Gottes Zeiten 2

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Abschrift der Sammlung: Prophetische Traktate - Band 1
von Friedrich Malessa 1895-1981

Mit freundl. Genehmigung von Joh. Ullmann
Als Abschrift dort noch erhältlich.

Siehe weitere Abschriften

Inhaltsverzeichnis Band 1
Inhaltsverzeichnis Band 2

35. Gottes Zeiten 2

Im vorhergehenden Traktat haben wir den „Übergang der Ewigkeit in die Zeit“ behandelt. Hier soll uns das nächste Unterthema beschäftigen:

Die Urzeit

Ob wir diese Zeit ohne Unterteilung sehen müssen, sei dahingestellt. Wir wollen gestehen, dass wir nicht in der Lage sind, die Urzeit in ihrer Vielgestaltigkeit zu erkennen. Es kann auch da schon Epochen gegeben haben. Lassen wir darum das Ausmaß und die Mannigfaltigkeit der Urzeit offen. Wichtig ist es aber, jene Wesenszüge zu erkennen, die für die folgenden Zeiten von ausschlaggebender Bedeutung sind.

Klar sollte es uns sein, dass in der Urzeit von der Existenz der Menschen noch keine Rede sein kann. Die Erschaffung des Menschen erfolgte erst am „sechsten Tag“. Diese Epoche liegt sogar weit nach dem ersten Sündenfall. Die Zeit vor dem ersten Sündenfall (Urzeit) hat ein besonderes Gepräge, das für die weiteren Zeiten maßgebend ist. Das wollen wir uns jetzt kurz ansehen.

Aufklärend ist hierfür der bekannte Schöpfungsbericht des Paulus: „Welcher ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor allen Kreaturen. Denn durch ihm ist alles geschaffen, das im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Obrigkeiten; es ist alles durch ihn und zu ihm erschaffen“ (Kol 1:15.16).

Zunächst soll uns wichtig werden, dass mit dem Schöpfungsbericht eine Zweiteilung angezeigt ist: Himmel und Erde, Unsichtbares und Sichtbares. Das ist vielsagend. Man beachte die Tatsache: Zwei-Teilung! Wo die zwei Ergebnisse in die Erscheinung treten ist ein merkwürdiger Vorgang im Werden. - Das wird uns in den nächsten Abhandlung klar.

Blicken wir aber jetzt auf die wunderbare Mannigfaltigkeit der himmlischen und irdischen Kreaturen. Diese Mannigfaltigkeit zeigt die Erhabenheit des Schöpfers und der Geschöpfe. Unbegreifliche Weiten und unübersehbare Höhen sind da vorhanden.

Das Ziel der Schöpfung

Wahrscheinlich hatten die himmlischen Kreaturen den Vorrang. Die irdischen Kreaturen sind in zweiter Linie genannt und mögen im Gefolge sein. Damit wird der Vorsatz Gottes ersichtlich. Denn höre: Die Schöpfung ist „zu ihm“ erschaffen. ER steht mit seinem Planen und Walten nicht nur hinter der Schöpfung, sondern ER ist auch ihr Ziel. Der Schöpfer ist der Schöpfung Anfang und Ende.

Vermerkt sei nochmals, dass die mannigfaltige Urzeit mehrere Epochen gehabt haben kann. Himmlische und irdische Geschehnisse sind verschieden, die darum auch in verschiedenen Zeiten erstanden sein können. Wir heben diesen Umstand so stark hervor, weil er uns auf wichtige Dinge aufmerksam machen kann.

Ganz groß zu erkennen ist die Tatsache, dass in der Urzeit „Throne, Herrschaften, Fürstentümer, Obrigkeiten“ vorhanden sind. Nicht etwa haben sie sich allmählich herausgebildet oder irgendwie entwickelt, sondern sie sind da! Nicht evolutionsmäßig (entwicklungsmäßig), sondern schöpfungsmäßig war die Existenz der genannten Instanzen. Nicht nach eigener Wahl war die Gestaltung der „Herrschaften“, sondern nach dem absoluten Willen des Schöpfers.

