Aber der HERR steht mir bei! (2Tim 4:17)

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Von Daniel Muhl

🎤 Aber der HERR steht mir bei! - 2Tim 4:17 (D. Muhl)

Das bewegende Zeugnis des Paulus

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Drei Verse aus dem 2. Timotheusbrief möchte ich an den Anfang stellen Dazu lese ich aus der Übersetzung von H. Schumacher, die die Verse 16-18 aus dem 4. Kapitel:

  • 16 - Bei meiner ersten Verteidigung [vor Gericht] stand mir niemand zur Seite, sondern sie verließen mich alle; es möge ihnen nicht angerechnet werden!
    17 - Der Herr aber stand mir bei und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung in vollem Maße ausgerichtet würde und alle Nationen [sie] zu hören bekämen, und so wurde ich aus dem Rachen des Löwen errettet
    18 - Der Herr wird mich [auch künftig] vor jedem bösen Werk bewahren und [mich] hineinretten in sein himmlisches Königreich. Ihm [gebührt] die Ehre in die Zeitalter der Zeitalter hinein! Amen.

"Der Herr aber stand mir bei und gab mir Kraft!" schrieb der Apostel Paulus im letzten Kapitel seines letzten Briefes (2Tim 4:17). Diese Aussage machte er, nachdem er feststellen musste:

  • "niemand stand mir bei" und "alle verließen mich"! (2Tim 4:17)

Kein einziger Bruder wollte oder konnte ihm beistehen! Paulus war – menschlich gesehen – ganz allein! Er war nicht nur verlassen; er befand sich sogar im "Rachen des Löwen"!
Das war eine zutiefst frustrierende und aussichtslose Lage, die sich kein Mensch wünschen würde. In dieser tiefen Not und Einsamkeit erlebte Paulus das Wunder eines wahrhaftig göttlichen Beistands. Der König des Himmels war bei ihm und stand ihm bei! Der HERR gab dem Paulus eine innere Kraft (w. ein Innenvermögen), die ihn davor bewahrte, mutlos zu kapitulieren.

Das Erleben dieses wunderbaren Beistehens, war eine ganz besondere Erfahrung der Intimität mit dem Herrn Jesus! Es war ein Erlebnis, das Paulus heute bestimmt nicht missen möchte!

Bevor ich noch intensiver auf diese tiefe Begebenheit eingehen werde, möchte ich zuerst den Kontext beleuchten. Der biblische Kontext ist wie eine unverzichtbare Kulisse, die uns das Geschehen oder eine Aussage viel besser verstehen lässt!

Ein Überblick zum 4. Kapitel

Nr. Überschrift und Stelle Inhalt und Bemerkungen
1. Das Vermächtnis des Apostels Paulus (V. 1-18).
1.1 Anweisung, weiter das Wort zu verkündigen, denn der Weltenrichter wird kommen. Prophezeite Abkehr von der Wahrheit (V. 1-5). Überführen, zurechtweisen, ermahnen in Langmut. Gesunde Lehre wird nicht mehr ertragen (wegen Begierde wollen sie nur Gewünschtes hören). Kampf der Lehre und der Worte.
1.2 Paulus befindet sich "auf der Zielgeraden" und seine Gewissheit in Bezug auf den Siegeskranz der Gerechtigkeit (V. 6-8). Bevorstehendes Martyrium. Kampf, Lauf & bewahrter Glaube. Belohnung für ihn und alle, die Seine Erscheinung liebhaben.
1.3 Persönliche Anweisungen und Mitteilungen bezüglich einzelner Personen (V. 9-15). Komm schnell & bring Markus & die Schriften mit. Nur Lukas ist bei mir. Warnung vor Alexander dem Schmied.
1.4 "Von allen verlassen", aber der HERR stand mir bei und rettete mich. ER wird mich auch künftig retten (V. 16-18). Ohne menschlichen Beistand bei Gerichtsverhandlung. Durch Beistand des HERRN, kam Verkündigung zum Abschluss, damit sie alle hören. Aus dem "Rachen des Löwen" gerettet.
2. Gegrüßte und Grüßende. Gnadenzuspruch (V. 19-22). Trophimus blieb krank zurück. Bemühe dich, vor dem Winter zu kommen. Der HERR ist mit deinem Geist!

