Auch Nichtisraeliten erhalten Zugang zu Gottes Heiligtum - Jes 56:1-12

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aus HSA: Verkündiger von Gericht und Heil nach Jesaja (40-66) Bd.2


Auch Nichtisraeliten erhalten Zugang zu Gottes Heiligtum - Jes 56:1-12

Manche Kommentatoren behaupten, ab Jes 56 melde sich ein anderer Verfasser zur Wort, ein "Tritojesaja" oder irgendein frommer, gesetzestreuer Schreiber, etwa zwischen 500 und 460 v.Ch. Die völlig neue Thematik beweise es zur Genüge. - Doch wer dies behauptet, hat nicht bedacht, dass Jesaja von Anfang an die Themen rasch wechselt: Gegenwart - Zukunft - Gegenwart, Anklage - Verheißung - Mahnung; dies zeigen schon die allersten Kapitel dieses Prophetenbuches.

Delitzsch verbindet die Thematik des 56 Kapitels mit den Heilsangeboten und Verheißungen der vorhergehenden Kapitel, indem er sagt: "Je näher von Jahwes Seite die volle Verwirklichung dessen ist, was er verheißen, umso treuer soll Israels sein in dem, wozu das Verhältnis zu Jahwe es verpflichtet." Über allen "evangelischen" und "evangelistischen" Tönen bei Jesaja darf ja nicht vergessen werden, dass sich Israel damals unter Gesetz befand. Zwar konnte der Tempeldienst im Exil nicht wie in Jerusalem durchgeführt werden; umso wichtiger wurde die genaue Beobachtung der Sabbatgebote (Jes 56:2.4.6).

Doch es wird in unserm Text nicht nur die Gesetzestreue angemahnt - die ja nach der Rückkehr aus dem Exil tatsächlich ganz neu ernst genommen wurde, wie es aus dem Buch Esra hervorgeht -, es werden "Schranken des Gesetzes durchbrochen" (Delitzsch). "das bisherige Gottesrecht wird fortgeschrieben" (Schneider). Proselyten, also Heiden, die sich dem Gott Israels angeschlossen haben, um ihm zu dienen und ihn zu lieben, sollen nicht in Babel bleiben müssen; Jahwe will sie mit seinem Volk zu seinem heiligen Berge bringen, wo sich ein neuer Tempel erheben soll als "Bethaus für alle Välker". Und Angehörige Israels, die von den Babyloniern zu "Verschnittenen" (Eunuchen) gemacht worden waren und somit unfähig waren, Nachkommen zu zeugen, müssen nicht mehr gemäß 5Mo 23:2 von der Gemeinde Israels ausgeschlossen bleiben - sie erhlaten im neuen Heiligtum "Platz und Namen" (hebr. jad-wa-schem), d.h. wohl: Anteil und ehrendes Gedenken.

Jahwe will darüber hinaus die Versprengten Israels sammeln und - so lautet die vielsagende Fortsetzung - "zu seinem Gesammelten noch mehr hinzusammeln". Was bedeutet das konkret? - Zunächst dies: Von den 721 v.Chr. von den Assyrern verschleppten Angehörigen des Nordreichs Israels blieb ein Teil dem Gott Israels treu und passte sich nicht durch Assimilation der heidnischen Weltmacht an; etwa 150 Jahre später gelang es ihnen, sich mit den Vebannten aus Juda zu vereinigen. (Nach Abba Eban: Dies ist mein Volk, Droemer Verlag 1970) - Doch Gottes Sammlungsbewegung geht noch weiter, wie folgende Stellen es erkennen lassen: Joh 10:16 - Offb 7 - Mt 24:31.

Trotz des ernsten Loses im babylonischen Exil waren die Repräsentanten des verschleppten Volkes, wie die Verse Jes 56:9-12 zeigen, keine geheiltigen und vorbildlichen Männer. Der Text vergleicht sie mit blinden Spähern, stummen Hunden, untreuen Hirten, die nicht die Herde, sondern sich selbst weiden (Genuss und Gewinn und Rausch suchen). "Sie taten nichts, um das Volk vor dem Untergang im Heidentum zu bewahren, welchen das Volk des assyrischen Exils wirklich erlitten hat." Und so ergeht "der Aufruf an die Weltvölker: Kommt nur herbei, ihr könnt ungestört fressen, so viel euch gelüstet" (Delitzsch). - Dies ist aber nur die eine Seite der damaligen Lage Israels. Trotz aller Klagen Jahwes über sein Volk, die wir auch in Jes 40-66 immer wieder hören (Jes 42:18-20 - Jes 43:22-28 - Jes 59:1-8 u.a.), überstrahlt doch alles andere die Botschaft des Heils: Gott vergibt die Sünde, hält in seiner Treue an der Erwählung Israels fest, führt Israels in die Heimat zurück und schenkt einen neuen Anfang.