Die Ur-Sünde

Wenn diese Obrigkeiten von Anfang an waren, und die Urzeit beherrschten, dann wird auch da schon der „Oberst“ gewesen sein. Obrigkeit ohne Oberst ist nicht denkbar. Wer war es? Diese Frage braucht nicht lange erörtert zu werden, weil viele Bibelstellen dafür eine klare Auskunft geben. „Wie bist du gefallen, du schöner Morgenstern (Luzifer). Wie bist du zur Erde gefället, der du die Heiden schwächest“ (Jes 14:12). „Denn so Gott die Engel, die gesündigt haben, nicht verschonet hat, sondern hat sie mit Ketten der Finsternis zur Hölle verstoßen und übergeben, dass sie zum Gericht behalten werden“ (2Petr 2:4). „Auch die Engel, die ihr Fürstentum nicht bewahrten, sondern verließen ihre Behausung, hat er behalten zum Gericht des großen Tages mit ewigen Banden der Finsternis“ (Jud 1:6). „Ihr seid von dem Vater, dem Teufel, und nach eures Vaters Lust wollt ihr tun. Derselbe ist ein Mörder von Anfang, und ist nicht gestanden in der Wahrheit“ (Joh 8:44). „Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel“ (Eph 6:12).

Diese Bibelstellen, die wir nach Belieben erweitern könnten, besagen zweierlei:

  1. Luzifer (Lichtträger) ist (mit einem großen Anhang) abgefallen. - Darüber im nächsten Traktat.
  2. Luzifer hatte vor dem Abfall eine herrliche Existenz. - Es sollte uns klar sein, dass alles, was abfällt, eine Vorfallsgeschichte hat. Erst nach dem Abfall ist aus dem Luzifer der Teufel, der Satan, der Diabolos, der Durcheinanderwerfer geworden. Vor dem Abfall war er der Licht-Fürst in vornehmster Weise.

Was wir also in der Urzeit bei dem Licht-Fürsten festzustellen haben, ist die ihm verliehene Souveränität (Oberhoheit). Er hatte zwar nicht das Vater-Sohn-Wesen. Er hatte nicht die Sohn-Würde, die nur im Zeugungs- und Geburtsverhältnis erstehen kann. Aber er hatte die absolute Wahl- und Bestimmungsfreiheit, die ein Geschöpf im höchsten Herrlichkeitsstand auszeichnet. Man beachte die Tatsache: Luzifer war nach dem Willen des Schöpfers völlig frei. Deutlicher gesagt: Frei wie der Schöpfer! Das ist ein unüberbietbarer Herrlichkeitsstand der Geschöpfe. Diesem Schöpfungswesen haftet kein Nachteil an. Zwar ist da eine Unterordnung festzustellen, und doch in der Unterordnung eine Höchstleistung!

Die schöpferischen Dienste Luzifers

Wir können nur wenig erahnen, in welchem tadellosen Verpflichtungsstand und in welchen erhabenen Diensten Luzifer sich befand. Wobei noch bedacht werden muss, dass er da nicht allein vorhanden war, sondern der Fürst der Fürsten und Obrigkeiten. Seine ganzen Dienste waren vom Schöpfer her auf die gesamte Schöpfung ausgerichtet. Schöpfer und Schöpfung standen durch die Vermittlung des Licht-Fürsten in einer schöpfungsmäßigen Lebensharmonie, die nicht zu beschreiben ist.