Der Hintergrund

Den zweiten Timotheusbrief könnte man als das Vermächtnis des Apostels an seinen geliebten geistlichen Sohn Timotheus bezeichnen. Das vierte Kapitel ist das Vermächtnis des Vermächtnisses, insbesondere die Verse 1-18! Timotheus wurde auch zu einem Hirten und Lehrer innerhalb der Gemeinde Gottes und das, obwohl er sich noch in einem Alter befand, wo die jugendlichen Begierden eine Gefahr für ihn darstellten (2Tim 2:22). Aus dem, was ich über Timotheus weiß, habe ich den Eindruck, dass dieser kostbare Bruder vmtl. eher zurückhaltend, feinfühlig, "hochsensibel" und vielleicht auch etwas "harmoniebedürftig" war. Paulus musste ihn mit unterschiedlichen Worten ermutigen. Durch sein "junges Alter", bestand die Gefahr, dass er sich einschüchtern ließ und sich zurückzog. Paulus erinnerte ihn daran, dass Gott uns keinen Geist der Verzagtheit, bzw. Feigheit gegeben hat (2Tim 1:7)!
In seinem letzten Kapitel, motiviert Paulus seinen geistlichen Sohn, weiterhin das Wort zu verkündigen, obwohl immer mehr Leute die gesunde Lehre nicht mehr ertragen wollen, weil sie von ihren Begierden gesteuert sind und nur noch auf die Lehrer hören, die ihnen nach dem Mund reden, bzw. in den "Ohren kitzeln".

Je größer der Widerstand gegen das Wort Gottes ist, desto mehr besteht die Gefahr, sich einschüchtern zu lassen und sich für das Wort Gottes zu schämen. So kann es geschehen, dass wir vor lauter Verzagtheit und Feigheit schweigen und keinen Mut mehr haben, das Evangelium zu bezeugen.
Manchmal entdecke ich diese Feigheit auch bei mir und dann ist es wichtig, dass ich auf meinen wiederkommenden HERRN schaue, der bei Seiner Erscheinung Lebende und Tote richten wird (2Tim 4:1)! In meinem Leben gibt es auch immer wieder Phasen, wo ich vielleicht nicht so motiviert bin, das Wort Gottes zu predigen und deshalb ermahnt Paulus auch mich, sowohl zu gelegener als auch zu ungelegener Zeit bereit zu stehen, um das Evangelium zu bezeugen! Wir alle sollten uns in einer ständigen Bereitschaft befinden, Zeugnis zu geben, gerade auch dann, wenn es für uns persönlich ungelegen kommt!

Timotheus sollte nicht aufhören, zu überführen, zurechtzuweisen und in aller Langmut zu ermahnen und zu lehren (2Tim 4:2). Gleichzeitig ermahnte ihn Paulus auch, nüchtern zu sein und aus einer Leidensbereitschaft das Werk eines Evangelisten zu tun (2Tim 4:5). Als Begründung, für die Bereitschaft zu leiden, weist Paulus auf sein baldiges Martyrium hin. Mit anderen Worten:

"Lass dich nicht entmutigen, wenn du wegen des Evangeliums leiden musst, da auch ich als (Trank-)Opfer ausgegossen werde und somit ebenfalls leiden muss!"

Rückblickend auf sein Leben stellt Paulus dann auch fest:

  1. "Ich habe den guten Kampf gekämpft". Ein Kampf mit der Waffenrüstung Gottes gegen die Mächte der Bosheit (Eph 6:11ff), welche die gute Botschaft Gottes verunglimpfen und als nichtssagende Illusion in die Bedeutungslosigkeit verbannen wollen. Mit der Waffenrüstung Gottes kämpfte Paulus gegen geistliche Bollwerke und Vernunftschlüsse, die sich gegen die Erkenntnis Gottes erheben, indem er diese Gedanken, unter den Gehorsam Jesu Christi, gefangen nahm (2Kor 10:4-6).
  2. "Ich habe den Lauf vollendet". Mit dem Bild eines (Marathon-)Läufers möchte Paulus auf die Ausdauer hinweisen, die ihm durch die Gnade Gottes geschenkt wurde. Der Läufer ist auch einer, der sich ganz auf das Ziel fokussiert und der unermüdlich, bzw. ausdauernd das Ziel und somit den Sieg vor Augen hat! Der Marathonläufer trainiert auch regelmäßig und verzichtet dabei auch oft auf das Gefühl des Wohlseins.
  3. "Ich habe den Glauben bewahrt". Man könnte auch übersetzen: "Ich habe das Vertrauen (auf den HERRN) gehütet". Paulus wurde mit so vielen "unmöglichen" und schweren Dingen konfrontiert, dass – menschlich gesehen – die Gefahr groß war, das Vertrauen auf den HERRN zu verlieren, so wie das z. B. bei Demas der Fall war! Aber er hat am Vertrauen festgehalten, weil er fest damit rechnete, dass Gott ihm alle Dinge zum Guten zusammenwirken lässt (Röm 8:28).

