist das Haupt. Zum Haupt gehört der Leib. Der Leib ist somit in der Lebens-Mitte. Alles, was nicht zu dieser Mitte strebt, gehört sonst wo hin, aber nicht zum Leibe Christi. Auch alle organisatorischen Kreise um diese Mitte haben nur dann eine Bedeutung, wenn sie zentral bedingt sind. Führen sie zur Mitte, dann haben sie eine Existenzberechtigung. Stören sie die Mitte, dann sind sie vom Verderben. Freilich hat diese Mitte ein sonderbares - um nicht zu sagen ein zweifelhaftes - Ansehen, weil sie so „gering“ ist. „Gäste und Fremdlinge“ bewohnen die Mitte. Die Atmosphäre in diesem Raum ist bedrückend; sie heißt Martyrium. Leidensmäßig war die Gemeinde Mitte im Anfang, leidensmäßig war sie im Fortgang, noch leidensmäßiger wird sie im Ende sein. Denn im Ende ist das Welt-Christentum im blendenden Glanz der Organisation. Wehe dann den Nichtorganisierten. Wehe denen, die den Präsidenten der Weltkirchenorganisation nicht „anbeten“. - Bist du ein Christ der Mitte? Bist du Glied am Leibe Christi? Hast du alle Brüder lieb? Oder gehörst du einem Religionskreis an, der die Mitte belächelt und bezweifelt? Füllt dich der Organisationsstolz aus - „nur wir“ -, oder die Liebe Jesu Christi? „An den Früchten sollt ihr sie erkennen."

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21. Lebensweise der Christen in der Endzeit