Bleiben wir bei der Feststellung: Luzifer war in „schöpferischen Diensten“. Nicht hatte er Schöpfungstaten zu vollführen, sondern innerhalb der Schöpfung schöpferische Tätigkeiten auszuüben. - Wir wollen den Begriff „schöpferische Dienste“ stehen lassen, weil damit gesagt werden soll, dass Luzifer nicht so alltägliche Verwaltungs- und Erhaltungsdienste innerhalb der Schöpfung hatte, sondern Dienste, die die Schöpfung als wahre Schöpfung immer neu gestalten sollten. Gottes Wille war, dass die Schöpfung sich nicht „abnutze“, nicht „ermüde“, nicht „veralte“, sondern in ihrer Ursprünglichkeit bestehen bleibe. In der Schöpfung liegt das Prinzip des Schöpfers, nämlich das Prinzip des steigenden Seins! Darum musste Luzifer die Fähigkeit haben, „schöpferische Dienste“ zu vollführen.

Wie sehen solche Dienste aus? Vielleicht können wir uns das mit einem Bild klarmachen. Stellen wir uns einen genialen Menschen vor, der „schöpferisch schafft“. Sein Schaffen ist nicht schablonenmäßig, nicht nur ein Nachahmen, ein Arbeiten nach Vorlagen, Unterlagen, Muster, Probeexempel usw. Das wäre auch ein Schaffen, aber ein Schaffen nach einer Kopie! Nein, sein Schaffen ist völlig neuartig, einzig, einmalig, genial! Das ist freilich keine absolute Schöpfung, weil die Elemente (Grundstoffe) da sind. Aber es ist ein schöpferisches Tun, ein Schaffen mit den vorhandenen Elementen zu immer neuer Gestaltung und zu immer neuer Beglückung.

So können wir uns die Dienste des Luzifer vorstellen. Die „Elemente“ hatte er in unübersehbarer Fülle vor sich und bei sich. Er hat sie immer wieder und immer neu zusammengestellt und formiert, um sein Licht-Fürstentum, seine Herrlichkeit, Verehrungen, Lobpreisungen usw. zu erweisen. Das waren die „schöpferischen Dienste“ des Luzifer. Darum hieß er Licht-Träger!

Du könntest fragen, warum wir den Luzifer der Urzeit in dieser übermäßigen Weise sehen wollen? Ist das nötig? Ich antworte: Diese Schau soll nicht unsere Spekulationslust fördern, sondern ganz nüchtern zu erkennen geben, was Luzifer in der Urzeit in Wahrheit war, was er in der Nachzeit dementsprechend sein konnte und - was er in der Endzeit zu sein vermag! Was denn? „Gott dieser Welt!“ Das ist die große Not, sonderlich in unserer Zeit, dass man den „Gott dieser Welt“ in seiner prinzipiellen Haltung weithin verkennt. Man schaut nur nach dem Teufel aus und weiß nicht, dass er auch als „Engel des Lichts“ auftreten kann (2Kor 11:14). Bitte: „Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herrn der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel“ (Eph 6:12). Darum: „Schaffet, dass ihr selig werdet mit Furcht und Zittern“ (Phil 2:12) „Wachet, steht im Glauben, seid männlich und seid stark“ (1Kor 16:13). „Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallet“ (Mk 14:38) - Darüber werden wir in den nächsten Traktaten noch zu sprechen haben.

Bleiben wir bei der Feststellung dass die Geschöpfe in der Urzeit mit Gottesgaben ausgestattet waren, die wir nicht hoch genug einschätzen können. Bleiben wir auch bei der Feststellung, dass Luzifer, der Fürst der Fürstentümer, Dienste zu vollführen hatte, die wir mit dem Begriff „schöpferische Dienste“ nur andeuten können. Luzifers Lebenshöhen in der Urzeit sind wahrhaftig unbeschreiblich.

Der Vorsatz Gottes

Freilich bestanden in der Urzeit auch noch „höhere Höhen“. Die höchsten Höhen sind nicht Schöpfungen, sondern Zeugungen und Geburten! Siehe Vater-Sohn! Diese Vater-Sohn-Lebenshöhen waren den Ur-Schöpfungen nicht eigen. - Das hat sich Gott vorsatzmäßig für spätere Zeiten vorbehalten.