Die "Leidensbereitschaft" und das Festhalten am Vertrauen lohnt sich, weil dies eine unfassbare Herrlichkeit zur Folge hat! Denken wir an den Siegeskranz (o. die Krone) der Gerechtigkeit für alle, die das Erscheinen Jesu liebgewonnen haben oder an die Mitverherrlichung derer, die aus Liebe zu Jesus mitgelitten haben (Röm 8:17).
Wir dürfen uns auch daran erinnern, dass die Leiden der jetzigen Zeit, nicht wert sind, verglichen zu werden mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll (Röm 8:18). Wer das glaubt und am Vertrauen auf den HERRN festhält, kann auch seine Leidensbereitschaft festigen.

Immer dann, wenn ich solche Dinge schreibe oder predige, überfällt mich ein Zittern, weil ich mich selbst total unfähig fühle, solche Leiden ertragen zu können; nicht zuletzt deshalb, weil ich die Verfolgung nur vom Hörensagen kenne. Gleichzeitig möchte ich darauf vertrauen, dass, wenn auch die Christen hierzulande verfolgt werden, wir von unserem gnädigen HERRN eine so große Kraft und Freude im Heiligen Geist erhalten, sodass auch wir das ertragen können.

Der verlassene Apostel

Nebst dem Hinweis auf die Leiden und der Ankündigung des Martyriums, beschreibt Paulus auch seine "große Verlassenheit"! Wenn man bedenkt, wie vielen Menschen Paulus gedient hat und wie er sich mit einer großen Hingabe um die Christen in halb Europa und dem damaligen Asien (heutige Türkei) gekümmert hat, dann ist es irgendwie eine große Ernüchterung, wenn er schreibt, dass etliche Brüder ihn verlassen haben und er bei seiner ersten Verteidigung ganz allein war.
Warum war Paulus zu diesem Zeitpunkt "von allen verlassen"? Waren alle untreu und hatten alle Angst, dem Paulus beizustehen? Untreue oder Angst dürften bei einigen vorhanden gewesen sein, aber ich bezweifle, dass dies auf alle zugetroffen hat. Wahrscheinlich gab es auch solche, die einfach verhindert waren und dem Apostel deshalb nicht beistehen konnten. Aus diesem Kapitel wird auch deutlich, wie Paulus selbst den Tychikus nach Ephesus sandte und Titus sah vmtl. seinen Auftrag in Dalmatien (V. 10). Er hat Paulus wohl kaum aus Angst verlassen.
Demas wird hier als ein trauriges Beispiel erwähnt. Ihm konnte man Untreue vorwerfen, indem er die Welt, bzw. diesen Kosmos, wieder liebgewonnen hatte!
Warum erzählte Paulus dies alles? Es mag viele Gründe geben, warum Paulus die "Ursachen" seiner Verlassenheit aufgelistet hat. Einige davon möchte ich an dieser Stelle erwähnen!

  1. Wenn wir noch einmal an den Anfang dieses Kapitels zurückgehen, dann sehen wir, wie Paulus "sein Kind" ermutigt, unerschrocken das Evangelium zu verkünden. Er zeigt ihm auf, dass dieser Dienst mit Leiden, Kampf und Ausdauer verbunden ist. An dieser Stelle will Paulus dem Timotheus auch bewusst machen, dass es trotz diesem wertvollen Liebesdienst dazu kommen kann, plötzlich von allen verlassen zu sein. Es versteht sich von selbst, dass man in einer solchen Situation auch angefochten werden kann und der Satan z. B. Folgendes einflüstert:
    "Du hast dich zu wenig gut um deine Brüder und Schwestern gekümmert! Darum steht dir jetzt auch niemand bei! Wäre dein Dienst geistgeleitet gewesen, dann wärst du jetzt bestimmt nicht allein und es würden dir jetzt dutzende Brüder beistehen!"
    Paulus machte mit seiner Aussage klar: "Rechne auch mit der Möglichkeit, von allen verlassen zu werden und lass dich dann nicht von solchen Anfechtungen entmutigen, denn auch unser HERR stand ganz alleine vor Pilatus!"
  2. "Verlasse dich nicht auf Menschen und auf deine vielen Beziehungen, die du aufgebaut hast! Vertraue einzig und allein auf unseren Herrn Jesus Christus!"
    Möglicherweise haben wir auch ein großes Beziehungsnetz aufgebaut und wenn wir es mit Liebe aufgebaut haben, dann ist das sehr gut; aber wir sollten unser Vertrauen nie auf unser Beziehungsnetz setzen! Auch wenn ich eine große Familie habe und Gott mir viele Freundschaften geschenkt hat, kann jederzeit der Tag kommen, wo ich von allen Menschen verlassen bin!
    Während des Lockdowns gab es alte Menschen, die sehr gut vernetzt waren und auch viele wertvolle Liebesbeziehungen in ihrem Leben aufgebaut hatten, die dann aber plötzlich ganz allein waren, weil sie gar niemand mehr besuchen durfte.
  3. Der wohl wichtigste Grund, warum Paulus von seiner Verlassenheit berichtet, dürfte folgender sein: "Egal was passiert und ganz egal wie einsam du dich fühlst; du darfst wissen, dass der HERR dir immer beisteht und Er dich gar nie verlässt! Das dürfen sich auch alle einsamen, verfolgten sowie gefangenen Geschwister immer wieder in Erinnerung rufen.

Paulus war nicht nur von allen verlassen; er befand sich auch "im Rachen des Löwen"! Er befand sich vmtl. in einer Gerichtsverhandlung, bei der es aus menschlicher Sicht ganz düster aussah. Einige meinen, es handelt sich hier um eine direkte Begegnung mit dem Kaiser Nero, da sich Paulus auf den Kaiser berief. Ganz allein vor einem solchen Kaiser zu stehen, fühlt sich tatsächlich wie im Rachen des Löwen an! Wenn ich mir vorstelle, ich würde heute als gefangener Christ dem nordkoreanischen Diktator vorgeführt, dann würde ich mich ebenso fühlen.
Aber es wäre auch denkbar, dass Paulus vor einem hohen, brutalen römischen Richter stand und er da mit dem Schlimmsten rechnen musste. Dass Paulus mit dieser Aussage einen Kampf mit einem buchstäblichen Löwen meinte, halte ich für ziemlich unwahrscheinlich, weil der Ausdruck "im Rachen des Löwen" eher an den "brüllenden Löwen" aus 1Petr 5:8 erinnert. Petrus meinte damit den Diabolos, bzw. den Satan, der uns Gläubige mit allen möglichen Mitteln einschüchtern und verschlingen will!

Als sich Paulus in größter Gefahr befand, erlebte er das Wunder der Stärkung durch seinen HERRN! Wörtlich könnte man hier auch übersetzen:

  • "Der HERR ... gab mir das (notwendige) innere Vermögen, damit die Verkündigung vollbracht (o. völlig getragen) und von allen Nationen gehört wurde!"

Wir können davon ausgehen, dass Paulus in dieser Situation vor einer mächtigen und berüchtigten Person stand, die auch noch von etlichen anderen Leuten umgeben war und die genau zuhörten, was der "Richter" und Paulus sprachen.
Stellen wir uns noch einmal vor, ich befände mich vor dem nordkoreanischen Diktator, von dem bekannt ist, dass er die Christen bis aufs Blut verfolgen und quälen lässt. Er ist umgeben von Generälen, Polizisten, Richtern und Geheimdienstleuten. Also viele Menschen – die genau wissen, was der Diktator in Bezug auf die Christen veranlasst hat – hören zu, wie er mit mir spricht und mich verhört. Sollte ich in dieser Situation, vor versammelter Truppe, ganz klar das Evangelium verkündigen, dann wäre es aus menschlicher Sicht klar, dass der Diktator mich aufs Härteste verurteilen müsste, da er sonst, vor der versammelten Gesellschaft "sein Gesicht verlieren würde".
Wer sich in einer solchen Extremsituation befindet, braucht unglaublich viel Mut und vor allem, die vom HERRN geschenkte Kraft, um vor solchen Leuten, ganz allein, das Evangelium zu verkündigen! Da befindet man sich absolut "im Rachen des Löwen" und aus menschlicher Sicht ist man chancenlos! So ähnlich stelle ich mir die Situation von Paulus vor! Er war allein und stand ziemlich sicher vor mehreren Leuten, die eine absolute "Hassstimmung" hätten erzeugen können! Bei Jesus rief die Menge "Kreuzige ihn!". Vielleicht rechnete Paulus an dieser Stelle mit etwas Ähnlichem!
Trotz dieser düsteren Aussicht, verkündigte Paulus allen Anwesenden das Evangelium und der HERR erwies sich einmal mehr als ein mächtiger Erretter!