Beachtet muss auch werden, dass die höchsten Geschehnisse, nämlich Zeugung und Geburt, einen anderen Werdegang haben. Höre: Werde-Gang! Dieser Werdegang heißt: Kindschaft-Sohnschaft-Erbschaft. Das ist Endzweck. Es kann auch gesagt werden: Das ist Anfang und Ende. Die Zeit der Kreaturen füllt die Mitte aus und ist Mittel zum Zweck. Die Kreaturen sind „dienstbare Geister“ (Hebr 1:14).

Die Erkenntnis der Urzeit kann uns Klarheit vermitteln für die weiteren Zeiten, die wir hier in dreifacher Weise noch andeuten wollen.

  1. Die Obrigkeiten und Untertanschaften der Urzeit sind im Zeichen des Vorsatzes Gottes. Vorsehungsmäßig war das ganze Schöpfungsgeschehen. Zunächst ist dabei zu beachten, dass Gott die Geschöpfe zu Diensten ersehen hat. Sie haben ihm dienen können in ihrer ursprünglichen Fähigkeit und Würdigkeit. Diese Dienste waren göttlich erhaben. Sie haben aber auch Dienstbestimmungen erhalten für die Verhältnisse in entgegengesetzter Art. Sollte sich ein „Fall“ ergeben, - und er begab sich - ins antigöttliche Wesen, dann sind die Kreaturen wiederum zu entsprechenden Diensten da. Diese Dienste können sogar sehr widerlich und gegensätzlich erscheinen, und doch bleiben sie Dienste. - Nach dem Sündenfall ist der Dienst des Teufels so widrig und so niedrig geworden, dass man den Begriff „Dienst“ als absurd ansehen möchte. Und doch sind es Dienste und werden verwandt zum „Lob seiner Gnadenherrlichkeit“. Man denke an das Geschehen von Golgatha. Was wäre geworden, wenn der Satan den Sohn Gottes nicht gekreuzigt hätte?
  2. Dass in der Urzeit schon himmlische und irdische Bereiche bestanden, ist kein Beweis der vorsatzmäßigen Zweckbestimmung auf der Erde. Die Erde wird zum Zentralpunkt aller Heilsoffenbarung. Folgender Werdegang ist ersichtlich: Die himmlischen Fürstentümer bilden den Anfang. Die irdischen Fürstentümer machen den Fortgang in der zentral-isierten Heilszielsetzung. Und dann - das wissen wir genau - werden die „Fürstentümer dieser Welt“ das End-Geschehen gestalten. - Das Heil, das durch das Unheil notwendig geworden ist, vollzieht sich zunächst auf dieser Erde. Erst in den späteren Zeiten auch in den Himmeln. In dieser Sicht wird uns auch der Schöpfungsbericht des Mose ganz wichtig: „Am Anfang schufen Gottheiten die Himmel und die Erde“. Die „Erde“ war als der Zentralpunkt des Heilsgeschehens vorgesehen, ersehen und versehen. Wie herrlich, dass der Schöpfer bei allen Erschaffungen die „Erde“ - mit dem Kreuz von Golgatha - so wunderbar in Rechnung gestellt hat. Wie bist du doch gesegnet, du fluchbeladene Erde!
  3. Schließlich wird die Kreatur zufolge ihres Falles, nicht immer ein Objekt der Verdammnis bleiben. Freilich ist sie in einer Verdammnis, die in ihrer Härte und Schwere nicht zu beschreiben ist. Was sagt uns aber die Bibel zu dieser Verdammnis? „Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet auf die Offenbarung der Kinder Gottes. Sintemal die Kreatur unterworfen ist der Eitelkeit ohne ihren Willen, sondern um des Willen, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung. Denn auch die Kreatur wird frei werden von dem Dienst des vergänglichen Wesens, zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass alle Kreatur sehnt sich mit uns, und ängstet sich noch immerdar“ (Röm 8:19-21).

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36. Gottes Zeiten 3