Liebe Geschwister, ich glaube, dass vmtl. jeder Gläubige in seinem Leben mindestens einmal in eine Situation kommt, wo er sich von allen verlassen fühlt! Das kann in einer Krankheitszeit sein, wo man plötzlich realisiert, dass weder die Mitmenschen noch die Ärzte oder irgendwelche Medikamente mehr helfen können. Es kann sein, dass man sich in einer Situation befindet, wo man sich von gar niemandem verstanden fühlt oder dass man sich für etwas verantworten muss, wo kein Beistand in Sicht ist. Manche befinden sich an einem Ort, wo sie niemanden erreichen können! Manche fallen um und brechen sich ein Bein und können über längere Zeit keine Hilfe anfordern. Die MS-kranke und gelähmte Frau meines Schwagers wurde liebevoll von meinem Schwager gepflegt und eines Tages hatte er einen Hirnschlag und fiel ins Koma. Seine Frau saß 2 Tage im Rollstuhl, weil sie in ihrem Zustand mit niemandem telefonieren konnte und nur durch eine aufmerksame Nachbarin konnte die Polizei dann die Türe aufbrechen und sie vor dem sicheren Tod retten. Andere haben schon seit Monaten keinen Besuch mehr erhalten und fühlen sich deshalb von allen verlassen. Ja, man könnte diese Liste um viele Beispiele erweitern, aber ich möchte zur nächsten wichtigen Frage kommen:

Warum lässt der HERR solche Verlassenheit zu?

Das Gefühl der totalen Verlassenheit gehört mitunter zu den schwersten Nöten unseres Lebens; nicht zuletzt auch deshalb, weil sie häufig mit Angst, Ohnmacht und einer großen Hilflosigkeit verbunden ist. Viele verlieren den Mut und neigen dann auch zu einer Depression.
Der Wunsch, als Eremit zu leben, ist nicht ganz das Gleiche und eher selten. Auch wenn das zeitweise Alleinsein sehr wertvoll ist, so ist der Mensch doch grundsätzlich für die Gemeinschaft geschaffen.
Die Sehnsucht nach Gemeinschaft ist von Gott in uns Menschen hineingelegt. Einsiedler haben häufig die Sehnsucht, in eine ganz besondere Gemeinschaft mit Gott zu gelangen.
Aber warum führt uns Gott manchmal nicht nur in das wohltuende Alleinsein, sondern auch in eine Verlassenheit, die wir uns gar nicht wünschen?

Auch hier gibt es mehrere Aspekte:

  1. Wie viele andere Leiden auch, so ist die Verlassenheit eine ganz besondere Form des Leidens. Aus dem Wort Gottes wissen wir, dass die Leiden eine Saat bilden, die uns Herrlichkeit ernten lässt! Wer eine große Verlassenheit erleiden musste, wird sich beim HERRN über eine nie dagewesene Liebesgemeinschaft erfreuen dürfen, die alles andere in den Schatten stellt!
  2. Manchmal führt uns der HERR in eine Verlassenheit, damit wir uns von dem Vertrauen auf Menschen lösen können. Vermutlich vertrauen wir Gläubigen mehr auf die Menschen oder auf menschliche Institutionen, als uns bewusst ist. Der gefangene Christ in Nordkorea hat wohl kaum einen Menschen, auf den er sein Vertrauen setzen könnte. Das Gefühl, nur vom HERRN abhängig zu sein, gefällt uns normalerweise nicht, aber es ist die ultimative Möglichkeit, enorm im Glauben, bzw. im Vertrauen auf den HERRN, zu wachsen. Gerade in diesem Prozess – den ich selbst noch zu wenig kenne – nähern wir uns auch der Vollendung im Glauben!
  3. Wenn wir von Menschen verlassen sind, dürfen wir die Nähe unseres HERRN auf eine ganz neue Art und Weise erleben. Das Beistehen des HERRN in der Verlassenheit wird zu einer neuen Erfahrung, die man danach nicht mehr missen möchte. Hier tröstet uns der himmlische Vater mit Seinem Trost, der alle unsere Erwartungen übertrifft (2Kor 1:3-4)! In dieser Situation dürfen wir die Erfahrung machen, die so mancher Liederdichter auch machen durfte.
    Nachdem Asaf die Gottlosen in ihrem Wohlstand beneidet hatte, schrieb er in Ps 73:25::
    "Wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde."

    Cary Buraty und Albert Frey dichteten:
    "Jesus, du allein bist genug, du bist alles für mich."

    Oder Benjamin Schmolk dichtete die Verse:
    Ach wenn ich dich, mein Gott, nur habe,
    frag´ ich nach Erd und Himmel nicht;
    nichts ist, was meine Seele labe,
    als du, mein Gott, mein Trost und Licht!
    Rühmt sich die Welt mit ihrer Lust,
    ohn´ dich ist mir kein Trost bewusst.

Der HERR rettet, trotz bevorstehendem Martyrium

Nachdem Paulus bezeugen durfte, wie wunderbar der HERR ihm beigestanden ist, schrieb er weiter:

  • HSN 2Tim 4:18 - Der Herr wird mich [auch künftig] vor jedem bösen Werk bewahren und [mich] hineinretten in sein himmlisches Königreich. Ihm [gebührt] die Ehre in die Zeitalter der Zeitalter hinein! Amen.

Die Gewissheit des Apostels Paulus, dass der HERR ihn in das himmlische Reich hineinretten wird, bedeutete für ihn nicht, dass er nicht sterben musste oder dass er vor Leid bewahrt bleiben würde, sondern er hatte die wunderbare Gewissheit, dass der HERR ihm, in allen Situationen beistehen wird. Die "bösen Werke" des Teufels, geschehen immer mit der Absicht, die Glaubenden zu Fall zu bringen! Die Bewahrung vor jedem bösen Werk bedeutet nicht, dass ein Christ nicht auch unter der Verfolgung leiden kann, sondern es bedeutet, dass die Absicht des Bösen, den Gläubigen zu Fall zu bringen, nicht geschehen wird! Paulus wusste, dass er das Martyrium erleiden wird, aber er hatte das tiefe Vertrauen, dass der HERR ihn durchtragen und seinen Geist und seine Seele in das Himmelreich hineinretten wird! Er war überzeugt, dass Jesus seinen Glauben auch im Martyrium bewahren wird und er das himmlische Ziel erreichen konnte! Paulus vertraute darauf, dass der HERR ihm auch künftig – bis zu seinem letzten Atemzug und darüber hinaus – beistehen wird!

Die drei Freunde Daniels standen vor dem Feuerofen und wussten noch nicht, ob sie einen Verbrennungstod erleiden würden, aber eines war klar; sie wollten nur den einen wahren Gott anbeten und Ihm vertrauen, Ihm, dem alle Dinge möglich sind! Sie wussten, dass ihr Gott sie vor dem Feuertod retten kann und wenn Er es nicht tun würde, dann würde Er ihnen beistehen, sodass sie diesen körperlichen Tod ertragen können. Die Freunde Daniels rechneten nicht unbedingt mit einer Errettung ihres Leibes, aber sie rechneten damit, dass Gott ihren Geist und ihre Seele in das Königreich Gottes hineinretten würde! Wir wissen, dass die drei Männer damals buchstäblich aus dem Feuer gerettet wurden, weil der HERR ihnen im Feuerofen beistand! Wir dürfen auch wissen, dass der HERR all' denen beisteht, die um Seines Namens Willen sterben. Das zeigt uns auch das Sterben des Stephanus! Er durfte bereits den Herrn Jesus zur Rechten Gottes stehen sehen und das war ein außerordentlicher Beistand! Gut möglich, dass Paulus – beim Schreiben dieser Zeilen – sowohl das Sterben des Stephanus als auch die Geschichte der Freunde Daniels vor Augen hatte, als er seine letzten biblischen Sätze zu Papier brachte!

Ich möchte mit einem Zitat von Hans Peter Royer schließen:

"Ich habe heute einen Fürsprecher, einen Verteidiger, einen Beistand im Himmel, meinen Herrn Jesus Christus. Auf ihn und auf ihn allein werde ich mich berufen, wenn ich einmal vor Gott, dem Richter, stehe."

Diese ganz große Gewissheit wünsche ich allen von ganzem Herzen!


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